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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Fahrtkosten zur Wiederbeschaffung sind erstattungsfähig

    | Nach einem wirtschaftlichen Totalschaden bestand noch Streit in folgenden drei Schadenspositionen: Nutzungsausfallentschädigung (Dauer der Ausfallzeit), Fahrtkosten, Ersatzbeschaffung und Kraftstoff im Unfallfahrzeug. In allen drei Punkten entschied das AG Suhl zugunsten des Klägers (Urt. v. 9.1.19, 1 C 194/18, Abruf-Nr. 207897 ). |

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der Unfall war bereits am 7.12.17. Aber erst am 20.1.18 hatte der Kläger ein Ersatzfahrzeug gefunden und gekauft. Beim Berechnen der Nutzungsausfallentschädigung legte er nicht die Schätzung der Wiederbeschaffungsdauer im Gutachten zugrunde, sondern eine Zeitspanne bis zum 3.1.18. Das AG hätte als Endzeitpunkt sogar den 20.1.18 akzeptiert. Denn der Kläger konnte nachvollziehbar darstellen, warum es bei der Ersatzbeschaffung gehakt hat. Den präzisen Sachvortrag hat die Gegenseite mit Nichtwissen bestritten, was in den Augen des AG unzulässig war. Der Schädiger müsse konkret vortragen, dass und wo der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem früheren Zeitpunkt hätte erhalten können.

     

    Das AG hat auch die Fahrtkosten anerkannt, die der Kläger pauschal mit 0,30 EUR pro km berechnet hat. Die einzelnen Fahrten zwecks Besichtigung der ihm angebotenen Fahrzeuge seien kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen. Das Risiko, dass ein Fahrzeug nicht den Anforderungen und dem Geschmack des Geschädigten entspreche, trage der Schädiger. Dafür, dass der Geschädigte unangemessen hohe Fahrtkosten produziert habe und damit gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen habe, sei der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig.

     

    Schließlich spricht das AG auch die Position „Restkraftstoff Unfallfahrzeug“ i. H. v. 77,94 EUR zu. Durch eine Tankquittung war das Tanken kurz vor dem Unfall belegt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Begleit- und Nebenkosten, die bei einer vom Wirtschaftlichkeitsgebot gedeckten konkreten Ersatzbeschaffung tatsächlich angefallen sind, sind grundsätzlich erstattungsfähig. Außer den Kosten für die Abmeldung des beschädigten Fahrzeugs und die Anmeldung des Ersatzfahrzeugs (keine Pauschale, so KG 31.1.19, 22 U 211/16, Abruf-Nr. 207635, VA 19, 58) können das sein: Kosten eines Zulassungsdienstes oder des Autohauses (Rspr. dazu in VA 19, 58), neue Sicherheitsartikel wie Verbandskasten, Warndreieck und Warnweste (dazu AG Tostedt VA 18, 94), Kosten für eine technische Prüfung des neuen Altwagens (strittig, ob überhaupt und ob auch fiktiv, dazu VA 18, 21/22), Kosten für eine Überführung des Ersatzfahrzeugs (LG Saarbrücken 19.5.17, 13 S 185/16, VA 18, 4 mit wichtigen Aussagen zum regionalen/überregionalen Suchfeld; dazu auch OLG München 23.3.18, 10 U 2647/17) sowie Kosten für Fahrten zum Zwecke der Besichtigung angebotener Fahrzeuge (AG Suhl hier).

     

    Wenn der Geschädigte die für ihn günstigere Möglichkeit einer fiktiven Totalschadensabrechnung auf Gutachtenbasis wählt, z. B. bei einem Kaufpreis unter Gutachten-WBW, hat er bei tatsächlich angefallenen Nebenkosten ein Problem mit dem Kombinationsverbot (siehe BGH 30.5.06, VI ZR 174/05, NJW 06, 2320). Man kann auch bei der Erforderlichkeit dieser Kosten ansetzen, wenn sie über das hinausgehen, was der Sachverständige in Ansatz gebracht hat. Geht er z. B. von der Möglichkeit einer Ersatzbeschaffung auf dem lokalen Markt aus, sind im Falle eines überregionalen Kaufs Fahrt- und Überführungskosten auch unabhängig vom Kombinationsverbot nicht ohne Weiteres ersatzfähig.

    Einsender: RA Thomas Zetzmann, Suhl

    Quelle: Ausgabe 05 / 2019 | Seite 77 | ID 45855369