Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 11.07.2023 · IWW-Abrufnummer 236227

    Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Urteil vom 31.05.2023 – 8 A 2361/22

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OVG Nordrhein-Westfalen

    Urteil vom 31.05.2023


    Tenor

    Auf die Berufung der Klägerin wird das auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2022 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln geändert.

    Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 8. Juni 2022 wird aufgehoben.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Klägerin wendet sich gegen eine für ihr Fahrzeug für die Dauer von zwölf Monaten angeordnete Fahrtenbuchauflage nebst Kostenfestsetzung.

    Am 25. Dezember 2021 um 2.15 Uhr wurde mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX 0000, dessen Halterin die Klägerin ist, eine Ordnungswidrigkeit (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts um 26 km/h) begangen. Auf dem von der Geschwindigkeitsüberwachungsanlage erstellten Tatfoto ist ein junger Mann am Steuer gut zu erkennen.

    Mit Schreiben vom 5. Januar 2022 übersandte das Straßenverkehrsamt des Kreises E. der Klägerin einen Zeugenfragebogen. Diesen beantwortete die Klägerin dahingehend, dass sie sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufe. Mit Schreiben vom 14. Januar 2022 übersandte das Straßenverkehrsamt des Kreises E. erneut einen Anhörungsbogen an die Klägerin unter Hinweis darauf, dass, sollte sie weiterhin keine Angaben zum Fahrer machen, die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage geprüft werde. Nach eigenen, vom Beklagten nicht bestrittenen Angaben berief sich die Klägerin unter dem 19. Januar 2022 wiederum auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht.

    Der um Amtshilfe ersuchte Außendienst des Straßenverkehrsamtes des Beklagten hinterließ am 14. oder 15. März 2022 eine Benachrichtigung im Briefkasten der Klägerin mit der Bitte um Rückruf, da man sie nicht angetroffen habe. Bei einem weiteren Besuch am 21. März 2022 wurde ebenfalls niemand angetroffen und auch - vom Außendienst nicht näher dokumentierte - Ermittlungen "in der Nachbarschaft" führten nicht zum Erfolg.

    Daraufhin teilte das Straßenverkehrsamt des Kreises E. der Klägerin unter dem 4. April 2022 mit, dass das Bußgeldverfahren eingestellt worden sei, und regte mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag an den Beklagten die Veranlassung einer Fahrtenbuchauflage an.

    Nach Anhörung mit Schreiben vom 21. April 2022 ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 8. Juni 2022, am selben Tag mit Postzustellungsurkunde zugestellt, das Führen eines Fahrtenbuchs für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX 0000 und etwaige Ersatzfahrzeuge und -kennzeichen für die Dauer von zwölf Monaten, beginnend eine Woche nach Zustellung der Verfügung, an. Zugleich ordnete er insofern die sofortige Vollziehung des Bescheides an und setzte Kosten i. H. v. von 106,24 Euro fest.

    Hiergegen hat die Klägerin am 14. Juni 2022 Klage erhoben und am 24. Juni 2022 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.

    Zur Begründung hat sie vorgetragen: Für den Kreis E. sei eine Feststellung des Fahrzeugführers nicht unmöglich gewesen. Vielmehr habe dieser auf der Hand liegende Ermittlungsmaßnahmen, die "mit absoluter Sicherheit" zur Feststellung des Fahrzeugführers geführt hätten, nicht ergriffen. Dass sie sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen habe, führe nicht automatisch zu einer Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers. Nach den Umständen des Einzelfalls hätten besondere Anhaltspunkte vorgelegen, denen der Kreis E. hätte nachgehen müssen. So habe sie durch die Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht den Kreis der in Betracht kommenden Personen erheblich eingeschränkt. Auf dem Tatfoto sei zudem ein junger Mann von knapp 20 Jahren gut zu erkennen. Es habe sich förmlich aufgedrängt, dass es sich dabei um ihren Sohn handeln könnte. Der Kreis E. hätte bloß durch Einholung einer Melderegisterauskunft herauszufinden brauchen, ob an ihrer Anschrift eine in Betracht kommende männliche Person gemeldet sei. Über einen Lichtbildabgleich mit einem bei der Melde- oder der Fahrerlaubnisbehörde gespeicherten Foto hätte dann eine Identifizierung des Fahrers erfolgen können. Ansonsten wäre auch eine Nachschau vor Ort oder eine Nachfrage bei den Nachbarn möglich gewesen. Es sei offensichtlich, dass es sich bei der Person auf dem Lichtbild weder um ihren Ehemann noch um ihren älteren, 1993 geborenen Sohn K. T. handle, sondern um ihren 2002 geborenen jüngeren Sohn Marco T. , der - im Gegensatz zu ihrem Sohn K. - noch in ihrem Haushalt wohne. Im Übrigen habe der Beklagte sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Es sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass hier ein erstmaliger Verstoß vorliege und dass in der Tatnacht von Heiligabend auf den ersten Weihnachtsfeiertag um 2.15 Uhr die Straßen "menschenleer" seien, so dass regelmäßig keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer erfolge. Vor diesem Hintergrund sei die Dauer der Fahrtenbuchauflage von zwölf Monaten unverhältnismäßig.

    Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 1. August 2022 - 18 L 1084/22 - abgelehnt. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt: Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO seien erfüllt. Der Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich gewesen sei. Die Klägerin habe vorliegend keine Angaben zur Sache gemacht. Greifbare Ermittlungsansätze hätten nicht vorgelegen.

    Im hierauf von der Klägerin eingeleiteten Beschwerdeverfahren 8 B 957/22 hat der Senat auf Zweifel an der Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung hingewiesen. Daraufhin hat der Beklagte die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben und haben die Beteiligten das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes übereinstimmend für erledigt erklärt.

    Im Klageverfahren hat die Klägerin beantragt,

    die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 8. Juni 2022 aufzuheben.

    Der Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hat Bezug genommen auf seine Ausführungen in der Antragserwiderung im Verfahren 18 L 1084/22, mit der er im Wesentlichen geltend gemacht hat: Die Ermittlung des Fahrzeugführers sei unmöglich gewesen. Ein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit der Bußgeldbehörde sei angesichts der fehlenden Mitwirkung der Klägerin auszuschließen. Der Halter sei zwar nicht gehindert, im Ordnungswidrigkeitenverfahren von einem etwaigen Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Er müsse dann aber bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen die Fahrtenbuchauflage in Kauf nehmen. Es habe keinerlei Anhaltspunkte gegeben, die über die durch die Bußgeldbehörde ergriffenen Maßnahmen hinausgehende Ermittlungen erforderlich gemacht hätten. Ermessensfehler lägen auch nicht vor. Schon bei erstmaliger Begehung einer mit einem oder zwei Punkten im Fahreignungsregister zu erfassenden Verkehrsordnungswidrigkeit sei die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, zulässig, ohne dass etwa eine unklare Verkehrslage oder konkrete Gefährdungen hinzutreten müssten. Da es sich hier um eine mit einem Punkt und einem Monat Fahrverbot zu ahndende Ordnungswidrigkeit handle und die Klägerin an der Aufklärung nicht mitgewirkt habe, sei die Dauer von zwölf Monaten angemessen.

    Mit auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2022 ergangenem Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO seien erfüllt. Insoweit werde vollumfänglich auf die Ausführungen im Eilbeschluss vom 1. August 2022 im Verfahren 18 L 1084/22 Bezug genommen, an denen das Gericht festhalte. Ein Berufen auf das Zeugnisverweigerungsrecht werde herkömmlich als fehlende Mitwirkung bei der Aufklärung, nicht aber als entscheidende Eingrenzung des in Frage kommenden Personenkreises aufgefasst. Zum einen lasse das bloße Berufen auf ein Zeugnisverweigerungsrecht noch nicht den Schluss zu, dass ein solches tatsächlich bestehe. Zum anderen reiche der Kreis der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten gemäß § 52 Abs. 1 StPO doch recht weit und entspreche im Ausgangspunkt nicht dem Kreis der normalerweise an einer Adresse gemeldeten Personen. Weiterhin könne aus § 31a StVZO nicht geschlossen werden, dass die zuständige Behörde verpflichtet sei, bestimmte Ermittlungsmethoden anzuwenden. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass hoch aufgelöste Beweisfotos keine Ausnahme, sondern den Regelfall darstellten und lediglich selten in dieser Form Eingang in die vorgelegten Verwaltungsvorgänge fänden.

    Zur Begründung ihrer vom Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zugelassenen Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Tatbestandsvoraussetzungen einer Fahrtenbuchauflage bejaht. Die Bußgeldbehörde habe auf der Hand liegende angemessene und zumutbare Ermittlungsmaßnahmen nicht ergriffen, die mit Sicherheit zur Feststellung des Fahrzeugführers geführt hätten. Indem sie sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen habe, habe sie den Kreis der in Betracht kommenden Personen erheblich eingeschränkt. Wenn das Verwaltungsgericht darauf verweise, das bloße Berufen auf ein Zeugnisverweigerungsrecht treffe noch keine Aussage darüber, ob ein solches tatsächlich bestehe, unterstelle es damit ohne konkrete Grundlage eine unter Umständen sogar strafrechtlich relevante Falschangabe. Außerdem sei auf dem Tatfoto in guter Bildqualität ein junger Mann von knapp 20 Jahren zu erkennen. Es hätte sich förmlich aufgedrängt, darauf zu schließen, dass es sich dabei um ihren Sohn handeln könnte, und zu ermitteln, ob unter ihrer Anschrift eine in Betracht kommende männliche Person gemeldet sei bzw. wohne. Schließlich würden Fahrzeuge besonders häufig gerade an Personen des gleichen Hausstands verliehen. Anhand eines Abgleichs des Tatfotos mit bei den Behörden gespeicherten Lichtbildern auf Personalausweis und Führerschein, die der Beklagte mit geringem Aufwand und datenschutzrechtlich zulässig hätte anfordern können, wäre eindeutig Herr N. T. zu identifizieren gewesen, während weitere männliche Familienmitglieder ersichtlich ausschieden. Es hätten mithin greifbare Ermittlungsansätze bezüglich der Täterschaft einer konkreten Person vorgelegen. Außerdem habe der Beklagte sein Ermessen, wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren ausgeführt, rechtsfehlerhaft ausgeübt.

    Die Klägerin beantragt,

    das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2022 zu ändern und die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 8. Juni 2022 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Zur Begründung trägt er unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens im Eil- und Klageverfahren ergänzend vor: Die Klägerin habe jegliche Mitwirkung verweigert, indem sie sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen habe. Insoweit komme es nicht darauf an, ob diese Verweigerung der Mitwirkung rechtmäßigerweise erfolgt sei. Vor-Ort-Ermittlungen über ihn, den Beklagten, hätten ebenfalls nicht zum Erfolg geführt. Besonderheiten, aufgrund derer trotzdem weitere Ermittlungsmaßnahmen geboten gewesen wären, ließen sich nicht erkennen. Die Qualität des Lichtbildes stelle keine Besonderheit dar. Entsprechende, auch digital vorliegende Messbilder seien ganz regelmäßig von ausreichender Qualität. Den Gerichten liege in der Regel nur der von den Behörden übermittelte Verwaltungsvorgang in Papier- oder digitaler pdf-Form vor; das den Bußgeldbehörden zur Verfügung stehende Originalbildmaterial der Radargeräte in hoher Auflösung werde normalerweise nicht angefordert. In praktischer Hinsicht wäre außerdem bei Heranziehung der Lichtbildqualität als Kriterium für die Behörden und Verwaltungsgerichte unklar, wann sie von einem als überdurchschnittlich klar einzuordnenden Tatfoto auszugehen hätten. Dass die Klägerin sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen habe, sage noch nichts darüber aus, ob ein solches auch tatsächlich bestehe. Im Übrigen sei der in § 52 Abs. 1 StPO benannte Personenkreis recht weit. Gemeinhin biete die bloße Angabe des Halters, das Kfz an einen von mehreren Verwandten verliehen zu haben, keinen Ansatzpunkt für erfolgversprechende Ermittlungen, wenn nicht gleichzeitig Name und Anschrift mitgeteilt würden. Der Bußgeldbehörde sei es außerdem nicht ohne weiteres möglich, sich die Lichtbilder der unter der Halteradresse gemeldeten Familienangehörigen zukommen zu lassen. Es sei datenschutzrechtlich nicht zulässig, ohne Erkenntnis über den näheren Täterkreis Lichtbilder anzufordern, und die Einwohnermeldeämter seien dementsprechend nicht bereit, einer solchen Anfrage zu entsprechen. Nach den Vorgaben des § 24 Abs. 2 des Personalausweisgesetzes (PAuswG), der Rechtsprechung und der Auffassung der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen müssten zunächst die Namen der unter der Halteradresse gemeldeten Familienangehörigen bei der Meldebehörde erfragt und die so gewonnen Erkenntnisse mit dem vorhandenen Täterbild abgeglichen werden. Der so näher ermittelte mögliche Täter(-kreis) müsse sodann unter Hinweis auf die Möglichkeit eines Lichtbildabgleichs schriftlich angehört werden. Erst bei erfolgloser Anhörung könne bei der Meldebehörde ein Lichtbild gezielt angefordert werden. Dies dürfte eindeutig nicht unter die Rubrik "Ermittlungen mit wenig Aufwand" fallen und werde in der Rechtsprechung bei fehlender Mitwirkung des Halters überwiegend als überobligatorisch eingeordnet. Die Rechtsprechung einzelner Amtsgerichte in Bußgeldsachen verlange zudem, dass Ermittlungsmaßnahmen zulässig, geeignet, erforderlich und angemessen seien, aus Sicht der Behörde im konkreten Fall Erfolgsaussichten hätten, und andere Maßnahmen nicht entsprechend geeignet seien. Ansonsten würden spürbar in Rechte eingreifende Ermittlungsmaßahmen allein zu Dokumentationszwecken veranlasst. Eine Meldeabfrage vermöge jedoch schon keine Verwandtschaftsbeziehungen zu offenbaren. So könnten unter einer Meldeadresse zahlreiche einschlägige Treffer erfolgen, die altersmäßig in Frage kommende Personen, aber getrennte Haushalte oder Personen ohne verwandtschaftliche Beziehung beträfen. In einem aktuellen Beispielsfall wohnten z. B. nach dem Vortrag des Betroffenen in seinem Mehrfamilienhaus mehr als zehn Personen / Haushalte mit identischem Nachnamen. Die Bußgeldbehörde sei überdies nicht verpflichtet, bestimmte Ermittlungsmethoden anzuwenden, sondern könne anhand von Erfahrungen etc. selbst entscheiden, welche Ermittlungsmaßnahme unter mehreren aus ihrer Sicht geeignet sei. Es sei nicht Sache des Gerichts, vorliegend Ermittlungsmaßnahmen vor Ort an der Halteradresse als weniger geeignet einzustufen als einen Fotoabgleich und so der Behörde im Ergebnis Ermittlungsmaßnahmen vorzugeben.

    Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben über die durch den Außendienst des Beklagten im März 2022 durchgeführten Ermittlungen vor Ort durch Vernehmung des vormals beim Beklagten im Außendienst tätigen Zeugen T1. . Wegen des Ergebnisses wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.

    Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten einschließlich der Gerichtsakten des zugehörigen Eilverfahrens (18 L 1084/22 VG Köln, nachgehend 8 B 957/22) sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.

    Gründe

    Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 8. Juni 2022 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

    I. Die Voraussetzungen der für den Erlass der angefochtenen Fahrtenbuchanordnung allein in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlage - § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO - liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

    1. Unmöglich im Sinne dieser Vorschrift ist die Feststellung des verantwortlichen Fahrers dann, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Zu den danach angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört in erster Linie, dass der Halter möglichst umgehend - im Regelfall innerhalb von zwei Wochen - von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten kann und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine solche Benachrichtigung begründet für den Halter eine Obliegenheit, zur Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört es insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Lichtbild erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Bußgeldbehörde können sich im Weiteren an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Ermittlung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person ab und liegen der Bußgeldbehörde auch sonst keine konkreten Ermittlungsansätze vor, ist es dieser regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.

    Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, juris Rn. 7; OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Dezember 2021 - 8 B 1475/21 -, juris Rn. 3, vom 22. Juli 2020 - 8 B 892/20 -, juris Rn. 15, vom 20. Mai 2020 - 8 A 4299/19 -, juris Rn. 6, und vom 15. Mai 2018 - 8 A 740/18 -, juris Rn. 30 ff.; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 31a StVZO Rn. 33 m. w. N.; Siegmund, in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. (Stand: 2. Juni 2022), § 31a StVZO Rn. 68.

    Aber auch dann, wenn der Fahrzeughalter bei der Ermittlung des Fahrzeugführers nicht mitwirkt, muss die Verfolgungsbehörde naheliegenden und mit wenig Aufwand durchführbaren Ansätzen zur Fahrerermittlung nachgehen und das Ergebnis ihrer Bemühungen dokumentieren.

    Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 18. Februar 2016 - 11 BV 15.1164 -, juris Rn. 17; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 31a StVZO Rn. 33.
    Beruft sich der Fahrzeughalter beispielsweise darauf, dass ein Familienangehöriger das Fahrzeug geführt habe, ist es in aller Regel - zumindest dann, wenn trotz der Aussageverweigerung die Ermittlung des Fahrzeugführers etwa aufgrund eines verwertbaren Tatfotos möglich erscheint - kein unzumutbarer Ansatz, zunächst durch eine Anfrage bei der Meldebehörde zu ermitteln, ob Familienangehörige unter derselben Adresse gemeldet sind. Wenn die Meldeabfrage allerdings keinen für die weitere Ermittlung verwertbaren Hinweis ergibt, ist die Behörde grundsätzlich nicht verpflichtet, zu ermitteln, wo die vom Halter ohne jede Konkretisierung erwähnten Familienangehörigen wohnhaft sein könnten.

    Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. August 1985 - 19 A 755/85 -, NJW 1987, 394 (395); 2. Leitsatz juris.

    Die in den vorstehenden Absätzen genannten und in der ständigen Rechtsprechung seit Jahrzehnten geklärten Grundsätze folgen aus dem Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage, die insoweit unverändert geblieben ist, und daraus, dass die Fahrtenbuchanordnung nicht der Sanktionierung des Fahrzeughalters, sondern präventiven Zwecken dient.

    Aus den vom Beklagten als Unterstützung für seine Auffassung, dass nach einer Zeugnis- bzw. Aussageverweigerung durch den Fahrzeughalter keine weiteren Ermittlungsbemühungen veranlasst seien, angeführten gerichtlichen Entscheidungen folgt nichts Gegenteiliges. Vielmehr liegt diesen ebenso stets die Überlegung zugrunde, dass auch dann, wenn der Fahrzeughalter erkennbar die Mitwirkung an der Ermittlung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person verweigert, die Feststellung des Fahrers nur unmöglich ist, wenn die Bußgeldbehörde alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, also über die Halterbefragung hinaus auch sonst keine konkreten Ermittlungsansätze vorgelegen haben. Einen kategorischen Ausschluss weiterer Ermittlungsbemühungen enthalten die Entscheidungen in ihren Obersätzen gerade nicht.

    Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, juris Rn. 7; OVG NRW, Urteile vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, juris Rn. 27, und vom 23. August 1985 - 19 A 755/85 -, NJW 1987, 394 (395); Bay. VGH, Beschluss vom 18. Juli 2011 - 11 ZB 10.2507 -, juris Rn. 8, und Urteil vom 6. Oktober 1997 - 11 B 96.4036 -, NZV 1998, 88; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 6. November 1998 - 10 S 2625/98 -, juris Rn. 3 ("es sei denn, es sind besondere Anhaltspunkte gegeben"), und vom 2. September 1997 - 10 S 1670/97 -, juris Rn. 5 unter Verweis auf OVG NRW, Urteil vom 31. März 1995 - 25 A 2798/93 -, juris Rn. 21; Nds. OVG, Beschluss vom 2. November 2006 - 12 LA 177/06 -, juris Rn. 20 (kein Anlass zu "umfangreichen" weiteren Ermittlungen); VG Düsseldorf, Urteil vom 23. September 2014 - 14 K 99/14 -, juris Rn. 26; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 4. März 2013 - 14 K 2369/12 -, juris Rn. 37 ("in der Regel").

    Dies gilt namentlich ebenfalls für den vom Verwaltungsgericht in seinem Eilbeschluss vom 1. August 2022 - 18 L 1084/22 -, auf den das hier angegriffene Urteil Bezug nimmt, auch so wiedergegebenen Beschluss des Senats vom 14. November 2013 - 8 A 1668/13 -, juris Rn. 21.

    Der Umstand, dass in den angeführten Entscheidungen anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls keine weiteren erfolgversprechenden, angemessenen und zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen erkannt wurden,

    vgl. exemplarisch BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, juris Rn. 4 und 8 (keine Fotoaufnahme),
    stellt diese Grundsätze nicht infrage.

    Es kann dahinstehen, ob eine Regelung des Inhalts, dass eine Fahrtenbuchauflage stets schon angeordnet werden darf, wenn der Halter, obwohl ihm dies möglich wäre, nicht an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes mitwirkt, rechtspolitisch sinnvoll wäre; § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO macht die diesbezügliche Befugnis der Behörde jedenfalls von der objektiv zu bewertenden Unmöglichkeit der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers abhängig.

    2. Ausgehend hiervon war die Feststellung des Fahrzeugführers vorliegend nicht unmöglich.

    a) Die Ermittlungsbemühungen der Bußgeldbehörde waren auch unter Berücksichtigung ihres Verfahrensermessens defizitär. Sie hat zwar die Klägerin als Fahrzeughalterin zeitnah angehört. Nachdem diese ihr Zeugnisverweigerungsrecht jedoch bereits auf das Schreiben vom 5. Januar 2022 ausgeübt hatte, hat die Behörde lediglich wiederholt schriftlich und sodann nochmals über den Außendienst des Beklagten versucht, die Klägerin dennoch zu einer Aussage zu bewegen. Letzteres erfolgte womöglich nur deshalb, weil die Bußgeldbehörde den Außendienst laut Verwaltungsvorgang fehlerhaft dahingehend informiert hatte, der an die Klägerin gerichtete Anhörungsbogen sei nicht in Rücklauf gekommen. Dessen ungeachtet mag es mit einer solchen Vorgehensweise in vielen Fällen sein Bewenden haben, wenn sich keine anderen Ermittlungsansätze aufdrängen. Ein solcher Ansatz lag hier aber vor.

    Bemühungen, den Täter mithilfe des jedenfalls sehr deutlichen Fotos zu ermitteln, das auch einem fremden Dritten ermöglicht hätte, den verantwortlichen Fahrzeugführer sicher zu erkennen, hat die Bußgeldbehörde weder selbst noch durch den von ihr im Wege der Amtshilfe mit örtlichen Ermittlungen beauftragten Außendienst des Beklagten unternommen. Auch wenn der Zeuge T1. keine konkrete Erinnerung an seine damaligen Ermittlungen hatte und diese in seinem Bericht nicht näher dokumentiert sind, ist nach dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass er das Foto wegen datenschutzrechtlicher Bedenken nicht etwaig angetroffenen Nachbarn vorgezeigt hat. Der Zeuge hat angegeben, das Tatfoto in derartigen Fällen üblicherweise nur dann vorgezeigt zu haben, wenn er geglaubt habe, den Fahrer vor sich zu haben. Der Zweck solcher Ermittlungen beschränkte sich daher darauf, entweder die Klägerin zu befragen, (zufällig) auf den Fahrer zu stoßen oder über Nachbarn nähere Informationen zu den Familienverhältnissen des Halters bzw. den unter seiner Anschrift wohnhaften Personen zu erlangen. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob das Vorzeigen des Fotos im Wohnumfeld rechtlich bedenklich wäre, weil es stärker in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreift als behördeninterne Ermittlungen.

    Vgl. zu diesem Aspekt OVG NRW, Urteil vom 31. März 1995 - 25 A 2798/93 -, juris Rn. 21; OLG Koblenz, Beschluss vom 2. Oktober 2020 -3 OWi 6 SsBs 258/20 -, juris Rn. 13 m. w. N.; siehe auch den Vorschlag der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen für die Vorgehensweise bei der "Ermittlung von Fahrer*innen mittels Lichtbildabgleichs bei Ordnungswidrigkeiten", https://www.ldi.nrw.de/datenschutz/sicherheitundjustiz/ordnungswidrigkeiten/ermittlungvonfahrerinnenmittels.

    b) Die Nutzung des Tatfotos zu weiteren Ermittlungen hätte sich der Bußgeldbehörde im vorliegenden konkreten Einzelfall aufdrängen müssen. Angesichts der Qualität des Lichtbildes, des darauf erkennbaren Alters des Fahrers und der Umstände, dass der Verkehrsverstoß in der Nacht zum ersten Weihnachtsfeiertag begangen wurde, sowie, dass sich die Klägerin auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen hatte, erschien es als hinreichend wahrscheinlich, dass es sich bei dem Fahrer um einen Sohn der Klägerin handelte. Vor diesem Hintergrund hätte der Versuch sehr nahe gelegen - und wäre letztlich auch erfolgreich gewesen -, zunächst Anhaltspunkte über die Identität des Fahrers zu gewinnen. Konkret hätte die Bußgeldbehörde beispielsweise über eine rechtlich ohne weiteres und tatsächlich ohne nennenswerten Aufwand mögliche - und in Verfahren dieser Art regelmäßig übliche - Anfrage bei der zuständigen Meldebehörde ermitteln können, ob zum Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes Familienangehörige, die nach Geschlecht und Alter als Fahrer in Betracht kommen, unter derselben Anschrift wie die Klägerin wohnhaft waren. Bei - hier anzunehmender - Verwertbarkeit des Abfrageergebnisses hätten sich weitere Ermittlungsschritte ergeben. Andernfalls wäre die Tätersuche (erst) an dieser Stelle letztlich erfolglos verlaufen.

    aa) Die Datenabfrage wäre auf Grundlage von § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Bundesmeldegesetzes (BMG) in der bis einschließlich zum 30. April 2022 gültigen Fassung, die im Zeitraum der Ermittlungsbemühungen der Bußgeldbehörde Anwendung fand, rechtlich möglich gewesen. Danach durfte die Meldebehörde einer anderen öffentlichen Stelle im Sinne von § 2 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes im Inland aus dem Melderegister näher bestimmte Daten übermitteln, soweit dies zur Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit oder in der Zuständigkeit des Empfängers liegenden öffentlichen Aufgaben erforderlich ist. Die Anfrage musste sich dabei nicht auf eine bestimmte Person beziehen, sondern konnte auch hinsichtlich einer nicht namentlich bezeichneten Personengruppe erfolgen. Dies folgt daraus, dass § 34 Abs. 2 BMG a. F. für diesen Fall bestimmte, dass für die Zusammensetzung der Personengruppe nur die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BMG a. F. genannten Daten zugrunde gelegt werden durften ("Listenauskunft").

    Vgl. Sommer, in: Engelbrecht/Schwabenbauer, Bundesmeldegesetz, 2022, § 34 Rn. 13.

    Das Straßenverkehrsamt des Kreises E. als hier ermittelnde Stelle hätte also in Erfahrung bringen können, welche männlichen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BMG a. F.) Personen an der Meldeadresse der Klägerin seinerzeit oder früher ihre Haupt- oder Nebenwohnung (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BMG a. F.) hatten. Dass diese Informationen für die Erfüllung der dem Kreis E. hier übertragenen öffentlichen Aufgabe der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (vgl. § 35 Abs. 1 OWiG) erforderlich war, ist nicht zweifelhaft und wird als solches von dem Beklagten auch nicht infrage gestellt. Soweit dessen Vertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, eine Datenabfrage sei nur unter den verschärften Anforderungen des § 34 Abs. 3 BMG a. F. zulässig gewesen, kommt es hierauf nicht an, da die dort in Bezug genommenen weiteren als die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BMG a. F. bezeichneten Daten nicht erforderlich gewesen wären. Der Senat bezweifelt aber auch nicht, dass diese Voraussetzungen ebenfalls erfüllt wären.

    Ohne dass es hier entscheidend wäre, weist der Senat darauf hin, dass nach der aktuellen Fassung des Bundesmeldegesetzes (vgl. §§ 34 Abs. 1 Satz 1, 34a Abs. 3, 38 Abs. 2 BMG) der Kreis der abrufbaren Daten bei einer jetzt so genannten "freien", also nicht namentlich definierten Suche im Vergleich zum Stand von vor Mai 2022 zwar kleiner ist.
    Vgl. Sommer, in: Engelbrecht/Schwabenbauer, Bundesmeldegesetz, 2022, § 34a Rn. 9.

    Auch nach diesen Vorgaben wäre aber die Ermittlung der am Wohnsitz der Klägerin gemeldeten männlichen Personen zulässig.

    Durchgreifende datenschutzrechtliche Argumente, die schon der Einholung einer Auskunft aus dem Melderegister entgegenstehen könnten, hat der Beklagte nicht vorgebracht. Die von ihm in Zusammenhang mit den geltend gemachten datenschutzrechtlichen Bedenken angeführte Rechtsprechung des Amtsgerichts Landstuhl betrifft die Frage, ob eine Anforderung des Pass- bzw. Personalausweisfotos eines potentiell Betroffenen, bevor dieser erstmals mit dem Vorwurf durch die Bußgeldbehörde konfrontiert worden ist, mit den Vorgaben in § 22 Abs. 2 und 3 PaßG, § 24 Abs. 2 PAuswG zu vereinbaren ist.

    Vgl. AG Landstuhl, Beschluss vom 26. Oktober 2015 - 2 OWi 4286 Js 7129/15 -, juris Rn. 3; siehe auch den Beschluss vom 8. Januar 2020 - 2 OWi 4211 Js 12883/19 -, juris Rn. 2.
    Eine derartige Vorgehensweise verlangen die vorstehenden Grundsätze von der Bußgeldbehörde aber gerade nicht.

    Im Übrigen entspricht die Meldeabfrage sogar dem - für den Senat nicht bindenden, vom Beklagten aber wiederholt angeführten - Vorschlag für die Vorgehensweise bei der "Ermittlung von Fahrer*innen mittels Lichtbildabgleichs bei Ordnungswidrigkeiten" der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen.
    https://www.ldi.nrw.de/datenschutz/sicherheitundjustiz/ordnungswidrigkeiten/ermittlungvonfahrerinnenmittels.

    Dort heißt es: "Kommen Halter*innen nicht als Fahrer*innen in Betracht - z. B. aufgrund des Alters oder nach der Durchführung eines Lichtbildabgleichs - können die Behörden weitere Ermittlungen zur Identifizierung der Fahrer*innen durchführen. Sie können beispielsweise auf Basis des § 34 Abs. 2 Bundesmeldegesetz [a. F.] bei Einwohnermeldeämtern weitere im gleichen Haus lebende Angehörige erfragen, um anhand von Geschlecht und Alter die mutmaßlichen Fahrer*innen zu ermitteln."

    bb) Auch die Einwände des Beklagten gegen die Praktikabilität und Erfolgsaussichten weiterer Ermittlungsbemühungen greifen nicht durch.

    Dies gilt zunächst für das Vorbringen, das Berufen auf ein Zeugnisverweigerungsrecht lasse noch nicht den Schluss zu, dass ein solches auch tatsächlich bestehe. Einen Erfahrungssatz des Inhalts, dass derjenige, der ein im Gesetz (§§ 52, 55 StPO) vorgesehenes Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht in Anspruch nimmt, hinsichtlich des Bestehens der Voraussetzungen täuscht, gibt es nicht. Im vorliegenden Fall fehlte es an jeglichem Anzeichen dafür, dass die Klägerin sich zu Unrecht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen haben könnte. Im Gegenteil entspricht es eher der Erfahrung, dass Fahrzeuge häufig im engeren Familienkreis verliehen werden.

    Die Überlegung, der Kreis der in Betracht kommenden Familienangehörigen sei recht weit, führt ebenfalls nicht im Sinne des Beklagten weiter. Es wäre vorliegend nämlich nach den oben dargelegten Maßstäben nicht erforderlich gewesen, den in § 52 Abs. 1 StPO genannten Personenkreis vollständig zu ermitteln und zu überprüfen. Vielmehr wäre es lediglich darum gegangen, Ermittlungen im Hinblick auf die sich aufdrängende Möglichkeit vorzunehmen, dass es sich bei dem Fahrer um einen Sohn der Klägerin handeln könnte, und insbesondere nachzuprüfen, ob eine männliche Person entsprechenden Alters unter ihrer Anschrift gemeldet ist.

    Zu keinem anderen Ergebnis führt die Argumentation des Beklagten, unter einer Meldeadresse könnten zahlreiche Treffer erfolgen, die altersmäßig in Frage kommende Personen, aber getrennte Haushalte oder Personen ohne verwandtschaftliche Beziehung beträfen; in einem aktuellen Beispielsfall wohnten z. B. nach dem Vortrag des Betroffenen in seinem Mehrfamilienhaus mehr als zehn Personen / Haushalte mit identischem Nachnamen. Derartige Fälle mögen vorkommen. Sie bilden freilich nicht den Regelfall und sind daher auch kein taugliches Argument dafür, in einer Melderegisterauskunft aus ex ante-Sicht von vornherein keinen erfolgversprechenden Ermittlungsansatz zu sehen. Dass Ermittlungsansätze sicher zum Erfolg führen, ist nach den oben dargelegten Maßstäben nicht erforderlich.

    Letztlich geht eine Meldeabfrage mit lediglich geringem Aufwand einher, zumal sie in der Regel im Wege des automatisierten Datenabrufs erfolgt (vgl. § 38 BMG a. F., jetzt: §§ 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 34a BMG).

    Auch hinsichtlich der allgemeinen Behördenpraxis ergeben sich in diesem Zusammenhang keine Umstände, die gegen eine Meldeabfrage sprechen könnten. Nach Aussage des Zeugen T1. bekomme man zwar manchmal keine Meldeauskunft. Das betreffe indes Fälle einer Auskunftssperre oder einer Überlastung der Meldeämter. Dass man ihm einen Datenzugang in der Vergangenheit jemals unter Gesichtspunkten des Datenschutzes verweigert hätte, ergibt sich daraus gerade nicht. Auch der Terminsvertreter des Beklagten hat Derartiges nicht konkret vorgetragen.

    c) Das hier vorliegende behördliche Ermittlungsdefizit war für den ausgebliebenen Ermittlungserfolg ursächlich. Der Fahrer - N. T. - war unter der Anschrift der Klägerin, seiner Mutter, wohnhaft. Es lag zudem ein Tatfoto vor, das den Fahrer deutlich erkennen ließ. Bei dieser Sachlage spricht alles dafür, dass eine Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers möglich gewesen wäre, wenn die Bußgeldbehörde in einem ersten Schritt jedenfalls zunächst die unter der Anschrift der Klägerin wohnhaften Personen ermittelt hätte.

    d) Da die Bußgeldbehörde schon keine Melderegisterabfrage durchgeführt hat, obwohl sich dies aufgedrängt hätte, kann dahinstehen, ob hinsichtlich einer sich anschließenden Beiziehung von Lichtbildern zwecks Abgleichs mit dem Tatfoto - von der sich schon nicht sicher sagen lässt, ob sie überhaupt noch erforderlich geworden wäre, weil die Bußgeldbehörde möglicherweise direkt an Herrn N. T. herangetreten wäre - die insofern von der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen unter
    https://www.ldi.nrw.de/datenschutz/sicherheitundjustiz/ordnungswidrigkeiten/ermittlungvonfahrerinnenmittels für erforderlich gehaltene Vorgehensweise von §§ 161 Abs. 1, 163b Abs. 1 Satz 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG und § 22 Abs. 2 PaßG sowie § 24 Abs. 2 PAuswG zwingend vorausgesetzt wird, was allerdings durchaus zweifelhaft erscheint.

    Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 PAuswG dürfen die Personalausweisbehörden anderen Behörden auf deren Ersuchen Daten aus dem Personalausweisregister übermitteln, wenn
    1. die ersuchende Behörde auf Grund von Gesetzen oder Rechtsverordnungen berechtigt ist, solche Daten zu erhalten,
    2. die ersuchende Behörde ohne Kenntnis der Daten nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen, und
    3. die ersuchende Behörde die Daten bei dem Betroffenen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erheben kann oder wenn nach der Art der Aufgabe, zu deren Erfüllung die Daten erforderlich sind, von einer solchen Datenerhebung abgesehen werden muss.

    Die zusätzliche Beachtung der im Bundesmeldegesetz enthaltenen Beschränkungen für Daten, die auch im Melderegister gespeichert sind, kommt hier nicht zur Anwendung, da Lichtbilder im Melderegister nicht gespeichert sind.

    Vgl. Hornung in: Hornung/Möller, Passgesetz - Personalausweisgesetz, 2011, § 24 PAuswG Rn. 3 i. V. m. § 22 PaßG Rn. 10.

    Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 und 2 PAuswG dürfen die Ordnungsbehörden das Lichtbild zum Zweck der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten im automatisierten Verfahren abrufen, wenn die Personalausweisbehörde auf andere Weise nicht erreichbar ist und ein weiteres Abwarten den Ermittlungszweck gefährden würde. Zuständig für den Abruf sind die Polizeivollzugsbehörden auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte, die durch Landesrecht bestimmt werden.

    Vergleichbare Regelungen finden sich in §§ 22 f. PaßG.

    Das Hauptbeispiel für die Übermittlung von Daten aus dem Pass- und Personalausweisregister ist die Lichtbildanforderung im Rahmen der Ermittlung bei Straßenverkehrsdelikten, wobei die Anforderung eines Passbildes insoweit eine Ermittlungstätigkeit im Rahmen der allgemeinen Befugnisnorm des gemäß § 46 Abs. 1 OWiG entsprechend im Ordnungswidrigkeitenverfahren anzuwendenden § 161 Abs. 1 StPO und somit - im Rahmen der Erforderlichkeit - grundsätzlich zulässig ist.

    Vgl. Hornung in: Hornung/Möller, Passgesetz - Personalausweisgesetz, 2011, § 24 PAuswG Rn. 3 i. V. m. § 22 PaßG Rn. 7 und 11.

    Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen schließt ausweislich der Ausführungen auf ihrer Internetseite aus § 24 PAuswG, dass die Ermittlungsbehörde denjenigen, der als mutmaßlicher Fahrer in Betracht kommt, vor einem etwaigen Lichtbildabgleich mit entsprechender Belehrung anhören muss.

    Vgl. hierzu einerseits Hornung in: Hornung/Möller, Passgesetz - Personalausweisgesetz, 2011, § 24 PAuswG Rn. 3 i. V. m. § 22 PaßG Rn. 9 und Rn. 11; siehe auch Gratz:

    Datenschutzverstöße bei Ermittlungen wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten, DAR 2021, 650; andererseits AG St. Ingbert, Urteil vom 16. Juni 2020 - 23 OWi 63 Js 2716/19 (65/20) u. a. -, juris Rn. 6 ff.; siehe auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Mai 2022 - IV-2 RBs 71/22, 2 RBs 71/22 -, juris Rn. 43.

    Unklar bleibt jedoch, an welchem normativen Tatbestandsmerkmal sie diese Annahme festmacht. Dem Gesetzeswortlaut des § 24 PAuswG lässt sich nichts Entsprechendes entnehmen. Sie verweist im Übrigen auf den Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (heute: Ministerium des Innern des Landes Nordrhein Westfahlen) mit dem Titel "Verfolgung von Verkehrsverstößen durch die Polizei und Erhebung von Sicherheitsleistungen bei Ordnungswidrigkeiten und Straftaten - Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten durch die Ordnungsbehörden", 43.8 - 57.04.16, vom 2. November 2010. Dort heißt es unter Nr. 3.1.4.2: "Das Ersuchen an die Personalausweisbehörde um Übermittlung des Lichtbildes aus dem Personalausweisregister setzt voraus, dass der Betroffene zunächst erfolglos nach § 55 OWiG angehört und auf die Möglichkeit des Bildvergleiches hingewiesen worden ist; (...) Die obenstehende Regelung gilt für die Datenerhebung bei Tatverdächtigen entsprechend."

    Betroffener i. S. d. Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist indes nur die Person, gegen die sich das Verfahren richtet.

    Vgl. zu § 49 OWiG Hess. VGH, Urteil vom 28. Februar 2019 - 6 A 1805/16 -, juris Rn. 104; Bücherl, in: Graf, BeckOK OWiG, Stand: 1. April 2023, § 49 Rn. 2.

    Zweck der Anhörung nach § 55 OWiG ist es - neben der Ermittlung des Sachverhalts und der Sicherung von Beweisen -, dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu entsprechen und dem Betroffenen Gelegenheit zu gegeben, sich zu der ihm zur Last gelegten Tat zu äußern, sich gegen den Verdacht einer Ordnungswidrigkeit zu verteidigen und ihn entlastende Tatsachen anzuführen.

    Vgl. Lutz, in: Mitsch, Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 55 Rn. 3 f.; Straßer, in: Graf, BeckOK OWiG, Stand: 1. April 2023, § 55 Rn. 1 ff.

    Ausgehend hiervon muss es sich um eine der Tat verdächtige Person handeln, gegen die das Bußgeldverfahren geführt wird. Es kann aber nicht zugrunde gelegt werden, dass derjenige, dessen Lichtbild die Bußgeldbehörde anzufordern beabsichtigt, notwendigerweise tatverdächtig und somit Betroffener i. S. d. § 55 OWiG ist. Vielmehr bewegt sich die Bußgeldbehörde auf einer Vorstufe, die erst der Ermittlung dient, wer überhaupt als Tatverdächtiger in Betracht kommt. Ermittelt die Bußgeldbehörde beispielsweise über eine Meldeabfrage mehrere in Frage kommende Personen in einer ungefähr gleichen Altersguppe, z. B. mehrere Brüder, und will sie über den Lichtbildabgleich abklären, welcher von ihnen der auf dem Tatfoto erkennbaren Person gleicht, handelt es sich nicht bei sämtlichen Brüdern um Betroffene im vorgenannten Sinne, zumal schon denklogisch nur einer von ihnen gefahren sein kann. Die Beiziehung eines Lichtbildes erst gegenüber einer Person für zulässig zu halten, die als Betroffener eingestuft und angehört worden ist, ist ein Zirkelschluss. Denn wenn die Bußgeldbehörde nur Informationen über den Halter hat, der auf die Zeugenanhörung hin schweigt, aber keine Anhaltspunkte für den Fahrzeugführer, müsste sie "ins Blaue hinein" Personen aus seinem Umfeld als Fahrer verdächtigen und als Betroffene anhören. Dies wäre sinnwidrig.

    Vgl. AG St. Ingbert, Urteil vom 16. Juni 2020 - 23 OWi 63 Js 2716/19 (65/20) u. a. -, juris Rn. 6.

    Im Übrigen kann sich gerade die von der Datenschutzbeauftragten befürwortete Vorgehensweise je nach Fallkonstellation als datenschutzrechtlich bedenklich erweisen. Übersendete etwa im vorgenannten Fall die Bußgeldbehörde an sämtliche Brüder einen Anhörungsbogen, der gegebenenfalls sogar das Tatfoto enthält, wären sie damit alle über die eventuell durch einen von ihnen begangene Ordnungswidrigkeit informiert. Dagegen wäre ein Lichtbildabgleich ohne vorherige Anhörung und die anschließende Übersendung des Anhörungsbogens nur an die als mutmaßlicher Täter identifizierte Person ersichtlich der geringere Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dementsprechend sieht auch Nr. 3.1.4.2 des vorgenannten Runderlasses vor: "Die Befragung anderer Personen ist keine Datenerhebung beim Betroffenen im Sinne von § 24 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 PAuswG. Sie ist daher erst dann zu erwägen, wenn ein Lichtbildabgleich [bezüglich des Betroffenen] erfolglos ist." Auch hiernach ist folglich der behördeninterne Lichtbildabgleich durchzuführen, bevor man mit dem Tatfoto an Dritte, also z. B. Familienangehörige, herantritt.

    Ungeachtet dessen hat der Beklagte auch nicht dargelegt, dass selbst die Beachtung der durch die Datenschutzbeauftragte empfohlenen Vorgehensweise einen unzumutbaren Aufwand in dem Sinne nach sich zöge, dass mehr als das Versenden standardisierter Schriftsätze erforderlich würde. Zudem wäre im vorliegenden Fall auch nur eine Person, nämlich N. T. , anzuhören gewesen. Insofern gilt, ebenso wie schon in Bezug auf die Melderegisterabfrage, dass Unmöglichkeit nicht schon dann vorliegt, wenn die Behörde nur solchen Ermittlungsansätzen nachgegangen ist, die sicher zum Erfolg führen. Davon, dass es sich um kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen gehandelt hätte, wenn die Bußgeldbehörde den verantwortlichen Fahrzeugführer auf diese Weise zu ermitteln versucht hätte, kann jedenfalls keine Rede sein.

    II. Erweist sich die Anordnung der Fahrtenbuchauflage danach als rechtswidrig, kann auch die Kostenfestsetzung keinen Bestand haben.

    Die Kostenentscheidung folgt für beide Instanzen aus § 154 Abs. 1 VwGO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.