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  • · Fachbeitrag · Vermeidung subjektiver Planzahlen

    Unternehmensplanung mit „doppeltem“ Boden

    von Dr. Karl-Heinz Prieß, Münster

    | Die Ermittlung des Mindestgewinns hilft, subjektive und meist optimistische Planzahlen von Businessplänen oder der Finanzplanung zu relativieren. Gleichzeitig kann dieses Instrument in der Unternehmensberatung für KMU oder der Existenzgründungsberatung eingesetzt werden. |

    1. Klassische Ziele der Unternehmensplanung

    Ergebnisse der Unternehmensplanung sind - neben den Teilplänen für Produktion, Marketing, Personal etc. - im Wesentlichen die Plan-GuV, Plan-Bilanz und Plan-Kapitalflussrechnung. Damit ist die Finanzplanung Kern der Unternehmensplanung.

     

    Finanzplanung ist die Planung und Budgetierung künftiger Zahlungsströme. Ziel ist es, vorausschauend notwendige Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Zahlungsbereitschaft und Investitionstätigkeit einzuleiten (vgl. Staroßom, 2013, S. 38). Finanzplanung baut auf Planungsannahmen auf, die zu optimistisch oder pessimistisch sein können. In jedem Falle unterliegen Planungsmaßnahmen subjektiven Vorstellungen über die Entwicklung verschiedener Parameter wie der Entwicklung des Absatzmarktes, der Einschätzung der Konjunkturentwicklung etc. Aus der verhaltenswissenschaftlichen Wirtschaftsforschung ist bekannt, dass Unternehmen ihre Unternehmens- und Finanzziele unter negativen gesamtwirtschaftlichen Bedingungen zu pessimistisch planen, auf konjunkturellen Höhepunkten jedoch zu optimistisch.

    2. Theorie des Mindestgewinns

    Helmut Kochs betriebswirtschaftliche Theorie verlässt den klassischen Ansatz der Planungstheorie in der Betriebswirtschaftslehre (vgl. Gutenberg 1989, S. 180 ff.) und geht von den subjektiven Vorstellungen der Unternehmensleitung aus (vgl. Koch, 1996, S. 1). Es werden mehr oder minder rationale Willensentscheidungen - unter Unsicherheit über die zukünftigen Rahmen- und Marktbedingungen - getroffen. Daraus resultiert ganz wesentlich ein Risiko der Unternehmensplanung: das Risiko der Gefahr der Unterschreitung des erwarteten Gewinns.

     

    Koch hat bereits in seiner Theorie der Unternehmensplanung darauf hingewiesen, dass es in der Unternehmensführung grundsätzlich unbeständige Zielvorstellungen gibt: „Dabei wird mal das eine, mal das andere Ziel vorrangig verfolgt“ (Koch, 1977, S. 23). Zusätzlich zu dieser variablen Handhabung von Haupt- und Nebenzielen stellt er fest, dass das Risiko zu geringer Planungselastizität bestehe. Dies führe bereits bei geringen Störungen zu einem umfassenden Bedarf der Planänderungen (Koch, 1977, S. 32).

     

    Grund für Planungsänderungen sind in den meisten Fällen externe Ursachen. Koch konstatiert nun, dass sich das Risiko der Planungsänderung vermeiden lasse, wenn nicht nur Gewinnmaximierungsziele der Planung zugrunde liegen, sondern wenn die Unternehmensleitung, entgegen der „Konvention“, die Mindestgewinn-Bedingung, die bei Eintritt unerwarteter Situationen nicht unterschritten werden darf, planerisch umsetzt (Koch, 1996, S. 15).

    Der Gedanke, das Risiko zu begrenzen, anstatt dieses durch unrealistische Absatz- und Gewinnplanung zu kompensieren - wie es häufig in Unternehmen festzustellen ist - findet sich auch schon in älteren Ansätzen der Investitionsrechnung (vgl. Koch, 1996, S. 50). Bereits hier findet sich die Anwendung von „Stress-Tests“, indem der Investitionsrechnung nicht nur verschiedene Varianten (Szenarien) maximaler Gewinnchancen zugrunde gelegt, sondern auch Worst-Case-Szenarien einbezogen werden (vgl. Koch, 1996, S. 50), mit denen der Mindestgewinn bestimmt werden kann, bei dem die Investition sich immer noch „rechnet“.

     

    Die von Koch vorgeschlagene Umsetzung der Mindestgewinn-Bedingung in der Planung kleiner und mittelgroßer Unternehmen dürfte jedoch an Umfang und Komplexität in der von Koch vorgeschlagenen Variante scheitern. Insofern soll im Folgenden ein Weg aufgezeigt werden, den Ansatz des Mindestgewinns auch für diese Zielgruppe des Beratungsgeschäfts fruchtbar zu machen.

    3. Mindestgewinnansatz bei KMU

    Der strukturelle Gewinnbedarf ergibt sich nach der Berücksichtigung aller Kosten und Erlöse als Gesamtheit der durch Geschäftstätigkeit zu deckenden Größe, auch Deckungsbedarf genannt. Ein Problem ist hier, dass die Break-Even-Kalkulation keine Risiken in der Veränderung der Absatzmenge oder der Marktpreise einbezieht, sondern letztlich auf der Fortschreibung vergangener Daten bzw. gewünschter Absatzziele und Marktpreise aufbaut.

     

    Im Folgenden wird eine Mindestgewinn-Rechnung unter Einbeziehung der Break-Even-Kalkulation und der Berechnung des Umsatzrisikos anhand eines Unternehmens, das den Absatz von 3.500 Stück für das nächste Geschäftsjahr geplant hat, dargestellt. Zunächst wird der Break-Even-Point berechnet:

     

    3.1 Berechnung des Deckungsbeitrags pro Stück

     

    • Berechnung des Break-Even-Points

    Marktpreis pro Stück

    ./. variable Kosten pro Stück

    = Stück-Deckungsbeitrag

     

    Am Beispiel des Unternehmens:

     

    100,00 EUR (Marktpreis pro Stück)

    ./. 50,00 EUR (variable Kosten)

    = 50,00 EUR (Stück-Deckungsbeitrag)

     

    3.2 Ermittlung der Gewinnschwellenmenge und der Mindestabsatzmenge

     

    • Gewinnschwellenmenge

    Gewinnschwellenmenge = Fixkosten/Stück-Deckungsbeitrag

     

    Die Ermittlung der Mindestabsatzmenge mit angenommenen 120.000 EUR Fixkosten stellt sich wie folgt dar:

     

    • Ermittlung der Mindestabsatzmenge

    120.000 EUR (fixe Kosten) / 50 EUR (Stück-Deckungsbeitrag) = 2.400 (Menge der Gewinnschwelle)

     

    Bei der Absatzmenge von 2.400 Stück ist die Vollkostendeckung erreicht.

     

    Der Gewinnschwellenumsatz beträgt dann bei einem Marktpreis von 100 EUR = 240.000 EUR (Gewinnschwellenumsatz). Erreicht das Unternehmen diese Schwelle, so ergibt sich in der GuV-Planrechnung ein Betriebsergebnis von null. Das Unternehmen hat abzüglich aller fixen und variablen Kosten aus betrieblicher Tätigkeit keinen Gewinn, aber auch keinen Verlust erwirtschaftet.

     

    3.3 Berechnung des Umsatzrisikos

    Das Unternehmen weiß jetzt, dass es bei einer Absatzmenge von 2.400 Stück alle Kosten aus der betrieblichen Tätigkeit gedeckt hätte. Nun hat das Unternehmen aber im Vorjahr 3.500 Stück abgesetzt und geht auch in der Planung von dieser Absatzmenge aus. Auf der Basis des Gewinnschwellenumsatzes kann das Unternehmen nun einen Sicherheitskoeffizienten errechnen, der angibt, um wie viel Prozent die geplante Absatzmenge oder auch der geplante Umsatz zurückgehen kann. Die Formel dafür ist:

     

    • Berechnung des Umsatzrisikos

    S = 1 ./. (Menge der Gewinnschwelle/geplante Absatzmenge)

     

    Die Rechnung für das Unternehmen sehe dann wie folgt aus:

     

    S = 1 ./. (2.400 / 3.500) = 0,31

     

    Die Absatzmenge kann also bei konstantem Preis um komfortable 31 % zurückgehen, ohne dass die Gewinnschwelle unterschritten wird.

     

    3.4 Berechnung des Mindestplan-Umsatzes

    Mit dieser Rechnung hat man aber zunächst nur das Mindest-Betriebsergebnis (Betriebsergebnis = 0) kalkuliert. Das Unternehmen hat jedoch noch weitere Zahlungen, Ausgaben und Aufwendungen, wie Rückzahlungen von Darlehen, Steuern, Entnahmen für die Eigentümer etc., zu leisten oder zu planen. Mit einem Betriebsergebnis von null könnten diese nicht erbracht werden.

     

    Das Unternehmen plant folgende Zahlungen, Ausgaben und Aufwendungen:

     

    • Zinszahlungen im laufenden Geschäftsjahr von 5.000 EUR
    • Rückzahlungen von Darlehen 10.000 EUR
    • ein gewünschter Beitrag zur Unternehmenssicherung von 10.000 EUR
    • Befriedigung der Eigentümererwartung einer über dem risikolosen Zins liegenden Rendite von 10 % i.H.v. 10.000 EUR (bei einem angenommenen Eigenkapital des Unternehmens von 100.000 EUR)

     

    Bereits mit der Position 1 würde das Ergebnis aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit (Betriebs- und Finanzergebnis) der GuV mit 5.000 EUR negativ sein. Stellt sich also die Frage, wie hoch der Mindestumsatz sein muss, damit folgende Zahlungen möglich werden:

     

    • Ermittlung des Mindestumsatzes

    + 5.000 EUR Zinszahlungen

    + 10.000 EUR Rückzahlungen von Darlehen

    + 10.000 EUR Beitrag zur Unternehmenssicherung

    + 10.000 EUR Eigentümerrendite (Entnahme)  

    = 35.000 EUR

     

    Zieht man von den 35.000 EUR „Übergewinn“ 5.000 EUR Zinszahlungen ab, die einen Aufwand in der GuV darstellen, bleiben 30.000 EUR Mindestgewinn-Vorbehalt.

     

    Bei einem Stückdeckungsbeitrag von 50 EUR müssten also zunächst, allein zur Erreichung eines Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von null, unter der zusätzlichen Bedingung aus Position 1 (5.000 EUR Zinszahlung), weitere 100 Stück abgesetzt werden [50 EUR (Stück-Deckungsbetrag) x 100 (Stück) = 5.000 EUR], sodass die Gewinnschwelle vor Steuern bei einem Umsatz von [2.500 (Stück) x 100 EUR (Marktpreis) =] 250.00 EUR erreicht wird.

     

    Zusätzlich zu Position 1 sollen nach Steuern noch 30.000 EUR zur Verfügung stehen (Positionen 2 - 4). Die ertragsteuerliche Belastung des Unternehmens soll bei 9.000 EUR liegen. Damit beträgt der zu erwirtschaftende Gewinn vor Steuern 39.000 EUR. Insgesamt müssen dann weitere 780 Stück produziert und damit ein zusätzlicher Umsatz von 78.000 EUR erzielt werden. Damit beträgt der Planumsatz unter der Bedingung zur Erreichung des Mindestgewinns.

     

    • Ermittlung des Planumsatzes

    240.000 EUR (Gewinnschwellenumsatz)

    + 10.000 EUR (Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit = 0 EUR bei Zinszahlung von 5.000 EUR)

    + 78.000 EUR (für den Jahresüberschuss vor Steuern von 39.000 EUR)

    = 328.000 EUR Mindestplan-Umsatz zur Erreichung des Mindestgewinns

     

    Die Mindestabsatzmenge zur Erreichung des Mindestgewinns beträgt somit 3.280 Stück bei einem als konstant bleibend vorausgesetzten Marktpreis von 100 EUR. Die Plan-GuV für die Erreichung des Mindestgewinns sähe dann wie folgt aus:

     

    • Erstellung der Plan-GuV

    Umsatzerlöse

    328.000 EUR

    variable Kosten

    - 164.000 EUR

    Rohergebnis

    = 164.000 EUR

    fixe Kosten

    - 120.000 EUR

    Betriebsergebnis

    = 44.000 EUR

    Zinsaufwand

    - 5.000 EUR

    Ergebnis aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit

    = 39.000 EUR

    Steuern

    - 9.000 EUR

    Jahresüberschuss/Mindestgewinn

    = 30.000 EUR

     

    Damit zeigt sich, dass die ursprüngliche Absatzplanung mit einer Absatzmenge von 3.500 Stück kritisch zu betrachten ist. Berechnet man auf der Basis des Mindestplanbetriebsergebnisses den Sicherheitskoeffizienten, ergibt sich:

     

    • Berechnung des Sicherheitskoeffizienten

    S = 1 ./. (3.280 / 3.500) = 0,06

     

    Die geplante Absatzmenge von 3.500 Stück darf dann bei gleichbleibendem Preis nur mehr um 6 % zurückgehen, damit der Mindestgewinn noch realisiert wird. Damit zeigt sich, dass die ursprüngliche Absatzplanung mit 3.500 Stück, die eine vorsichtige Absatzplanung auf Basis der Fortschreibung des Vorjahresabsatzes war, bereits ein höheres Risiko der Nichterreichung des finanziellen Unternehmenszieles beinhaltet, wenn man anstatt einfacher Festsetzungen der Absatzzahl durch die Fortschreibung vergangener Absatzzahlen einen Gewinnvorbehalt in die Planrechnung einbezieht.

     

    Auf der Basis der Berechnung des Mindestplan-Gewinns zur Erweiterung der subjektiven Absatzplanung, z.B. durch Fortschreibung der Absatzzahlen aus dem vergangenen Jahr und der Errechnung eines Sicherheitskoeffizienten, lassen sich somit die Absatz- und Umsatzplanung verbessern. Der Sicherheitskoeffizient ermöglicht die Berechnung der Schwelle, bei der der Mindestgewinn unterschritten wird, sodass bei Annäherung an diese Schwelle bereits Gegenmaßnahmen ergriffen werden können, die zur Absatzsteigerung führen, jedoch kostenneutral sein sollten. Die Planung dieser Maßnahmen sollte parallel zur Absatzplanung erfolgen, sodass das Unternehmen nicht unter Zeitdruck handeln muss, sondern z.B. bereits geplante Prozessveränderungen in der Vertriebs- und Marketingtätigkeit umsetzen kann. Es sinkt also das Risiko ständiger Planänderungen und der Auswirkungen von Marktveränderungen durch einen „doppelten Boden“ in der Planung.

    4. Mindestgewinn in der Unternehmensberatung

    Gleichzeitig steigt damit auch die Glaubhaftigkeit der Unternehmensplanung für Gläubiger. Nicht selten scheitern zum Beispiel Kreditverfahren an der ungenügenden Vorbereitung der Unterlagen durch den Kreditnehmer. Neben Faktoren (wie eine unzureichende Marktanalyse) ist es gerade die mangelhafte und unrealistische Finanzplanung, z.B. im Businessplan, die zur Ablehnung eines Kreditantrags führt.

     

    Mit dem hier vorgeschlagenen Weg zeigt sich, dass eine Unternehmensplanung mit Sicherheitspuffer zusätzlich zu einer Planung der „gewünschten“ Gewinnmaximierung eine Möglichkeit eröffnet, die „Unterseite“ eines Zielkorridors für nachhaltige Unternehmensentwicklung zu planen (vgl. Haric et al. 2013, S. 54).

     

    Mit der Berechnung eines Mindestgewinns als Untergrenze im Businessplan und im Besonderen der Finanzplanung kann der Unternehmer das Problem zu optimistischer und beliebiger Absatzplanung als Grundlage der Finanzplanung umgehen und damit den Businessplan für das kreditfinanzierte Investment realistischer darstellen sowie gleichzeitig - in der Vorbereitung auf das Bankengespräch - Fehler in der eigenen Finanzplanung umgehen.

     

    FAZIT | Der hier dargestellte einfache Berechnungsweg lässt sich leicht durch den Berater vermitteln und so kundenbindend im Beratungsgespräch einbringen. Dafür kann die hier gegebene Beispielrechnung als Handout verwendet werden, denn diese ist auch ohne erweiterte Controlling-Kenntnisse leicht realisierbar. So kann das Unternehmen vermitteln, dass es sich in umfassender Weise mit Chancen und Risiken des Investmentvorhabens auseinandergesetzt hat und realistische Planungsgrundlagen nachweisen. Der Berater vermeidet so, dass der Kreditantrag seines Kunden an formalen Problemen scheitert.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Gutenberg, E., Zur Theorie der Unternehmung, Wiesbaden 1989
    • Haric, P./Grüblbauer, J./Pollack, C./Rintersbacher, M., Ziel Hidden Champion: Handbuch für wachstumsorientierte Unternehmensführung, Wien 2013
    • Koch, H., Aufbau der Unternehmensplanung, Wiesbaden 1977
    • Koch, H., Theorie des Gewinnvorbehalts: Unternehmenssicherung durch Vorsorge für unerwartete Krisen. Wiesbaden 1996
    • Staroßom, H., Corporate Finance, Teil 2, Wiesbaden 2013

     

    Zum Autor | Dr. Karl-Heinz Prieß lehrt Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbes. Financial Management und Rechnungswesen an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Münster

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 305 | ID 43040135

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