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  • · Fachbeitrag · Einkommensteuer

    Rentenzahlungen: Zuflussbesteuerung auch bei Betriebsaufgabe möglich

    von Dipl.-Finw. Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de und Dipl.-Bw. (FH) StB Christian Westhoff, Datteln

    | Das bei einer Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge geltende Wahlrecht zwischen der Sofortbesteuerung und der nachträglichen Besteuerung (Zuflussbesteuerung) fand bei einer Betriebsaufgabe bis dato keine Anwendung. Doch das ist seit der Entscheidung des BFH (29.6.22, X R 6/20, Abruf-Nr. 232682 ) Schnee von gestern. Grund genug, die neuere BFH-Rechtsprechung und die ertragsteuerlichen Auswirkungen näher zu betrachten. | 

    1. Verkauf eines einzelnen Wirtschaftsguts bei fortbestehendem Betrieb

    Zunächst ist festzuhalten, dass das Wahlrecht (Sofort- versus Zuflussbesteuerung) beim Verkauf eines einzelnen Wirtschaftsguts gegen Leibrente aus einem fortbestehenden Betrieb nicht zu gewähren ist. Der BFH (20.1.71, I R 147/69) hat dies damit begründet, dass der Betrieb nach der Veräußerung des Wirtschaftsguts beim Veräußerer fortbesteht und der Gewinn des Todesjahres durch eine Ausbuchung der aktivierten Leibrentenforderung gemindert wird; dies gleicht (anders als in den Fällen des § 16 EStG) das mit der Leibrente verbundene Risiko eines statistisch vorzeitigen Versterbens aus.

    2. Betriebsveräußerung

    Wird der Betrieb gegen wiederkehrende Bezüge (insbesondere gegen eine Leibrente) veräußert, sieht das jedoch anders aus. Hier gewähren sowohl die Rechtsprechung als auch die Finanzverwaltung (R 16 Abs. 11 EStR) einkommensteuerliche Erleichterungen bzw. ein Wahlrecht. Die Unterschiede im Überblick:

     

    • Bei der Sofortbesteuerung wird der Veräußerungsgewinn als Unterschiedsbetrag zwischen dem Barwert der Rente, vermindert um etwaige Veräußerungskosten, und dem Buchwert des Kapitalkontos im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung ermittelt. Die in den Rentenzahlungen enthaltenen Ertragsanteile sind als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG zu versteuern.

     

    • Behandelt der Steuerpflichtige die Rentenzahlungen als nachträgliche Betriebseinnahmen (§ 15 i. V. mit § 24 Nr. 2 EStG), entsteht ein (laufender) Gewinn, wenn der Kapitalanteil der wiederkehrenden Leistungen das steuerliche Kapitalkonto des Veräußerers zuzüglich etwaiger Veräußerungskosten übersteigt. Zu beachten ist, dass der in den wiederkehrenden Leistungen enthaltene Zinsanteil bereits bei Zufluss zu nachträglichen Betriebseinnahmen führt.

     

    Beachten Sie | Die nachträgliche Besteuerung muss vom Steuerpflichtigen ausdrücklich gewählt werden. Der Vorteil der späteren Versteuerung hat jedoch den Nachteil, dass die Vergünstigungen des § 16 Abs. 4 EStG (Freibetrag) und des § 34 EStG (ermäßigter Steuersatz) im Gegensatz zur Sofortbesteuerung nicht anwendbar sind.

     

    Vom BFH (5.11.19, X R 12/17) jüngst bestätigt: Der Zinsanteil einer Zeitrente aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebs ist im Fall der Wahl der Zuflussbesteuerung als nachträgliche Betriebseinnahme gemäß § 24 Nr. 2 EStG i. V. mit § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zu erfassen.

     

    MERKE | Bei der Zuflussbesteuerung kommt es zu einer ratierlichen Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven, sobald das Kapitalkonto überschritten wurde. Diese Betrachtung zwingt zu der Annahme, dass die Kaufpreisforderung des Veräußerers, die ja auch die stillen Reserven des Unternehmens umfasst, weiterhin (Rest-)Betriebsvermögen bzw. betrieblich verhaftet bleiben muss. Sie wird (allein) aufgrund der Veräußerung des Betriebs im Ganzen nicht in das Privatvermögen überführt. Wenn dem so ist, kann der Zufluss des in den Kaufpreisanteilen enthaltenen Zinsanteils nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen führen. Dies verbietet die Subsidiarität dieser Einkünfte (vgl. § 20 Abs. 8 S. 1 EStG).

     

    3. Betriebsaufgabe

    Das FG Schleswig-Holstein (24.1.20, 4 K 28/18) hatte der Ansicht der Finanzverwaltung zugestimmt, dass das Wahlrecht zwischen der sofortigen Versteuerung und der nachgelagerten Besteuerung bei Zufluss der Rentenzahlungen bei einer Betriebsaufgabe keine Anwendung findet. Für die Besteuerungspraxis bestand aber Hoffnung, da das FG die Revision zugelassen hatte, die von der unterlegenen Handwerkerin in der Folge auch eingelegt wurde.

     

    Der BFH (29.6.22, X R 6/20) hat der Ansicht der Vorinstanz nun eine Absage erteilt: Ein Steuerpflichtiger, der im Rahmen einer Betriebsaufgabe betriebliche Wirtschaftsgüter gegen wiederkehrende Bezüge veräußert, kann (wie bei der Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge) zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung des entsprechenden Gewinns wählen.

     

    Ebenso wie nach der Betriebsveräußerung im Ganzen ist der Veräußerer nach einer Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Betriebsaufgabe nicht mehr Inhaber des Betriebs. Wie bei einer Betriebsveräußerung liegt es hier in seinem Interesse, für diese Veräußerung nicht mehr Einkommensteuer zahlen zu müssen, als er es nach Maßgabe der tatsächlich zugeflossenen Rentenzahlungen müsste. Dieses Risiko ist auch bei einer Betriebsaufgabe vorhanden. Stirbt der (frühere) Betriebsinhaber vor Erreichen seiner statistischen Lebenserwartung, hätte er einen Gewinn zu versteuern, der nachträglich nicht korrigiert werden kann, da kein rückwirkendes Ereignis gegeben ist, sondern sich ein vertragsimmanentes Wagnis konkretisiert.

     

    Wegen des Wagnischarakters und im Hinblick auf den Versorgungscharakter derartiger Bezüge erscheint für den BFH eine gleiche Behandlung von Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe jeweils gegen wiederkehrende Bezüge zwingend.

     

    Beachten Sie | Dies gilt umso mehr, als im Fall der Betriebsveräußerung das Wahlrecht, die wiederkehrenden Bezüge erst bei Zufluss zu versteuern, schon dann eröffnet ist, wenn nur ein Teil des Kaufpreises in dieser Form erbracht wird, der andere Teil aber aus einer Einmalzahlung besteht.

    4. Musterfall

    Die unter 2. bereits kurz angesprochenen ertragsteuerlichen Unterschiede zwischen einer Sofort- und einer Zuflussbesteuerung sollen nun anhand eines Musterfalls konkretisiert werden.

     

    4.1 Sachverhalt

    Garten- und Landschaftsbauer Max Minke ist alleinstehend und 67 Jahre alt. Aus Altersgründen verkauft er seinen kompletten Betrieb (Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG) zum 2.1.22 an einen Nachfolger, der sich vergrößern will. Der Erwerber zahlt keinen festen Kaufpreis, sondern eine lebenslange Rente von 3.000 EUR (monatlich). Zum 2.1.22 beträgt der Buchwert des Betriebs 130.000 EUR. Die Veräußerungskosten betragen 2.500 EUR.

     

    4.2 Sofortbesteuerung

    Da es sich um eine lebenslange Rente handelt, richtet sich die Ermittlung des Barwerts nach § 14 Abs. 1 BewG. Danach ist ein Vielfaches des Jahreswerts der Leistungen anzusetzen. Der Jahreswert umfasst den Jahresbetrag der voraussichtlich erfolgenden Rentenleistungen.

     

    Die Vervielfältiger für Bewertungsstichtage ab 1.1.22 können dem Schreiben des BMF (4.10.21, IV C 7 ‒ S 3104/19/10001 :006) entnommen werden. Max Minke ist zum Zeitpunkt der Veräußerung 67 Jahre alt. Somit beträgt der maßgebende Vervielfältiger 10,951, sodass sich ein Rentenbarwert von 394.236 EUR (36.000 EUR x 10,951) ergibt. Dieser ist als Veräußerungserlös anzusetzen. Abzugsfähig sind der Buchwert des Betriebs (130.000 EUR) und die Veräußerungskosten (2.500 EUR). Damit beträgt der Veräußerungsgewinn 261.736 EUR.

     

    MERKE | Der Freibetrag von 45.000 EUR (§ 16 Abs. 4 EStG) ist nicht abzuziehen, da der Veräußerungsgewinn den Grenzbetrag von 136.000 EUR um mehr als 45.000 EUR übersteigt.

     

    Allerdings wird der Veräußerungsgewinn nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt besteuert (Fünftel-Regelung). Auf Antrag kann auch eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG erfolgen (ermäßigter Steuersatz).

     

    Durch die Betriebsveräußerung und die Aufdeckung stiller Reserven geht die Rentenforderung in das Privatvermögen über. Die Rente selbst ist nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG mit dem Ertragsanteil zu besteuern. Da die jährlichen Rentenzahlungen 36.000 EUR und der Ertragsanteil 17 % betragen, ergeben sich Einnahmen von jährlich 6.120 EUR. Nach Abzug des Pauschbetrags von 102 EUR (§ 9a Nr. 3 EStG) unterliegen jährlich sonstige Einkünfte i. H. von 6.018 EUR der Besteuerung.

     

    4.3 Zuflussbesteuerung

    Auch bei der Zuflussbesteuerung müssen die Rentenzahlungen in einen Zins- und Tilgungsanteil zerlegt werden:

     

    • Während der enthaltene Zinsanteil sofort mit Zufluss eine Betriebseinnahme darstellt (die Rentenforderung befindet sich im (Rest-)Betriebsvermögen) und damit der Besteuerung unterliegt,
    • ist der Kapitalanteil („Tilgung“) zunächst mit dem Kapitalkonto und den Veräußerungskosten des Veräußerers zu verrechnen.

     

    Beachten Sie | Erst wenn die Summe der Tilgungsanteile diese Beträge übersteigt, liegen in Höhe der übersteigenden Zahlungen steuerpflichtige Einkünfte vor.

     

    • Ermittlung des Tilgungs- und Zinsanteils für 2022

    Jahresbetrag der Rente (12 × 3.000 EUR)

    36.000 EUR

    Barwert 1.1.22 (67 Jahre; 36.000 EUR × 10,951)

    394.236 EUR

    Barwert 31.12.22 (68 Jahre; 36.000 EUR × 10,652)

    383.472 EUR

    Differenz (Tilgungsanteil)

    10.764 EUR

    10.764 EUR

    Zinsanteil (§ 15 EStG) in 2022 zu versteuern

    25.236 EUR

     

    Beachten Sie | Für 2023 beträgt der Zinsanteil „nur“ noch 25.092 EUR. In den Folgejahren sind dann sukzessive fallende Zinsanteile nach § 15 EStG zu versteuern.

     

    Der Tilgungsanteil (10.764 EUR) wird mit dem Buchwert des Betriebs i. H. v. 130.000 EUR zzgl. Veräußerungskosten (2.500 EUR) verrechnet. Zu versteuernde Einkünfte ergeben sich insoweit noch nicht. Nach der Verrechnung verbleibt ein für die Folgejahre zur Verfügung stehender Betrag von 121.736 EUR. Eine volle Steuerpflicht der Rentenzahlungen tritt demzufolge erst ab dem Jahr 2033 im Alter von 79 Jahren ein (Barwert 36.000 EUR × 6,938 = 249.768 EUR).

    Quelle: Ausgabe 04 / 2023 | Seite 97 | ID 49084769

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