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  • · Fachbeitrag · Entziehung der Fahrerlaubnis

    Entziehung der Fahrerlaubnis: Was kann man einwenden?

    von RiOLG a.D. und RA Detlef Burhoff, Augsburg/Münster

    | Bei Verkehrsdelikten ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 2 StGB grds. die Regel. Diese Maßregel der Sicherung und Besserung trifft den Mandanten oft mehr als die eigentliche Strafe. Deshalb sollte in der Verteidigung gerade auf diese Tatfolge besonderes Augenmerk gerichtet werden. Der Verteidiger muss versuchen, den Ausnahmefall darzulegen, um so die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Verhängung einer Sperrfrist nach §§ 69, 69a StGB zu vermeiden. Wir haben dazu nachfolgend einige Grundsätze und als Argumentationshilfe die Rechtsprechung der letzten Jahre zusammengestellt. |

     

    Checkliste / I. Regelfall i.S. des § 69 StGB: ja oder nein

    Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Die sind daher vom Verteidiger herauszuarbeiten und vorzutragen. So kann es z.B. von Bedeutung sein, dass die HV unmittelbar bevorsteht (vgl. z.B. LG Kiel StRR 08, 203 [Ls.]) und man damit argumentieren kann, dass dort dann zeitnah eine endgültige Lösung der Frage: „Entziehung ja oder nein?“ erfolgt. Auch spielt das dem Mandanten zur Last gelegte Delikt eine Rolle und sicherlich die Frage, ob er verkehrsrechtlich bereits in Erscheinung getreten ist.

    Sachverhalt

    Entscheidung

    Gericht/Fundstelle

    1. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) 

    Wertgrenze für den bedeutenden Schaden i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB liegt bei 1.500 EUR.

    LG Hamburg

    DAR 08, 219;

    AG Saalfeld DAR 05, 52

    Wertgrenze für den bedeutenden Schaden i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB liegt bei 1.400 EUR.

    Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Reparaturkosten und des Einkommens auf 1.400 EUR zu bemessen.

    LG Frankfurt

    VRR 08, 430

    Wertgrenze für den bedeutenden Schaden i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB liegt bei 1.300 EUR.

    OLG Dresden

    NJW 05, 2633;

    OLG Hamburg

    zfs 07, 409;

    OLG Hamm VA 11, 159;

    OLG Jena DAR 05, 289;

    LG Berlin DAR 05, 467; NZV 07, 537;

    LG Heidelberg

    13.2.06, 2 Qs 9/06;

    LG Paderborn

    DAR 06, 290;

    LG Wuppertal

    DAR 07, 660

    Ermittlung des bedeutenden Schadens i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB.

    Anwendung der zivilrechtlichen 130-Prozent-Rechtsprechung des BGH.

    OLG Hamm VA 11, 159;

    LG Gera NZV 06, 105

    Die 13 und 16 Jahre alten, bei dem Angeklagten wohnhaften Kinder müssen zur Schule und zu Freizeitaktivitäten befördert werden.

    Führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung.

    OLG Hamburg

    zfs 07, 409

    Fremdschaden von nur 1.220 EUR.

    Obwohl Fremdschaden unterhalb des Grenzwerts: Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit (hohes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber den Interessen und Rechtsgütern anderer).

    LG Berlin

    NZV 10, 476

    Verkehrsunfall im fließenden Verkehr; innerhalb von 24 Stunden werden die Feststellungen nachträglich freiwillig ermöglicht.

    Kein Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB.

    LG Gera

    NZV 06, 105

    Nächtlicher Unfall. Angeklagter kommt nach 20 Minuten freiwillig an die Unfallstelle zurück. Keine Voreintragungen.

    Keine Entziehung der Fahrerlaubnis.

    LG Köln

    VA 10, 65

    2. Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB)

    § 316 StGB; Fahrt mit einem Leichtmofa; kurze Fahrtstrecke; altruistische Motivation.

    Frage der charakterlichen Ungeeignetheit des Angeklagten im Einzelnen zu prüfen.

    OLG Nürnberg

    StraFo 07, 339

    § 316 StGB; BAK 1,44 Promille; neunmonatige Teilnahme an einer Verkehrstherapie bei der Therapieeinrichtung IVT-Hö.

    Keine Fahrerlaubnisentziehung; Fahrverbot nach § 44 StGB.

    LG Aachen 24.2.11, 71 Ns 601 Js 638/10 226/10, m. zahlreichen w.N.

    § 316 StGB; BAK 2,12 Promille; Angeklagter hat bereits während des Strafverfahrens direkt nach der Tat eine Verkehrstherapie IVT-Hö begonnen und an dieser Maßnahme auch nachweisbar ernsthaft teilgenommen.

    Keine Fahrerlaubnisentziehung.

    LG Düsseldorf

    DAR 08, 597

    § 316 StGB; BAK 0,84 Promille; nicht vorbelasteter Angeklagter; Tat liegt 15 Monate zurück, in denen der Angeklagte ohne weitere Beanstandungen am Straßenverkehr teilgenommen hat.

    Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr erforderlich.

    AG Bensheim

    NZV 06, 442

    § 316 StGB; BAK 0,59 Promille; Teilnahme an einem Seminar für im Verkehr durch Alkohol aufgefallene Verkehrsteilnehmer; Fahrerlaubnis bereits 6 ½ Monate entzogen.

    Keine Fahrerlaubnisentziehung; nur Fahrverbot von drei Monaten nach § 44 StGB.

    AG Düsseldorf

    DAR 12, 40

    § 316 StGB, BAK 1,57 Promille; Fahrt an einem Sonntagmorgen in einer Sackgasse; Fahrtstrecke 100m; 2 Monate vorläufige Entziehung.

    Kein Regelfall.

    AG Essen 13.5.11,

    49 Cs 49 Js 501/11 185/11

    § 316 StGB; Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Maßnahme.

    Keine Ungeeignetheit, aber Fahrverbot.

    AG Görlitz

     VA 05, 106

    § 316 StGB; BAK 1,12 Promille; Taxiunternehmer; sechs Monate vorläufige Entziehung; erheblicher Einbruch im Taxigewerbe erlitten; nicht vorbelastet; seit nahezu 20 Jahren im Besitz einer Personenbeförderungsberechtigung.

    Nicht mehr ungeeignet.

    AG Halle-Saalkreis 6.7.05,

    320 Cs 816 Js 2076/05

    § 316 StGB; Anlasstat als Augenblicksversagen des erst seit kurzem als technischer Leiter der Feuerwehr tätigen Angeklagten; freiwillige Meldung bei der Polizei.

    Kein Regelfall.

    AG Hameln

    DAR 08, 655

    § 316 StGB; BAK 1,96 Promille; Angeklagter lebt seit der Tat alkoholabstinent; seit der Tat in psychosozialer Betreuung und Suchtberatung; Tat liegt sechs Monate zurück.

    Keine Fahrerlaubnisentziehung, da keine Ungeeignetheit mehr.

    AG Iserlohn

    zfs 10, 48

    § 316 StGB; BAK 2,57 Promille; intensive Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Maßnahme (hier: IVT-Hö); 10 Monate seit der Tat verstrichen.

    Keine Entziehung der Fahrerlaubnis, aber Fahrverbot.

    AG Lüdinghausen

     VA 10, 118

    § 316 StGB; BAK 1,32 Promille; nach der Tat bis zur HV Beginn einer Verkehrstherapie (IVT-Hö); Absolvierung von 10 Therapiestunden bis zu Hauptverhandlung; einschlägig vorbelasteter Angeklagter.

    Entziehung der Fahrerlaubnis, aber Verkürzung der Sperrfrist von 12 Monaten auf acht Monate.

    AG Lüdinghausen

     VA 08, 178

    (Vorsätzlicher) § 316 StGB; BAK 1,48 Promille; freiwillige MPU; Teilnahme an weiteren Maßnahmen.

    Keine Fahrerlaubnisentziehung.

    AG Pinneberg

    SVR 08, 471

    § 316 StGB; Urinkontrollen und Teilnahme an einem „Kurs zur Besserung und Sicherung vor der Gerichtsentscheidung“ und an einem sog. „KBS-Langzeitrehabilitations-Kurs“.

    Regelwirkung des § 69 Abs. 2 StGB entfallen, keine Entziehung der Fahrerlaubnis.

    AG München

    DAR 12, 98

    § 316 StGB; BAK 1,29 Promille; Vorlage eines positiven MPU-Gutachtens und erfolgreiche Teilnahme an einer verkehrstherapeutischen Maßnahme.

    Nicht mehr ungeeignet.

    AG Reinbek

    SVR 08, 471

    § 316 StGB; BAK 1,5 Promille; Fahrt eines Jugendlichen mit einem Pkw ohne Fahrerlaubnis zu nachtschlafender Zeit auf einem öffentlichen Parkplatz.

    Kein Regelfall, da Bagatelltat.

    AG Saalfeld 15.2.05,

    635 Js 31395/04 - 2 Ds jug

    § 316 StGB; Drogenfahrt in persönlicher Ausnahmesituation; geständiger Ersttäter; Tat liegt 15 Monate zurück, wobei die Fahrerlaubnis schon seit 9 Monaten vorläufig entzogen ist; Angeklagter hat sein Drogenproblem zwischenzeitlich überwunden.

    Nicht mehr ungeeignet.

    AG Waldbröl 7.5.05,

    4 Ds 864/04 666 Js 321/04

    3. Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB)

    § 315c StGB; BAK 0,63 Promille; Wirkung des Alkohols durch ärztlich verordnete Medikamente verstärkt; vier Monate seit der Tat vergangen, in denen der Angeklagte ohne Beanstandung am Straßenverkehr teilgenommen hat.

    Ausnahme von der Regelvermutung.

    AG Bernkastel-Kues 29.11.05, 8 Gs 241/05

    § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB; BAK 2,21 Promille; Aufarbeitung des Fehlverhaltens durch fachpsychologisches Gutachten nachgewiesen; keine Voreintragungen; Außendienstmitarbeiter.

    Nicht (mehr) ungeeignet, keine Fahrerlaubnisentziehung.

    AG Leer

    VRR 12, 33

    = Abruf-Nr. 113963

    § 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB; Übermüdung des Angeklagten.

    Nicht jeder Übermüdungszustand reicht für die Annahme der Ungeeignetheit. Auch die Tatsache, dass der Fahrzeugführer „Schlafapnoiker“ ist, begründet für sich allein noch nicht den dringenden Verdacht der Ungeeignetheit.

    LG Traunstein

    NZV 11, 514;

    AG Aachen 23.2.07,

    41 Gs 421/07

    § 315c Abs. 1 Nr. 2d StGB; Angeklagter arbeitet als Monteur im Außendienst; ist beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen; Kündigung des Arbeitsverhältnisses droht.

    Keine Fahrerlaubnisentziehung; nur Fahrverbot von drei Monaten nach § 44 StGB.

    AG Gemünden

    VA 12, 29

    4. Sonstiges

    Fahren ohne Fahrerlaubnis; 20 Monate seit der Tat vergangen.

    Ungeeignetheit ist sorgfältig zu prüfen.

    OLG Oldenburg

    zfs 05, 260

    Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG); Erwerb einer neuen Fahrerlaubnis nach der Tat; 3 ½ Monate beanstandungsfreies Fahren; sechs Monate zurückliegende Tat.

    Keine Fahrerlaubnisentziehung, nur Fahrverbot nach § 44 StGB.

    AG Lüdinghausen 14.9.10,

    9 Ds 82 Js 3172/10

    Begehung eines Diebstahls mit einem Fahrzeug als Tatwerkzeug bei einem Promillegehalt von 0,97.

    Reicht nicht aus, einen Eignungsmangel i.S.d. § 69 StGB zu begründen, aber ggf. charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kfz.

    AG Lüdinghausen

    VRR 08, 34

    Weiterführende Hinweise