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  • 24.11.2021 · IWW-Abrufnummer 226016

    Landgericht Freiburg: Urteil vom 26.10.2021 – 11/21 10 Ns 530 Js 30832/20

    Es liegt kein Führen eines Fahrrads im Straßenverkehr i. S. d. § 316 StGB vor, wenn das Fahrrad lediglich geschoben wird.


    Verfahrensgang

    vorgehendAG Emmendingen, 18. März 2021, 13 Cs 530 Js 30832/20, Urteil

    Tenor

    Aufdie Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Emmendingen vom18.03.2021 insgesamt aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

    DerAngeklagte wird freigesprochen.

    DieKosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten in beidenInstanzen werden der Staatskasse auferlegt.

    Gründe

    Randnummer 1

    (abgekürztgem. § 267 Abs. 4 i.V.m. § 332 StPO)

    I.

    Randnummer 2

    DieStaatsanwaltschaft Freiburg legte dem Angeklagten mit dem am 12.10.2020 vomAmtsgericht .......... erlassenen Strafbefehl zur Last, am 09.08.2020 gegen6.30 Uhr mit dem Fahrrad auf der Straße ........... in ............ gefahren zusein, obwohl er aufgrund vorangegangenen Alkoholkonsums fahruntüchtig gewesensei. Daher sei er auf die Fahrbahn gestürzt. Eine am selben Tag um 07.34 Uhrentnommene Blutprobe habe eine Blutalkoholkonzentration von 2,3 Promille imMittelwert ergeben. Er habe sich hiermit der fahrlässigen Trunkenheit imStraßenverkehr gem. § 316 Abs. 1und 2 StGBstrafbar gemacht.

    Randnummer 3

    DasAmtsgericht verurteilte am 18.03.2021 den Angeklagten nach Beweisaufnahmeentsprechend dieses Tatvorwurfs zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 35,-€. Die fristgerecht und mit dem Ziel eines Freispruchs eingelegte Berufung desAngeklagten wurde durch Beschluss der Berufungsstrafkammer vom 10.08.2021angenommen. Die Berufung hatte Erfolg.

    II.

    Randnummer 4

    DerAngeklagte besuchte am Abend des 08.08.2020 eine private Feier, die imVereinshaus des Sportvereins ........... ausgerichtet wurde. Hierbei trank eralkoholische Getränke im Übermaß, was dazu führte, dass er noch am 09.08.2020um 07.34 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 2,3 Promille aufwies. In denfrühen Morgenstunden des 09.08.2020 wollte er mit dem Fahrrad nachhause fahren.Zu diesem Zweck zog er das Rad aus dem Fahrradständer und schloss es auf.Bereits hierbei fiel er mit dem Fahrrad zu Boden. Er bemerkte, dass er zubetrunken war, um auf das Fahrrad aufzusteigen, und wollte das Fahrrad daherdie ca. 3 bis 4 km bis zu seinem Wohnort schieben. Hierbei stieß er wegenseiner alkoholbedingten Gleichgewichtsstörungen noch einmal an einer Brückegegen das Brückengeländer. Einige hundert Meter weiter geriet er, das Fahrradschiebend, nach links vom Weg ab. Dort fiel er mit seinem Fahrrad in dieBöschung. Das Fahrrad ließ er dort liegen und ging dann noch wenige Meterweiter, bevor er alkoholbedingt stürzte bzw. sich zum Schlafen auf der Straßeniederließ. Jedenfalls lag er gegen 6.28 Uhr bewusstlos auf der kleinen Straße,wo er von einem zufällig auf privatem Weg befindlichen Polizeibeamtenaufgefunden wurde. Dieser verständigte über Notruf Polizei und Rettungsdienst.Nachdem diese gegen 6.40 Uhr eingetroffen waren, wachte der Angeklagte langsamauf. Auf die Frage des Zeugen POM …, was geschehen sei, antwortete derAngeklagte, er sei vom Fahrrad gefallen.

    III.

    Randnummer 5

    DieseFeststellungen entsprechen im Wesentlichen der nicht widerlegten Einlassung desAngeklagten. Die Strafkammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass derAngeklagte auf dem Weg vom Vereinsheim bis zu der Stelle, an der er bewusstlosaufgefunden wurde, zu irgendeinem Zeitpunkt mit dem Fahrrad gefahren ist. (...)

    IV.

    Randnummer 6

    DerAngeklagte hat somit sein Fahrrad nicht geführt im Sinne des § 316 StGB. Zwar bedient der Schiebende sichdafür in aller Regel des Lenkers (s. BayObLG VRS 75 127, 128), so dass dasZweirad unter eigenverantwortlicher Handhabung einer seiner wesentlichentechnischen Vorrichtungen durch den öffentlichen Verkehrsraum geleitet wird.Dennoch geht die herrschende Meinung, der die Strafkammer sich anschließt,davon aus, dass das Schieben eines Fahrrads nicht als Führen im Sinne des § 316 StGB angesehen werden kann (König inLaufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 13.Aufl. 2021, § 315 c Rn. 14;zweifelnd Fischer, StGB, 68. Aufl., 2021, § 315c Rn. 3a). Die Gefahrenlageist so viel geringer, dass es sachgerecht erscheint, einschlägigeVerhaltensweisen im Wege der teleologischen Reduktion aus dem Tatbestand zueliminieren. Dafür kann stützend die Wertung der StVO, so z. B. § 25 Abs. 2StVO, herangezogenwerden, wonach die genannten Phänomene wesentlichen Regelungen desFußgängerverkehrs unterworfen sind (König, a.a.O.).

    Randnummer 7

    Sichbetrunken zu Fuß im öffentlichen Verkehrsraum zu bewegen, ist somit auch dannnicht strafbar, wenn hierbei ein Fahrrad geschoben wird.

    Randnummer 8

    DerAngeklagte war daher aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen freizusprechen.