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  • 02.05.2018 · IWW-Abrufnummer 200991

    Amtsgericht Krefeld: Beschluss vom 12.03.2018 – 37 OWi-15 Js 1463/17-405/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    37 OWi-15 Js 1463/17-405/17

    In dem Bußgeldverfahren gegen

    xxx

    Der Antrag der Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen die Nichtherausgabe des Passworts und Tokens wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen tragt dieser selbst.

    Gründe:

    Die Stadt Krefeld als Bußgeldbehörde hat unter dem 07.02.2017 gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid erlassen, mit dem ihm wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 39 km/h eine Geldbuße in Höhe von 130,00 EURO auferlegt wurde. Der Betroffene hat durch seinen Verteidiger rechtzeitig Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt. Der Betroffene begehrte über seinen Verteidiger mit Schreiben vom 18.02.2017 von der Bußgeldstelle der Stadt Krefeld u.a. die Kopie der digitalen Falldaten im gerätespezifischen Format inkl. unverschlüsselten Rohmessdaten nebst dem dazugehörigen öffentlichen Geräteschlüssel (Token). Die Bußgeldstelle leitete diesen vorliegenden Fall auch kein Fahrverbot in Betracht kommt - und sie im Hinblick auf ihre vorrangige Bedeutung für Massenverfahren des täglichen Lebens auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet sind (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juli 2014 - IV-l RBs 50/14 - Rn. 10, juris). Der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte Dritter stellt sich zudem als nicht nur von untergeordneter Bedeutung dar, da der Dritte ebenfalls Betroffener in einem Bußgeldverfahren ist und  ggf. bislang dafür nicht rechtskräftig verurteilt wurde. In diesem Fall besteht indes ein berechtigtes Interesse des Dritten daran, dass sein eigener Verstoß nicht ohne hinreichendes Interesse von am Verfahren Unbeteiligten eingesehen werden kann. Ein solches Interesse kann aber nur dann bestehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Daten eines Dritten tatsächliche Auswirkungen auf das vorliegende Verfahren hat. Hierfür ist indes nichts vorgetragen. Hiernach überwiegen die grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte der Dritten dem grundrechtlich geschützten Anspruch des  Betroffenen aus Art. 20 Abs. 3 GG. Zudem ist eine Abwägung der Interessen von Betroffenen und Behörden vorzunehmen, wobei auch das Interesse der Behörde zu berücksichtigen ist, in einem durch kurze Verjährungsfristen geprägten Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren möglichst zügig entscheiden und nicht durch teilweise ausufernde. über das gerechtfertigte Akteneinsichtsrecht hinausgehende Informations- und Herausgabeverlangen über Gebühr belastet und an der notwendigen Verfahrensförderung gehindert zu werden.

    Zur Funktion von Datei und Token im Zusammenhang mit der Auswertung der Geschwindigkeitsmessung mit dem hier verwendeten Gerät PoliScan hat das Physikalisch Technische Bundesamt im Oktober 2012 unter anderem wie folgt Stellung genommen:

    "Man bezeichnet den verschlüsselten Hashwert der Falldatei als Signatur der Falldatei. Diese Signatur wird an die Falldatei angehängt. Optional darf die signierte Falldatei anschließend mit einem anderen Algorithmus verschlüsselt werden, um die Falldatei aus Gründen des Datenschutzes nur autorisierten Benutzern zuganglich zu machen. Diese optionale Verschlüsselung ist nicht Bestandteil der Zulassung.

    Für die Signaturprüfung wird neben dem Referenz-Auswerteprogramm und der zu prüfenden Falldatei der zum geheimen Schlüsse/ zugehörige öffentliche Schlüssel benötigt. Der Eichbeamte registriert bei der Ersteichung eines jeden Messgerätes den zugehörigen öffentlichen Schlüssel. Er ist auch für die Verwaltung der von ihm registrierten öffentlichen Schlüssel verantwortlich. In Zweifelsfällen kann daher ein Gutachter über das zuständige Eichamt rekonstruieren, welcher öffentliche Schlüssel tatsachlich zu dem betrachteten Messgerät gehört.

    Der Weg, auf dem Falldatei und zugehöriger Schlüssel in die Auswertestelle gelangen, ist nicht entscheidend für die Signaturprüfung. Für die unterschiedlichen Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte und Rotlichtüberwachungsanlagen haben die Hersteller verschiedene Wege realisiert.
    Das hier beschriebene Auswerteverfahren ist Teil des standardisierten Messverfahrens und kann in Zweifelsfallen mit Hilfe des Referenzauswerteprogramms jederzeit wiederholt werden. Nur die signierte Falldatei gilt als unveränderliches Beweismittel. Ein Ausdruck des Inhalts der signierten Falldatei oder ein Ausdruck der grafischen Benutzeroberfläche des Referenz-Auswerteprogramms gelten nicht als unveränderliches Beweismittel. Auf Grund der hier vorgestellten Sicherung der Authentizität und Integrität der Falldatei werden alle Manipulationen an Falldateien zweifelsfrei erkannt."

    Aus dieser Stellungnahme ergibt sich, dass die Messdatei "aus Gründen des Datenschutzes nur autorisierten Benutzern" zugänglich zu machen ist.
    Das Gericht ist im gerichtlichen Verfahren zudem nur dann zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Messung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gehalten, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Messung in Abweichung von den Vorgaben der Bedienungsanleitung stattgefunden hat. Solche Abweichungen sind vorliegend bisher weder konkretisiert und noch nachvollziehbar dargestellt worden. Wenn aber im gerichtlichen Bußgeldverfahren keine Veranlassung bestünde, ein Sachverständigengutachten zur Ordnungsgemäßheit der Messung einzuholen, muss dies umso mehr für den vorausgehenden behördlichen Verfahrensabschnitt gelten. Auch dürfte die Herausgabe von regelmäßig geheim zu haltenden Passwörtern und Dateien der Behörden nur dann hinreichend zu rechtfertigen sein, wenn ein Sachverständigengutachten vom Gericht als notwendig angeordnet wird, nicht schon dann, wenn ein Betroffener ohne ausreichende Anhaltspunkte meint, ein solches Gutachten privat einholen zu müssen. Insoweit muss der Betroffene darauf verwiesen werden, auf der Grundlage des Akteninhalts ein (Privat-) Sachverständigengutachten einzuholen, wie dies in der Praxis auch häufig geschieht. Der Sachverständige kann dabei prüfen, ob die Bedienungsanleitung eingehalten wurde.

    Schon hieraus ergibt sich das Erfordernis einer Begrenzung des Personenkreises, der Kenntnis von Token und Passwort erlangt. Ihn auf gerichtlich beauftragte Sachverständige zu beschränken (und ihn nicht auf eine Vielzahl von Betroffenen und deren Verteidigern und den von ihnen privat eingesetzten Gutachtern  auszuweiten), drängt sich auf. Hier hat der Verteidiger tatsachenfundiert und zur Überzeugung des Gerichts vorzutragen, warum er Passwort und Token benötigt und dabei in den Datenschutz eingreifen will. Denn was sich hieraus konkret für den Verstoß des Betroffenen ergeben soll, bleibt offen und führt auch der Verteidiger vorliegend nicht aus.

    Insgesamt ist daher die Herausgabe von Daten, Dateien und Token zur Fertigung eines privaten Gutachtens über eine Geschwindigkeitsmessung im behördlichen Bußgeldverfahren vorliegend nicht hinreichend begründet. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war daher zu verwerfen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

    Diese Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG unanfechtbar.