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  • · Fachbeitrag · Handelsrecht

    Ordnungsmäßige Inventur mittels Scanner ‒ Teil 1

    von WP StB Dipl.-Kfm. Lukas Graf, Meißen

    | Nach dem klassischen Verständnis befasst sich die Inventur mit dem Zählen, Messen und Wiegen der Bestände und deren Erfassung in Inventurlisten. Die Digitalisierung und Automatisierung der Buchführung macht aber auch vor der Inventur nicht Halt. So kann die Bestandserfassung z. B. mithilfe von Scannern weitgehend automatisiert werden. Der Beitrag beschäftigt sich damit, wie die Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur bei Scannerinventuren angewendet werden können. |

    1. Scannerinventuren

    Eine Scannerinventur ist die Erfassung von Beständen mittels eines Scanners. Hierbei kann es sich um eine prozessintegrierte oder eine prozessunabhängige Scannerinventur handeln:

     

    • Bei einer prozessintegrierten Scannerinventur sind die Scanner im Rahmen eines Prozessablaufs, der Produktion oder der Herstellung fest als Erfassungspunkt eingebaut (z. B. in ein Fließband). Sie erfassen laufend alle Bestände, die die Erfassungsstellen passieren.

     

    • Bei prozessunabhängigen Scannerinventuren werden mobile Scanner zum Erfassen von Beständen eingesetzt; der Scanner ersetzt oder unterstützt hier die Inventurteams bei der Bestandserfassung. Es handelt sich um eine „klassische“ Bestandserfassung (z. B. am Jahresende). Anders als bei einer prozessintegrierten Erfassung gibt es hier kein starres vordefiniertes Erfassungssystem.

    2. Internes Kontrollsystem

    Bei digitalen und automatischen Buchführungsprozessen kommt dem sachgerechten Aufbau und der Funktionsfähigkeit des internen Kontrollsystems eine zentrale Bedeutung zu. Denn bei automatischen Prozessen ist die Funktionsfähigkeit des internen Kontrollsystems Grundlage für die Ordnungsmäßigkeit der Inventur.

     

    Bei der „klassischen“ Inventur ‒ auch mithilfe von Scannern ‒ ist ebenfalls ein sachgerecht aufgebautes und funktionsfähiges internes Kontrollsystem erforderlich, um eine ordnungsgemäße Inventur sicherzustellen.

     

    MERKE | Bei klassischen Inventuren besteht bei Inventurfehlern grundsätzlich die Möglichkeit, die Inventur zu wiederholen. Demgegenüber besteht bei vollautomatischen Systemen das Risiko, dass eine Wiederholung mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht realisierbar ist. Deshalb kommt dem internen Kontrollsystem bei vollautomatischen Prozessen und/oder Massendatensystemen eine deutlich größere Bedeutung zu als bei manuellen, übersichtlichen Abläufen.

     

    3. Prozessintegrierte Scannerinventuren bei anderen Inventurverfahren

    Nach § 240 Abs. 2 HGB sind zum Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres alle Vermögensgegenstände und Schulden aufzunehmen. Einer körperlichen Bestandsaufnahme am Abschlussstichtag bedarf es aber nicht, wenn der Bestand der Vermögensgegenstände für den Abschlussstichtag durch ein anderes ordnungsmäßiges Verfahren festgestellt werden kann (§ 241 Abs. 2 HGB).

     

    Bei den anderen Inventurverfahren handelt es sich um folgende Methoden:

     

    • Bei der permanenten Inventur werden die Bestände laufend erfasst, fortgeschrieben und kontrolliert, sodass bei einer sachgerechten Anwendung dieses Verfahrens die Bestände dauerhaft zutreffend geführt werden.

     

    • Die Einlagerungsinventur kommt z. B. bei automatischen Hochregallagern zur Anwendung. Bei zutrittsgeschützten Beständen sowie automatischer Ein- und Auslagerung mit softwaregestützter Erfassung der Bestandsbewegungen ergibt sich bei sachgerechtem Aufbau des Lagersystems eine (laufend) zutreffende Bestandsführung.

     

    • Bei der systemgestützten Werkstattinventur handelt es sich um ein Inventurverfahren, das zur Anwendung kommen kann, wenn ein Produktions- oder Herstellungsprozess mehrere Stufen durchläuft und die Inventur entsprechend an den jeweils erreichten Bearbeitungsstationen erfolgt.

     

    Scannerinventuren können im Rahmen dieser Verfahren prozessintegriert eingesetzt werden. Im Folgenden wird untersucht, welche Anforderungen zu erfüllen sind, damit die Bestandserfassung per Scanner ordnungsgemäß ist.

     

    3.1 Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur

    Für die Ordnungsmäßigkeit eines anderen Inventurverfahrens werden in der Literatur insbesondere folgende Punkte gefordert:

     

    • Das Inventurverfahren muss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen.
    • Das eingesetzte Verfahren muss bestandszuverlässig sein
    • Der Bestand muss sich nach Art, Menge und Wert ohne körperliche Bestandsaufnahme feststellen lassen.

     

    3.2 Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung

    Die Forderung nach Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung erscheint zunächst trivial ‒ der Einsatz ordnungswidriger Verfahren kommt ohnehin nicht infrage. Zu den zentralen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gehört aber, dass Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet sein und sich in angemessener Zeit nachvollziehen lassen müssen.

     

    Der Grundsatz der Vollständigkeit ist eingehalten, wenn die Scanner an festen Messpunkten in den Prozessablauf eingebunden sind und sichergestellt ist, dass alle Bestände diese Messpunkte passieren. Bei einer Integration der Scanner in ein Fließband ist dies regelmäßig gegeben. Dabei ist es hilfreich, wenn die Scanner in redundanter Anzahl vorhanden sind, sodass ein Ausfall eines Scanners nicht zur Ordnungswidrigkeit der Bestandsführung führt.

     

    Weitere Aspekte, die sichergestellt sein müssen:

     

    • Alle Bestände müssen eine Kennung tragen (z. B. Barcode, RFID, sonstige Kennung), mit der sie vom Scanner eindeutig identifiziert werden können.
    • Die Kennung und der damit verbundene Bestand müssen miteinander verbunden sein.
    • Soweit im Prozessablauf Verderb, Schäden oder Ausschuss entstehen können, muss deren Erfassung gewährleistet sein.
    • Die von der Erfassungssoftware aufgezeichneten Daten müssen vollständig in der Bestandsführung abgebildet werden.

     

    Die Richtigkeit einer Bestandsaufnahme wird insbesondere durch einen sachgerechten Inventurablauf und das Vier-Augen-Prinzip bei der Inventuraufnahme sichergestellt. Bei einer prozessintegrierten Inventur liegt ein sachgerechter Inventurverlauf vor, wenn

    • an allen bewertungsrelevanten Stationen Messpunkte integriert sind,
    • die Messung zutreffend vorgenommen wird,
    • die gewonnenen Daten sachgerecht verarbeitet werden und
    • Manipulationen ausgeschlossen sind.

     

    MERKE | Ein sachgerecht aufgebautes System erlaubt den Verzicht auf ein Vier-Augen-Prinzip, wenn Erfassungsfehler systemseitig ausgeschlossen sind.

     

    Die Zeitgerechtigkeit ist sichergestellt, wenn die Erfassung unmittelbar bei Zuordnung zu einer neuen Station erfolgt. Bei einer Integration in einen Fließprozess ist dies bereits systemseitig der Fall. Bei einer Erfassung an Stationen muss die Erfassung dort zeitnah erfolgen.

     

    Die Geordnetheit wird bei systemintegrierten Prozessen durch den strukturierten Betriebsablauf und die eingesetzte Software gewährleistet.

     

    Für eine ordnungsgemäße systemintegrierte Scannerinventur ist die Nachvollziehbarkeit der Bestandsführung in angemessener Zeit von enormer Bedeutung. Die Nachvollziehbarkeit bei einer individuellen Softwarelösung setzt regelmäßig voraus, dass eine Programmdokumentation vorliegt, die aus einem Anwenderhandbuch sowie einer Verfahrensdokumentation besteht und dass ein funktionsfähiges internes Kontrollsystem eingerichtet ist.

     

    Beachten Sie | Bei einer Standardsoftware liegt die Verfahrensdokumentation regelmäßig beim Softwareanbieter und ist nicht allgemein verfügbar. Die Ordnungsmäßigkeit der Software wird dann durch ein Softwaretestat auf der Grundlage einer IT-Systemprüfung sichergestellt.

     

    Die Nachvollziehbarkeit innerhalb einer angemessenen Zeit ist eine Frage des Einzelfalls. Bei der systemintegrierten Softwarelösung kann nicht gefordert werden, dass sich die Nachvollziehbarkeit unmittelbar aus vorgelegten Unterlagen ergibt. Vielmehr müssen das System und die Systemeinstellung nachvollzogen werden. Ggf. ist eine Prüfung der in großer Zahl anfallenden Daten mittels einer Datenanalyse erforderlich. Es genügt, wenn die Daten mittels einer Software lesbar gemacht werden können.

     

    MERKE | Bei systemintegrierten Scannerinventuren ist eine klassische Inventurbeobachtung durch einen Abschlussprüfer obsolet. Die Prüfung der Inventur muss in solchen Fällen mittels einer IT-Systemprüfung bzw. der Prüfung des internen Kontrollsystems erfolgen.

     

    3.3 Bestandszuverlässigkeit

    Zentrale Voraussetzung für die Zulässigkeit der Anwendung eines anderen Inventurverfahrens ist die Bestandszuverlässigkeit. Diese erfordert, dass ein Erfassungs- und Bewertungsfehler dauerhaft hinreichend klein ist. Bei systemintegrierten Scannerinventuren ist eine Bestandszuverlässigkeit dann anzunehmen, wenn sich Messungen an unterschiedlichen Erfassungspunkten nicht widersprechen oder (z. B. bei Schwund) in einem plausiblen Verhältnis stehen.

     

    MERKE | Verminderungen von Beständen durch Ausschuss sollten durch weitgehend stabile Ausschussquoten plausibilisierbar sein. Das Erfassen von Schwund muss ‒ soweit dies für die Bestandszuverlässigkeit erheblich ist ‒ ggf. durch Sicherungsmaßnahmen hergestellt werden. Sind manuelle Eingriffe in den Bestand erforderlich, ist dies im Erfassungssystem zu dokumentieren.

     

    3.4 Erfassung nach Art, Menge und Wert

    Die Erfassung der Bestände muss nach Art, Menge und Wert erfolgen. Eine alleinige Wert-Erfassung ist lediglich bei der vor- oder nachverlagerten Inventur bei zusätzlicher Erstellung eines besonderen Inventars zulässig. Bei einer systemintegrierten Inventur ist eine vor- oder nachverlagerte Inventur allerdings nur ausnahmsweise praxisrelevant.

     

    • Beispiel

    An einer Supermarktkasse werden sämtliche Warenverkäufe mit dem Kassenscanner erfasst. Die Inventur der Warenbestände in den Verkaufsflächen erfolgt vor bzw. nach dem Abschlussstichtag. Die Warenbewegungen bis bzw. ab dem Abschlussstichtag werden nur über die Tagesumsätze erfasst. Der Inventurbestand wird dann unter Abzug der Umsatzsteuer, der Durchschnittsmarge und eines üblichen Schwunds mittels eines besonderen Inventars im Rahmen einer vor- oder nachverlagerten Inventur erfasst. Eine Erfassung von Art und Menge erfolgt hier nicht.

     

    Ansonsten ist grundsätzlich die Art des Bestands zu erfassen. Es genügt nicht, dass der Bestand nur gezählt wird. Eine Erfassung der Art kann aber dann entfallen, wenn nur eine einzige Art im Prozessablauf erfasst wird oder ‒ bei einem Produktionsprozess ‒ die Fertigungsstufe eindeutig festgestellt werden kann.

     

    Soweit unterschiedliche Arten von Beständen erfasst werden, müssen diese eindeutig und verwechslungsfrei gekennzeichnet sein (Barcode, QR-Code, RFID etc.). Zudem muss sichergestellt sein, dass diese Kennungen verwechslungsfrei zugeordnet werden und bei Verwendung von gekennzeichneten Verpackungen der Inhalt mit der Kennzeichnung übereinstimmt.

     

    Die Erfassung der Bestände muss bei bestandszuverlässigen Systemen regelmäßig auch dem Wert nach erfolgen. Zwar können bei einer klassischen Inventur zunächst nur die Menge und bewertungserhebliche Umstände (Schäden, Staub, etc.) aufgenommen werden. Die Inventarerstellung (also die Bewertung der erfassten Bestände) erfolgt dann im Anschluss. Eine solche nachgelagerte Inventarerstellung ist bei einer systemintegrierten Scannerinventur in der Regel nicht sinnvoll oder zulässig. Dies ergibt sich daraus, dass grundsätzlich auch der Wert der Bestände laufend miterfasst werden muss, da sonst die handelsrechtlichen Vorschriften zur Bestandsbewertung nicht eingehalten werden können.

     

    Die Bestandsführung bei einer permanenten Inventur oder einer Einlagerungsinventur erfordert die laufende Bewertung der Bestände z. B. aus den folgenden Gründen:

     

    • Bei laufenden Einlagerungen sind im Rahmen eines Warenwirtschaftssystems Anschaffungskosten oder Herstellungskosten kontinuierlich zu erfassen, wenn Verbrauchsfolgeverfahren (z. B. LiFo = Last in, First out; FiFo = First in, First out) oder die Durchschnittsbewertung permanent angewendet werden. Denn ansonsten sind kurzfristig erfolgende Entnahmen aus dem Bestand und deren Weiterverrechnung in die Herstellungskosten in einem sich anschließenden Produktionsprozess nicht möglich.

     

    • Eine Erfassung der wertmäßigen Bestände ist auch bei einer individuellen Bewertung in Abkehr von Verbrauchsfolgeverfahren (z. B. HiFo = Highest in, First out) unerlässlich.

     

    • Eine spätere Bewertung ist wegen der Vielzahl der Bewertungsvorgänge aus faktischen Gründen nicht möglich. Es müsste mit unzulässigen Bewertungsannahmen gearbeitet werden.

     

    FAZIT | Bei systemintegrierten Scannerinventuren ist bei einem sachgerechten Aufbau der Prozesse eine ordnungsgemäße Inventur grundsätzlich möglich. Durch die hohe Strukturierung der Prozesse ist die Herstellung der Ordnungsmäßigkeit der Inventur deutlich leichter als bei einem nicht systemintegrierten Prozess.

     

    Der zweite Teil des Beitrags erscheint in der nächsten Ausgabe von BBP und thematisiert die zusätzlichen Anforderungen und Besonderheiten bei einer prozessunabhängigen Scannerinventur.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2019 | Seite 92 | ID 45584053

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