18.07.2025 · IWW-Abrufnummer 249186
Oberlandesgericht Saarbrücken: Urteil vom 13.12.2024 – 3 U 34/24
Die Annahme einer Verletzung der Schadensminderungspflicht setzt die Prognose voraus, dass dem Geschädigten der Einsatz seiner Arbeitskraft bei entsprechender Anstrengung am Arbeitsmarkt mit Erfolg gelungen wäre. Der Geschädigte muss überhaupt die Möglichkeit haben, die Arbeitskraft gewinnbringend einzusetzen, und kann demnach von der Pflicht, sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen, entbunden sein, wenn er wegen seiner unfallbedingten Beeinträchtigungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar ist und deshalb Bemühungen um eine Arbeitsstelle von vornherein aussichtslos wären.
1. Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 75.838,04 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus
1.601,76 € seit dem 3.8.2021,
jeweils weiteren 1.601,76 € seit dem 3.9.2021, 3.10.2021, 3.11.2021 und 3.12.2021,
jeweils weiteren 1.664,82 € seit 3.1.2022 und 3.2.2022,
weiteren 18.839,55 € seit dem 8.2.2022,
jeweils weiteren 1.664,82 € seit dem 3.3.2022, 3.4.2022, 3.5.2022 und 3.6.2022,
jeweils weiteren 1.588,67 € seit dem 3.6.2022, 3.7.2022, 3.8.2022, 3.9.2022, 3.10.2022, 3.11.2022 und 3.12.2022,
jeweils weiteren 1.653,- € seit dem 3.1.2023, 3.2.2023, 3.3.2023, 3.4.2023, 3.5.2024 und 3.6.2023,
jeweils weiteren 1.593,39 € seit dem 3.7.2023, 3.8.2023, 3.9.2023, 3.10.2023, 3.11.2023 und 3.12.2023 sowie
jeweils weiteren 1.665,07 € seit dem 3.1.2024, 3.2.2024, 3.3.2024, 3.4.2024, 3.5.2024 und 3.6.2024.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1.7.2024 bis zum 31.8.2030 Verdienstausfall zu ersetzen in Höhe eines ohne den Unfall erzielbaren Monatsnettoeinkommens von 3.346,12 €, das sich ab dem Jahr 2025 jährlich zum 1.1. um 2 % erhöht, abzgl. ersparter Aufwendungen von monatlich 128,33 €, soweit der Anspruch nicht in Höhe des Nettobetrags der Erwerbsminderungsrente (derzeit 1.623,78 €) auf den gesetzlichen Sozialversicherungsträger übergegangen ist.
II. Die Kosten der ersten Instanz trägt der Kläger zu 96 % und die Beklagte zu 4 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 11 % und die Beklagte zu 89 %
III. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte zweitinstanzlich noch Verdienstausfall nach einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 5.6.2017 in ... ereignet hat. Die alleinige Haftung der Beklagten steht außer Streit.
2
Der Kläger wurde bei dem Unfall erheblich verletzt. Seine vor dem Unfall ausgeübte Tätigkeit im Metallsonderbau als Bohrwerkdreher mit der Anstellung als Bediener einer großen Fräsmaschine kann der Kläger unfallbedingt nicht mehr ausüben. Bei Fortführung der Tätigkeit hätte er bei seinem Arbeitgeber eine jährliche Lohnerhöhung von 2 % erhalten. Dem Kläger, der zuvor Kranken-, Übergangs- und Arbeitslosengeld bezog, wurde mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung (künftig: DRV) vom 30.9.2019 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze am 31.8.2030 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. Mit Aufhebungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 9.10.2019 wurde die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben, da der Kläger nach den Feststellungen der DRV nicht mindestens 15 Stunden wöchentlich arbeiten könne.
3
Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 73.994,43 € (Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden, Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen am Anwesen, Zuzahlungs-, Fahrt- und Parkkosten) nebst Zinsen seit dem 3.6.2020, Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgelds - mindestens 213.000,- € - nebst Zinsen seit dem 5.2.2019 und Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten von 8.847,50 € in Anspruch genommen. Ferner hat er die Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten für den künftigen materiellen und immateriellen Schaden und künftigen Verdienstausfall begehrt.
4
Über den Feststellungsantrag hat das Landgericht durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 24.3.2022 entschieden (Bl. 55 GA). Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht, auf dessen tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung eines Betrags von 15.969,93 € (12.306,93 € restlichen Verdienstausfall für die Zeit vom 18.7.2017 bis 31.6.2021 + 230,50 € restliche Renovierungskosten + 3.432,50 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) verurteilt.
5
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfallschadens weiter. Er macht geltend, ihm stehe für die Zeit bis 31.7.2021 ein über den zuerkannten Betrag hinausgehender Anspruch zu. Ferner bestehe der Anspruch auch für die Zeit über den 31.7.2021 hinaus bis zum Regelrentenalter.
6
Der Kläger beantragt,
7
unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes Saarbrücken vom 17.04.2024 - Aktenzeichen 10 O 1/22 -
8
1.
die Berufungsbeklagte zu verurteilen, an den Berufungskläger 95.897,02 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. aus 34.482,88 € seit dem 08.02.2022 aus 1.726,89 € seit dem 03.08.2021 aus 1.726,89 € seit dem 03.09.2021 aus 1.726,89 € seit dem 03.10.2021 aus 1.726,89 € seit dem 03.11.2021 aus 1.726,89 € seit dem 03.12.2021 aus 1.789,95 € seit dem 03.01.2022 aus 1.789,95 € seit dem 03.02.2022 aus 1.789,95 € seit dem 03.03.2022 aus 1.789,95 € seit dem 03.04.2022 aus 1.789,95 € seit dem 03.05.2022 aus 1.789,95 € seit dem 03.06.2022 aus 1.717,00 € seit dem 03.07.2022 aus 1.717,00 € seit dem 03.08.2022 aus 1.717,00 € seit dem 03.09.2022 aus 1.717,00 € seit dem 03.10.2022 aus 1.717,00 € seit dem 03.11.2022 aus 1.717,00 € seit dem 03.12.2022 aus 1.781,32 € seit dem 03.01.2023 aus 1.781,32 € seit dem 03.02.2023 aus 1.781,32 € seit dem 03.03.2023 aus 1.781,32 € seit dem 03.04.2023 aus 1.781,32 € seit dem 03.05.2023 aus 1.781,32 € seit dem 03.06.2023 aus 1.721,71 € seit dem 03.07.2023 aus 1.721,71 € seit dem 03.08.2023 aus 1.721,71 € seit dem 03.09.2023 aus 1.721,71 € seit dem 03.10.2023 aus 1.721,71 € seit dem 03.11.2023 aus 1.721,71 € seit dem 03.12.2023 aus 1.784,32 € seit dem 03.01.2024 aus 1.784,32 € seit dem 03.02.2024 aus 1.784,32 € seit dem 03.03.2024 aus 1.784,32 € seit dem 03.04.2024 aus 1.784,32 € seit dem 03.05.2024 aus 1.784,32 € seit dem 03.06.2024
9
2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.07.2024 bis zum Eintritt des gesetzlichen Renteneintrittsalters den Verdienstausfall zu ersetzen, der sich aus der Zugrundelegung eines hypothetisch erzielbaren Monatsverdienstes von derzeit 3.346,12 € ergibt, der sich wiederum jährlich ab dem 1.1. um 2 % erhöht, wobei abzuziehen ist ein ersparter Aufwand in Höhe von 128,- € pro Monat sowie der Betrag, der auf den gesetzlichen Sozialversicherungsträger übergegangen ist.
10
Die Beklagte beantragt,
11
die Berufung zurückzuweisen.
12
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 29.11.2024 Bezug genommen.
II.
13
Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet.
14
1. Soweit der Kläger mit der Berufung für den Zeitraum 18.7.2017 bis 31.7.2021 einen höheren Verdienstausfall geltend macht als mit der ursprünglichen Klage, findet die Vorschrift des § 533 ZPO für diese Antragsanpassung, die der Bestimmung des § 264 Nr. 2 ZPO unterfällt, keine Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2022 - I ZR 135/21, Rn. 40, juris). Soweit er ferner mit der Berufung erstmals Verdienstausfall auch für die Zeit ab August 2021 geltend macht, ist die hierin liegende Klageänderung nach § 533 ZPO zulässig. Sie ist sachdienlich, da der bisherige Streitstoff auch für die geänderte Klage eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und die endgültige Beilegung des Streits unter Vermeidung eines neuen Prozesses fördert (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - VIII ZR 288/14, Rn. 12, juris). Sie kann zudem auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren weiteren Vortrag zu seinem fiktiven Erwerbseinkommen und zur Höhe der Erwerbsminderungsrente gehalten hat, ist die Beklagte dem nicht entgegengetreten, sodass das Vorbringen ungeachtet der Voraussetzungen des § 531 ZPO zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2018 - XI ZR 538/17, Rn. 25, juris).
15
2. Mit teilweisem Erfolg macht die Berufung weitergehenden Verdienstausfall für den Zeitraum 18.7.2017 bis 31.7.2021 geltend. Dem Kläger steht für diesen Zeitraum ein Anspruch von insgesamt 15.176,55 € zu.
16
a) Wie das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, erstreckt sich bei einer Körperverletzung die Verpflichtung zum Schadensersatz gemäß § 842 BGB, § 11 Satz 1 StVG auf die (Vermögens-)Nachteile, die der Verletzte durch die Aufhebung oder Minderung seiner Erwerbsfähigkeit erleidet. Die Ersatzpflicht greift ein, wenn durch die Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Verletzten in dessen Vermögen ein konkreter Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - VI ZR 183/15, Rn. 10, juris). Der Ausfall der Arbeitskraft als solcher ist kein Vermögensschaden. Dem in seiner Arbeitsfähigkeit Geschädigten entsteht ein ggfs. zu ersetzender Vermögensschaden vielmehr erst dann, wenn sich der Ausfall oder die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit konkret und sichtbar ausgewirkt hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2017 - VI ZR 530/16, Rn. 13, juris). Bei Arbeitnehmern besteht der Erwerbsschaden grundsätzlich in der Differenz zwischen dem tatsächlichen Einkommen und dem Einkommen, das sie ohne das Schadensereignis erzielt hätten (vgl. Senat, Urteil vom 8. März 2024 - 3 U 22/23, Rn. 18, juris m.w.N.).
17
b) Das Landgericht hat zur Bemessung des Erwerbsschadens auf das fiktive Nettoeinkommen abgehoben, dass der Kläger ohne den Unfall erzielt hätte. Dies begegnet keinen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2021 - VI ZR 924/20, Rn. 18, juris; Urteil vom 15. November 1994 - VI ZR 194/93, BGHZ 127, 391, Rn. 11). Nach den beanstandungsfreien Feststellungen des Landgerichts hätte der Kläger danach bei Fortführung seiner früheren Erwerbstätigkeit im Jahr 2017 monatlich 2.913,02 €, im Jahr 2018 monatlich 2.971,28 €, im Jahr 2019 monatlich 3.030,71 €, im Jahr 2020 monatlich 3.091,32 € und im Jahr 2021 monatlich 3.153,15 € verdient. Mit Recht hat das Landgericht ersparte Fahrtkosten für Fahrten zur Arbeitsstelle von monatlich 128,33 € im Wege des Vorteils-ausgleichs mindernd berücksichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1980 - VI ZR 198/78, Rn. 10 ff., juris; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 3. Dezember 2015 - 4 U 157/14, Rn. 53, juris). Das um die ersparten Fahrtkosten bereinigte Einkommen des Klägers hat das Landgericht für den Zeitraum 18.7.2017 bis 31.7.2021 danach zutreffend mit insgesamt 140.989,38 € festgestellt.
18
c) Einen Verdienst, den der Kläger durch Einsatz seiner verbleibenden Arbeitskraft hätte erzielen können, hat das Landgericht nicht berücksichtigt. Es hat angenommen, der Kläger habe nicht dadurch gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen, dass er nach dem Unfall keine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe, obschon nach den Feststellungen des Sachverständigen ... nach der Heilungsbewährung im Jahr 2021 eine grundsätzliche Leistungsfähigkeit betreffend leichtere Tätigkeiten bestanden habe. Für den Kläger habe keine Obliegenheit zur Aufnahme einer anderen Arbeit bestanden, da er auf das Urteil der fachkundigen Stellen - DRV und BfA - habe vertrauen dürfen, dass er nicht mindestens 15 Stunden wöchentlich arbeiten kann und ihm Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur nicht mehr zur Verfügung stehen. Diese Annahme begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2023 - VI ZR 152/21, Rn. 15, juris) und wird - soweit es die Ansprüche bis Ende Juli 2021 betrifft - auch von der Beklagten nicht infrage gestellt.
19
d) Dass das Landgericht - der Berechnung des Klägers folgend - die tatsächlichen Einkünfte des Klägers in Form Krankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld und Erwerbsminderungsrente bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs in Abzug gebracht hat, ist jedenfalls im wirtschaftlichen Ergebnis zutreffend. Die Leistungen bei der Schadensberechnung sind zwar in normativ wertender Korrektur der Schadensbilanz nicht zu berücksichtigen, da sie Maßnahmen der sozialen Sicherung und Fürsorge gegenüber dem Geschädigten darstellen, die dem Schädiger nach dem Rechtsgedanken des § 843 Abs. 4 BGB nicht zu Gute kommen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2013 - III ZR 374/12, Rn. 20, juris; Urteil vom 25. Juni 2013 - VI ZR 128/12, BGHZ 197, 316, Rn. 24). Der Schadensersatzanspruch geht insoweit vielmehr gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf den Sozialversicherungsträger über mit der Folge, dass der Kläger nicht aktivlegitimiert ist. Unterschiede zu einer Anrechnung bei der Schadensberechnung ergeben sich indes nicht. Da der Kläger seinen Schaden hier nach der Nettolohnmethode berechnet, kann er den Schadensersatzanspruch insoweit geltend machen, als dieser die Auszahlungsbeträge übersteigt (vgl. Senat, Urteil vom 8. März 2024 - 3 U 22/23, Rn. 34, juris).
20
e) Die Berufung berücksichtigt bei der Berechnung ihres Anspruchs für die Zeit bis 31.7.2021 lediglich die Zahlungen der Beklagte auf den Verdienstausfallschaden von 24.242,42 €. Das Landgericht hat indes darüber hinaus nach Maßgabe des § 366 BGB einen anteiligen Betrag von 19.633,- € aus dem von der Beklagten zur beliebigen Verrechnung gezahlten Betrag von 25.000,- € auf den Verdienstausfall angerechnet (LGU S. 27). Dies begegnet keinen Bedenken (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10. September 2015 - 22 U 73/14, Rn. 42, juris; OLG Zweibrücken, Urteil vom 11. Januar 2012 - 1 U 2/11, Rn. 88, juris). Die Berufung zeigt auch nicht auf, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Handhabung des Landgerichts unzutreffend sein sollte.
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f) Für den Zeitraum 18.7.2017 bis 31.7.2021 ergibt sich damit noch folgender Anspruch des Klägers:
22
hypothetisches Einkommen 18.7-31.12.2017 | 16.021,61 € |
hypothetisches Einkommen 2018 | 35.655,36 € |
hypothetisches Einkommen 2019 | 36.368,52 € |
hypothetisches Einkommen 2020 | 37.095,84 € |
hypothetisches Einkommen Jan-Jul 21 | 22.072,05 € |
147.213,38 € | |
./. Ersparte Aufwendungen (mtl. 128,33 €) | - 6.224,01 € |
140.989,38 € | |
Übergang: | |
Krankentagegeld 18-31.7.17 | 914,68 € |
Kranken-/Übergangsgeld Aug 17 | 2.090,64 € |
Kranken-/Übergangsgeld Sep 17 | 1.861,72 € |
Krankengeld Okt 17-Juni 18 | 18.997,20 € |
Kranken-/Übergangsgeld Jul 18 | 2.052,56 € |
Krankengeld Aug 18-Nov 18 | 8.443,20 € |
Kranken-/Arbeitslosengeld Dez 18 | 1.737,86 € |
Arbeitlosengeld Jan 19-Sep 19 | 15.525,00 € |
Arbeitlosengeld Okt 19 | 690,00 € |
Rente Nov-Dez 19 | 2.757,40 € |
Rente Jan-Jun 20 | 8.272,20 € |
Rente Jul-Dez 20 | 8.557,56 € |
Rente Jan-Jun 21 | 8.538,36 € |
Rente Juli 21 | 1.499,21 € |
81.937,59 € | |
Anspruch Kläger | 59.051,79 € |
./. Zahlung | - 24.242,24 € |
./. Verrechnung freie Zahlung | - 19.633,00 € |
15.176,55 € |
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3. Für den Zeitraum August 2021 bis einschließlich Juni 2024 steht dem Kläger ein Anspruch von insgesamt 56.998,49 € zu.
24
a) Das Nettoeinkommen, das der Kläger ohne den Unfall bei Fortführung seiner früheren Tätigkeit erzielt hätte, beläuft sich im Jahr 2021 wie vom Landgericht beanstandungsfrei festgestellt auf monatlich 3.153,15 €. Unter Berücksichtigung einer jährlichen Erhöhung von 2 % ergibt sich für das Jahr 2022 ein monatliches Nettoeinkommen vom 3.216,21, für das Jahr 2023 ein solches von 3.280,54 € und für 2024 ein solches von 3.346,15 €.
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b) Auch für die Zeit ab August 2021 kann dem Kläger kein erzielbares Einkommen angerechnet werden. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht kann nicht festgestellt werden, ohne dass den Einwänden der Berufung gegen die Feststellungen des Sachverständigen ... zur Erwerbsfähigkeit des Klägers nachgegangen werden müsste. Der Kläger durfte zunächst weiterhin auf die fachkundige Einschätzung der DRV und der BfA vertrauen. Ob - wie die Beklagte meint - diese Einschätzung durch die Feststellungen des Sachverständigen ... im Gutachten vom 17.2.2023 in Zweifel gezogen und der Kläger infolgedessen ab diesem Zeitpunkt gehalten war, sich wieder um eine Arbeit zu bemühen, kann dahinstehen. Denn auch in diesem Fall setzt die Annahme einer Verletzung der Schadensminderungspflicht die Prognose voraus, dass dem Geschädigten der Einsatz seiner Arbeitskraft bei entsprechender Anstrengung am Arbeitsmarkt mit Erfolg gelungen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1984 - VI ZR 301/82, BGHZ 91, 357, Rn. 26). Der Geschädigte muss überhaupt die Möglichkeit haben, die Arbeitskraft gewinnbringend einzusetzen, und kann demnach von der Pflicht, sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen, entbunden sein, wenn er wegen seiner unfallbedingten Beeinträchtigungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar ist und deshalb Bemühungen um eine Arbeitsstelle von vornherein aussichtslos wären (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1997 - VI ZR 198/96, Rn. 15, juris; Urteil vom 21. September 2021 - VI ZR 91/19, Rn. 13, juris). So liegt es hier. Zum Zeitpunkt des Zugangs des Gutachtens des Sachverständigen ... war der Kläger bereits 59 1/2 Jahre alt. Er hatte zu diesem Zeitpunkt seit mehreren Jahren nicht mehr gearbeitet und stand seit über 3 Jahren im Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, die ihm bis heute gewährt wird. Er ist überdies im bisher ausgeübten Beruf nicht mehr erwerbsfähig und sowohl hinsichtlich der Arbeitsschwere als auch der Arbeitshaltung nur eingeschränkt verwendbar. Hinzu tritt, dass es sich nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen bei der Gewährung der Erwerbsminderungsrente um eine "rentenpolitische Konzessionsentscheidung" gehandelt hat, bei der sehr wahrscheinlich das Alter des Klägers und die fehlende Vermittelbarkeit im erlernten Beruf eine Rolle gespielt haben. Dies steht in Einklang mit den Angaben des Klägers gegenüber dem Sachverständigen (Bl. 269 GA), wonach ihm nach der Begutachtung durch das Arbeitsamt von dort die Rentenantragstellung angeraten worden sei, weil er unvermittelbar sei. Bei dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, dass der Kläger bei entsprechenden Bemühungen eine geeignete Arbeitsstelle gefunden hätte.
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c) Für den Zeitraum August 2021 bis einschließlich Juni 2024 ergibt sich danach folgender Anspruch des Klägers:
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| hypothetisches Einkommen | ./. ersparte Aufwendungen | Übergang | |
Aug 21 | 3.153,15 € | - 128,33 € | - 1.423,06 € | 1.601,76 € |
Sep 21 | 3.153,15 € | - 128,33 € | - 1.423,06 € | 1.601,76 € |
Okt 21 | 3.153,15 € | - 128,33 € | - 1.423,06 € | 1.601,76 € |
Nov 21 | 3.153,15 € | - 128,33 € | - 1.423,06 € | 1.601,76 € |
Dez 21 | 3.153,15 € | - 128,33 € | - 1.423,06 € | 1.601,76 € |
Jan 22 | 3.216,21 € | - 128,33 € | - 1.423,06 € | 1.664,82 € |
Feb 22 | 3.216,21 € | - 128,33 € | - 1.423,06 € | 1.664,82 € |
Mrz 22 | 3.216,21 € | - 128,33 € | - 1.423,06 € | 1.664,82 € |
Apr 22 | 3.216,21 € | - 128,33 € | - 1.423,06 € | 1.664,82 € |
Mai 22 | 3.216,21 € | - 128,33 € | - 1.423,06 € | 1.664,82 € |
Jun 22 | 3.216,21 € | - 128,33 € | - 1.423,06 € | 1.664,82 € |
Jul 22 | 3.216,21 € | - 128,33 € | - 1.499,21 € | 1.588,67 € |
Aug 22 | 3.216,21 € | - 128,33 € | - 1.499,21 € | 1.588,67 € |
Sep 22 | 3.216,21 € | - 128,33 € | - 1.499,21 € | 1.588,67 € |
Okt 22 | 3.216,21 € | - 128,33 € | - 1.499,21 € | 1.588,67 € |
Nov 22 | 3.216,21 € | - 128,33 € | - 1.499,21 € | 1.588,67 € |
Dez 22 | 3.216,21 € | - 128,33 € | - 1.499,21 € | 1.588,67 € |
Jan 23 | 3.280,54 € | - 128,33 € | - 1.499,21 € | 1.653,00 € |
Feb 23 | 3.280,54 € | - 128,33 € | - 1.499,21 € | 1.653,00 € |
Mrz 23 | 3.280,54 € | - 128,33 € | - 1.499,21 € | 1.653,00 € |
Apr 23 | 3.280,54 € | - 128,33 € | - 1.499,21 € | 1.653,00 € |
Mai 23 | 3.280,54 € | - 128,33 € | - 1.499,21 € | 1.653,00 € |
Jun 23 | 3.280,54 € | - 128,33 € | - 1.499,21 € | 1.653,00 € |
Jul 23 | 3.280,54 € | - 128,33 € | - 1.558,82 € | 1.593,39 € |
Aug 23 | 3.280,54 € | - 128,33 € | - 1.558,82 € | 1.593,39 € |
Sep 23 | 3.280,54 € | - 128,33 € | - 1.558,82 € | 1.593,39 € |
Okt 23 | 3.280,54 € | - 128,33 € | - 1.558,82 € | 1.593,39 € |
Nov 23 | 3.280,54 € | - 128,33 € | - 1.558,82 € | 1.593,39 € |
Dez 23 | 3.280,54 € | - 128,33 € | - 1.558,82 € | 1.593,39 € |
Jan 24 | 3.346,15 € | - 128,33 € | - 1.552,75 € | 1.665,07 € |
Feb 24 | 3.346,15 € | - 128,33 € | - 1.552,75 € | 1.665,07 € |
Mrz 24 | 3.346,15 € | - 128,33 € | - 1.552,75 € | 1.665,07 € |
Apr 24 | 3.346,15 € | - 128,33 € | - 1.552,75 € | 1.665,07 € |
Mai 24 | 3.346,15 € | - 128,33 € | - 1.552,75 € | 1.665,07 € |
Jun 24 | 3.346,15 € | - 128,33 € | - 1.552,75 € | 1.665,07 € |
56.998,49 € |
29
5. Die Feststellungsklage betreffend die Ansprüche des Klägers auf Ersatz des Verdienstausfallschadens ab dem Monat Juli 2024 ist zulässig und begründet.
30
a) Es ist anerkannt, dass ein Geschädigter neben einer auf die allgemeine Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Feststellungsklage ein rechtliches Interesse für einen auf Ersatz einer bestimmten Schadensposition gerichteten speziellen Feststellungsantrag haben kann. Dies ist der Fall, wenn der zusätzlich gestellte konkrete Feststellungsantrag Klarheit über Inhalt und Umfang der Verpflichtung der Beklagten im Hinblick auf einen ganz genau beschriebenen einzelnen Schadensposten schaffen soll, da diese Klärung durch den "allgemeinen" Feststellungsausspruch nicht erreicht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1999 - VI ZR 195/98, Rn. 18, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 21. April 2016 - 4 U 76/15, Rn. 41, juris). So liegt es hier. Zwar ist die Haftung der Beklagten für künftige Schäden einschließlich des künftigen Verdienstausfalls bereits durch das Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts vom 24.3.2022 tituliert. Dieser Feststellungsausspruch besagt allerdings nichts über die zwischen den Parteien streitige Frage, ob überhaupt und in welchem Umfang ein entsprechender Verdienstausfallschaden für die Zeit ab August 2024 tatsächlich eintritt (vgl. BGHZ 216, 149, Rn. 49). Der nunmehrige Klageantrag ist hinsichtlich des Rechtskraftumfangs daher ein Mehr gegenüber der Feststellung aus dem Teil-Anerkenntnisurteil (vgl. OLG München, Urteil vom 8. September 2006 - 10 U 5438/05, Rn. 28, juris).
31
b) Auch der Vorrang der Leistungsklage steht dem Feststellungsinteresse hier nicht entgegen. Es besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2021 - VI ZR 136/20, Rn. 15, juris). So liegt es hier. Mit Blick auf die zukünftigen Änderungen sowohl des hypothetischen Einkommens als auch der Erwerbsminderungsrente erscheint hier die Feststellung der Höhe des Verdienstausfalls für die - vergleichsweise überschaubare - Zeit bis zum Regelrenteneintritt sinnvoller als eine Zahlungsverurteilung, die jeweils wieder der Abänderung bedarf, zumal von der Beklagten erwartet werden kann, dass sie auf ein entsprechend rechtskräftiges Feststellungsurteil ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1999 - VI ZR 195/98, Rn. 19, juris). Hinzu tritt, dass eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO eine "wesentliche Änderung" der Verhältnisse voraussetzt, die üblicherweise - wenn auch nicht starr - bei 10 % angesiedelt wird (vgl. OLG München, Urteil vom 5. Juli 2019 - 10 U 946/19, Rn. 4, juris), sodass fraglich erscheint, ob bzw. ab welchem Zeitpunkt Veränderungen des hypothetischen Gehalts bzw. der Rentenhöhe eine Abänderung überhaupt rechtfertigen könnten.
32
c) Dem Kläger steht - nachdem ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht wie ausgeführt nicht festzustellen ist - auch für die Zeit ab Juli 2024 weiterhin ein Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls in Höhe eines hypothetischen Einkommens von derzeit 3.346,15 €, das sich ab dem 2025 jährlich um 2% erhöht, abzgl. ersparter Aufwendungen von 128,33 € zu, soweit der Anspruch nicht in Höhe des Nettobetrags der Erwerbsminderungsrente - derzeit 1.623,78 € - auf die DRV übergegangen ist. Der Anspruch besteht bis zum Eintritt in die Regelaltersrente (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1995 - VI ZR 165/94, Rn. 6, juris).
III.
33
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine Veranlassung gibt, eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung herbeizuführen (§ 543 Abs. 2 ZPO).