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  • 26.03.2021 · IWW-Abrufnummer 221436

    Oberlandesgericht Celle: Beschluss vom 10.03.2021 – 2 Ss (OWi) 348/20

    1. Im Falle einer unwirksamen Zustellung eines Bußgeldbescheids kann eine Heilung des Zustellungsmangels gem. § 8 VwZG auch durch den tatsächlichen Zugang einer technischen Reproduktion des Originaldokuments erfolgten.

    2. Ein von einem Dritten gefertigtes und über das Mobiltelefon weitergeleitetes Foto eines Bußgeldbescheids stellt eine technische Reproduktion des Originaldokuments dar und verschafft dem Betroffenen zuverlässig Kenntnis über den Inhalt des zuzustellenden Dokuments.


    Oberlandesgericht Celle

    Beschluss

    22 SsBs 249/20 GenStA Celle
    9 b 174/20 Amtsgericht Verden
    219 Js 10547/20 Staatsanwaltschaft Verden

    In der Bußgeldsache
    gegen     A. C. L.,
        geboren am …,
        wohnhaft …,
    - Verteidiger: Rechtsanwalt … -
    wegen     Verkehrsordnungswidrigkeit

    hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Verden vom 16. September 2020 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und die Richterin am Amtsgericht XXX ¬  zu Ziffer 1. durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht
    XXX als Einzelrichterin ‒ am 10. März 2021 beschlossen:

    1. Die Sache wird auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil es geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen (§ 80 a Abs. 3 OWiG).
    2. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Verden (Aller) vom 16.09.2020 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO, 79 Abs.3 OWiG).
    3. Die Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

    G r ü n d e:

    I.

    Das Amtsgericht Verden (Aller) hat die Betroffene mit Urteil vom 16.09.2020 wegen vorsätzlichen Überschreitens der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 35 km/h zu einer Geldbuße von 320 Euro verurteilt. Weiter hat es der Betroffenen verboten, für die Dauer von einem Monat Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen und zugleich bestimmt, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft des Urteils.

    Nach den Feststellungen des Urteils befuhr die Betroffene am 21.09.2019 um 11:01 Uhr mit ihrem XXX-Bus, amtliches Kennzeichen XX-XX XXX in V. die Landesstraße XXX in Fahrtrichtung W. mit einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 85 km/h und überschritt so die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 35 km/h. Die Betroffene wusste, dass sie sich innerorts befand und nur 50 km/h fahren durfte; gleichwohl nahm sie es zumindest billigend in Kauf, die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten.

    Gegen dieses Urteil wendet sich die Rechtsbeschwerde, mit der sowohl die Verletzung formellen als auch materiellen Rechts gerügt wird.

    Zur Begründung der Rechtsbeschwerde wird ausgeführt, es bestehe ein Verfahrenshindernis, weil Verjährung eingetreten sei. Der Bußgeldbescheid des Landkreises Verden vom 14.10.2019 sei unter einer Anschrift zugestellt worden, unter der die Betroffene zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gewohnt habe. Unter der Anschrift sei lediglich die Mutter der Betroffenen wohnhaft, die der Betroffenen ein Foto von dem Bußgeldbescheid über das Mobiltelefon zugeschickt habe. Dieses habe die Betroffene per Mail an den Verteidiger übersandt, der daraufhin am 17.10.2019 Einspruch eingelegt habe. Die Betroffene habe den Bußgeldbescheid daher tatsächlich nicht in den Händen gehalten, so dass der Zustellungsmangel nicht geheilt worden sei. Vielmehr sei die Verjährung lediglich durch die Anordnung der Anhörung der Betroffenen durch die Verwaltungsbehörde am 02.10.2019 unterbrochen worden. Verjährung sei daher am 03.01.2020 eingetreten.

    Eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf 6 Monate gem. § 26 Abs. 3 StVG sei aufgrund des Zustellungsmangels nicht erfolgt, so dass der Eingang der Akten bei dem Amtsgericht Verden (Aller) am 27.02.2020 nicht mehr zu einer Unterbrechung der Verjährungsfrist habe führen können. Zudem habe der Nachweis, dass die Betroffene die Führerin des Kraftfahrzeugs gewesen sei, nicht geführt werden können. Das Messbild sei nicht von ausreichender Qualität, um eine Identifikation des Fahrers zu ermöglichen. Zudem sei das Amtsgericht zu Unrecht von einer vorsätzlichen Begehensweise ausgegangen.

    Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde der Betroffenen als unbegründet zu verwerfen.

    II.

    1.    

    Die Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des materiellen Rechts auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen (§ 80 a Abs. 3 OWiG). Die Frage, inwieweit der tatsächliche Zugang eines Bußgeldbescheids durch Übersendung eines Fotos zu einer Heilung eines Zustellungsmangels gem. § 8 VwZG führen kann, ist   soweit ersichtlich   in der Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt.

    2.    

    Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

    a)

    Soweit mit der Verfahrensrüge geltend gemacht wird, die Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Amtsgericht Verden sei fehlerhaft erfolgt, greift die zulässig erhobene Verfahrensrüge nicht durch.

    Nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ist die Ablehnung eines Beweisantrages zulässig, wenn das erkennende Gericht aufgrund der Beweisaufnahme den Sachverhalt für so eindeutig geklärt hält, dass nach pflichtgemäßem Ermessen die beantragte Beweiserhebung die eigene Beurteilung der Sachlage nicht zu ändern vermag. Davon ist das Amtsgericht vorliegend bei der Prüfung der Fahreridentität nach durchgeführter Beweisaufnahme ausgegangen und hat die Einholung eines Sachverständigengutachtens mit zutreffender Begründung abgelehnt.

    b)

    Die auf die zulässig erhobene Sachrüge erfolgte Nachprüfung des Urteils deckt keinen sachlich-rechtlichen Mangel zum Nachteil der Betroffenen auf.

    aa)

    Verjährung ist nicht eingetreten.

    Die dreimonatige Verjährungsfrist gem. § 26 Abs. 3 StVG wurde zunächst durch die Anordnung der Anhörung der Betroffenen am 02.10.2019 gem. § 33 Abs. 1 Nr. 2 OWiG unterbrochen.

    Die Verjährung wurde sodann gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG durch Erlass des Bußgeldbescheids am 14.10.2019 unterbrochen, da der vorliegende Zustellungsmangel gem. §§ 51 Abs. 1 OWiG, 1 NVwZG, 8 VwZG geheilt wurde.

    (1.)

    Die von der Bußgeldbehörde veranlasste Zustellung des Bußgeldbescheids an die Betroffene unter der Anschrift … wurde nicht ordnungsgemäß bewirkt.

    Die Betroffene lebte bereits seit dem 01.01.2019 nicht mehr unter der genannten Anschrift. Dies war der Bußgeldbehörde aufgrund der am 10.10.2019 eingeholten Auskunft des Einwohnermeldeamts auch bekannt. Die erfolge Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten war daher nicht wirksam.

    (2.)

    Der Zustellungsmangel ist jedoch gem. § 8 VwZG geheilt, weil der Bußgeldbescheid der Betroffenen tatsächlich zugegangen ist und sie in der Folge durch ihren Verteidiger Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt hat.

    Gemäß § 8 VwZG gilt ein Dokument, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist.

    § 2 VwZG bestimmt insoweit, dass Zustellung die Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Dokuments in der in diesem Gesetz bestimmten Form ist.

    (a)

    Der Bußgeldbescheid wurde von der Bußgeldbehörde mit Zustellungswillen versandt.

    Voraussetzung einer jeden Zustellung und auch der Heilung ist ein entsprechender Zustellungswille des Versenders, d.h. es muss eine förmliche Zustellung wenigstens angestrebt bzw. beabsichtigt gewesen sein (BGH, NJW 2003, 1192, 1193; OLG Hamm, NJW 2010, 3380, 3381). Nicht erforderlich ist in diesem Zusammenhang, dass gerade auch die nachträgliche Kenntniserlangung durch den Adressaten oder einer anderen empfangsberechtigten Person vom Willen der Behörde umfasst ist, solange grundsätzlich ein Bekanntgabewille vorlag (BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43/95, juris, Rn. 29 m.w.N. für § 9 VwZG a.F.; Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 8. April 2015 - 2 LA 20/15, juris, Rn. 10; OLG Hamm, Beschluss vom 08. August 2017 ‒ 3 RBs 106/17 ‒ juris, Rn. 17).

    Hier wurde der Bußgeldbescheid am 14.10.2020 durch die Bußgeldbehörde unzweifelhaft mit Zustellungswillen versandt.

    (b)

    Durch die Weiterleitung des Bußgeldbescheids in Form eines Fotos hat die Betroffene von dem Bußgeldbescheid tatsächlich Kenntnis erlangt.

    Der Verteidiger der Betroffenen hat insoweit in der Begründung der Rechtsbeschwerde ausgeführt, dass die Betroffene den Bußgeldbescheid tatsächlich nicht erhalten habe. Vielmehr habe die Mutter der Betroffenen, die unter der Zustellungsanschrift wohnhaft ist, den Brief geöffnet und der Betroffenen über WhatsApp ein Foto von dem Bußgeldbescheid übersandt. Dieses Foto habe die Betroffene sodann an ihn weitergeleitet. Daraufhin habe er Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt.

    Es ist umstritten, ob auch der tatsächliche Zugang einer Kopie, beispielsweise in Form eines Telefaxes, einer Fotokopie, eines Scans oder eines Fotos, für eine Heilung des Zustellungsmangels gem. § 8 VwZG ausreichend ist oder ob ein Zugang des zuzustellenden Originals erforderlich ist. Auch die Rechtsprechung zu § 189 ZPO, dem die Vorschrift des § 8 VwZG weitgehend angepasst wurde (vgl. BT-Drs. 15/5216 S. 26) ist nicht einheitlich.

    Nach einer Auffassung ist es erforderlich, dass dem Betroffenen das zuzustellende Dokument selbst zugeht (BayObLGZ 1995, 61, 72, Rn. 39; OLG Zweibrücken, FamRZ 2006, 128, 129, Rn. 7; OLG Karlsruhe, NZG 2008, 714, 715, Rn. 15; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 189 Rn. 7; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 189 Rn. 4). Zur Begründung wird die Gesetzesbegründung zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts durch Gesetz vom 12.8.2005 (BGBl I S. 2354, in der BT-Drs. 15/5216 S. 11 zu § 2 VwZG: „Bei der Zustellung eines Dokuments ist wie bisher die Urschrift, eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift zu übermitteln; die Übersendung einer bloßen Fotokopie genügt somit nicht“) herangezogen.

    Nach anderer Auffassung genügt der Zugang einer Kopie oder eines Duplikats des Dokuments (BVerwG, a. a. O.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Mai 2011
    - 13 E 499/11, juris, Rn. 7; für die gleichgelagerte Regel des § 189 ZPO: BGH, Beschluss vom 12. März 2020 ‒ I ZB 64/19 ‒, juris, Rn. 23 - 25; BGH, Beschluss vom 07.10.2020
    XII ZB 167/20, juris, Rn. 11 u.12; KG, WRP 2011, 612, 613, Rn. 7; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. Februar 2017 - 19 U 190/16, juris, Rn. 12; OLG Dresden, JurBüro 2018, 310, Rn. 28; MünchKomm.ZPO/Häublein, 5. Aufl., § 189 Rn. 9; zu § 187 Satz 1 ZPO aF vgl. OLG Braunschweig, NJW-RR 1996, 380, 381). Zur Begründung wird angeführt, dem Zweck der Zustellung, dem Adressaten zuverlässige Kenntnis des Inhalts der Verfügung zu verschaffen, um die Einlegung von Rechtmitteln prüfen zu können, sei auch mit einer Fotokopie Genüge getan, wenn sie das Original nach Inhalt und Fassung vollständig wiedergibt (BVerwG, Urt. v. 18.04.1997 ‒ 8 C 43/95 ‒, juris, Rn. 29; OVG Berlin- Brandenburg, Beschl. v. 06.04.2017 ‒ 11 S 18.17 ‒, juris, Rn. 3; VG Bremen, Beschluss vom 16. März 2020 ‒ 6 V 2748/19 ‒, juris, Rn 31) Dies müsse umso mehr im Bußgeldverfahren gelten, bei dem der Bußgeldbescheid computergestützt erstellt und nicht im Original unterzeichnet werde (OLG Hamm a. a. O.).

    Der letztgenannten Auffassung schließt sich der Senat an. Der Zweck der Zustellung liegt darin, dem Adressaten oder der Adressatin angemessene Gelegenheit zu verschaffen, von einem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, und den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu dokumentieren (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren, BT-Drucks. 14/4554, S. 14; BGHZ 208, 255, Rn. 21; BGH, NJW 2017, 2472, Rn. 38; BGH, NJW-RR 2018, 970, Rn. 27). Ist die Gelegenheit zur Kenntnisnahme gewährleistet und steht der tatsächliche Zugang auch ohne die durch die förmliche Zustellung gewährleistete Dokumentation fest, so ist der Zustellungsmangel durch den tatsächlichen Zugang gem. § 8 VwZG geheilt. Hierfür spricht insbesondere, dass die Zustellung kein Selbstzweck ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12.03.2020, a. a. O.)

    Vor diesem Hintergrund ist es auch ausreichend, dass die Betroffene vorliegend ein Foto des Bußgeldbescheids erhalten hat. Denn es ist entscheidend darauf abzustellen, dass es sich um eine nicht fehleranfällige technische Reproduktion des Originals handelt, dies sind z.B. Telefax, Fotokopie, Foto, Scan (vgl. BGH, Beschluss vom 12.03.2020, a. a. O.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.02.2017, a. a. O.) In diesem Fall sind anders als bei mündlicher Überlieferung oder Abschriften Übertragungsfehler ausgeschlossen, insbesondere sind Auslassungen oder sinnentstellende Textveränderungen technisch nicht möglich bzw. denkbare Mängel in Form eines Fehlens ganzer Seiten oder ein „Abschneiden“ von Textteilen offenkundig (OLG Frankfurt a. a. O). Insoweit kann es auch keinen Unterschied machen, ob jemand einen Bußgeldbescheid per Mail in Kopie erhält oder ob er eine Ablichtung in Form eines Lichtbildes elektronisch zugesandt bekommt. Der Verteidiger hat hier auch nicht vorgetragen, dass das Foto, das die Betroffene von ihrer Mutter erhalten hat, den Bußgeldbescheid nicht vollständig wiedergibt.

    (c)

    Durch die mit ex nunc Wirkung erfolgte Heilung des Zustellungsmangels wurde die Verjährung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG am 14.10.2019 unterbrochen, gleichzeitig verlängerte sich die Verjährungsfrist gem. § 26 Abs. 3 StVG auf 6 Monate. Die Verjährung wurde in der Folge durch Eingang der Akte bei Gericht am 27.02.2020 gem. § 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG sowie durch die Anberaumung der Hauptverhandlungstermine am 09.03.2020 und 25.03.2020 gem. § 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG unterbrochen.

    bb)

    Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen auch den Schuldspruch.

    (1.)

    Die Feststellung der Fahrereigenschaft der Betroffenen durch das Amtsgericht begegnet keinen Bedenken.

    Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Die Feststellung, ob eine auf einem Foto abgebildete Person mit dem Betroffenen identisch ist, unterliegt daher prinzipiell nicht der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (BGHSt 41, 376). Das Urteil muss indes durch Ausführungen zur Bildqualität, einer Beschreibung der abgebildeten Person bzw. mehrerer charakteristischer Identifizierungsmerkmale oder indem es nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf das in Augenschein genommene Lichtbild verweist, dem Rechtsmittelgericht die Prüfung ermöglichen, ob das Belegfoto generell zur Identifizierung geeignet ist (vgl. BGH a. a. O., KG Berlin, Beschluss vom 30. April 1997 ‒ 2 Ss 43/97 - 3 Ws (B) 153/97 ‒, Rn. 2, juris)

    Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe gerecht. Das Amtsgericht hat auf die in der Akte befindlichen Lichtbilder gemäß §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen.  Diese sind nach ihrer Beschaffenheit und Qualität zur Identifizierung generell geeignet. Auch wenn die Mund- und Kinnpartie der Fahrzeugführerin nur unscharf zu erkennen ist, lassen die nicht verdeckten Bereiche markante Proportionen, Gesichtszüge und spezifische Merkmale in ausreichendem Umfang erkennen Das Amtsgericht ist auch aufgrund der Inaugenscheinnahme der Betroffenen in der Hauptverhandlung und des Vergleichs mit den Messfotos zu der sicheren Überzeugung gekommen, dass die Betroffene vorliegend die Fahrzeugführerin war. Einer weiteren Darlegung bedurfte es daher nicht (vgl. BGH a. a. O.)

    (2.)

    Die Urteilsfeststellungen tragen auch die Annahme der vorsätzlichen Begehensweise.

    Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, der sich auch der erkennende Senat angeschlossen hat, kann bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen in der Regel von vorsätzlicher Begehungsweise ausgegangen werden, wobei dies bei Überschreitungen ab ca. 40 % angenommen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 28.02.2017, Az. 2 SsOwi 52/17 m. w. N.).

    Vorliegend hat die Betroffene bei dem abgeurteilten Geschwindigkeitsverstoß die an der betreffenden Messstelle zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 35 km/h mithin um 70 % überschritten. Anhaltspunkte dafür, dass sie diese massive Überschreitung nicht erkannt und nicht zumindest billigend in Kauf genommen hat, sind aus den im angefochtenen Urteil mitgeteilten Umständen nicht ersichtlich.

    cc)

    Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs ergibt keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen. Die aufgrund der vorsätzlichen Begehensweise erfolgte Verdopplung der Regelgeldbuße sowie die als Regelfall erfolgte Anordnung des einmonatigen Fahrverbots sind nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte für einen Härtefall sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

    Die Beschwerdeführerin wird darauf hingewiesen, dass sie sich nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar macht, wenn sie nach Ablieferung des Führerscheins oder vier Monate nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung, also nach dem 10. Juli 2021, ein Kraftfahrzeug führt, dass die Fahrverbotsfrist aber erst vom Tage der Ablieferung des Führerscheins bei der Vollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft Verden) an gerechnet wird (§ 25 Abs. 5 Satz 1 StVG).