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  • 30.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121612

    Landgericht Wuppertal: Urteil vom 24.04.2012 – 16 S 69/11

    Schadensersatz für die Anmietung eines Mietwagens kann der Unfallgeschädigte dann nicht verlangen, wenn das Ersatzfahrzeug (hier: Porsche 911 Carrera Cabrio) besonders hohe Kosten verursacht, die in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den Vergleichskosten bei der Nutzung eines Taxis stehen. Die Grenze, ab der Ersatz für die Kosten des Mietwagens verlangt werden kann, ist dann auch bei einem Fahrbedarf von durchschnittlich 40 km pro Tag (hier: 241 km in sechs Tagen) noch nicht erreicht.


    Landgericht Wuppertal
    16 S 69/11
    Tenor:
    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Remscheid vom 09.12.2011 (Az. 46 C 128/11) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Die Revision wird nicht zugelassen.
    G r ü n d e :
    I.
    Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche für die Anmietung eines PKW Porsche 911 (997) Carrera Cabrio mit 345 PS geltend.
    Die Beklagte haftet als Haftpflichtversicherung für diejenigen Schäden, die aus einem Verkehrsunfall vom 11.04.2011 in xxx resultieren. Die Geschädigte des Verkehrsunfalls, eine Firma E GmbH aus xxx, mietete für die Dauer des reparaturbedingten Ausfalls ihres Fahrzeuges vom 09. bis zum 14.05.2011 bei der Klägerin ein entsprechendes Fahrzeug an. Die Mietgebühr für sechs Tage und 241 gefahrene Kilometer betrug netto 1.507,56 €, zuzüglich Nebenkosten insgesamt 1.725,56 € netto. Die Geschädigte hat die aus dem Unfall ihr zustehenden Schadensersatzansprüche auf Ersatz der Mietwagenkosten erfüllungshalber an die Klägerin abgetreten. Hierauf zahlte die Beklagte lediglich 811,99 €. Die Klägerin macht nunmehr weitere 913,57 € geltend.
    Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin nicht dargelegt habe, dass die von ihr berechneten Mietwagenkosten den erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB darstellen. Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.
    Von einer weiteren Sachverhaltsdarstellung wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
    II.
    Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung weiteren Schadensersatzes abgewiesen.
    Unabhängig von den Fragen, ob hier ein niedrigerer Tarif zur Anmietung des Ersatzfahrzeuges bestanden hat und ob für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp die Tarife nach der Schwacke- oder Fraunhofer-Liste angesetzt werden können, fehlt es jedenfalls an einer Erforderlichkeit der geltend gemachten Mietwagenkosten im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Anmietung des Ersatzwagens war vollkommen unwirtschaftlich.
    Zwar steht nach der gesetzlichen Wertung der §§ 249, 251 BGB die Naturalrestitution im Vordergrund, die – soweit es die Nutzung betrifft – in erster Linie dadurch bewirkt wird, dass der Geschädigte für die Dauer des Ausfalls seines Fahrzeugs auf Kosten des Schädigers einen Mietwagen nimmt und hierfür Kostenerstattung verlangen kann. Die Grenze dafür, ob in derartigen Fällen (noch) Naturalrestitution durch einen Ersatzwagen verlangt werden kann, setzt jedoch § 251 Abs. 2 BGB. Diese Grenze ist dann überschritten, wenn die Inanspruchnahme eines Mietwagens für einen wirtschaftlich denkenden Geschädigten aus der hier maßgebenden Sicht ex ante unternehmerisch geradezu unvertretbar ist (BGH, NJW 1985, 793; OLG Hamm, NJOZ 2001, 1590). Vorliegend ist gerade dies der Fall:
    Die Geschädigte hatte, weil der Unfallwagen weiterhin fahrbereit war, fast einen Monat Zeit, sich auf die Zeit des Nutzungsausfall vorzubereiten. Sie hat das Fahrzeug in C abgeholt und dorthin zurückgebracht. Auch wenn sie dies, wie die Klägerin unsubstantiiert behauptet, jeweils mit einem Kundentermin verbunden hat, so ist doch von einer benötigten Fahrleistung des Mietwagen von nur 241 km an sechs Tagen auszugehen. Die hierfür geltend gemachten Kosten von insgesamt 1.725,56 € netto sind für einen wirtschaftlich denkenden Geschädigten – auch aus der Sicht ex ante – unternehmerisch geradezu unvertretbar. Bei einem Taxi-Tarif von 1,60 € pro Kilometer (vgl. § 2 der Rechtsverordnung vom 05.10.2001 über die Festsetzung von Beförderungsentgelten im Gelegenheitsverkehr mit den von der Stadt Remscheid genehmigten Taxen) zuzüglich Grundgebühren und Wartezeiten, wäre es möglich gewesen, die Fahrtstrecken für geschätzte maximal 500 € zurück zu legen. Die geltend gemachten Mietwagenkosten sind mehr als dreimal so hoch. Berufliche, repräsentative, gesundheitliche oder sonstige Gründe, die der Inanspruchnahme eines Taxis entgegengestanden hätten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann das Mietfahrzeug nicht für Werbezwecke genutzt worden sein, da es eine auf die Geschädigte hinweisende Beschriftung nicht aufwies. Bei der Nutzung eines Taxis wären der Geschädigten sogar noch weitere Vorteile zugeflossen, nämlich einerseits die Ersparnis von Benzinkosten und andererseits der Vorteil, nicht selbst am Steuer sitzen zu müssen. Das im Mietfahrzeug vorhandene Telefon hätte im Taxi ohne weiteres durch ein (vermutlich ohnehin vorhandenes) Mobiltelefon ersetzt werden können.
    Angesichts dessen erscheint die Entscheidung, das Mietfahrzeug anzumieten, wirtschaftlich grob unangemessen. Wenngleich an die Erkundigungspflichten des in Schadensregulierungsfragen unerfahrenen Unfallgeschädigten keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen, wäre es hier angesichts des geringen Fahrbedarfs der Geschädigten und des weit überdurchschnittlichen Mietpreises doch erforderlich gewesen, vorab den Preis des Mietfahrzeugs zu erfragen und eine überschlägige Gegenüberstellung zu den voraussichtlichen Taxikosten vorzunehmen (vgl. OLG Hamm, aaO). Bei der von der Rechtsprechung zur Frage der Erforderlichkeit oft zu Grunde gelegten Tageskilometerleistung von 20 km handelt es sich nicht um eine starre Grenze (vgl. dazu LG Stendal, NJW 2005, 3787). Sie ist vielmehr bei besonders kostenintensiven Mietfahrzeugen entsprechend zu erhöhen.
    Dass der Mietwagen aus besonderen Gründen doch notwendig oder zumindest angemessen gewesen wäre oder dass die Fahrleistung aus der ex-ante-Sicht deutlich höher einzuschätzen gewesen wäre, wurde von der Klägerin nicht vorgetragen.
    Auch aus dem Aspekt einer Nutzungsausfallentschädigung kann die Klägerin keinen weiteren Anspruch ableiten. Zwar kann im Falle der unverhältnismäßigen Anmietung eines Ersatzwagens trotz geringen Fahrbedarfs statt der fiktiven Taxikosten grundsätzlich auch eine Nutzungsausfallentschädigung verlangt werden (OLG Hamm, aaO). Diese läge hier angesichts eines Tagessatzes von 175,00 € (Küppersbusch, Nutzungsausfallentschädigung 2011, NJW-Beil. 2011, 3) geringfügig über dem seitens der Beklagten erstatteten Betrag. Dies gilt indes uneingeschränkt nur für privat genutzte PKW. Beim Ausfall eines – wie hier – gewerblich genutzten PKW wird hingegen ein Anspruch auf Ersatz entgangener Gebrauchsvorteile nach den Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch abgelehnt; der Geschädigte muss seinen Ausfallschaden vielmehr konkret nachweisen (OLG Düsseldorf, NJW 2002, 971; OLG Hamm, NJW-RR 2001, 165). Nach abweichender Ansicht des OLG Düsseldorf (NJW-RR 2010, 687 zum Fall eines gewerblich genutzten Ferrari 456 GTA) kann zwar eine Zubilligung einer abstrakten Nutzungsausfallentschädigung bei gewerblich genutzten PKW erfolgen, jedoch nur, wenn der Ausfall des PKW zu einem fühlbaren wirtschaftlichen Nachteil geführt hat, was voraussetzt, dass der Wagen in erheblichem Umfang betrieblich genutzt wurde. Dies ist aber vorliegend – angesichts der geringen Nutzung des Mietwagens – gerade nicht anzunehmen. Eine Zubilligung einer höheren Nutzungsausfallentschädigung scheidet also nach allen Ansichten aus. Jedenfalls wäre eine nach § 287 ZPO zu schätzende Nutzungsausfallentschädigung nicht höher anzusetzen als die von der Beklagten bezahlten 811,99 €.
    Auf die Frage, ob die Abtretung der Forderungen seitens der Geschädigten an die Klägerin nach § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen §§ 1, 2, 3 und 5 RDG unwirksam ist, kam es demnach nicht mehr entscheidungserheblich an. Angesichts der Entscheidung des BGH vom 31.01.2012 (VI ZR 143/11 = ZIP 2012, 478) wonach dann, wenn eine höhere Komplexität der Rechtslage besteht, die Forderungseinziehung keine bloße Nebenleistung mehr und demnach die Abtretung unwirksam ist, bestehen allerdings erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Abtretung. Denn angesichts des besonderen Fahrzeugtyps lässt sich vorliegend zur Bemessung der Schadenshöhe nicht auf die Schwacke- oder die Fraunhofer-Liste zurückgreifen. Ferner stellt sich in diesem Zusammenhang auch die – vorstehend erörterte – besondere rechtliche Frage, ob die hohen Kosten für die Anmietung eines derartigen Sportwagens noch den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB darstellen. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit komplexen Rechtsfragen des Schadensersatzrechts, die nicht mehr zum Berufs- oder Tätigkeitsbild eines Mietwagenunternehmers gehören, was zu einer Nichtigkeit der Abtretung führen dürfte.
    III.
    Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
    Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
    Streitwert für die Berufungsinstanz: 913,57 €

    RechtsgebietBGB