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  • · Subjektbezogener Schadenbegriff

    Besonderheiten bei der Regulierung, wenn eine autoherstellereigene Bank mit im Spiel ist

    Bild: © studio v-zwoelf - stock.adobe.com

    von RA Gunnar Stark, FA VerkehrsR und VersR, Hamburg

    | Der BGH hat sich mit der Entscheidung vom 25.3.25 (VI ZR 174/24, Abruf-Nr. 248667 ) zu der Frage geäußert, ob bei einem Totalschaden eines Fahrzeugs, das bei einer autoherstellereigenen Bank finanziert ist und in einem Verfahren, in dem die Ansprüche dieser Bank geltend gemacht werden, der Restwert über überregionale Restwertbörsen oder am allgemeinen örtlichen Markt zu ermitteln ist. |

    1. Die Geschichte bis hierhin

    Der BGH hat in einer Vielzahl von Entscheidungen der letzten Jahre stets den Fokus auf den subjektbezogenen Schadenbegriff und die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten der Geschädigten gelegt. Eben diese Betrachtung vom Anspruchsteller aus und dessen Horizont ist die Grundlage bedeutender Entscheidungen. Diese Rechtsprechung geht zurück auf die Entscheidung des BGH vom 29.10.74 (VI ZR 42/73), in der er den subjektbezogenen Schadenersatzbegriff grundlegend definiert hat.

     

    Schon in den Entscheidungen des BGH vom 25.6.19 (VI ZR 358/18, Abruf-Nr. 210470) und 2.7.24 (VI ZR 211/22, Abruf-Nr. 243499) wurde geklärt, dass für Geschädigte, die mit dem An- und Verkauf von Gebrauchtwagen befasst sind, die Inanspruchnahme eines Restwertmarks im Internet, vulgo Restwertbörsen, ohne Weiteres zumutbar ist. Sowohl Autohäuser als auch Leasinggesellschaften handeln gewerbsmäßig mit Fahrzeugen. Sie haben, entweder selbst oder über mit ihnen verbundene Händler, Zugang zu diesem Restwertmarkt im Internet.

     

    Die Einfluss- und Erkenntnismöglichkeiten dieser Geschädigten sind also so, dass sie auf Börsen zugreifen können. Dementsprechend ist der Restwert auch aus der Sicht dieser Geschädigten auf dieser Grundlage zu ermitteln. Auch in der Folgezeit, insbesondere mit den Entscheidungen des BGH vom 16.1.24 (u.a. VI ZR 253/22, Abruf-Nr. 239194; VI ZR 51/23, VI ZR 38/22) und Entscheidung vom 12.3.24 (VI ZR 280/22, Abruf-Nr. 240862) hat der BGH bei anderen Schadenpositionen, mal in Gestalt des Werkstattrisikos, mal in Gestalt aller anderen Risiken, insbesondere des sogenannten Sachverständigenrisikos, den subjektbezogenen Schadenersatzbegriff in das Zentrum gestellt.

    2. BGH entscheidet zu Restwert bei Schaden der Bank

    In der jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 25.3.25, VI ZR 174/24, Abruf-Nr. 248667) hat der BGH sich mit der Frage befasst, wie die Restwerte zu ermitteln sind, wenn der Schaden einer finanzierenden Bank geltend gemacht wird.

     

    In dem dortigen Verfahren hatte der Kläger einen Unfall mit einem Fahrzeug erlitten. Dieses hatte er ‒ dies betont der BGH in Abgrenzung zu allgemeinen Finanzinstituten ‒ bei der Seat Bank, einer Zweigniederlassung der Volkswagen Bank GmbH, finanziert und an diese Bank zur Sicherheit übereignet. Der Kläger hat den entstandenen Sachschaden „allein als fremden Schaden der Sicherungsnehmerin in gewillkürter Prozessstandschaft“ geltend gemacht, also faktisch nur den Schaden der Volkswagen Bank GmbH. Er hat ‒ wie der BGH an verschiedenen Stellen des Urteils betont ‒ ausdrücklich nur diesen Schaden und nicht seinen eigenen Schaden geltend gemacht. In der Konsequenz der vorangegangenen Urteile hat der BGH dementsprechend den Erkenntnishorizont der Geschädigten, nämlich hier die SEAT-Bank, angewandt. Diese hat ‒ wie die Leasinggesellschaft ‒ die Möglichkeit, auf Börsen entweder direkt oder über ihr Händler-/Vertriebsnetz zurückzugreifen. Konsequenterweise kam der BGH zu dem Schluss, dass in dieser Konstellation, in der ein Geschädigter ausschließlich aus gewillkürter Prozessstandschaft den Schaden der Herstellerbank geltend macht, auch Restwerte aus einer Internetbörse zu ermitteln sind.

    3. Ansprüche des Geschädigten

    Zumindest nicht abschließend geklärt ist durch das Urteil die Frage, wie der Anspruch zu bewerten ist, wenn der Geschädigte seine eigenen Ansprüche geltend macht. Für die Geltendmachung des eigenen Schadens gibt es verschiedene Rechtsgrundlagen:

     

    • Zum einen kann der Geschädigte womöglich seinen Schaden in Form eines Haftungsschadens geltend machen, wenn seine Finanzierungsbedingungen dies hergeben.

     

    • Zum anderen hat ein Geschädigter, der sein Fahrzeug bei einer Bank ‒ egal ob Herstellerbank oder regionale Bank ‒ finanziert, möglicherweise ein Anwartschaftsrecht. Ein Anwartschaftsrecht entsteht, wenn die Vollendung des Eigentumserwerbs an dem Fahrzeug nach den Vereinbarungen zwischen Darlehensnehmer und Darlehensgeber aufschiebend bedingt (§ 929 S. 2, § 158 Abs. 1 BGB) ist. So sehen Finanzierungsbedingungen u. a. in Sicherungsabreden vor, dass das finanzierte Fahrzeug nur so lange im Eigentum der Bank steht, bis alle Forderungen der Bank gegen den Darlehensnehmer befriedigt sind. Hieraus ergibt sich ein Anwartschaftsrecht (vgl. OLG Hamm 20.6.13, 5 U 43/13, dort Bedingungen der Alfa-Romeo-Bank). Gleiches gilt, wenn die Sicherungsübereignung auflösend bedingt gem. § 158 Abs. 2 BGB vereinbart ist. Auch hier ist die Rechtsposition des Sicherungsgebers so gesichert, dass er ein Anwartschaftsrecht erwirbt.

     

    Ein solches Anwartschaftsrecht ist wesensgleiches Minus zum Eigentum und geschütztes Rechtsgut im Rahmen des § 823 BGB. Der Geschädigte, der mit seinem finanzierten Fahrzeug verunfallt, hat also einen eigenen Schadenersatzanspruch, wenn die Vollendung des Eigentumserwerbs aufschiebend bedingt oder das Sicherungseigentum in den Finanzierungsbedingungen auflösend bedingt ist.

     

    Diesen Schadenersatzanspruch kann der Geschädigte aufgrund der Verletzung seines Anwartschaftsrechts auch geltend machen. Dann ist jedoch nach der Rechtsprechung des BGH im Rahmen des subjektbezogenen Schadenersatzbegriffs auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten abzustellen und nicht auf die der finanzierenden Bank. Denn anders als beim Leasing hat hier die Finanzierungsgeberin ein deutlich geringeres eigenes wirtschaftliches Interesse. Beim Leasing ist nämlich das Fahrzeug, welches im Alleineigentum der Bank steht, beschädigt. Die Bank wäre gegebenenfalls verpflichtet, im Rahmen des Leasingvertrags dem Leasingnehmer ein Fahrzeug zur Verfügung zu stellen. Das wird aber über Sonderkündigungsrechte im Unfallschadensfall vermieden.

     

    Bei der Finanzierung muss der Finanzierungsnehmer zunächst einmal das Darlehen, das er zur Anschaffung des Fahrzeugs aufgenommen hat, weiter bedienen. Das Fahrzeug dient insoweit nur als Absicherung des Darlehns, die Darlehensverbindlichkeit besteht grundsätzlich unabhängig von der Existenz und dem Zustand des Fahrzeugs. Dementsprechend haben Darlehensnehmer nach den üblichen Finanzierungsbedingungen auch immer die Möglichkeit, das Darlehen vorzeitig abzulösen, gegebenenfalls auch im Schadenfall. Das Fahrzeug muss dann allerdings auch abgelöst werden, das Darlehen also mit einer Zahlung des offenen Restbetrags bedient werden. Der Finanzierungsnehmer, der trotz eines Totalschadens sein Fahrzeug weiter nutzen möchte oder der sein Fahrzeug bei einem örtlichen Betrieb seines Vertrauens bei der Anschaffung eines Neufahrzeugs in Zahlung geben möchte, hat keinerlei Zugriffe auf Online-Börsen. Es ist ‒ wie beim (Voll-)Eigentum ‒ daher auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten abzustellen.

     

    Bei dem Geschädigten, der nicht gewerblich mit dem An- und Verkauf von Fahrzeugen befasst ist, ist nach der Rechtsprechung des BGH auf den allgemeinen örtlichen Markt abzustellen, also weder auf eine Internet-Börse noch auf (regionale oder überregionale) reine Restwertaufkäufer.

    4. Fazit

    Die aktuelle Entscheidung des BGH vom 25.3.25 (VI ZR 174/24) führt die bisherigen Entscheidungen zum subjektbezogenen Schadenbegriff und zur Ermittlung des Restwerts konsequent fort. Mit der darin enthaltenen Betonung, dass der Geschädigte in dem dortigen Verfahren ausschließlich den Schaden der finanzierenden Bank geltend macht, lässt sie auch deutlich erkennen, dass für den Fall, dass ein Geschädigter seinen eigenen Schaden geltend macht, auch auf den Geschädigten bei der Frage der Ermittlung des Restwerts abzustellen ist. Ein eigener Schaden kann im Rahmen einer Fahrzeugfinanzierung z. B. aus einem Anwartschaftsrecht entstehen und ist ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB.

     

    In Neuverfahren wird zu prüfen sein, aus welchem Recht und mit welcher Restwertermittlung die Ansprüche zu beziffern sind. In laufenden Verfahren ‒ gerichtlich wie außergerichtlich ‒ muss ggf. die Argumentation auf den eigenen Anspruch des Geschädigten umgestellt werden.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2025 | Seite 132 | ID 50480019