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  • · Fachbeitrag · Parodontologie

    BARMER Zahnreport und die Folgen: Was läuft falsch bei der Parodontitistherapie?

    | Um es auf den Punkt zu bringen, die Verbreitung der Parodontitis hat erschreckende Ausmaße; über 10 Millionen Betroffene in Deutschland schätzt die aktuelle Mundgesundheitsstudie. Und für die Parodontitistherapie zieht der BARMER Zahnreport 2017 eine ernüchternde Bilanz: Es „verfehlt die Parodontitis-Therapie offenbar häufig ihr Ziel, Zähne zu erhalten“, urteilt Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER. [1] Das geht aber nicht gegen die Zahnärzte, sondern ist als Startpunkt für eine gesundheitspolitische Diskussion zu sehen ‒ mit dem Ziel einer besseren Versorgung dieser Volkskrankheit. |

    Daten aus mehr als 400.000 Behandlungen

    Der Zahnreport 2017 kann durch „Big Data“ ein Bild der Versorgungsrealität von über 400.000 Parodontitisbehandlungen zeichnen. [2]: Das eigentliche Ziel der Parodontitistherapie, Zähne zu erhalten, kann nicht durchgehend erreicht werden. Die Therapie scheint für viele Patienten spät oder zu spät zu kommen, wenn bereits zum Zeitpunkt der Behandlung Zähne nicht mehr behandelbar sind und gezogen werden müssen.

    Diskrepanz zwischen Screening und Therapie

    25 Prozent der Versicherten ließen sich 2015 auf Parodontitis screenen. Diese Zahl entspricht faktisch etwa der Hälfte der Versicherten, da die Screeninguntersuchung alle zwei Jahre im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung genutzt werden kann. Therapiert werden hingegen weniger als zwei Prozent der Versicherten. „Vor dem Hintergrund der hohen Prävalenz wirft diese erhebliche Diskrepanz Fragen auf“, meint Prof. Dr. med. dent. Michael Walter, Technische Universität Dresden. [1] Wenn mehr als zehn Prozent der Bevölkerung betroffen sind, warum werden dann nur zwei Prozent behandelt?

     

    Doch auch nach der Parodontitistherapie bleibt die Gefahr von Zahnverlust erhöht. Bei etwa einem Drittel der Patienten geht mindestens ein Zahn innerhalb von vier Jahren verloren. Bei einer Vergleichsgruppe ohne Therapie war im gleichen Zeitraum nur etwa ein Viertel betroffen. Die auch nach Therapie noch erhöhte Häufigkeit von Zahnverlust mag zunächst enttäuschen. Sie kann aber nicht ursächlich auf Qualitätsdefizite in der Parodontitistherapie zurückgeführt werden. Vielmehr bleibt der Parodontitispatient auch nach dem Abschluss der Behandlung ein Risikopatient.

    Parodontitis stärker ins Bewusstsein der Patienten rücken

    Die Experten sind sich einig: Das Ziel muss es sein, die Parodontitis und ihre Folgen stärker als bisher in das Bewusstsein der Patienten zu rücken. Die hohe Inanspruchnahme vertragszahnärztlicher Leistungen bietet dafür gute Chancen. Appelle allein werden da nicht helfen: „Auch Anreizsysteme zur Vorsorge, wie das bereits bewährte Bonussystem beim Zahnersatz, werden diskutiert“, erläutert Prof. Dr. med. dent. Michael Walter. [1]

     

    Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung KZBV sieht hier die Krankenkassen in der Pflicht: „Im Bewusstsein der Menschen handelt es sich fälschlicherweise um eine Bagatellerkrankung. Dagegen hilft nur mehr Prävention, mehr Aufklärung, mehr sprechende Zahnmedizin ‒ finanziert durch die Kassen“, sagte KZBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Wolfgang Eßer. „Wesentliche Bausteine einer präventionsbasierten Versorgungsstrecke fehlen. Hierzu zählen die (...) individuelle Aufklärung, Motivation und Remotivation der Patienten, regelmäßige Verlaufskontrollen im Sinne einer qualitätsgesicherten Evaluation sowie ein strukturiertes Nachsorgeprogramm im Sinne der unterstützenden Parodontitistherapie“, so der KZBV-Vorsitzende weiter. (3)

    Ein neues Versorgungskonzept zur Parodontitistherapie

    Eßer kündigte ein umfassendes Versorgungskonzept zur Parodontitistherapie an. Zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro) und der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hinterfragt das Konzept die bisher in der G-BA-Behandlungsrichtlinie und im BEMA abgebildete Therapiestrecke. Geprüft wird insbesondere die Einbindung von Präventionskonzepten, einschließlich der langfristigen Unterstützenden Parodontitistherapie (UPT) in den Leistungskatalog. [3]

    Diabetes: Der Prophylaxe einen höheren Stellenwert einräumen

    Auf der Basis hoher Fallzahlen zeigt der BARMER Zahnreport 2017, dass bei Diabetikern das Ergebnis der Parodontitistherapie deutlich ungünstiger ausfällt. Besonders bei jungen Diabetikern ist das Risiko für eine Zahnextraktion nach einer Parodontitistherapie doppelt so hoch wie bei gleichaltrigen Nicht-Diabetikern. Bei zuckerkranken Menschen ist die Gefahr einer Parodontitis also nicht nur besonders groß. Bei ihnen schlägt offenbar auch die Therapie schlechter an, sagt BARMER-Vorstandschef Prof. Dr. Christoph Straub.

     

    Zahnvorsorge sollte deshalb in das Disease-Management-Programm für Diabetiker aufgenommen werden. In diesem Programm sind bereits Augenuntersuchungen oder die Kontrolle der Füße enthalten, um frühzeitig Folge- oder Begleiterkrankungen zu erkennen. Der drohende Zahnverlust bei Diabetikern solle bei der Versorgung denselben Stellenwert erhalten, schlägt Straub vor. [1]

     

    Quellen

    • [1] Pressekonferenz der BARMER, Berlin, 27.04.2017.
    • [2] Rädel M et al. (Hrsg.) BARMER Zahnreport 2017. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse Band 2, Wuppertal, 2017.
    • [3] Pressemitteilung der KZBV vom 27.04.2017.

     

    Literatur

    Quelle: Ausgabe 06 / 2017 | Seite 13 | ID 44684478