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  • · Nachricht · Tagungsbericht

    Bericht über die Fachtagung Personenschaden im E-Learning 2020/I

    | Wenn Start-ups von einem Schlag mit der Wucht wie Covid-19 schon auf den ersten Metern getroffen werden, ist der rasche Exitus meist programmiert. Nicht so beim Institut für Faire Schadensregulierung (IFS). Nach der gelungenen Auftaktveranstaltung in Berlin am 7./8.11.2019 (Verkehrsrecht aktuell hat berichtet) musste die Folgeveranstaltung wegen der Corona-Krise als E-Learning-Seminar stattfinden. |

     

    Dabei hat sich gezeigt, dass das Präsenzmodell nicht alternativlos ist. Kurz: Plan B ist voll aufgegangen.

     

    Das „große“ Thema der Tagung war der Hausarbeitsschaden, das „kleine“, aber durchaus anspruchsvolle die Haftung des Durchgangsarztes. Als dritter Programmschwerpunkt stand ein Überblick über die Rechtsprechung zum Personenschadensrecht des letzten halben Jahres auf der Tagungsordnung, flankiert von einem Referat über die aktuelle Judikatur zur Verschuldens- und Gefährdungshaftung dem Grunde nach (Richter am BGH Thomas Offenloch).

     

    Wiederum ist es den Veranstaltern gelungen, hochkarätige ReferentenInnen zu gewinnen; aus allen Bereichen der Praxis bis hinauf zum Bundesgerichtshof (VI. Zivilsenat). Einen Blick über den deutschen Tellerrand hinaus ermöglichte der Beitrag zum Hausarbeitsschaden von Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt aus der Schweiz.

     

    Den Hausarbeitsschaden (Haushaltsführungsschaden) als Top-Thema auszuwählen, hat sich als Glücksgriff erwiesen. Nie zuvor hat er in Rechtsprechung und Literatur eine derart zentrale Rolle gespielt wie gegenwärtig. Erinnert sei an den Vorstoß des OLG Frankfurt a. M. 22 U 97/16, VA 19, 1 = VersR 19, 435 sowie an die Tabellenkritik des OLG Celle im Urteil vom 26.6.19, 14 U 154/18. Was die fünf ReferentenInnen ‒ aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln ‒ vorgetragen haben, war durchweg vom Feinsten.

     

    Besonders hervorzuheben ist das Plädoyer von Rechtsanwalt Thoenneßen für eine Reduktion der Komplexität durch Einführung eines dreistufigen Modells:

     

    • Erster Schritt: Bestimmung der Haushaltsgröße (fünf Kategorien),
    • zweiter Schritt: Bestimmung eines Tagessatzes (wiederum fünf Kategorien von 20 bis 100 Euro) und
    • dritter Schritt: Multiplikation des Tagessatzes mit der Anzahl der Tage der Arbeitsunfähigkeit.

     

    Als Vorbild dient die allgemein anerkannte Tabelle für die pauschale Nutzungsausfallentschädigung (ehemals Sanden/Danner/Küppersbusch, heute Schwacke). Zu begrüßen ist jeder Vorschlag, der einen Zugewinn an Vereinfachung und Transparenz verspricht. Und das ist hier der Fall.

     

    Doch das Beharrungsvermögen der Gerichte ist traditionell stark ausgeprägt. Neuerungen stoßen erfahrungsgemäß zunächst auf breite Ablehnung, wie auch das Beispiel „taggenaue Berechnung“ des Schmerzensgelds zeigt. Was im herkömmlichen Rahmen in puncto Hausarbeitsschaden vom Anspruchsteller vorzutragen und ggfls. zu beweisen ist, führt Hans-Peter Freymann kenntnisreich und praxisnah vor Augen. In der Tat geht es hier um das prozessuale A und O, zumal bei fiktiver Abrechnung.

     

    Mit dem h„kleinen“ Thema „Haftung des Durchgangsarztes“ wurde ein Kapitel aufgeschlagen, das aus anwaltlicher Normalsicht eher am Rand liegt. Umso größer ist die Relevanz für die Unfallversicherungsträger. Deren Sicht auf die komplexe Problematik behandelte Niels-Wenno Kampen, während Ulrike Müller vom VI. Zivilsenat des BGH die Teilnehmer auf den neuesten Stand der ‒ 2016 geänderten ‒ BGH-Rechtsprechung gebracht hat.

     

    Zu den Highlights der Tagung gehörte, wie bereits in Berlin, das Referat von Prof. Dr. Christian Huber. Präsentiert und gewohnt kritisch kommentiert wird die Rechtsprechung, auch die instanzgerichtliche, zu Fragen des Umfangs des Personenschadens. Stichworte: vermehrte Bedürfnisse, Hausarbeitsschaden, Schmerzensgeld, Unterhaltsschaden und Hinterbliebenengeld. Von selbst versteht sich, dass die taggenaue Berechnung des Schmerzensgeldes (Methode Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi) nicht unkommentiert bleibt. Der BGH hat sich dazu, soweit ersichtlich, noch nicht geäußert (eine NZB soll ihm vorgelegen haben, Ausgang unbekannt). Nunmehr hat das OLG Frankfurt a. M. (22. ZS) in zwei Entscheidungen vom 4.6.2020 unter Modifizierung seines grundlegenden Urteils vom 18.10.2018, 22 U 97/16 die Revision zugelassen (22 U 34/19 und 22 U 244/19). Anders als bei zahlreichen Traditionalisten fällt das Urteil von Prof. Huber bemerkenswert positiv aus.

     

    Fazit | Es bleibt spannend. Das gilt für den Gesamtbereich des Personenschadens. Nach jahrzehntelanger Vernachlässigung im neutralen Fortbildungsbetrieb hat er im IFS endlich eine Einrichtung gefunden, die zu hegen und zu pflegen letztlich auch im Gemeinwohlinteresse liegt.

     

    Dr. Christoph Eggert, VRiOLG a.D., Leverkusen

    Quelle: ID 46718051