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  • 30.11.2010 | Allgemeine Zahnheilkunde

    Schluckstörungen durch Zahnprothesen - mit bedrohlichen Folgeerkrankungen

    von Dr. med. Heidrun Schröter-Morasch, Oberärztin der HNO-Klinik Bogenhausen in München

    Fast die Hälfte aller über 75-Jährigen in Deutschland leidet unter Schluckstörungen. Diese Dysphagie äußert sich auch bei 25 Prozent aller Schlaganfall-Patienten sowie 65 Prozent aller Patienten mit Hirnstammverletzungen. Fehlfunktionen des Schluckapparats führen nicht selten zu dauerhaften Leiden oder gar zum Tode.  

     

    Besonders im Alter treten durch Zahnprothesen, verminderte Speichelproduktion und nachlassende Muskelkraft Störungen des Schlucktraktes auf. Nicht selten müssen Betroffene - zumindest vorübergehend - über eine Magensonde ernährt werden. Chronische Bronchitis und Lungenentzündung bis hin zu Lungenversagen können die Folgen einer Schluckstörung sein. Durch den gestörten Schluckvorgang gelangen oft Nahrung oder Flüssigkeit in die Atemwege und führen zu lebensbedrohlichen Folgeerkrankungen. Hinzu kommt daher, dass Patienten nicht zuletzt an Unterernährung leiden.  

     

    Diese Situation verursacht bei den Patienten nicht nur einen hohen körperlichen Leidensdruck. Der als abstoßend empfundene Speichelfluss führt nicht selten zu Vorverurteilung und Ausgrenzung aus gesellschaftlichen Anlässen. Somit steht Dysphagie im fortgeschrittenen Alter nicht nur für eine gesundheitliche Gefahr, sondern auch für eine große Beeinträchtigung der Lebensqualität. Mit einer rechtzeitigen störungsspezifischen funktionalen Therapie lassen sich die Beschwerden in den meisten Fällen reduzieren oder sogar beseitigen. 60 bis 80 Prozent der behandelten Patienten erlangten die Fähigkeit zur zumindest teilweisen Nahrungsaufnahme über den Mund wieder.  

    Wie entstehen Schluckstörungen durch Zahnprothesen?

    Eine Prothese als „Fremdkörper" im Mund kann die Wahrnehmung von Speise und Flüssigkeit reduzieren (insbesondere in der Anpassungsphase), zur verminderten Kontrolle des Bolus führen und damit zum vorzeitigen Abgleiten in den Rachen, in den eventuell noch geöffneten Kehlkopf („Verschlucken“) und in die Luftröhre (Aspirationsgefahr!). Schlecht sitzende und lockere Prothesen bedeuten eine besondere Gefahr, bis hin zum Verschlucken der Prothese selbst!  

    Was kann der Zahnarzt selbst tun?

    Der Zahnarzt ist häufig der erste Ansprechpartner von Patienten mit Schluckstörungen, da diese ihre Beschwerden auf eventuelle Zahnprobleme zurückführen. Er sollte Strukturveränderungen im Mund-, Kiefer- und Zahnbereich sowie Bewegungsstörungen von Lippen und Zunge abklären, gegebenenfalls behandeln und die Beschwerden gleichzeitig vom HNO-Arzt untersuchen lassen.  

     

    Diese Symptome weisen auf Dysphagie hin:  

    • verlängerte Essdauer
    • Notwendigkeit des längeren Kauens
    • Notwendigkeit des Kleinschneidens bzw. Pürierens fester Speisen
    • Husten beim Essen und Trinken
    • Liegenbleiben von Nahrungsresten im Mund
    • Herauslaufen von Speichel, Nahrung, Flüssigkeit aus dem Mund
    • Gefühl des Steckenbleibens von Nahrung im Hals bzw. hinter dem Brustbein
    • Druckgefühl, Aufstoßen

    Was muss der Zahnarzt interdisziplinär tun?

    Neben der Schleimhautpflege und Sanierung des stomatognaten Systems kann es erforderlich sein, bei Defekten nach Tumoroperation oder bei Lähmungen durch eine besondere prothetische Versorgung eine Funktionsverbesserung zu erreichen: Zum Beispiel kann durch Absenkung des harten Gaumens mittels einer verdickten Gaumenplatte der Kontakt mit einem noch bestehenden Zungenrest oder einer nur noch eingeschränkt beweglichen Zunge ermöglicht werden und damit eine Weiterbeförderung der Nahrung erleichtert; ebenso durch eine Verdickung der Unterkieferprothese als Widerlager der Zunge. Auch die Anfertigung von Stimulationsplatten kann für eine Verbesserung der Wahrnehmung und Beweglichkeit im orofazialen Bereich hilfreich sein.  

    Quelle: Ausgabe 12 / 2010 | Seite 5 | ID 140400