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  • · Nachricht · Fahrerlaubnisrecht

    Mitgliedsstaat kann Anerkenung eines ausländischen Führerscheins nach erteiltem Fahrverbot ablehnen

    | Ein Mitgliedstaat kann die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat lediglich erneuerten Führerscheins ablehnen, nachdem er dessen Inhaber für sein Hoheitsgebiet ein Fahrverbot erteilt hat. Dagegen darf er auf dem Führerschein keinen Vermerk über das Fahrverbot in seinem Hoheitsgebiet anbringen, da diese Änderung in die ausschließliche Zuständigkeit des Mitgliedstaats fällt, in dem der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz hat. |

     

    In der Rechtssache C-47/20 besitzt der deutsche Staatsangehörige F., der seinen ordentlichen Wohnsitz in Spanien hat, seit 1992 einen spanischen Führerschein (Kategorien A und B). Wegen einer Trunkenheitsfahrt in Deutschland wurde ihm wegen fehlender Fahreignung für 14 Monate das Recht aberkannt, dort mit diesem Führerschein zu fahren. Außerdem wurde ihm eine Sperrfrist von 14 Monaten auferlegt, während der er keinen neuen Führerschein beantragen durfte. Während dieser Sperrfrist und an deren Ende erneuerten die spanischen Behörden den Führerschein von F. mehrmals und stellten ihm neue Dokumente aus. Einige Jahre nach Ablauf der Sperrfrist beantragte F. bei der Stadt Karlsruhe (Deutschland), die Gültigkeit seines spanischen Führerscheins anzuerkennen. Die Stadt Karlsruhe wies diesen Antrag zurück, weil sie der Auffassung war, dass F. nach deutschem Recht ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorlegen müsse, um die Zweifel an seiner Fahreignung auszuräumen. Er habe nämlich in Spanien keinen neuen Führerschein erhalten, dessen Gültigkeit gemäß der Richtlinie über den Führerschein (RL 2006/126/EG) anerkannt werden müsse, sondern nur Dokumente, mit denen sein ursprünglicher Führerschein habe erneuert werden sollen. Das mit dem Rechtsstreit befasste BVerwG (Deutschland) hat dem Gerichtshof Fragen zur Tragweite des in der Richtlinie vorgesehenen Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen vorgelegt.

     

    In seinem Urteil in dieser Rechtssache weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung vorbehaltlich der in der Richtlinie festgelegten Ausnahmen auch für Führerscheine gilt, die aus einer Erneuerung hervorgegangen sind (EuGH 28.10.20, C-112/19). Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass ein Mitgliedstaat wegen einer in seinem Hoheitsgebiet begangenen Zuwiderhandlung die Anerkennung der Gültigkeit des Führerscheins ablehnen und die Bedingungen festlegen darf, die der Inhaber erfüllen muss, um das Recht, in seinem Hoheitsgebiet zu fahren, wiederzuerlangen (EuGH 23.4.15, C-260/13).

     

    Wenn dem Betroffenen allerdings nach dem Ablauf der Sperrfrist in seinem Wohnsitzmitgliedstaat ein neuer Führerschein ausgestellt wurde, darf die Anerkennung von dessen Gültigkeit nicht von der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig gemacht werden (EuGH 19.2.09, C-321/07 und Urteil vom 26.4.12, C-419/10). In einer solchen Situation ist nämlich die mit der Entziehung der Fahrerlaubnis im ersten Mitgliedstaat geahndete Fahruntauglichkeit durch die von einem anderen Mitgliedstaat bei der späteren Ausstellung eines Führerscheins durchgeführte Eignungsprüfung behoben, wobei der Ausstellermitgliedstaat bei dieser Gelegenheit prüfen muss, ob der Bewerber die Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen erfüllt.

     

    Die einfache Erneuerung eines Führerscheins der Klassen A und B kann jedoch nicht der Ausstellung eines neuen Führerscheins gleichgestellt werden, da die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie nicht verpflichtet sind, bei der Erneuerung eines Führerscheins die Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Fahrtauglichkeit zu prüfen. Dementsprechend kann der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Inhaber eines lediglich erneuerten Führerscheins der Klassen A und B fahren möchte, nachdem ihm infolge eines in diesem Hoheitsgebiet begangenen Straßenverkehrsdelikts ein Fahrverbot für dieses Gebiet erteilt wurde, es ablehnen, die Gültigkeit dieses Führerscheins anzuerkennen, wenn die im nationalen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Wiedererlangung des Rechts, in diesem Gebiet zu fahren, nicht erfüllt sind. Das Risiko von Verkehrsunfällen kann so gesenkt werden. Der Inhaber des Führerscheins muss allerdings die Möglichkeit haben, den Nachweis zu erbringen, dass seine Fahrtauglichkeit bei der Erneuerung dieses Führerscheins Gegenstand einer Prüfung war, die die Annahme erlaubt, dass seine Fahruntauglichkeit durch die Wirkung dieser Erneuerung aufgehoben wurde.

     

    Demgegenüber hebt der Gerichtshof in seinem Urteil vom gleichen Tag in einer anderen Rechtssache (C-56/20) hervor, dass Vermerke auf dem Führerschein in die ausschließliche Zuständigkeit des Mitgliedstaats fallen, in dem der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz hat. Deshalb darf ein anderer Mitgliedstaat auf dem Führerschein, dessen Muster in Form einer Plastikkarte harmonisiert ist, keinen Vermerk über ein Fahrverbot in seinem Gebiet anbringen. Es steht ihm jedoch frei, sich an den Wohnsitzmitgliedstaat zu wenden, damit dieser einen solchen Vermerk anbringt. Außerdem kann der Mitgliedstaat des vorübergehenden Aufenthalts, etwa durch elektronische Abfrage bei einer Verkehrskontrolle in seinem Hoheitsgebiet, überprüfen, ob gegen den Betreffenden ein Fahrverbot für sein Gebiet verhängt wurde. Diese zweite Rechtssache betrifft einen österreichischen Staatsangehörigen (AR), der vor dem VGH Baden-Württemberg (Deutschland) die Entscheidung der Stadt Pforzheim (Deutschland) anficht, mit der ihm aufgegeben wurde, seinen österreichischen Führerschein vorzulegen, damit darauf ein Vermerk angebracht wird, mit dem dieser für das deutsche Hoheitsgebiet für ungültig erklärt wird. Ihm war nämlich die Fahrerlaubnis für dieses Gebiet entzogen worden, weil er dort unter dem Einfluss berauschender Mittel ein Fahrzeug geführt hatte.

     

    Quelle | EuGH, Pressemitteilung zum Urteil vom 29.4.21, C 47/20

    Quelle: ID 47392039