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  • 10.01.2017 · IWW-Abrufnummer 191081

    Landgericht Münster: Beschluss vom 06.12.2016 – 6 S 57/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Münster

    06 S 57/16

    Tenor:

    Die Kammer weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. Es besteht Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

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    Gründe:

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    Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

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    Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung der Kammer auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

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    Das Amtsgericht hat den geltend gemachten Anspruch zu Recht als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagten wegen des Verkehrsunfalls vom 27.10.2015 in Borken kein weiterer Anspruch auf Schadensersatz wegen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 236,69 € gemäß §§ 7 StVG, 115 VVG zu. Das Amtsgericht hat zu Recht bei der Berechnung der zu erstattenden vorgerichtlichen Anwaltskosten den Restwert (3.409,00 €) in Abzug gebracht und als Geschäftswert folglich lediglich einen Betrag von bis zu 3.000,00 € berücksichtigt. Der Betrag setzt sich zusammen aus 1.591,00 € Wiederbeschaffungsaufwand, 602,00 € Nutzungsausfallentschädigung, 60,00 € An- und Abmeldekosten sowie 25,00 € Kostenpausschale (insgesamt 2.278,00 €). Demnach stehen dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € zu. Dieser Betrag wiederum setzt sich zusammen aus einer 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 der Anl. 1 zum RVG (261,30 €), der Pauschale nach Nr. 7000 (20,00 €) und der Umsatzsteuer (19% von 281,30 €, also 53,45 €).

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    Der Geschädigte – hier der Kläger - kann im Rahmen der Haftung aus § 7 StVG i.V.m. § 249 BGB auch die ihm infolge des schädigenden Verhaltens entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung als Schadensposition geltend machen.

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    Zur Frage der Höhe dieses Erstattungsanspruchs folgt die Kammer der hier einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dem Erstattungsanspruch hinsichtlich der Anwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger danach grundsätzlich der Wert zugrundezulegen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH im Urteil vom 07.11.2007 – VIII 341/06, juris Rn. 13 und im Urteil vom 18.01.2005 – VI ZR 73/04, juris Rn. 8). Kosten, die dem Geschädigten dadurch entstehen, dass er einen Anwalt mit der Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs beauftragt, können allenfalls im Innen(Mandats-)verhältnis zwischen Geschädigtem und Bevollmächtigtem bei der Wertermittlung berücksichtigt werden, nicht aber dem Schädiger als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden (BGH a.a.O. - Urteil vom 18.01.2005). Der Auffassung, die Entscheidung des BGH vom 18.01.2005 sei auf die hier zu entscheidende Schadenskonstellation nicht anwendbar, da es im dortigen Fall nicht um die Frage der Anrechnung eines Restwertes gehe, sondern um die Schadensberechnung mit einem Abzug „neu für alt“ (LG Aachen im Urteil vom 18.12.2014 – 10 O 308/14, beck-online) folgt die Kammer nicht. Hier wie dort geht es um die Ermittlung eines Schadensersatzanspruchs unter Berücksichtigung eines Elements der Schadenskompensation (Vermögensvermehrung durch Anschaffung einer neuen Sache / Restwert der beschädigten Sache), so dass die Konstellationen vergleichbar sind. Auch in der hier zu entscheidenden Konstellation sind die etwaigen Kosten, die durch eine weiter gefasste Beauftragung des Bevollmächtigten entstanden sind, nicht den Geschädigten zuzurechnen.

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    Bei Anwendung des o.g. Maßstabs ergibt sich hier, dass nur der Wiederbeschaffungsaufwand zu berücksichtigen ist. In der darüber hinausgehenden Höhe (Restwert) besteht keine Schadensersatzforderung des Klägers.

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    Das folgt nach Auffassung der Kammer in diesem Fall schon daraus, dass der Kläger bei seiner Abrechnung auf Totalschadenbasis eine Schadensersatzforderung unter Einschluss des Restwertes – also im Umfang des Wiederbeschaffungswertes von 5.000,00 € - gar nicht erhoben hat. Er hat vielmehr in dem Anspruchsschreiben seines Bevollmächtigten vom 25.11.2015 nur einen Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs im engeren Sinne in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands geltend gemacht (Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 12f. d.A.) und den Restwert bei seiner eigenen Schadensberechnung in Abzug gebracht. Die Geltendmachung des ungekürzten Wiederbeschaffungswertes bei Überlassung des Fahrzeugs an den mithaftenden Beklagten zu 2 stand hingegen nie im Raum.

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    Maßgeblich ist der Wert dessen, was tatsächlich als Schaden geltend gemacht wird. Was möglicherweise theoretisch darüber hinaus geltend gemacht werden kann, aber tatsächlich nicht verlangt wird, ist irrelevant. So dürfte auch im Innenverhältnis ein Anwalt, der einen konkreten Teil eines denkbaren Schadensersatzanspruchs rechtlich prüfen sollte, als Streitwert nicht heranziehen, was theoretisch noch in Betracht gekommen wäre.

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    Unabhängig von Vorstehendem beschränkt sich aber der Schadensersatzanspruch bzw. der auszugleichende Vermögensnachteil des Geschädigten ohnehin auf die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert (BGH im Urteil vom 21.01.1992 – VI ZR 142/91, beck-online). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Geschädigten nach überwiegender Auffassung bei der Schadensabrechnung im Falle eines Totalschadens ein Wahlrecht zwischen der Anrechnung des vom Sachverständigen ermittelten Restwertes (Abzug vom Zahlungsbetrag) und der Geltendmachung des vollen Wiederbeschaffungswertes bei Rückgabe des Fahrzeugs an den Schädiger zusteht (u.a. BGH in NJW 1983, 2693 und Palandt-Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 249 BGB, Rn. 17). In beiden Fällen ist der ersatzfähige Schaden nach dem Verständnis der Kammer von vornherein auf den Differenzbetrag beschränkt, da es nicht darauf ankommt, auf welchem Wege die Berücksichtigung des Restwertes erfolgt. Daraus, dass der Schädiger „Herr des Restitutionsgeschehens“ ist, erhöht sich nicht der Umfang der Rechtsanwaltskosten, die auf der Schädigung seines Fahrzeugs beruhen und dem Schädiger zuzurechnen sind. Insofern bleibt es dabei, dass der Schädiger diese nur zu ersetzen hat, soweit sie auf einer berechtigten Forderung beruhen.

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    Letztlich scheitert der geltend gemachte Zahlungsanspruch des Klägers bereits daran, dass er beweisfällig geblieben ist für die von ihm aufgestellte Behauptung, dass er an seinen Prozessbevollmächtigten eine Honorarzahlung erbracht habe, die über den von den Beklagten ausgeglichenen Betrag hinausgehe. Die Beklagten haben dies im Schriftsatz vom 04.04.2016 bestritten; für die Zahlung ist kein Beweis angetreten.

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    Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung der Kammer (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO).

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    Grundsätzliche Bedeutung setzt jedenfalls eine klärungsbedürftige Rechtsfrage voraus. Dies erfordert u.a., dass über die Auslegung der zu entscheidenden Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen geäußert worden sind und noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt (Zöller-Heßler, 30. Aufl. 2014, § 522 ZPO, Rn. 38 und § 543 ZPO, Rn. 11 m.w.N.). Die Kammer stützt ihre Entscheidung auf die beiden genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs; insofern handelt es sich um die Anwendung gefestigter Rechtsprechung auf einen Einzelfall.

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    Auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung der Kammer nicht geboten. Die Kammer weicht nicht von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts ab. Insbesondere stellt die Kammer bei der Anwendung der Rechtsprechung des BGH auf den vorliegenden Sachverhalt nicht einen Rechtssatz auf, der sich mit einem in der o.g. Entscheidung des LG Aachen aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt. Die Würdigung beruht auch auf den Umständen des hier zu entscheidenden Einzelfalls.