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  • · Notfallbehandlung

    Endodontische Notfallbehandlung: unkonventionelles Vorgehen im Lockdown

    Bild: ©romaset - stock.adobe.com

    | In Texas, USA, mussten Zahnärzte aufgrund des Lockdowns im Frühjahr letzten Jahres begonnene endodontische Behandlungen unterbrechen und durften Notfälle nur noch medikamentös bzw. ohne rotierendes Instrumentarium behandeln. Wissenschaftler veröffentlichten jüngst eine Studie über die Auswirkungen dieser Behandlungsmaßnahmen. |

    Keine Aerosole bei zahnärztlichen Behandlungen

    Mit der Anordnung der zuständigen Bundesbehörde, elektive Therapien in Texas auszusetzen und vor allem keine Zahnbehandlungen mit rotierenden Instrumenten durchzuführen, sollte eine Aerosolbildung vermieden und ein Ansteckungsrisiko für das zahnärztliche Personal reduziert werden.

    Notfälle nicht rotierend behandeln

    Unabhängig davon ereigneten sich natürlich auch in dieser Zeit Notfälle. Zahnmedizinische Notfälle sind zu zwei Dritteln endodontischer Natur (Rechenberg et al. 2020) und erfordern häufig eine Trepanation des symptomatischen Zahnes mit rotierenden Instrumenten. Stattdessen sollten Zahnärzte in Texas ihre Patienten nur mit Schmerzmedikamenten versorgen, ggf. Abszesse eröffnen und drainieren oder Zähne ziehen, wenn keine Osteotomie erforderlich war. Neben den Notfällen wurden auch vor dem Lockdown begonnene endodontische Behandlungen unterbrochen. Patienten waren somit länger als üblich mit medikamentösen Einlagen versorgt.

    Zweiteilige Studie

    Wissenschaftler aus San Antonio, Texas, untersuchten in einer Studie (Patel et al. 2020) den Erfolg von endodontischen Notfallbehandlungen ohne rotierende Instrumente und wie endodontisch anbehandelte Zähne auf eine Kalziumhydroxid-(Ca(OH)2-Einlage über einen längeren Zeitraum reagierten.

     

    Sie riefen 21 Patienten an, die sich in der endodontischen Klinik der Universität von Texas zwischen dem 23.03. und dem 20.05.2020 als Notfall vorgestellt hatten. Diese Patienten erhielten je nach Ausgangssituation unter dem Begriff „Palliative Care“ subsumierte Therapien wie Analgetika, Antiphlogistika und/oder Antibiotika (Ibuprofen + Paracetamol, Dexamethason, Ibuprofen + Amoxicillin) alleine oder zusammen mit Abszess-Inzisionen und -drainagen oder die sofortige Extraktion. Die Forscher fragten die Patienten, ob noch Schmerzen oder Schwellungen bestünden, ob der schuldige Zahn noch in situ sei und ob die Interventionen ihre Schmerzen gelindert hätten.

     

    Für Teil 2 der Studie untersuchten die Forscher bei 28 Patienten 31 Zähne mit angefangener Wurzelbehandlung und Ca(OH)2-Einlage nach Wiedereröffnung der Klinik nach dem Lockdown. Sie dokumentierten den Verlust der provisorischen Restauration, Zahnfrakturen, Extraktionen der betroffenen Zähne, ob Schmerzen oder Infektionen erneut aufgetreten waren und ob die Patienten sich in der Notfallsprechstunde vorstellen mussten.

    Ergebnisse ermutigend für ein „konservatives“ Vorgehen

    • 83 % der endodontischen Notfälle brauchten keine weitere Intervention nach den „Palliative Care“-Behandlungen. Im Durchschnitt waren die als erfolgreich erachteten Zähne mit konservativen Interventionen über einen Zeitraum von acht Wochen stabil.

     

    • Bei 20 % der Zähne behandelten die Zahnärzte einen Abszess ausgehend von einer Parodontitis apicalis erfolgreich mit Inzision und Drainage mit oder ohne Antibiotika und Schmerzmedikamenten.

     

    • 41 % aller Zähne hatten eine symptomatische, irreversible Pulpitis mit apikaler Aufhellung. 60 % davon konnten nur mit Medikamentengabe angemessen behandelt werden. Alle „Misserfolge“ hatten ebenfalls eine symptomatische, irreversible Pulpitis mit apikaler Aufhellung.

     

    • Bei den wurzelanbehandelten Zähnen dauerte es durchschnittlich 13 Wochen bis zum Abschluss der Behandlung.

     

    • Bei 77 % der Zähne gab es trotz der Verzögerungen keine „unerwünschten Ereignisse“.

     

    • Bei 13 % der Zähne war die provisorische Versorgung frakturiert.

     

    • Lediglich an 6,4 % der Zähne flammten Infektionen und Schmerzen wieder auf, konnten aber erneut erfolgreich behandelt werden. Nur ein einziger Zahn war unrettbar frakturiert.

     

    • Weitere 13 % mussten als Misserfolg gewertet werden, weil die Patienten nicht zur Weiterbehandlung erschienen waren.

     

    FAZIT | Die Behandlung endodontischer Notfälle ohne rotierende Instrumente ist erfolgreich möglich und eine Option, wenn eine Aerosolbildung vermieden werden soll. Dieser Therapieansatz kann erwogen werden, wenn angestrebt wird, während eines Lockdowns das Risiko einer Übertragung von SARS-CoV-2 zu minimieren. Ein längerer Verbleib einer medikamentösen Ca(OH)2-Einlage aufgrund von pandemiebedingtem Lockdown mit Verzögerungen des Abschluss der Behandlung hatte offenbar nur minimale Auswirkungen auf das Überleben der Zähne.

     

    Quellen

    • Biraj Patel, Michael A. Eskander, Nikita B. Ruparel: To Drill or Not to Drill: Management of Endodontic Emergencies and In-Process Patients during the COVID-19 Pandemic. Journal of Endodontics, 2020, Volume 46, Issue 11, P. 1559‒1569. doi.org/10.1016/j.joen.2020.08.008
    • Rechenberg, DK., Held, U., Burgstaller, J.M. et al. Pain levels and typical symptoms of acute endodontic infections: a prospective, observational study. BMC Oral Health 16, 61 (2016). doi.org/10.1186/s12903-016-0222-z
    Quelle: Ausgabe 03 / 2021 | Seite 12 | ID 47115055