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  • 27.07.2021 · IWW-Abrufnummer 223733

    Amtsgericht Münster: Urteil vom 01.09.2021 – 4 C 1021/20

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Amtsgericht Münster

    Urteil

    4 C 1021/20
    Tenor:

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 643,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.05.2020 Zug-um-Zug gegen Abtretung etwaiger Rückgriffsansprüche der Klägerin bis zu dieser Höhe gegen die Fa. N GmbH & Co. KG, …(weitere Angaben entfernt), wegen Überzahlung, nicht sach- und fachgerechter Reparatur (mit Ausnahme originärer Nacherfüllungsanprüche) und Durchführung nicht erforderlicher Reparaturmaßnahmen aus dem Reparaturvertrag zur Rechnungs-Nr. 000000000 zu zahlen.
    Der Beklagte wird ferner verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 64,02 € gegen der Kanzlei P Rechtanwalts GmbH, …(weitere Angaben entfernt), freizustellen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
     
    1
    Tatbestand:

    2
    Die Klägerin macht gegen den Beklagten restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom Juli 2019 geltend, bei dem das von ihm gehaltene und an die B GmbH sicherungsübereignete Fahrzeug  beschädigt wurde.

    3
    Zur gerichtlichen Geltendmachung wurde die Klägerin von der Sicherungseigentümerin mit Schreiben vom 16.07.2020 ermächtigt. Wegen des Inhalts des Schreibens wird auf die Anlagen zu dem klägerischen Schriftsatz vom 22.07.2020 Bezug genommen.

    4
    Die Haftung des Beklagten dem Grunde nach zu 100 % ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Kläger beauftragte die Firma N GmbH & Co. KG mit der Erstellung eines Kostenvoranschlages über den Fahrzeugschaden, welcher am 02.07.2019 erstellt wurde. Die Reparaturkosten wurden mit 2.312,93 € brutto ermittelt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts wird auf die zu der Klageschrift überreichte Anlage Bezug genommen. Die Klägerin beauftragte die Reparatur. Mit Rechnung vom 15.08.2019 wurden ihr Reparaturkosten i.H.v. 2479,59 € brutto in Rechnung gestellt. Der Beklagte übermittelte der Klägerin mit Schreiben einen Prüfbericht der von ihm beauftragten Fa. K GmbH vom sieben 20.08.2019, die Kürzungen der sachverständigenseits ermittelten Kosten im Bereich der Positionen/Verbringungskosten/Kosten des Voranschlages vornahm. Der Beklagte zahlte lediglich einen Betrag von 1.836,34 €.

    5
    Die Klägerin beauftragte daraufhin ihre Prozessbevollmächtigten mit der vorgerichtlichen Geltendmachung der restlichen Reparaturkosten sowie der bis dahin noch nicht gezahlten Kostenpauschale und der geltend gemachten Wertminderung i.H.v. 25,00 € und 250,00 €. Die Kostenpauschale und die Wertminderung wurden reguliert. Auch wurden vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 83,43 € gezahlt. Die Klägerin beansprucht weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten unter Berücksichtigung des gezahlten Betrages in Höhe von noch 64,02 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Ausführungen in der Klageschrift auf Seite 5 Bezug genommen.

    6
    Die Klägerin legte dem Beklagten zunächst eine Erklärung über die Abtretung ihrer Schadensersatzansprüche an das Reparaturunternehmen vor (Anlage zur Klageerwiderung). Dieses trat etwaige abgetretene Ansprüche an die Klägerin am 20.06.2020 zurück ab (Anlage zum Schriftsatz vom 30.07.2020).

    7
    Die Klägerin hat zunächst behauptet, Eigentümerin des beschädigten Fahrzeuges zu sein. Auf das Bestreiten der Aktivlegitimation hat die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf die ihr seitens der B GmbH erteilte Ermächtigung gestützt.

    8
    Die Klägerin ist der Ansicht, nach den Grundsätzen zum Werkstattrisiko sei der Beklagte nicht berechtigt, die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten wegen etwaiger Überhöhungen, unrichtig abgerechneter bzw. tatsächlich nicht angefallener Kosten zu kürzen.

    9
    Sie beantragt,

    10
    1.       den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 643,25 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    11
    2.       den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 64,02 € gegenüber der Kanzlei P Rechtsanwalts GmbH, …(weitere Angaben entfernt), freizustellen.

    12
    Der Beklagte beantragt,

    13
    die Klage abzuweisen.

    14
    Der Beklagte behauptet unter Bezugnahme auf den Prüfbericht der Fa. K GmbH, die Reparaturkosten seien überhöht und daher nicht erstattungsfähig. Zumindest stehe dem Beklagten wegen der überhöhten Abrechnung ein Zurückbehaltungsrecht wegen seines Anspruchs auf Abtretung etwaig bestehender Regressansprüche gegen den Kläger zu.

    15
    Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    16
    Entscheidungsgründe:

    17
    Die zulässige Klage ist in Wesentlichen begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, §§ 249 ff. BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG ein Anspruch auf Zahlung der restlichen Reparaturkosten in Höhe von 643,25 € wie auch ein Anspruch auf Freistellung von weiteren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 64,02 € zu. Der Beklagte ist zur Zahlung jedoch nur Zug-um-Zug verpflichtet, so dass die Klage lediglich insoweit der Abweisung unterlag.

    18
    1.

    19
    Die Klägerin ist zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche prozessführungsbefugt. Von der Geltendmachung des ursprünglich geltend gemachten Schadensersatzersatzanspruches wegen der Verletzung ihres ‒ nicht bestehenden ‒ Eigentumsrechts hat sie Abstand genommen und stützt sich nunmehr auf das Eigentumsrecht der Darlehensgeberin. Dies ist jedenfalls Klageänderung auszulegen, die sachdienlich und damit gemäß § 263 ZPO zulässig ist.

    20
    Da die Klägerin nunmehr aus einem fremden Recht vorgeht, nämlich den der aus der Eigentumsverletzung resultierenden Schadensersatz der Eigentümerin geltend macht, ist die Prozessführungsbefugnis gesondert festzustellen (vgl. hierzu Zöller-Althammer, 32. Aufl. 2018, vor § 50, Rn. 16). Eine Klage in gewillkürter Prozessstandschaft ist zulässig, wenn der Prozessführende vom Rechtsinhaber zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt worden ist, er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr hat und der Beklagte durch die gewählte Art der Prozessführung nicht unbillig benachteiligt wird. Darüber hinaus muss sich der Prozessführende im Rechtsstreit grundsätzlich auf die ihm erteilte Ermächtigung berufen und zum Ausdruck bringen, wessen Recht er geltend macht (BGH in std. Rspr., zuletzt BGH, Urteil vom 07. März 2017 ‒ VI ZR 125/16 Rn. 8, m.w.N.‒, juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt: Eine von der Sicherungseigentümerin erteilte Ermächtigung zur Prozessführung im eigenen Namen liegt jedenfalls in der Erklärung der B GmbH vom 16.07.2020 einschließlich erteilter Vollmacht. Diese Erklärung ist auf Grund der Nennung der Darlehensnehmerin unter Verwendung des Aktenzeichens ihrer Prozessbevollmächtigten und der Tatsache, dass als Schadensersatzansprüche ausschließlich Ansprüche wegen der Eigentumsverletzung in Betracht kommen, auch hinreichend bestimmt. Schließlich hat die Klägerin als Sicherungsgeberin im Zuge eines finanzierten Erwerbs eines Pkws ein wirtschaftliches Interesse im Hinblick auf die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen der Beschädigung des PKW als Sicherungsgut (so auch BGH, Urteil vom 07. März 2017 ‒ VI ZR 125/16 Rn. 8-10).

    21
    Schließlich steht auch die an die Reparaturwerkstatt erfolgte Abtretung wie auch die am 20.06.2020 vereinbarte Rückabtretung der Geltendmachung des der Sicherungsnehmerin zustehenden Schadensersatzanspruches nicht entgegen. Ein eigener Schadensersatzanspruch wegen einer Eigentumsverletzung stand der Klägerin nicht. Eine insoweit erfolgte Abtretung ging damit ins Leere.

    22
    2.

    23
    Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.

    24
    Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen von Abs. 2 Satz 1 des § 249 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (std. Rspr., u.a. BGH, Urteil vom 15. September 2015 ‒ VI ZR 475/14 ‒, juris, Rn. 10/11 m.w.N.) .

    25
    Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az.: VI ZR 225/13, VersR 2014, 474, Rn. 7 m.w.N.).

    26
    3.

    27
    Da die Erforderlichkeit demnach auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt wird, muss auch seine Abhängigkeit von Fachleuten, die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss, Berücksichtigung finden. Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten durch die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht worden sind, hat der Schädiger zu tragen, ihn trifft das Prognose- oder Werkstattrisiko (grundlegend BGH v. 29.10.1974, Az.: VI ZR 42/73 , BGHZ 63, 182).

    28
    a.

    29
    Legt man diese Grundsätze zugrunde, trägt der Schädiger auch das Risiko, dass sich der vorgenommene Reparaturweg später als nicht so oder nicht in dem erfolgten Umfang als erforderlich erweist, wie es der Beklagte einwendet. Lässt etwa der Geschädigte im berechtigten Vertrauen auf die Begutachtung „seines“ Sachverständigen das Fahrzeug in vorgeschlagener Art und Umfang reparieren, darf er die dabei angefallenen Kosten ersetzt verlangen, selbst wenn das Gutachten falsch ist und die durchgeführte Reparatur objektiv nicht erforderlich gewesen wäre (vgl. LG Köln, Urteil vom 29. März 2016 ‒ 36 O 65/15 ‒, juris). Daher kommt es auf die Frage, welche Kosten objektiv erforderlich gewesen wären, grundsätzlich nicht an ‒ und bedarf im Verhältnis zwischen dem Ersatzpflichtigen und Geschädigten auch keiner Sachverständigenbegutachtung im Prozess ‒, wenn keine Umstände vorgetragen sind, die ein Verschulden des Geschädigten bei der Entstehung der Mehrkosten begründen könnten.  Solch ein Verschulden kommt in Betracht, wenn der Geschädigte auf die Angaben seines Gutachters oder seiner Werkstatt nicht vertrauen durfte, sei es, weil ihn ein Auswahlverschulden trifft oder weil er ‒ im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle ‒ ohne weiteres hätte erkennen können, dass die der Reparatur zugrundeliegende Bewertung seines Sachverständigen oder der gewählten Reparaturwerkstatt offenkundig fehlerhaft ist (Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 249 BGB, Rn. 135/136).

    30
    b.

    31
    An den obigen Erwägungen ändert sich ‒ entgegen der Auffassung des Beklagten - auch nichts bei Anwendung der von dem BGH in dem zitierten Urteil vom 26.04.2016, Az.: VI ZR 50/15, aufgestellten Erwägungen, nach denen die Erforderlichkeit des von einem Sachverständigen angesetzten Honorars und dessen Höhe indiziert ist, wenn und soweit ‒ aber auch nur dann und in dieser Höhe ‒ die von dem Sachverständigen erstellte Rechnung bezahlt worden ist. Auf die Zahlung kommt es vorliegend nicht an.

    32
    Eine Übertragbarkeit der insoweit ergangenen Rechtsprechung auf die streitgegenständliche Frage der Erforderlichkeit von Reparaturkosten ist gerade nicht gegeben. Keineswegs liegt der Schaden des Geschädigten nämlich, wie es bei der aus Anlass eines Verkehrsunfalls erforderlichen Beauftragung eines Sachverständigen der Fall ist, in der Belastung des Geschädigten mit einer Verbindlichkeit, hier dem werkvertraglichen Vergütungsanspruch des Autohauses bzw. der Werkstatt. Tatsächlich liegt der Schaden in der Substanzverletzung bzw. Zerstörung der in seinem Eigentum stehenden Sache, allein die Bemessung dieses Schadens erfolgt gemäß § 251 Abs. 2 S. 1 BGB über den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag. Dass dieser aber gerade nicht gleichzusetzen ist mit dem Rechnungsbetrag, ergo dem werkvertraglichen Anspruch, hat der BGH in der oben zitierten Entscheidung klargestellt: „Nicht die Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solche, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand bildet einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.“ (BGH, a.a.O., Rn. 12; so auch LG Münster, Hinweisbeschluss vom 13.05.2020, Az.: 3 S 2/20).

    33
    c.

    34
    Hieraus folgt auch, dass der Schadensersatzanspruch des Klägers nicht nur auf Freistellung von der werkvertraglichen Verbindlichkeiten im Sinne des § 250 S. 1 BGB gerichtet ist, der sich gemäß § 250 S. 2 BGB erst nach Ablauf einer gesetzten Frist in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Vielmehr kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB unmittelbar Zahlung beanspruchen.

    35
    d.

    36
    Letztlich führt die Ersatzpflicht des Schädigers auch hinsichtlich der objektiv nicht erforderlichen Reparaturkosten nicht zu einem Wertungswiderspruch und/oder zu einem „unnötigen Hin und Her“, weil der Geschädigte ohnehin verpflichtet wäre, dem Schädiger seine gegenüber dem Reparaturbetrieb möglicherweise wegen fehlerhafter Reparaturausführung zustehenden Schadensersatzansprüche abzutreten und der Schädiger sie sodann gegenüber dem Reparaturbetrieb geltend machen könnte. Denn genau das ist Ausdruck des Werkstattrisikos, welches - höchstrichterlich entschieden -  bei dem Schädiger liegt. Auch der Verweis auf die aus § 242 BGB hergeleitete dolo-agit-Einrede verfängt nicht. Denn es besteht gerade keine Verpflichtung des Geschädigten dem Schädiger seitens der Reparaturwerkstatt überhöht abgerechnete Reparaturkosten zu erstatten. Möglicherweise hat er zwar einen Schadensersatzanspruch gegen die Werkstatt. Von dem Erfordernis, diesen gegenüber dem Reparaturbetrieb selbst geltend zu machen und durchzusetzen, wird er nach den Grundsätzen zum Werkstattrisiko aber gerade entbunden.

    37
    d.

    38
    Auf die Grundsätze des Werkstattrisikos kann sich ‒ entgegen der Auffassung des Beklagten ‒ im Übrigen auch die Sicherungseigentümerin als Geschädigte berufen, wenn diese auch nicht derjenige war, die den Auftrag zur Gutachtenerstellung wie auch zur Beseitigung des Schadens an das Reparaturunternehmen erteilt hat. Bei der im Schadensrecht vorzunehmenden subjektbezogenen Schadensbetrachtung ist Rücksicht auf die individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten (BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az.: VI ZR 225/13, VersR 2014, 474, Rn. 7 m.w.N.) zu nehmen. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten der Sicherungseigentümerin anders dargestellt hätten, als diejenigen der Klägerin sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Dass zudem nicht die Sicherungseigentümerin mit der werkvertraglichen Forderung des Reparaturunternehmens belastet worden ist, sondern vielmehr die Klägerin als Sicherungsgeber schadet bei der Ermittlung des zur Schadensbeseitigung erforderlichen Geldbetrages im Sinne des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB ebenfalls nicht, da ‒ auch hier entgegen der Auffassung des Beklagten ‒ der Schaden gerade nicht darin besteht, mit diesem werkvertraglichen Anspruch belastet zu sein (BGH, a.a.O.).

    39
    e.

    40
    Letztlich kann der Beklagte auch nicht mit der Behauptung durchdringen, die Reparaturwerkstatt werde auf die Durchsetzung restlicher Reparaturkosten gegenüber der Klägerin verzichten, wenn ein Ausgleich durch den Beklagten nicht erfolgen sollte. Dieser Vortrag kann keine Berücksichtigung finden, weil jegliche tatsächliche Anhaltspunkte für die ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung fehlen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 16. April 2015 ‒ IX ZR 195/14, Rn. 13 m.w.N. ‒, juris). Letztlich kann aber dahinstehen, ob die von dem Beklagten behauptete Abrede zum Erlass der streitgegenständlichen Forderung im Falle des Unterliegens besteht. Die Auffassung, dass ein solcher von dem Geschädigten möglicherweise überobligatorisch ausgehandelter Vorteil bzw. eine solche von der Reparaturwerkstatt entweder freiwillig oder auf Grund einer nachträglichen Vereinbarung in Aussicht gestellte Leistung an den Geschädigten im Rahmen der Schadensberechnung als Vorteil Anrechnung findet (vgl. insoweit MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 251 f., 253 f., 273 f. ‒ beck-online), überzeugt nicht. Solche durch überobligationsmäßige Anstrengungen erlangte Leistungen werden in der Regel nicht angerechnet.

    41
    4.

    42
    Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für die streitgegenständliche Forderung folgendes: Die Klägerin erteilte dem Autohaus einen Auftrag, einen Kostenvoranschlag zu erstellen, welchem diese nachkam. Daraufhin führte das Reparaturunternehmen die Reparatur danach aus, welches sich aus dem Vergleich des Voranschlags mit der Reparaturrechnung ergibt. Die Kosten überstiegen in dem Kostenvoranschlag kalkulierten Kosten nur unwesentlich. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin vor Erteilung des Reparaturauftrages erkannt hat oder hätte erkennen können, dass überhöhte oder nicht angefallene Kosten - wie es der Beklagte behauptet ‒ abgerechnet werden würden, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Insbesondere rechtfertigt der von der Beklagten dem Geschädigten zur Verfügung gestellte Prüfbericht nicht die Annahme einer solchen Kenntnis. Denn die Bewertung der Richtigkeit eines solchen Prüfberichts erfordert einen gewissen Sachverstand und ist daher für den Geschädigten regelmäßig weder erkennbar noch nachvollziehbar. Die Zusendung eines technisch erstellten Prüfberichts vermag die fachliche Expertise des von dem Geschädigten beauftragten Sachverständigen in der Regel nicht zu erschüttern. Der Geschädigte darf sich vielmehr darauf verlassen, dass der fachlich versierte Sachverständige, in dessen Hände er das Fahrzeug zur Begutachtung gegeben hat, die Reparaturkosten ordnungsgemäß begutachtet und die Reparatur nach den Vorgaben dieses Gutachtens beauftragt werden darf (vgl. LG Münster, Hinweisbeschluss vom 13.05.2020, Az.. 3 S 2/20; so auch LG Saarbrücken, Urteil vom 23.01.2015, Az.: 13 S 199/14). Daher kam es letztlich auf die Frage, ob die von dem Beklagten beanstandeten Lackierkosten, Verbringungskosten wie auch die Kosten für den Kostenvoranschlag nicht berechtigt seien, nicht an.

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    5.

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    Die Klägerin kann schließlich die Freistellung von weiteren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 64,02 € entsprechend der Berechnung in der Klageschrift nach dem höheren Streitwert verlangen.

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    Der zuerkannte Zinsanspruch ist aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB begründet.

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    Der Beklagte ist zur Zahlung des restlichen Rechnungsbetrags jedoch nur Zug-um-Zug gegen Abtretung etwaiger Rückforderungsansprüche gegen das die Reparaturunternehmen verpflichtet.

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    8.

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    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Außerachtlassung der Zug-um-Zug Verpflichtung im Klageantrag stellt lediglich eine unwesentliche Zuvielforderung im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dar. Die zulässige Klageänderung führt nicht zu einer teilweisen Kostenbelastung der Klägerin entsprechend § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Das „alte“ und das „neue“ Begehren der Klägerin stellen sich vielmehr als wirtschaftlich identisch dar, so dass für die Kostenentscheidung nur der Ausgang des Streits über den neuen Antrag maßgeblich ist (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, 37. Ed. 1.7.2020, ZPO § 263 Rn. 36).

    51
    Der Streitwert wird auf 643,25 EUR festgesetzt.

    52
    Rechtsbehelfsbelehrung:

    53
    Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

    54
    1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

    55
    2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

    56
    Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

    57
    Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Münster zu begründen.

    58
    Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Münster durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

    59
    Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.