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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Wird Auskunftsobliegenheit nach § 119 Abs. 3 VVG verletzt, besteht kein Klageanlass

    | Nach § 119 Abs. 3 VVG besteht für den geschädigten Dritten die Obliegenheit (keine Rechtspflicht), dem Versicherer (VR) auf Verlangen Auskunft zu erteilen und Belege vorzulegen. Umstritten ist die Tragweite dieser Norm und insbesondere, welche Konsequenzen eine Obliegenheitsverletzung hat. Beide Punkte sind Gegenstand einer erst jetzt bekannt gewordenen Entscheidung des LG Konstanz. |

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Hintergrund ist ein Unfall, in den ein Taxi des Klägers verwickelt war. Die volle Haftung des gegnerischen VR ist unstreitig. Der Kläger mietete für zwei Wochen ein Ersatzfahrzeug an. Um zu prüfen, ob die Mietwagenkosten von 4.902,10 EUR netto erstattungsfähig sind, forderte der VR den anwaltlich vertretenen Kläger auf, das Formular „Ermittlung von Taxi-Ausfallkosten“ auszufüllen und nebst den Belegen zu übersenden. Diesem Verlangen kam der Anwalt des Klägers erst nach Ablauf von rund zehn Monaten nach. Daraufhin zahlte der VR Mietwagenkosten bis auf einen Teilbetrag von rund 1.000 EUR. Im Umfang der Regulierung haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

     

    Bei der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO hat das LG Konstanz den Rechtsgedanken des § 93 ZPO herangezogen (5.2.19, D 2 O 43/18, Abruf-Nr. 216157). Nach seiner Ansicht besteht regelmäßig kein Anlass zur Klage, wenn der Geschädigte es entgegen § 119 Abs. 3 VVG unterlässt, berechtigt angeforderte Auskünfte zu erteilen und Belege zur Verfügung zu stellen. Das sei hier der Fall gewesen. Um die Ersatzfähigkeit der Mietwagenkosten zu prüfen, d. h. die Verhältnismäßigkeit im Vergleich mit einem entgangenen Gewinn, habe der VR die erbetenen Auskünfte und Belege anfordern dürfen. Bis zur Erfüllung dieses Verlangens habe er die Regulierung der Mietwagenkosten vollständig verweigern dürfen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Auskunfts- und Beleganforderungen des gegnerischen KH-VR zu ignorieren oder unvollständig zu erfüllen, kann in mehrfacher Hinsicht ins Auge gehen. Abgesehen von der Regulierungsverzögerung muss mit handfesten Nachteilen bei den Anwalts- und Gerichtskosten, der Fälligkeit und den Verzugszinsen gerechnet werden. Bis zur Schikane- und Verschleppungsgrenze werden VR-Anforderungsschreiben von den Gerichten erfahrungsgemäß wohlwollend betrachtet (siehe auch OLG Köln DAR 20, 331). Dies gilt auch im Verhältnis zur Werkstatt in deren Eigenschaft als Zessionarin (z. B. Fragebogen „Reparaturablaufplan“ oder Aufforderung, nähere Angaben zu machen bzw. Belege vorzulegen, um die Notwendigkeit/Unfallkausalität eines Teiletausches zu prüfen, so wie im Fall AG Sigmaringen 28.6.19, 2 C 501/18, juris, Abruf-Nr. 216156 [vorgelegtes Achsmessblatt war nicht aussagekräftig]).

     

    Die Entscheidung des LG Konstanz ist in zwei weiteren Punkten interessant:

     

    • Eigenersparnis: Sie wird bei einem Taxi unter Hinweis auf OLG Hamm 29.5.00, 13 U 25/00, NZV 01, 218 auf (mind.) 20 Prozent geschätzt. Weitere (uneinheitliche) Rspr. bei Eggert, VA 14, 132 unter 3c. Nachzutragen ist das wichtige und richtige Urteil des LG Nürnberg-Fürth (22.7.15, 8 S 7887/14, Abruf-Nr. 145572 ‒ wie bei Privatautos nur drei Prozent). Im Rahmen des Schätzungsermessens liegt auch ein Abzug von fünf Prozent (OLG Düsseldorf 19.11.07, 1 U 99/07, Abruf-Nr. 142051). Höhere Sätze als 10 Prozent lassen sich heute nicht mehr plausibel begründen.

     

    • Restwert: Das nach Veräußerung des Unfall-Taxis vom VR übermittelte, um rd. 1.300 EUR höhere Restwertangebot blieb unberücksichtigt. Die Restwertermittlung durch den eigenen Sachverständigen war lt. LG formal korrekt und vertrauenswürdig. Mit dem hoch bedeutsamen Autohaus-Urteil des BGH v. 25.6.19, VI ZR 358/18, VA 19, 170 konnte sich das LG noch nicht auseinandersetzen. Ob und unter welchen Voraussetzungen die BGH-Entscheidung auf kfz-nahe Betriebe, z. B. ein Taxiunternehmen, übertragbar ist, bedarf noch höchstrichterlicher Klärung; ebenso weitere Fragen des „Paradigmawechsels“ (Ch. Huber, ZVR 19, 415) wie etwa die (neue?) Aufgabe des Sachverständigen. Zum Problem mit Blick auf Autovermieter Breitling, MRW 3/19, S. 42. Zur Frage der Besteuerung des Wiederbeschaffungswerts eines Taxis bei fiktiver Schadensabrechnung aktuell LG Saarbrücken 3.4.20, 13 S 6/20, Abruf-Nr. 216155.
    Quelle: Ausgabe 07 / 2020 | Seite 117 | ID 46637288