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  • 09.08.2016 · IWW-Abrufnummer 187818

    Landgericht Arnsberg: Urteil vom 11.05.2016 – 3 S 117/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Arnsberg

    Urt. v. 11.05.2016

    Az.: 3 S 117/15

    Tenor:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Meschede vom 05.05.2015 abgeändert.

    Die Beklagten werden verurteilt, die Klägerin als Gesamtschuldner von restlichen Zahlungsansprüchen der Rechtsanwälte L aus der Rechnung vom 12.11.2014 (Bl. 8 der Gerichtsakten) in Höhe von restlichen 999,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2014 freizustellen.

    Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens nach einem Gegenstandswert von 999,60 €. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagten 82 % und die Klägerin 18 % nach einem Gegenstandswert von 1212,59 €, mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Klägerin. Diese trägt die Klägerin nach einem Gegenstandswert von 1133,47 €.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Gründe

    A.

    Die Beklagten sind in vollem Umfang eintrittspflichtig für einen Verkehrsunfall unweit von N, der sich am 14.02.2014 ereignet hat. Bei dem Unfall wurde der etwas mehr als zwei Jahre alte Volvo V 40 der Klägerin schwer beschädigt. Der Ehemann der Klägerin war in kurzer stationärer Behandlung. Die Eheleute beauftragten Rechtsanwalt L mit der außergerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 2, der Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters. Dieser meldete den Unfall schriftlich unter dem 19.02.2014 bei der Beklagten zu 2 an.

    Gleichzeitig meldete er den Fahrzeugschaden bei der Kaskoversicherung der Klägerin an, weil er eine zügige Regulierung des Schadens durch die Beklagte zu 2 als nicht gewährleistet glaubte. In der Folgezeit regulierte die Kaskoversicherung der Klägerin den Sachschaden am Fahrzeug auf der Basis der Wiederbeschaffungskosten. Dies teilte der beauftragte Rechtsanwalt der Beklagten zu 2 mit. Die Beklagte zu 2 zahlte daraufhin auf den weiteren materiellen und immateriellen Schaden der Klägerin inklusive Selbstbehalt bei der Vollkaskoversicherung einen Betrag von 4264,53 €. Der Kaskoversicherung erstattete sie 20.070,00 €. Entsprechend dem Regulierungsbetrag von 4264,53 € gegenüber der Klägerin zahlte die Beklagte zu 2 auf die hiernach berechnete vorgerichtliche Geschäftsgebühr des beauftragten Rechtsanwalts einen Betrag von lediglich 576,56 €.

    Erstinstanzlich hat die Klägerin zunächst 1133,47 € in Form eines Freistellungsantrages gegenüber den Beklagten als ihrem Rechtsanwalt zu erstattende vorgerichtliche Geschäftsgebühr geltend gemacht. Nach Erlass eines klageabweisenden Versäumnisurteils hat sie diesen Freistellungsantrag auf 1212,59 € erhöht, weil sie die Ansicht vertreten hat, die vorgerichtliche Geschäftsgebühr ihres Rechtsanwalts umfasse auch die Geltendmachung des Sachschadens, den sie bei ihrer Vollkaskoversicherung geltend gemacht habe.

    Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Anmeldung der Schäden bei der Vollkaskoversicherung sei im vorliegenden Fall nicht erforderlich gewesen. Gegenüber der Beklagten zu 2 sei nur der durch die Kaskoversicherer nicht gedeckte Schadensbetrag geltend gemacht worden.

    Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und begehrt nunmehr Freistellung von restlichen Zahlungsansprüchen ihres Rechtsanwalts i.H.v. 999,60€. Ausgehend von einem Schadensbetrag von 25.216,93 € berechnet sie die ihrem Rechtsanwalt zu erstattende Geschäftsgebühr wie folgt:
     
    1. 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV (Wert: 25.216,93 €):    1294,50 €       
    2. Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV     20,00 €      
    3. Kopierkosten, 20 Seiten Nr. 7000 VV     10,00 €      
    4. 19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV     251,66 €      
    ./. Gezahlter     576,56 €      
    Summe:     999,60 €     

    Der Geschäftsgebühr sei der so genannte Erledigungswert zugrundezulegen. Dieser betrage 25.116,93 €, unabhängig davon, an wen die Schadenspositionen ausgeglichen worden seien. Neben der erfolgten Direktzahlung an die Klägerin habe die Beklagte zu 2 den Sachschaden auch gegenüber der Kaskoversicherung ausgeglichen. Mithin seien auf Betreiben des ursprünglich beauftragten Rechtsanwaltes insgesamt 25.062,93 € reguliert worden. Rechtsanwalt L sei nicht lediglich beauftragt worden, den Schaden i.H.v. 4264,53 € zu regulieren. Die Klägerin habe vielmehr einen Regelungsauftrag in voller Höhe erteilt. Bereits damit sei die Geschäftsgebühr aus dem Gesamtschaden entstanden, da Rechtsanwalt L das Mandat so angenommen habe. Er habe allerdings in einem äußerst frühen Stadium in Kenntnis eines zögerlichen Regulierungsverhaltens der Beklagten zu 2 empfohlen, den Sachschaden gegenüber Kaskoversicherung geltend zu machen, damit die Klägerin über eine zeitnahe Liquidität habe verfügen können. Der Auftrag, mit der Kaskoversicherung abzurechnen sei damit später erfolgt. Dieser Auftrag werde aber gar nicht gegenüber den Beklagten abgerechnet.

    Die Berufungserwiderung verteidigt das Urteil.

    B.

    Mit der der nunmehr erfolgten Berechnung ist die Berufung erfolgreich.

    Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Erstattung des Verkehrsunfallschadens vom 14.02.2014 aus §§ 7, 17 StVG, 115 VVG, 249 ff BGB.

    Dazu zählt auch der Ersatz der Kosten für die vorgerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwalts, da diese zur adäquaten Rechtsverfolgung erforderlich war. Grundsätzlich kann eine solche Erforderlichkeit angesichts des umfangreichen Sachschadens aber auch des Personenschadens nicht geleugnet werden.

    Fraglich war nur, ob die Klägerin einen Freistellungsanspruch in Höhe der vollen Geschäftsgebühr nach dem gesamten Sachschaden - hier: 25.216,93 € - hat oder ob sich dieser Erstattungsanspruch auf die geringere Gebühr nach dem tatsächlich regulierten Schaden zwischen den Parteien i.H.v. 4262,53 € beschränkt.

    Ursprünglich war Rechtsanwalt L mit der Geltendmachung sämtlicher materieller Schäden gegenüber der Beklagten zu 2 beauftragt worden. Soweit dies von Beklagtenseite mit Nichtwissen bestritten wird, ist dieses Bestreiten angesichts der Vertretungsanzeige, der Unfallschilderung und der Überreichung einer Vollmacht im Schreiben vom 19.02.2014 nicht ausreichend. In seiner Schadensmeldung teilte Rechtsanwalt L mit, dass er beauftragt sei, Ansprüche aus dem Verkehrsunfall geltend zu machen. Eine Einschränkung enthält dieses Schreiben nicht.

    Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin verpflichtet war, den Auftrag aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderung von vornherein zu splitten in eine Geltendmachung des Fahrzeugsachschadens gegenüber dem Kaskoversicherer und der übrigen Schäden gegenüber den Beklagten, nur weil die Regulierung des Kaskoschadensfalls i.d.R. zügiger erfolgt. Sie konnte vielmehr Rechtsanwalt L einen uneingeschränkten Auftrag sowohl zur Geltendmachung der Schäden gegenüber dem gegnerischen Haftpflichtversicherer erteilen als auch ihn gleichzeitig anweisen, den Sachschaden zusätzlich bei der Kaskoversicherung anzumelden. Die Verschaffung einer frühzeitigen Liquidität durch den Kaskoschutz dient ihrer eigenen wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit und führt nicht zu einer Entlastung des gegnerischen Haftpflichtversicherers. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen neben einem hohen Sachschaden auch Personenschäden geltend gemacht werden. Hier benötigen die Haftpflichtversicherungen im Rahmen der Schadensregulierung oft einen längeren Zeitraum, weil u.a. ärztliche Berichte eingeholt und überprüft werden müssen. Auch wenn der Schädiger - nach Eintritt der Kaskoversicherung - an den Geschädigten direkt nur einen deutlich Betrag auszukehren hat, können diese überobligationsmäßigen Anstrengungen des Geschädigten nicht dazu führen, dass der Schaden, wie er sich zum Zeitpunkt des Schadensereignisses darstellt, nicht als Grundlage für den Geschäftswert des außergerichtlichen Auftrages herangezogen werden kann. Dies würde lediglich diejenigen benachteiligen, die freiwillig eine Kaskoversicherung abgeschlossen haben und für diesen Kaskoschutz entsprechende Prämien zahlen und diese im Bedarfsfall auch in Anspruch nehmen.

    Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91,92, 708 Nr. 10 ZPO.

    RechtsgebietKostenrecht