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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Kollision zwischen Pkw und Straßenbahn: BGH klärt Mithaftungsfragen

    • 1.Bei Ansprüchen aus § 831 Abs. 1 BGB ist § 4 Halbsatz 2 HPflG nicht entsprechend anwendbar.
    • 2.Im Rahmen der Betriebsgefahr, die sich der Halter eines Kraftfahrzeugs entgegenhalten lassen muss, wenn er Ersatz seines Unfallschadens nach § 823 Abs. 1 BGB verlangt, ist als ein die allgemeine Betriebsgefahr erhöhender Umstand auch das für den Unfall mitursächliche haftungsrelevante Verhalten des Fahrers zu berücksichtigen.

    (BGH 11.6.13, VI ZR 150/12, Abruf-Nr. 132198)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Eine Straßenbahn der Bekl. zu 1), gefahren vom Bekl. zu 2), hatte den VW Sharan des Kl., gefahren von seiner drittwiderbeklagten Ehefrau, heckseitig angestoßen und beschädigt. Die Vorinstanzen haben die Haftung unterschiedlich verteilt. AG: Bekl. als Gesamtschuldner 2/3, Bekl. zu 1) allein ein weiteres Drittel aus § 831 BGB. Ziel der Berufung beider Bekl.: nur jeweils 1/3. LG: Haftung beider Bekl. zu 2/3 bestätigt, jedoch keine volle Haftung aus § 831 BGB, weil der Kl. sich auch insoweit - analog § 4 HPflG - eine Mithaftung von 1/3 anrechnen lassen müsse. Wegen der Analogiefrage hat das LG die Revision zugelassen. Der BGH hat die Revision des Kl. teilweise als unzulässig verworfen, im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

     

    Vom BGH abgelehnt wird die vom LG angenommene analoge Anwendung des § 4 Hs. 2 HPflG auf § 831 Abs. 1 BGB. Eine „planwidrige“ Regelungslücke als Grundvoraussetzung für eine Analogie liege nicht vor, was ausführlich begründet wird. Dem Kl. auch aus § 831 Abs. 1 BGB nur zwei Drittel zuzusprechen, sei gleichwohl im Ergebnis zutreffend. Anknüpfend an seine ständige Rechtsprechung führt der BGH aus, dass sich ein Geschädigter in erweiternder Auslegung des § 254 BGB die Betriebsgefahr seines Kfz zurechnen lassen müsse. Das sei der Fall, wenn er als Halter dem Schädiger gegenüber aus § 7 Abs. 1 StVG hafte. Im Rahmen der Betriebsgefahr, die sich der Kfz-Halter entgegenhalten lasse müsse, wenn er Ersatz seines Unfallschadens nach Deliktsrecht verlange, sei als erhöhender Umstand ein - hier zu bejahendes - Fahrerverschulden zu berücksichtigen. Dies auch dann, wenn der Fahrer nicht Verrichtungsgehilfe des Halters sei.

     

    Praxishinweis

    Ein Allerweltsfall, aber in jeder Instanz eine andere Lösung bzw. eine unterschiedliche Begründung. Zum besseren Verständnis empfiehlt sich, das Berufungsurteil LG Görlitz v. 19.3.12, 2 S 76/11, im Volltext bei juris nachzulesen. Deutlich wird, dass beide Fahrer schuldhaft gehandelt haben und somit aus § 823 Abs. 1 BGB einstandspflichtig sind. Einstandspflichtig ist die Pkw-Fahrerin zudem nach § 18 StVG, eine Vorschrift, die auf einen Straßenbahnfahrer nicht anwendbar ist, was oft übersehen wird.

     

    Kernproblem des Falls ist die Frage, ob der Kl. als Halter und Eigentümer des Pkw sich das Verschulden seiner Ehefrau zurechnen lassen muss, soweit es um die Haftung der Straßenbahnhalterin aus § 831 BGB geht. Die Mithaftungsfrage stellt sich gleichermaßen mit Blick auf die Haftung des Straßenbahnfahrers aus § 823 Abs. 1 BGB.

     

    Spätestens seit den Leasingwagen-Urteilen BGHZ 173, 182 und BGH NJW 11, 996 wissen wir, dass in bestimmten Fallgestaltungen in puncto Zurechnung zwischen Delikts- und Gefährdungshaftung zu unterscheiden ist. Als Merksätze haben sich eingebürgert: Aus Delikt bekommt eine Leasinggesellschaft stets 100 Prozent, d.h. keine Anrechnung von Betriebsgefahr und Fahrerverschulden. Bei Ansprüchen nur nach StVG dagegen Zurechnung eines Fahrerverschuldens gem. § 9 StVG. Bei Leasingfahrzeugen ebenso wie bei bankfinanzierten Fahrzeugen fallen indessen Eigentum und Haltereigenschaft auseinander, während der Kl. im vorliegenden Fall zugleich Halter und Eigentümer ist. Die Betriebsgefahr ist somit anspruchsmindernd zurechenbar, egal, ob der Schädiger nur aus Gefährdungshaftung oder auch aus Delikt haftet. Und was ist mit einem Fahrerverschulden? Es erhöht die allgemeine Betriebsgefahr, sofern es sich unfallursächlich ausgewirkt hat. Ob der Fahrer Verrichtungsgehilfe des Halters ist oder nicht, spielt keine Rolle. Eine Regelungslücke, die durch eine Analogie zu schließen wäre, besteht demnach nicht, auch nicht bei Kollisionen zwischen einem Kfz und einer Straßen- oder Eisenbahn.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Trotz Auffahrens der Straßenbahn kann ein Pkw-Fahrer allein haften (vgl. LG Berlin 6.4.11, 42 O 157/10, NZV 12, 186). Zum Gesamtkomplex Bahnhaftung in der neueren Rechtsprechung Filthaut, NZV 13, 319.
    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 147 | ID 42243996