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  • · Fachbeitrag · Reparaturkosten

    Werkstattrisiko: Sofortiger Handlungsbedarf ‒ Antrag muss umgestellt werden (BGH VI ZR 266/22)

    | In der Januar-Ausgabe 2024 hat VA im Beitrag „Neue Erkenntnisse zum Werkstattrisiko bei vom Geschädigten nicht bezahlter Rechnung“ aus der mündlichen Verhandlung berichtet und auf die Notwendigkeit einer veränderten Antragstellung hingewiesen. Das betrifft die Fälle, bei denen der Geschädigte die Erstattung restlicher Reparaturkosten einklagt, sich dabei die Rechtsfigur des Werkstattrisikos als Ausprägungsform des subjektbezogenen Schadenbegriffs zunutze machen möchte, aber selbst die Rechnungsdifferenz noch nicht an die Werkstatt bezahlt hat. |

    1. Neue Erkenntnisse aus BGH-Entscheidungen

    Nun liegen zwar die Urteile noch nicht im Volltext vor, jedoch hat der BGH eine so detaillierte Pressemitteilung veröffentlicht, dass daraus bereits sehr klare Erkenntnisse gezogen werden können.

     

    In der beschriebenen Situation kann der Geschädigte von dem Schädiger Zahlung des von der Werkstatt in Rechnung gestellten (Rest-)Honorars nur an die Werkstatt und nicht an sich selbst verlangen, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger (das Werkstattrisiko betreffender) Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt (BGH 16.1.24, VI ZR 266/22, Abruf-Nr. 239193; VI ZR 253/22, Abruf-Nr. 239194; VI ZR 51/23, Abruf-Nr. 239195).

    2. Erklären Sie die Vorgehensweise in der Übergangsphase

    Wenn man nun so vorgeht, werden die Instanzgerichte noch irritiert sein. Deshalb ist es sinnvoll, die veränderte Antragstellung zu erläutern. Anderenfalls könnte das Gericht diese Vorgehensweise fälschlich als gewillkürte Prozessstandschaft ansehen. Das aber würde auch dazu führen, dass die Segnungen des subjektbezogenen Schadenbegriffs und damit der Figur des Werkstattrisikos entfallen.

     

    PRAXISTIPP | Unter der Abruf-Nr. 49875869 finden Sie eine Musterformulierung, wie damit umgegangen werden kann.

     

    3. Erste Reaktion eines Gerichtes

    Ein Kollege, der bereits aufgrund der Online-Berichterstattung reagiert und im laufenden Verfahren den Klageantrag umgestellt hat, berichtete nach der mündlichen Verhandlung:

     

    Der dortige Richter sei von der schnellen Reaktion des Kollegen auf die BGH-Rechtsprechung beeindruckt gewesen, begann dann aber zu philosophieren.

     

    • So meinte er, bzgl. der gleichzeitig eingeklagten Kosten im Rahmen der Vorbereitung des Gutachtens („Hilfestellung“) müsste auch eine Zahlung an den Rechnungsaussteller beantragt werden.

     

    • Der Richter spann seinen Gedanken dann weiter und meinte, diese neue Rechtsprechung müsse wohl auch für die nicht bezahlte Sachverständigen-Rechnung gelten.

     

    • Schließlich meinte er auch noch, die beantragten Zinsen seien nicht zu erstatten, nicht an die Werkstatt und aufgrund des Antrags schon gar nicht an den Geschädigten. Verzug könne erst ab dem Zeitpunkt des jetzt gestellten Antrags gelten.

     

    Um sich in Ruhe Gedanken machen zu können, ordnete er das schriftliche Verfahren an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme.

    4. Was ist davon zu halten?

    Vorab muss man sich klarmachen, dass der veränderte Antrag den Sinn hat, den Vorteilsausgleich sicherzustellen. Denn die Zug-um-Zug-Abtretung der (eventuellen) Rückforderungsansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt an den Versicherer ginge ins Leere, wenn die Werkstatt das Geld vom ihr gegenüber ungetreuen Geschädigten in dessen Rolle als Kunden nicht bekommen hätte. Die BGH-Devise lautet: Ohne Vorteilsausgleich keine Anwendung des subjektbezogenen Schadenbegriffs. Der Umkehrschluss lautet: Wo der subjektbezogene Schadenbegriff ohnehin keine Anwendung findet, ist auch der Antrag auf Zahlung an den Rechnungssteller nicht erforderlich.

     

    • Wenn die Hilfestellung der Werkstatt bei der Erstellung des Gutachtens an den Geschädigten fakturiert wurde, wird man sich wegen Grund und Höhe sinnvollerweise den subjektbezogenen Schadenbegriff zunutze machen wollen. Also ist Antrag auf Zahlung an die Werkstatt sinnvoll.

     

    • Wenn die Hilfestellung der Werkstatt bei der Erstellung des Gutachtens richtigerweise an den Schadengutachter berechnet wurde, wird die als Subunternehmerleistung Teil der Gutachtenkosten. Dann gilt das nachstehend zu den Gutachterkosten Gesagte.

     

    • Die (noch) nicht (vollständig) bezahlte Gutachterrechnung allein hat nach der Rechtsprechung des BGH ohnehin keine Indizwirkung für die Erforderlichkeit der berechneten Kosten (BGH 5.6.18, VI ZR 171/16, Abruf-Nr. 204536). Also spielt der subjektbezogene Schadenbegriff keine Rolle. Folglich muss der Vorteilsausgleich nicht aktiviert werden, und damit entfällt der Grund für den Antrag „Zahlung an den Schadengutachter“.

     

    • Was die Zinsen angeht, kann man sich durchaus auf den Standpunkt stellen, dass erst seit der Umstellung des Klageantrags der auf den subjektbezogenen Schadenbegriff gestützte Anspruch sicher besteht. Für die Zinsen von Anfang an müsste folglich geklärt werden, ob er auch auf objektiver Grundlage bereits bestanden hat. Das ist mindestens aufwendig, vielleicht auch riskant.
    Quelle: Ausgabe 03 / 2024 | Seite 44 | ID 49875864