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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Was verlangt ein spezifiziertes Anspruchsschreiben als Voraussetzung für den Beginn der Prüffrist?

    | Dass die dem gegnerischen KH-Versicherer zustehende Prüffrist erst mit Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens beginnt, ist gesicherte Erkenntnis. Was aber sind die inhaltlichen (Mindest-)Voraussetzungen für ein solches Schreiben? Das OLG Saarbrücken gibt eine Antwort. |

     

    Sachverhalt

    Mit Anwaltsschreiben vom 13.1.17 hatte die Kl. unter Fristsetzung bis zum 27.1.17 einen auf vorläufig 8.257,44 EUR bezifferten Schadenersatz plus RA-Kosten verlangt. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 31.1.17 hatte sie dem VR den Fragebogen für Anspruchsteller ausgefüllt zurückgeschickt. Eingereicht wurde die Klage am 17.2.17, zugestellt am 8.3.17. Der VR zahlte auf der Basis 50:50 4.650,69 EUR auf die Hauptforderung. In der mündlichen Verhandlung hat die Kl. ihre Klage nach Aufruf der Sache und Einführung in den Sach- und Streitstand in Höhe der geleisteten Zahlung zurückgenommen und Kostenantrag gestellt. Das LG hat die Kosten hälftig verteilt. Mit ihrer Beschwerde möchte die Kl. ihre völlige Kosten-Freistellung erreichen.

     

    Im Anschluss an die übliche Leerformel (Berücksichtigung der Einzelfallumstände) heißt es im Leitsatz 3:

     

    • Leitsatz 3

    Wurde dem gegnerischen Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer noch kein Unfallbericht übermittelt, hat das Anspruchsschreiben grundsätzlich (kurze) Angaben zum Unfallhergang aus Sicht des Anspruchstellers zu enthalten (OLG Saarbrücken 10.11.17, 4 W 16/17, Abruf-Nr. 198150).

     

    Entscheidungsgründe

    Das Rechtsmittel war statthaft (§ 269 Abs. 5 ZPO), aber unbegründet. Wie bei einer Entscheidung nach § 91a ZPO sei über die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 269 Abs. 3 S. 3 Hs.1 ZPO). Nach Ausführungen allgemeiner Natur, auch zur Darlegungs- und Beweislast, kommt der Senat auf den Punkt: War die Klage verfrüht oder nicht? Anders gefragt: War die Prüffrist im Zeitpunkt der Einreichung der Klage (= Erhebung der Klage i. S. d. § 93 ZPO) abgelaufen oder lief sie noch?

     

    Noch nicht abgelaufen und damit verfrüht geklagt, so das OLG. Das anwaltliche Erstschreiben enthalte lediglich Angaben zum Unfallort und zur Unfallzeit, aber nicht einmal eine grobe Darstellung des Unfallhergangs aus Sicht der Kl. Es beschränke sich auf die wertende Feststellung „Die Haftung in der Sache selbst ist eindeutig“. Folglich sei die Rüge des VR berechtigt gewesen, mangels Hergangsschilderung seine Eintrittspflicht nicht prüfen zu können.

     

    Das Defizit des ursprünglichen Anspruchsschreibens sei erst im Zeitpunkt des Zugangs des Fragebogens für Anspruchsteller durch das zweite Anwaltsschreiben behoben worden. Erst von da an sei die Prüffrist in Gang gesetzt gewesen. Ob sie vier oder sechs Wochen gedauert habe, könne dahingestellt bleiben. Jedenfalls sei die Frist noch nicht abgelaufen gewesen, als die Klage eingereicht wurde.

     

    Erhebe der Geschädigte vor Ablauf der Prüffrist Klage, könne der VR noch ein sofortiges Anerkenntnis unter Verwahrung gegen die Kostenlast (§ 93 ZPO) abgeben oder bei fristgerechter Regulierung und anschließender Klagerücknahme oder übereinstimmender Erledigungserklärung auf eine ihm günstige Kostenentscheidung vertrauen. So sei es hier, weil der VR „sofort“ (noch vor Klagezustellung) gezahlt habe.

     

    Zuletzt geht das OLG darauf ein, ob und wie sich die Teilklagerücknahme auf die beiderseitigen Terminsgebühren, insbesondere deren Höhe, ausgewirkt hat. Mit Aufruf der Sache und damit vor der später erklärten Teilklagerücknahme seien sie nach dem höheren Gebührenstreitwert entstanden.

     

    Relevanz für die Praxis

    Mit dem vorliegenden Beschluss setzt das OLG Saarbrücken die Reihe bemerkenswerter Entscheidungen zum facettenreichen Problemfeld der §§ 91a, 93, 269 Abs. 3 ZPO fort (zuletzt 2.2.17, 4 U 148/15, juris; 5.12.16, 4 W 19/16, Abruf-Nr. 193758). Fazit für Anwälte von Geschädigten: Auch in vermeintlich eindeutigen Sachen, z. B. Auffahrunfall, so früh wie möglich eine kurze Schilderung des Unfalls (Unfallbericht) abliefern.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2018 | Seite 2 | ID 45040291