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  • · Fachbeitrag · Wartepflicht

    Rotlichtverstoß am Bahnübergang

    | § 19 StVO, der das Verhalten des Verkehrsteilnehmers an einem Bahnübergang regelt, ist nicht so häufig Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen. Nun hat aber das OLG Celle dazu Stellung genommen, wann von einem Verstoß gegen die in § 19 StVO normierte Wartepflicht auszugehen ist und welche Feststellungen dazu im tatrichterlichen Urteil zu treffen sind. |

     

    Sachverhalt

    Nach den Feststellungen des AG war der Betroffene links abgebogen. Dabei bemerkte er, dass die dortige Lichtzeichenanlage am Bahnübergang gelbes Blinklicht zeigte. Er fuhr dennoch, nachdem die Lichtzeichenanlage auf Rot geschaltet hatte, über den Bahnübergang. Das AG hat den Betroffenen wegen Verstoßes gegen die Wartepflicht an einem Bahnübergang bei einem gelben oder roten Lichtzeichen zu einer Geldbuße von 240 EUR verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

     

    Entscheidungsgründe

    Der Betroffene hatte mit seiner Rechtsbeschwerde Erfolg. Das OLG rügt nicht ausreichende Feststellungen des AG (OLG Celle 31.1.19, 3 Ss (OWi) 14/19, Abruf-Nr. 207443).

     

    Gem. § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVO müssen Fahrzeuge an Bahnübergängen vor dem Andreaskreuz warten, wenn rotes Blinklicht oder gelbe oder rote Lichtzeichen gegeben werden. Für Wechsellichtzeichen gem. § 37 Abs. 2 StVO ist anerkannt, dass der Kraftfahrer beim Umschalten des Wechsellichtzeichens von grün auf gelb nur dann anhalten muss, wenn er mit einer mittleren Bremsung noch vor der Haltelinie zum Stehen kommen kann. Zum starken Bremsen oder einer Gewalt- oder Notbremsung ist der Kraftfahrzeugführer dagegen nicht verpflichtet.

     

    Diese Grundsätze hat die Rechtsprechung auf das Fahrverhalten bei Lichtzeichen an Bahnübergängen übertragen (vgl. u. a. OLG Celle 12.2.08, 311 SsBs 12/08; ebenso OLG Jena VRS 120, 34). Ein Verstoß gegen das Gebot zum Anhalten liegt daher nur vor, wenn der Fahrer bei mittelstarker Bremsung (Bremsverzögerung 4 m/s²) noch vor dem Andreaskreuz gefahrlos anhalten kann. Habe danach der Betroffene bei Beginn des gelben Lichtzeichens bereits den kritischen Punkt überschritten, nach dessen Durchfahren sein Anhalteweg über das Andreaskreuz hinausreiche, so habe er seine Fahrt über den Bahnübergang hinweg fortsetzen, wobei er diesen zügig zu überqueren habe. Daraus folgt, dass das AG, um eine Zuwiderhandlung gegen § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVO annehmen zu können, Feststellungen über die Entfernung des Betroffenen von der Haltelinie bzw. dem Andreaskreuz zu Beginn der Gelbphase und zu der von Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit treffen muss. Das war hier nicht geschehen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Das OLG weist auf Folgendes hin:

     

    • Die Feststellungen zur tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit erübrigen sich, wenn zumindest die zulässige Höchstgeschwindigkeit festgestellt worden ist und aufgrund der Entfernung von der Haltelinie zu Beginn der Gelbphase feststeht, dass der Betroffene bei Nichtüberschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit noch mit einer mittleren Bremsung vor der Haltelinie bzw. dem Andreaskreuz hätte anhalten können. Überschreite der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit und könne deswegen nicht mehr rechtzeitig anhalten, begründe bereits die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit die Vorwerfbarkeit des Rot- bzw. Gelblichtverstoßes.

     

    • Darüber hinaus muss auch der Abstand zur Haltelinie bei Beginn der Gelbphase nicht festgestellt werden, wenn zumindest feststeht, dass der Betroffene die Haltelinie erst bei Beginn der Rotphase erreicht hat und damit die gesamte Gelbphase, deren Dauer dann aber ebenfalls festgestellt sein muss, zum Anhalten zur Verfügung gehabt hätte. Indes muss dann aber entweder die tatsächlich gefahrene oder zumindest die zulässige Höchstgeschwindigkeit und der Abstand zwischen Haltelinie und Gleisen festgestellt sein. Denn nur dann kann errechnet werden, welchen Weg der Betroffene innerhalb der Dauer der Gelbphase zurückgelegt hat bzw. bei Beachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zurückgelegt haben könne und wie lang sein Anhalteweg unter Berücksichtigung der Reaktions- und Bremsansprechzeit von 0,8 Sekunden und der mittleren Bremsverzögerung von 4 m/s² gewesen wäre.

     

    Da aber auch dazu Feststellungen vom AG nicht getroffen worden waren, hat das OLG das AG-Urteil aufgehoben und die Sache an das AG zurück verwiesen. Für den Verteidiger bleibt in solchen Fällen die Aufgabe, das amtsgerichtliche Urteil dahingehend zu überprüfen, ob die von der Rechtsprechung geforderten Feststellungen ausreichen. Falls nicht, muss das mit der Sachrüge geltend gemacht werden.

    Quelle: ID 45766883