Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Handelsrecht

    Die prozessunabhängige Scannerinventur: Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit ‒ Teil 2

    von WP StB Dipl.-Kfm. Lukas Graf, Meißen

    | Sind Scanner im Rahmen eines Prozessablaufs, der Produktion oder der Herstellung fest als Erfassungspunkt eingebaut, handelt es sich um eine systemintegrierte Scannerinventur. Dass hierbei eine ordnungsgemäße Inventur grundsätzlich möglich ist, wurde in Teil 1 des Beitrags ( BBP 19, 92 ) gezeigt. In diesem Teil geht es nun um prozessunabhängige Scannerinventuren, bei denen mobile Scanner zum Erfassen von Beständen eingesetzt werden. |

    1. Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur

    Unter einer prozessunabhängigen Scannerinventur wird hier eine Inventur unter Einsatz von Scannern verstanden, die nicht fest in einen Prozessablauf eingebaut sind. Vielmehr geht es hier um den Scannereinsatz bei einer „klassischen“ Inventur, bei der der Scanner das Inventurteam bei der Erfassung (ggf. auch beim Zählen der Bestände) unterstützt.

     

    Für Scannerinventuren gelten die allgemeinen Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur uneingeschränkt. Allerdings ergeben sich wegen der technischen Entwicklung der letzten Jahre Möglichkeiten (individuelle Kennzeichnung von Beständen, Scannerinventur ohne Vier-Augen-Prinzip etc.), die in der Literatur bisher nur wenig betrachtet wurden. Deshalb wird im Folgenden untersucht, ob die neuen technischen Möglichkeiten genutzt werden können, um die Inventur mittels Scannern zu vereinfachen, ohne dabei gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur zu verstoßen.

    2. Internes Kontrollsystem

    Eine ordnungsmäßige körperliche Bestandsaufnahme erfordert regelmäßig ein sachgerecht aufgebautes und funktionsfähiges internes Kontrollsystem, das sicherstellt, dass die Bestände ordnungsmäßig erfasst und bewertet werden. Aufgabe des internen Kontrollsystems hinsichtlich der Inventur ist es, sicherzustellen, dass alle Bestände einzeln, vollständig, richtig und innerhalb der zulässigen Inventurfristen so erfasst und bewertet werden, dass die Wertansätze in angemessener Zeit nachvollzogen werden können.

     

    Beachten Sie | Das inventurbezogene interne Kontrollsystem ist schriftlich zu dokumentieren. Dies erfolgt in der Regel durch eine Inventurrichtlinie. Zudem muss die Funktionsfähigkeit des internen Kontrollsystems durch ausreichende und angemessene Kontrollen sichergestellt werden.

     

    2.1 Zusätzliche Dokumentationspflichten

    Bei einer Scannerinventur sind im Hinblick auf den Scannereinsatz ggf. zusätzliche Punkte zu regeln bzw. zu dokumentieren. Dies können sein:

     

    • Beispiele für zusätzliche Regelungen
    • Funktionstrennung bei
      • Verpackung und Kennzeichnung von Beständen
      • Kennzeichnung von Beständen und Erfassung mit Scannern bei der Inventur

     

    • Zugriffssicherung auf Kennzeichnungen (z. B. QR-Code-Aufkleber)

     

    • Sicherstellung der Identität von elektronischen Bestandsdaten im Warenwirtschaftssystem und im Bestandserfassungssystem des Scanners

     

    • ggf. stichprobenhafte Überprüfung der Kennungen auf Richtigkeit (Kennung ist richtig geschlüsselt und entspricht sachlich dem Inhalt bzw. Bestand)

     

    • Sicherungsmaßnahmen bei Verzicht auf das Vier-Augen-Prinzip

     

    • Einsatz von fest eingeprägten, eingeätzten oder aufgelaserten Kennungen

     

    • Regelungen zur
      • elektronischen Erfassung bewertungsrelevanter Daten (z. B. Beschädigungen)
      • Erfassung von Standorten mittels Scanner
      • Übermittlung und Sicherung der mit dem Scanner erfassten Daten
      • Sicherung der erfassten Daten vor Manipulationen
      • (ggf. elektronische) Überwachung der Inventur und der Inventarerstellung
      • elektronischen Übertragung von Inventurdifferenzen zurück in die Warenwirtschaft

     

    • Verfahrensdokumentation zur Behandlung von Datentransfers und -erfassung
     

    2.2 Zusätzliche Überprüfungen

    Der Kaufmann muss die Funktionsfähigkeit ‒ also insbesondere auch die Einhaltung der Inventurrichtlinie ‒ sicherstellen. Auch hier ergeben sich grundsätzlich keine Unterschiede zur Überwachung bei einer „klassischen“ Inventur. Allerdings kann der Scannereinsatz spezifische Überwachungshandlungen erfordern. Denkbar sind beispielsweise:

     

    • Beispiele für zusätzliche Überwachungshandlungen
    • Überprüfung der
      • Prozesse zur Kennzeichnung der Bestände
      • Inventurrichtlinie auf aktuelle und ausreichende Erläuterungen zum Einsatz der Scanner sowie zu den verwendeten Daten
      • mit dem Scanner erfassten Ortsmarken zur Vermeidung von Sprunginventuren
      • Inventarerstellung (insbesondere des Abgleichs der erfassten Daten mit Daten eines Warenwirtschaftssystems)
      • Bewertungsanpassungen
     

    Beachten Sie | Bei Abschlussprüfungen wird der sachgerechte Aufbau und die Funktionsfähigkeit des internen Kontrollsystems vom Abschlussprüfer untersucht, wozu auch eine Beurteilung der Sachgerechtigkeit der Inventurrichtlinie gehört. Ergänzend sind ggf. auch Inventurbeobachtungen erforderlich.

    3. Vollständigkeit einer prozessunabhängigen Scannerinventur

    Die Vollständigkeit einer körperlichen Bestandsaufnahme mittels prozessunabhängiger Scannerinventur wird insbesondere dadurch sichergestellt, dass eine Inventurrichtlinie vorhanden ist, in der sämtliche Aufnahmeplätze verzeichnet sind. Sprunginventuren müssen zwingend vermieden werden. Insofern unterscheidet sich die Scannerinventur also nicht von einer „klassischen“ Inventur.

     

    Anders als bei einer „klassischen“ Inventur kommt aber eine elektronische Kontrolle der Inventur infrage. Soweit der Aufnahmeort durch eine unveränderliche, ortsgebundene Scannermarke gekennzeichnet ist, die vor der Aufnahme der Bestände per Scanner erfasst wird, ist eine Ortsbestimmung der Bestandsaufnahme möglich. Wenn die Erfassungsprotokolle auch die nachfolgenden Bestandsaufnahmen dem Erfassungsort zuordnen und elektronisch auslesbar sind, lässt sich so eine Aussage treffen, dass z. B. keine Sprunginventur vorliegt. Dies setzt allerdings voraus, dass die Bestände laufend einem definierten Lagerort zugeordnet sind.

     

    Bei prozessintegrierten Scannerinventuren erfolgt die Aufnahme oft unter Aufgabe des Vier-Augen-Prinzips (insbesondere bei in die Fließproduktion integrierten Scannern). Erfolgt ein solcher Verzicht auch bei prozessunabhängigen Scannerinventuren, würde lediglich eine Person die Bestände per Scanner erfassen, ohne dass eine Kontrollperson zugegen ist. Ein solches Vorgehen ist sehr kritisch zu sehen. Es gibt aber Fälle, in denen die Aufgabe des Vier-Augen-Prinzips durchaus denkbar ist. Allerdings müssen dann enge Voraussetzungen erfüllt sein. Dabei kommt es wesentlich darauf an, wie die Verhältnisse sind; d. h., es muss ein System vorhanden sein, dass auch ohne persönliche Anwesenheit einer Kontrollperson die Richtigkeit der Inventur sicherstellt.

     

    Nach der hier vertretenen Auffassung kann auf das Vier-Augen-Prinzip verzichtet werden, wenn z. B. folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

     

    • Voraussetzungen für den Verzicht auf das Vier-Augen-Prinzip
    • Beim Zugang der Vermögensgegenstände erfolgt ein systematischer Erfassungsprozess.

     

    • Die Bestände müssen eindeutig gekennzeichnet und bereits in einem Bestandsführungssystem verzeichnet sein.

     

    • Inventurabweichungen sind regelmäßig eher gering.

     

    • Die Kennzeichnung darf nicht manipulierbar sein.

     

    • Die Erfassungsperson hat keinen Einfluss auf die Vergabe der Kennzeichnung. Bei der Inventur darf sie keine Etikettierung ohne Aufsichtsperson vornehmen.

     

    • Die Aufnahmeorte müssen mit Scannermarken (z. B. Raum, Regalfach) gekennzeichnet sein, im Rahmen der Inventur aufgenommen und den nachfolgenden Bestandserfassungen zugeordnet werden.

     

    • Das auswertbare elektronische Aufnahmeprotokoll ermöglicht eine Überprüfung, dass keine Sprunginventur vorliegt. Bei der Inventurüberwachung muss eine solche Überprüfung zumindest in Stichproben vorgenommen werden.

     

    • Bewertungsrelevante Umstände (Verderb, Beschädigungen etc.) haben keine besondere Bedeutung. Alternativ: solche Bestände werden per gesonderter Aufnahme durch eine weitere Aufnahmeperson gezielt beobachtet.

     

    • Fremd- und Eigenbestände werden nicht vermischt. Es erfolgt ein Vermerk, soweit Fremdbestände erfasst werden und ein Bewertungsausschluss. Auch denkbar: Systemseitige Erkennung von Fremdbeständen und Aufnahmeverweigerung.
    • Fehlbestände müssen vom System als fehlend gemeldet werden und bei der Bestandsaufnahme gesucht werden. Nicht erfasste Bestände: Aufnahme, Erfassung im System (z. B. mit Foto) und Kennzeichnung mit einer unzerstörbaren Kennung, die sie als noch nicht erfasste Bestände kennzeichnet.

     

    • Die Aufnahme von Mehrbeständen muss zur Verhinderung von Manipulationen dem Vier-Augen-Prinzip unterliegen. Ansonsten muss die Inventur so strukturiert sein, dass eine elektronische Kennzeichnung der aufgenommenen Bestände ausreicht, um eine Doppelerfassung zu verhindern. Das Softwaresystem muss Doppelerfassungen automatisch verweigern.

     

    • Die Inventur kommt ohne ermessensbehaftete bzw. fehlerbehaftete Inventurvorgänge (wie z. B. Zählen, Messen und Wiegen) aus.

     

    • Bei besonders wertvollen Beständen (z. B. Edelmetalle) erfolgt regelmäßig kein Verzicht auf das Vier-Augen-Prinzip.
     

    MERKE | Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es (wie so oft) auf den Einzelfall ankommt, ob der Verzicht sachgerecht ist. So wird z. B. die Aufnahme einer Büromöbelausstattung oder eines Fahrzeugparks eher ohne ein Vier-Augen-Prinzip auskommen können als die Aufnahme eines Fahrzeugteilelagers. Im Zweifelsfall ist von einem Verzicht auf das Vier-Augen-Prinzip abzuraten, da sonst die Gefahr besteht, dass die Inventur nicht ordnungsgemäß ist und verworfen werden muss.

     

    4. Festwertverfahren und vor- oder nachverlegte Inventur

    Der Gesetzgeber hat bei der Inventur Vereinfachungen und Erleichterungen zugelassen (z. B. das Festwertverfahren und die vor- oder nachverlegte Inventur). Auch hier sind Scannerinventuren zulässig, wobei Besonderheiten zu beachten sind:

     

    • Grundsätzlich dürfte eine Einzelerfassung anstatt des Festwertverfahrens dauerhaft sinnvoller sein, da Scanner optimal für die Einzelerfassung geeignet sind. Es ist aber zulässig, einen Erfassungscode für einen Festwertbestand zu vergeben. Es muss bei diesem Verfahren allerdings verhindert werden, dass es zu einer Doppelerfassung des Festwerts und der Einzelvermögensgegenstände kommt.

     

    • Auch bei der vor- oder nachverlegten Inventur können Scanner bei der Erfassung der Bestände am abweichenden Stichtag sowie für die Ermittlung des besonderen Inventars eingesetzt werden. Ein Beispiel sind Supermärkte, wo die Bestände am abweichenden Stichtag durch Scanner prozessunabhänig erfasst werden können und dann mithilfe der von Scannerkassen prozessintegriert erfassten Verkäufe dem Wert nach fortgeschrieben werden.

    5. Richtigkeit

    Die Scannerinventur muss die Richtigkeit der Bestandserfassung sicherstellen. Von zentraler Bedeutung ist, dass dem Scannersystem und seiner Software richtige und aktuelle Bestandsdaten zur Verfügung stehen. Es ist im Rahmen einer Verfahrensdokumentation (ggf. innerhalb der Inventurrichtlinie) zu regeln, wie dem Scannersystem die erforderlichen Daten überspielt werden.

     

    Zudem ist sicherzustellen, dass die aufgebrachte Markierung den Beständen inhaltlich entspricht. Es ist deshalb ein strukturierter Ersterfassungsprozess einzurichten, der alle relevanten Bestände bei Zugang nahezu fehlerfrei erfasst. Zudem muss die Markierung unveränderlich sein. Dies kann z. B. durch feste Aufbringung (Auflasern, Einätzen oder Einprägen der Markierung) erfolgen. Ferner muss gewährleistet sein, dass der Inhalt einer Verpackung nicht ausgetauscht bzw. teilweise entnommen werden kann, ohne dass dies eine Neukennzeichnung auslöst.

     

    Das Inventursystem muss Doppelerfassungen verhindern. Dies ist bei eindeutigen Bestandskennzeichnungen dann der Fall, wenn das Erfassungssystem sich bereits erfasste Bestände merkt, spätere Erfassungen mit den vorhandenen Beständen abgleicht und bei bereits vorhandener Erfassung eine neuerliche Erfassung automatisch verweigert. Bei nicht eindeutigen Beständen müssen Doppelerfassungen durch Ausgestaltung des Erfassungssystems und durch Einrichtung eines Vier-Augen-Prinzips ausgeschlossen werden.

     

    Beachten Sie | Auch versehentliche Nichterfassungen sind zu vermeiden. Deshalb kann es geboten sein, dass der Scanner z. B. durch ein Ton- oder Lichtsignal anzeigt, dass die Erfassung erfolgreich abgeschlossen ist.

    6. Klarheit und Nachvollziehbarkeit

    Die elektronischen Inventurprotokolle müssen dem Grundsatz der Klarheit und Nachvollziehbarkeit entsprechen. Dies muss durch eine sachgerechte Programmierung des Scannersystems gewährleistet und z. B. durch ein Softwaretestat bescheinigt werden. Soweit das Scannersystem vom Benutzer zu konfigurieren ist, ist diese Konfigurierung in einer Verfahrensdokumentation zu dokumentieren.

     

    MERKE | Es genügt, wenn die elektronischen Inventurprotokolle maschinenlesbar sind und mithilfe der vorhandenen Software in angemessener Zeit lesbar gemacht werden. Sie müssen von einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit nachvollzogen werden können.

     

    7. Wirtschaftlichkeit

    Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gilt auch für die Scannerinventur. Allerdings wird er dort eine ungleich kleinere Bedeutung haben als bei einer „klassischen“ Inventur. Denn aufgrund der Abläufe bei einer Scannerinventur werden Vereinfachungsprozesse regelmäßig Zusatzaufwand erfordern (vgl. z. B. die zusätzliche Erfassungskennung für Festwerte).

     

    Es spricht viel dafür, die Scannerinventur als Ersatz für Vereinfachungen und Erleichterungen zu nutzen, um mit einem wirtschaftlichen Scannersystem zur bisher unwirtschaftlichen Einzelerfassung zurückkehren zu können. Sollte dies nicht gewünscht sein, sollten Inventurbereiche aus der Scannerinventur „ausgegliedert werden“, da z. B. die Programmierung und Verifizierung eines Nicht-Standardprozesses einen erheblichen Zusatzaufwand erfordert und Wirtschaftlichkeitsbestrebungen konterkariert.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2019 | Seite 120 | ID 45789532

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents