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  • · Leitlinie

    Implantieren bei Patienten mit Immunschwäche? Das geht!

    Bild: ©sujit - stock.adobe.com

    | Eine kürzlich veröffentlichte S3-Leitlinie gibt Empfehlungen zur Indikationsfindung und zum Therapiemanagement von dentalen Implantaten bei Patienten mit einer Immundefizienz (z. B. HIV-Infektion), Autoimmunkrankheiten (z. B. rheumatoide Arthritis und verwandte Formen oder Morbus Crohn) oder einer sekundären Immunsuppression durch medikamentösen Behandlung (z. B. Steroide, Chemotherapeutika). |

    Grunderkrankungen berücksichtigen!

    Bei der Indikationsstellung muss berücksichtigt werden, dass der medizinische Status des Patienten einen maßgeblichen Einfluss auf die Erfolgsrate von Zahnimplantaten hat. Zur Risikostratifizierung bzgl. der Grunderkrankung und der therapeutischen Faktoren sollte der interdisziplinäre Austausch mit den behandelnden Ärzten (z. B. Internisten, Rheumatologen, Dermatologen, Infektiologen, fachgebietsspezifische Onkologen und Transplantationsmediziner) herangezogen werden.

     

    Unter der besonderen Berücksichtigung der Grunderkrankung und immunsuppressiven Medikation (peritherapeutische angepasste medizinische Betreuung, z. B. perioperative antiinfektive Prophylaxe) gibt die Datenlage basierend auf der verfügbaren Evidenz keine Hinweise auf eine höhere Verlustrate. Nach mindestens 24-monatiger Nachbeobachtungszeit zeigen die Literaturdaten zur kurzfristigen Implantatprognose keine relevanten Unterschiede zu Kollektiven ohne Immunsuppression.

     

    Alle Patienten befanden sich in einer chronischen bzw. inaktiven Phase ihrer Grunderkrankung mit einer stabil eingestellten Medikation. Alle in der Literatur erfassten Patientenkollektive befanden sich unter strengen Therapie-Kautelen (z. B. perioperative Antibiotikagabe), die sich von den supportiven Maßnahmen einer gesunden Normalbevölkerung unterscheidet.

    Präoperative Vorbehandlung

    Notwendige zahnärztliche Eingriffe zur Sanierung von Infekten und Reduktion des Infektrisikos sollten vor Implantationen durchgeführt werden. Die Wundheilung soll in die Risikoevaluation einfließen. Klinische und radiologische Befunde, die einen Hinweis auf eine Kompromittierung der Weichgewebsheilung, des Knochenumbaus oder der Knochenneubildungsrate geben, sollen erhoben werden und in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

    Aufklärung und Motivation

    Die Motivierbarkeit und die Realisierbarkeit einer allgemeinen Mundhygiene und zukünftiger periimplantärer Hygiene sollte (wegen des möglichen Schweregrades einer entzündlichen Implantatkomplikation) in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

     

    Die Patienten sollten über individuelle krankheitsbedingte Komplikationsrisiken umfassend aufgeklärt werden ‒ auch über die erhöhten Risiken bis hin zum Implantatverlust. Aufgrund von Literaturhinweisen auf eine mögliche negative Beeinflussung des Implantatüberlebens sollten Sie Morbus-Crohn-Patienten über eine schlechtere Implantatprognose aufklären.

     

    Patienten mit Immundefizienz oder Immunsuppression sollten eine individuell-risikoadaptierte und strukturierte Nachsorge erhalten. Geben Sie Ihren Patienten die dringliche Empfehlung zur individuell-risikoadaptierten und strukturierten Nachsorge ‒ inklusive dem Hinweis über diesbezügliche Folgekosten.

    Implantatinsertion

    Eine Empfehlung zur sub- oder transmukosalen Einheilung kann nicht gegeben werden. Die Indikation für eine Sofortimplantation sollte kritisch gestellt werden.

     

    MERKE | Die Knochenumbaurate und Neubildungsrate ist unter Immunsuppression verringert. Dies könnte ein Argument gegen eine Sofort- oder Frühbelastung und für eine verlängerte Einheilzeit sein.

     

    Augmentation

    Kiefer-Augmentationen gehen mit erhöhten Anforderungen an das knöcherne Empfängergewebe bezüglich vaskulärer Erschließung, (osteoklastärer) Resorption und (osteoblastärer) Knochenneubildung einher, die bei Immunsuppression systemisch vermindert sind. Bei Patienten mit Immunsuppression sollten Kieferaugmentationen deshalb einer strengen Indikationsprüfung unterzogen werden.

    Prothetik

    In der Literatur gibt es keine Daten zur individuellen prothetischen Versorgung bei Immundefizienz oder Immunsuppression. Bei Patienten mit Immundefizienz oder Immunsuppression sollte auf prothetische Konzepte mit einer günstigen Hygienefähigkeit und bei Bedarf schleimhautentlastender Versorgung zurückgegriffen werden. Wenn die Grunderkrankung in der klinischen Ausprägung mit einer Vulnerabilität der Mundschleimhaut assoziiert ist, sollte deshalb die Indikation von Implantaten zur Tegument-Entlastung erwogen werden.

     

    Quelle

    • S3-Leitlinie „Dentale Implantate bei Patienten mit Immundefizienz, AWMF-Registernummer: 083-034, Stand: Juli 2019, veröffentlicht: Mai 2020.

    Volltext

    Quelle: Ausgabe 09 / 2020 | Seite 14 | ID 46800398