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  • · Fachbeitrag · Haushaltsführungsschaden

    Mindestens der Mindestlohn

    von VRiOLG a. D. Hans-Günter Ernst, Odenthal

    | Die Geduld des BGH war wohl erschöpft; er ist dem ansonsten bei der Schätzung der Höhe des Schadens betont besonders freien Tatrichter ( BGH 16.7.24, VI ZR 243/23 ) im Rahmen des § 287 ZPO regulierend in die Parade gefahren. |

     

    Sachverhalt

    Der nach einem Verkehrsunfall verletzte Kläger verlangte seinen Haushaltsführungsschaden mit einem Stundensatz von 12 EUR ersetzt. Das LG änderte die zusprechende Entscheidung des AG auf 8 EUR ab. Zur Begründung wurde auf die entsprechende Rechtsprechung des OLG München verwiesen. Unerheblich sei, dass man für diesen Preis ‒ legal ‒ keine Haushaltshilfe engagieren könne, da es lediglich um die Abrechnung eines fiktiven Haushaltsführungsschadens gehe. Da es nicht um die Entlohnung konkret eingestellter Fachkräfte gehe, spiele auch der gesetzliche Mindestlohn keine Rolle.

     

    Entscheidungsgründe

    So geht es nicht, urteilte der BGH (5.11.24, VI ZR 12/24, Abruf-Nr. 245570) und stellte wichtige Grundsätze für die künftige Praxis auf:

     

    • Die Freiheit des Tatrichters bei der Schadenschätzung bedeutet nicht, dass er ins Blaue hinein schätzen darf. Er muss die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung und ihrer Auswertung darlegen.
    • Der pauschale Verweis auf die Rechtsprechung anderer Gerichte reicht nicht, zumal wenn diese andere Zeiträume und damit ein anderes Lohnniveau betrifft (hier Rspr. des OLG München zu 2009, statt wie vorliegend zu 2016).
    • Der in dem maßgeblichen Zeitraum geltende Mindestlohn bildet die Untergrenze des Bruttolohns (seit 1.1.25: 12,82 EUR, ab 1.1.26: 13,90 EUR). Auf dessen Grundlage kann der für den Haushaltsführungsschaden maßgebliche Nettolohn ermittelt werden.
    • Wenn der Tatrichter nach dem gesetzlichen Mindestlohn rechnen will, muss er aber nachvollziehbare Gründe dafür nennen, warum gerade dieser (und kein höherer Lohn) vom Geschädigten für eine Ersatzkraft zu zahlen wäre.
    • Und weil der BGH schon einmal dabei war, bei der Schadenschätzung mitzumischen, hat er noch mitgeteilt, dass der hohe Stundensatz in § 21 S. 1 JVEG (17 EUR) für die Entschädigung von Zeugen für Nachteile bei der Haushaltsführung (anders als LG Tübingen zfs 23, 201, 202 f.) als alleinige Schätzungsgrundlage ungeeignet ist.

     

    Relevanz für die Praxis

    Auf die Schätzungsgrundlage kommt es an. Am besten rechnet der Geschädigte konkret vor. Wie etwa auf 12 EUR/Stunde und mehr zu kommen sind, kann mit dem OLG Düsseldorf (27.4.21, 1 U 38/20) nachvollzogen werden.

     

    Als Schätzungsgrundlage herangezogen wurden die Bruttobeträge des TVöD als Ausgangswert. Zudem wurde berücksichtigt, dass im Schadensfall auch an Wochenenden, Feiertagen und in Urlaubszeiten anfallende Haushaltstätigkeit zu vergüten ist, die von dem Bruttogehalt nach dem TVöD nicht umfasst ist. Daher wurde der Bruttostundensatz nach dem TVöD zur Ermittlung des tatsächlichen Arbeitswerts zunächst mit einem geschätzten Zuschlag von 20 % versehen. Aus dem mit dem Zuschlag versehenen Bruttostundensatz wurde ein Netto-Stundensatz ermittelt, der mit etwa 70 % des Bruttobetrags angesetzt wurde. Nach maßvoller Rundung ergaben sich folgende Netto-Beträge:

     

    • Haushaltsführungsschaden auf Basis TVöD
    Jahr
    Bruttogehalt (TVöD)
    Brutto-Stundensatz
    Netto-Stundensatz

    2007

    1.660,00 EUR

    9,79 EUR

    8,00 EUR

    2008

    1.763,01 EUR

    10,40 EUR

    8,50 EUR

    2009

    1.812,37 EUR

    10,69 EUR

    9,00 EUR

    2010

    1.834,12 EUR

    10,82 EUR

    9,00 EUR

    2011

    1.849,74 EUR

    10,91 EUR

    9,00 EUR

    2012

    1.919,25 EUR

    11,32 EUR

    9,50 EUR

    2013

    1.959,75 EUR

    11,56 EUR

    9,50 EUR

    2014

    2.063,37 EUR

    12,17 EUR

    10,00 EUR

     

    Schreibt man diese Berechnung bis in den Zeitraum 2020/2021 fort, ergibt sich bis dahin ein Netto-Stundensatz von 12,00 EUR. Aktuell dürfte er auch bereits wieder höher liegen.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2025 | Seite 151 | ID 50455680