10.09.2020 · IWW-Abrufnummer 217802
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 18.06.2020 – 7 U 266/19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
7 U 266/19
4 O 354/18 LG Lübeck
Verkündet am 18.06.2020
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf Grund der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung nach § 128 a ZPO vom 26.05.2020 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen sowie unter Zurückweisung der Berufung des Klägers - das am 03.12.2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.224,78 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2018 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Sharan, 2.0 TDI, FIN: W................ zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreites in beiden Rechtszügen tragen der Kläger 40 % und die Beklagte 60 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte als Fahrzeugherstellerin auf Schadenersatz wegen des sog. „Abgas-Skandals“ in Anspruch.
In dem Fahrzeug ist der Motor mit der Typenbezeichnung EA 189 verbaut. Dieser Motor war im Zeitpunkt des Kaufvertrages mit einer Software ausgestattet, welche einen Stickoxid-optimierten Betriebsmodus aufwies, der nur beim Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) aktiviert wurde. Bei normaler Fahrt im Straßenverkehr wurde ein anderer Betriebsmodus aktiviert, welcher eine geringere Abgasrückführungsrate und einen höheren Ausstoß an Stickoxid aufwies als der Modus für Prüfsituationen. Auf dem Rollenprüfstand schaltete die Motorsteuerung nämlich einen NOx-optimierten Modus 1 ein, bei dem es eine erhöhte Abgasrückführungsrate gibt. Im normalen Fahrbetrieb wurde der Motor hingegen im Modus 0 betrieben, in welchem die Euro 5-Grenzwerte überschritten wurden. Nach Installation eines Softwareupdates wird das Fahrzeug auch heute noch im Straßenverkehr in dem entsprechend angepassten Modus mit erhöhter Abgasrückführung betrieben.
Der Kläger ließ dieses Softwareupdate durchführen.
Der Kläger hat behauptet, er hätte das Fahrzeug bei Kenntnis der Sachlage nicht gekauft. Die Nachbesserung durch ein Softwareupdate sei ungeeignet, den Mangel zu beheben. Es sei von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 300.000 - 500.000 km auszugehen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadenersatz in Höhe des Kaufpreises des Fahrzeugs von 34.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2018 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei Schadenersatz zu bezahlen für weitere Aufwendungen und Schäden, die aufgrund des Erwerbs und des Unterhalts des Fahrzeugs VW Sharan mit der FIN: W................ entstanden sind und weiterhin entstehen werden.
Dies (Antrag zu 1. und 2.) Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs VW Sharan mit der FIN: W................ sowie Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs durch die Klagepartei, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4 % aus dem Kaufpreis in Höhe von 34.000,00 € seit dem 31.07.2014 bis zum 11.12.2018 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs VW Sharan mit der FIN: W................ seit dem 12.12.2018 in Annahmeverzug befindet.
5. Die Beklagte wird verurteilt, die durch die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 749,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2018 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung und hat behauptet, dass nach gegenwärtigem Ermittlungsstand es keine Erkenntnisse dafür gäbe, dass Vorstandsmitglieder oder führende Mitarbeiter von VW an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder diese gebilligt hätten. Bei der eingesetzten Steuerungssoftware handle es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung, sondern um eine zulässige innermotorische Maßnahme. Es läge auch keine Überschreitung der Euro 5-Grenzwerte vor. Auch nach dem Softwareupdate seien keine negativen Auswirkungen gemäß der Prüfung durch das Kraftfahrtbundesamt zu erwarten.
Die Klage ist am 25.01.2019 zugestellt worden. Das streitgegenständliche Fahrzeug war vor Ablauf des Jahres 2018 zur Musterfeststellungsklage vor dem OLG Braunschweig (Az.: 4 MK 1/18) angemeldet, dort aber am 16.01.2019 wieder abgemeldet worden (vgl. Auskunft über das Anmelderegister durch das Bundesamt für Justiz vom 12.02.2020, Bl. 268 GA).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie dort enthaltener Verweisungen Bezug genommen.
Das Landgericht hat - unter Klagabweisung im Übrigen - einen Schadenersatzanspruch gem. §§ 826, 31 BGB bejaht und die Beklagte unter Anrechnung eines Nutzungsvorteils auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km zur Zahlung von 34.000,00 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 6.991,77 € nebst Verzugszinsen seit dem 12.12.2018 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verurteilt. Außerdem hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger etwaigen weiteren Schadenersatz und Aufwendungen bzw. Schäden aufgrund des Fahrzeugerwerbs zu ersetzen sowie festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. Ferner hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 749,34 € nebst Zinsen verurteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Begründung wird auf das angefochtene Urteil nach § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO verwiesen.
Dagegen richten sich die wechselseitigen Berufungen der Parteien. Der Kläger hält eine geringere Nutzungsentschädigung unter Annahme einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km - 500.000 km für gerechtfertigt, außerdem beansprucht er weitergehende Deliktszinsen in Höhe von 4 % p.a. auf den Kaufpreis seit dem 21.07.2014 bis zum 11.12.2018.
Der Kläger beantragt,
das erstinstanzliche Urteil vom 03.12.2019 insoweit abzuändern, als das es hinter der Klagforderung zurückbleibt, indem es der Klagepartei die beantragten Deliktszinsen gem. § 849 BGB nicht zuspricht und hinsichtlich des Klageantrags zu 3. wie folgt zu erkennen:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4 % aus dem Kaufpreis in Höhe von 34.000,00 € seit dem 31.07.2014 bis zum 11.12.2018 zu zahlen sowie
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
dass am 03.12.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Lübeck im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen sowie
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte beanstandet die rechtsfehlerhafte Annahme eines ihr zurechenbaren Schädigungsvorsatzes und eines kausalen Schadens. Es bestehe kein Anspruch auf deliktische Zinsen nach § 849 BGB. Vorgerichtliche Anwaltskosten seien unbegründet, weil die Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits aus einer großen Zahl gleichgerichteter anwaltlicher Mandate wussten, dass die Beklagte nicht bereit war, ein außergerichtliches Anerkenntnis abzugeben.
Der Senat hat im Termin am 26.05.2020 den Kläger ergänzend gehört. Insoweit wird auf das Protokoll der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung nach § 128 a ZPO verwiesen.
II.
Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil zum Teil zu ändern. Der Kläger muss sich eine höhere Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, die mit dem Kaufpreis zu saldieren ist. Annahmeverzug liegt nicht vor. Der Feststellungsantrag hinsichtlich des Ersatzes weiterer Aufwendungen und Schäden ist unbegründet. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind nicht zu ersetzen. Im Einzelnen:
1.
Der Kläger hat einen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Zahlung von 19.224,78 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Der Anspruch des Klägers auf Erstattung des von ihm gezahlten Kaufpreises (34.000,00 €) abzüglich des anrechenbaren Nutzungsvorteils (14.775,22 €) ergibt sich daraus, dass die Beklagte dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlichen einen entsprechenden Schaden zugefügt hat (hierzu unter a). Aufgrund vorsätzlich sittenwidriger Schädigung ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den Kaufpreis zu erstatten, wobei der Kläger Zug um Zug die aus dem Kaufvertrag erlangten Vorteile der Beklagten herauszugeben hat (hierzu unter b).
a.)
Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Beklagte dem Kläger aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § § 826,31 BGB haftet. Dies hat inzwischen der BGH in einem ähnlich gelagerten Fall höchstrichterlich mit Urteil vom 25.5.2020 (Az: VI ZR 252/19, veröffentlicht in juris Rn. 12 ff.) bestätigt. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr. des BGH, vgl. Urteile vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, WM 2016, 1975 Rn. 16 mwN; vom 7. Mai 2019 - VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8 mwN). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, WM 2016, 1975 Rn. 16 mwN). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 ‒ VI ZR 252/19 ‒, Rn. 15, juris); BGH Urteil vom 7. Mai 2019 - VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8 mwN).
„Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran. Die aktuell in der Europäischen Union angebotenen Neuwagen mit Dieselantrieb EU 6 aus dem Volkswagen Konzern erfüllen die gesetzlichen Anforderungen und Umweltnormen. Die beanstandete Software beeinflusst weder Fahrverhalten, Verbrauch noch Emissionen. Somit besteht für Kunden und Händler Klarheit.
b.)
Der Kläger hat aufgrund des ihm in sittenwidriger Weise vorsätzlich zugefügten Schadens grundsätzlich einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages vom 31.07.2014. Die Beklagte hat den Kläger so zu stellen, als hätte er diesen Vertrag nicht geschlossen. Grundsätzlich hat die Beklagte dem Kläger mithin den Kaufpreis in Höhe von 34.000,00 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu erstatten, wobei der Kläger sich gem. § 249 Abs. 1 BGB im Wege der Vorteilsausgleichung die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen muss (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, juris)
Den Wert dieser Nutzungsvorteile schätzt der Senat gem. § 287 ZPO auf 14.775,22 €.
Grundsätzlich wird der Wert von Gebrauchsvorteilen bei der Eigennutzung beweglicher Sachen nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung berechnet, also nach einem Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebrauch und der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer der Sache unter Berücksichtigung des Wertes der Sache bzw. des vereinbarten Kaufpreises (BGH, Urteil vom 31.03.2006, V ZR 51/05, NJW 2006, 1582, Rn. 12). Bei Kraftfahrzeugen wird die Höhe des Wertersatzes gem. § 287 ZPO berechnet, indem der vereinbarte Bruttokaufpreis zugrunde gelegt und auf die Nutzungsdauer umgerechnet wird. Die Gebrauchsvorteile werden mit dem Teil des Kaufpreises gleichgesetzt, der der Dauer der tatsächlichen Nutzung im Verhältnis zur vertraglich vorausgesetzten Nutzungszeit entspricht (BGH, Beschluss vom 09.12.2014, VIII ZR 196/13, Rn. 3; Urteil vom 09.04.2014, VIII ZR 215/13, NJW 2014, 2435, Rn. 6 und 11 f).
Nach der Rechtsprechung des Senats ist von einer durchschnittlichen Gesamtfahrleistung bei Fahrzeugen mit Motoren der Baureihe EA 189 bis zu 2.0 Liter Hubraum von 250.000 km auszugehen (OLG Schleswig, Urteil vom 19.03.2020, Az. 7 U 100/19; Urteil vom 26.03.2020, 7 U 189/19 jeweils m.w.N.). Soweit der Kläger von einer Gesamtnutzungsdauer über 300.000 km - 500.000 km Laufleistung ausgeht, gibt es dafür keine verlässlichen Anhaltspunkte. Es mag sein, dass bei Fahrzeugen der Oberklasse durchaus auch eine geschätzte Gesamtfahrleistung von 300.000 km und mehr erreicht werden kann, dies ist für den hier streitgegenständlichen Pkw jedoch nicht maßgeblich. Insbesondere ist in diesem Rahmen auch zu berücksichtigen, dass die Fahrleistung eines Pkw's nicht allein von der Lebensdauer des Motors (differenziert nach Größe und Leistung) abhängt, sondern auch von dem fortschreitenden Lebensalter und dem technischen Fortschritt, weil eine Unterhaltung älterer Fahrzeuge zunehmend unwirtschaftlich wird. Liebhaber oder Bastler mögen Autos länger fahren können als ein durchschnittlicher Kraftfahrzeughalter, auf welchen hier im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO allein abzustellen ist (vgl. auch OLG Schleswig, Urteil vom 20.03.2020, 17 U 101/19).
Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen seit Rechtshängigkeit ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
2.
3.
4.
5.
Grundsätzlich sind Rechtsanwaltskosten zwar nach §§ 826, 249 BGB ersatzfähig, wenn sie aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteil vom 08.11.1994 - VI ZR 3/94, NJW 1995, 446 - 447). Der Kläger ließ die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 27.11.2018 (Anlage K 5) im Hinblick auf die manipulierte Motorsteuerung auf Schadenersatz in Anspruch nehmen. Zu diesem Zeitpunkt konnte und durfte der Kläger aber nicht mehr davon ausgehen, dass die Beklagte „freiwillig“ dessen Anspruch erfüllen würde. Vielmehr war es weitgehend öffentlich und insbesondere den Prozessbevollmächtigten des Klägers, die gerichtsbekannt eine Vielzahl sog. „VW-Geschädigte“ vertraten und vertreten, genau bekannt, dass die Beklagte auf derartige Aufforderungen nicht oder lediglich ablehnend reagierte. Den heutigen Prozessbevollmächtigten des Klägers war im November 2018 bekannt, dass VW nicht freiwillig zum Schadenersatz bereit war. Diese Kenntnis muss sich der Kläger nach § 166 BGB zurechnen lassen. Das außergerichtliche Tätigwerden war daher weder erforderlich noch zweckmäßig, sondern generierte lediglich Gebührenansprüche, die unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht (§ 254 BGB) nicht ersatzfähig sind (OLG Schleswig, Urteil vom 26.03.2020, 7 U 189/19 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Bei der Betrachtung der Verhältnisse des Obsiegens und Verlierens der Parteien war hinsichtlich der Berechnung des Nutzungsvorteils auf den aktuellen Kilometerstand, die geschätzte Gesamtlaufleistung und eine entsprechende individuelle Anpassung wegen der verhältnismäßig geringen tatsächlichen Jahreskilometerleistung abzustellen. Der Kläger war zwar grundsätzlich bereit, sich einen entsprechenden Nutzungsabzug nach dem Ermessen des Gerichts anrechnen zu lassen, dies allerdings auf Basis einer von ihm geschätzten Gesamtlaufleistung von 300.000 km - 500.000 km. Das ist noch einmal durch die Anhörung im Termin am 26.05.2020 deutlich geworden, wonach der Kläger - unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung - noch mindestens 27.000,00 € Schadenersatz verlangt. Diese Forderung war deutlich zu hoch. Auch hinsichtlich seiner Forderung nach deliktischen Zinsen dringt der Kläger nicht durch mit der Folge, dass er insoweit auch anteilige Kosten zu übernehmen hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern divergierende Entscheidungen der Oberlandesgerichte eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die umstrittene Frage, inwieweit den Käufern eines VW-Fahrzeugs mit einem Motor, dessen Steuerungssoftware den Stickstoffausstoß beim Durchfahren des neuen europäischen Fahrzyklusses auf dem Prüfstand reguliert, ein Ersatzanspruch nach §§ 826, 31 BGB zusteht, ist inzwischen höchstrichterlich geklärt (BGH, Urteil vom 25.5.2020, VI ZR 252/19, veröffentlicht in juris). Im Übrigen handelt es sich bei der Entscheidung um einen Einzelfall, der seinen Schwerpunkt in der tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts hat.
4 O 354/18 LG Lübeck
Verkündet am 18.06.2020
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf Grund der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung nach § 128 a ZPO vom 26.05.2020 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen sowie unter Zurückweisung der Berufung des Klägers - das am 03.12.2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.224,78 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2018 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Sharan, 2.0 TDI, FIN: W................ zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreites in beiden Rechtszügen tragen der Kläger 40 % und die Beklagte 60 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte als Fahrzeugherstellerin auf Schadenersatz wegen des sog. „Abgas-Skandals“ in Anspruch.
Mit Vertrag vom 30.07.2014 kaufte der Kläger bei der S1 Holstein GmbH in B1 einen gebrauchten VW Sharan 2.0 TDI, FIN: W................, zum Preis von brutto 34.000,00 €. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Fahrzeug (Erstzulassung: 28.10.2013) bereits 16.500 km gelaufen.
Am 22.09.2015 veröffentliche die Beklagte eine Mitteilung, der zufolge nach bisherigen internen Prüfungen weltweit rund 11.000.000 Fahrzeuge mit Dieselmotoren des Typs EA 189 Auffälligkeiten in Bezug auf ihren Stickoxidausstoß aufwiesen. Das Kraftfahrtbundesamt, das in der verbauten Software - anders als die Beklagte - eine den gesetzlichen Vorgaben der VO (EU) Nr. 715/2007 widersprechende Abschalteinrichtung sieht, ordnete am 15.10.2015 den Rückruf von 2,4 Mio. Markenfahrzeugen an und verlangte, dass alle Fahrzeuge, die über eine solche Software verfügten, in den vorschriftsmäßigen Zustand zu versetzen seien. Der VW-Konzern entwickelte daraufhin für den betroffenen Motortyp ein Softwareupdate, das dazu führen sollte, dass der Prüfstandmodus künftig auch für den Betrieb des Fahrzeugs unter realen Bedingungen im Straßenverkehr maßgeblich ist und gleichzeitig die Stickoxidvorgaben der Euro 5 Norm eingehalten werden. Das Kraftfahrtbundesamt erteilte anschließend die Freigabe des Softwareupdates für den betroffenen Motortyp.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.11.2018 (Anlage K 5) forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm bis zum 11.12.2018 gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs den Kaufpreis zu erstatten.
Zu diesem Zeitpunkt betrug der Kilometerstand des Fahrzeugs 64.517 km. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 26.05.2020 betrug der Kilometerstand 67.996 km. Der Kläger hat mithin in seiner Besitzzeit (seit dem 31.07.2014) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 26.05.2020 (5 Jahre und 10 Monate) 51.496 km zurückgelegt, was einer Jahresleistung von durchschnittlich 8.830 km entspricht.
Der Kläger hat behauptet, er hätte das Fahrzeug bei Kenntnis der Sachlage nicht gekauft. Die Nachbesserung durch ein Softwareupdate sei ungeeignet, den Mangel zu beheben. Es sei von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 300.000 - 500.000 km auszugehen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadenersatz in Höhe des Kaufpreises des Fahrzeugs von 34.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2018 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei Schadenersatz zu bezahlen für weitere Aufwendungen und Schäden, die aufgrund des Erwerbs und des Unterhalts des Fahrzeugs VW Sharan mit der FIN: W................ entstanden sind und weiterhin entstehen werden.
Dies (Antrag zu 1. und 2.) Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs VW Sharan mit der FIN: W................ sowie Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs durch die Klagepartei, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4 % aus dem Kaufpreis in Höhe von 34.000,00 € seit dem 31.07.2014 bis zum 11.12.2018 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs VW Sharan mit der FIN: W................ seit dem 12.12.2018 in Annahmeverzug befindet.
5. Die Beklagte wird verurteilt, die durch die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 749,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2018 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung und hat behauptet, dass nach gegenwärtigem Ermittlungsstand es keine Erkenntnisse dafür gäbe, dass Vorstandsmitglieder oder führende Mitarbeiter von VW an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder diese gebilligt hätten. Bei der eingesetzten Steuerungssoftware handle es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung, sondern um eine zulässige innermotorische Maßnahme. Es läge auch keine Überschreitung der Euro 5-Grenzwerte vor. Auch nach dem Softwareupdate seien keine negativen Auswirkungen gemäß der Prüfung durch das Kraftfahrtbundesamt zu erwarten.
Die Klage ist am 25.01.2019 zugestellt worden. Das streitgegenständliche Fahrzeug war vor Ablauf des Jahres 2018 zur Musterfeststellungsklage vor dem OLG Braunschweig (Az.: 4 MK 1/18) angemeldet, dort aber am 16.01.2019 wieder abgemeldet worden (vgl. Auskunft über das Anmelderegister durch das Bundesamt für Justiz vom 12.02.2020, Bl. 268 GA).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie dort enthaltener Verweisungen Bezug genommen.
Das Landgericht hat - unter Klagabweisung im Übrigen - einen Schadenersatzanspruch gem. §§ 826, 31 BGB bejaht und die Beklagte unter Anrechnung eines Nutzungsvorteils auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km zur Zahlung von 34.000,00 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 6.991,77 € nebst Verzugszinsen seit dem 12.12.2018 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verurteilt. Außerdem hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger etwaigen weiteren Schadenersatz und Aufwendungen bzw. Schäden aufgrund des Fahrzeugerwerbs zu ersetzen sowie festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. Ferner hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 749,34 € nebst Zinsen verurteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Begründung wird auf das angefochtene Urteil nach § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO verwiesen.
Dagegen richten sich die wechselseitigen Berufungen der Parteien. Der Kläger hält eine geringere Nutzungsentschädigung unter Annahme einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km - 500.000 km für gerechtfertigt, außerdem beansprucht er weitergehende Deliktszinsen in Höhe von 4 % p.a. auf den Kaufpreis seit dem 21.07.2014 bis zum 11.12.2018.
Der Kläger beantragt,
das erstinstanzliche Urteil vom 03.12.2019 insoweit abzuändern, als das es hinter der Klagforderung zurückbleibt, indem es der Klagepartei die beantragten Deliktszinsen gem. § 849 BGB nicht zuspricht und hinsichtlich des Klageantrags zu 3. wie folgt zu erkennen:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4 % aus dem Kaufpreis in Höhe von 34.000,00 € seit dem 31.07.2014 bis zum 11.12.2018 zu zahlen sowie
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
dass am 03.12.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Lübeck im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen sowie
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte beanstandet die rechtsfehlerhafte Annahme eines ihr zurechenbaren Schädigungsvorsatzes und eines kausalen Schadens. Es bestehe kein Anspruch auf deliktische Zinsen nach § 849 BGB. Vorgerichtliche Anwaltskosten seien unbegründet, weil die Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits aus einer großen Zahl gleichgerichteter anwaltlicher Mandate wussten, dass die Beklagte nicht bereit war, ein außergerichtliches Anerkenntnis abzugeben.
Der Senat hat im Termin am 26.05.2020 den Kläger ergänzend gehört. Insoweit wird auf das Protokoll der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung nach § 128 a ZPO verwiesen.
II.
Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil zum Teil zu ändern. Der Kläger muss sich eine höhere Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, die mit dem Kaufpreis zu saldieren ist. Annahmeverzug liegt nicht vor. Der Feststellungsantrag hinsichtlich des Ersatzes weiterer Aufwendungen und Schäden ist unbegründet. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind nicht zu ersetzen. Im Einzelnen:
1.
Der Kläger hat einen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Zahlung von 19.224,78 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Der Anspruch des Klägers auf Erstattung des von ihm gezahlten Kaufpreises (34.000,00 €) abzüglich des anrechenbaren Nutzungsvorteils (14.775,22 €) ergibt sich daraus, dass die Beklagte dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlichen einen entsprechenden Schaden zugefügt hat (hierzu unter a). Aufgrund vorsätzlich sittenwidriger Schädigung ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den Kaufpreis zu erstatten, wobei der Kläger Zug um Zug die aus dem Kaufvertrag erlangten Vorteile der Beklagten herauszugeben hat (hierzu unter b).
a.)
Die Beklagte hat durch das Inverkehrbringen des mit der Prüfstandsoptimierungssoftware ausgestatteten Fahrzeugs gegen die guten Sitten verstoßen (hierzu unter aa.). Dieses Verhalten ist der Beklagten auch zurechenbar (hierzu unter bb.). Hierdurch hat sie vorsätzlich dem Kläger einen Schaden zugefügt, welcher nicht durch Entwicklung und Aufspielen des Updates beseitigt wurde (hierzu unter cc.).
aa.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Ein Verstoß gegen die guten Sitten ist aufgrund des bewussten Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften, insbesondere Art. 5 Abs. II VO (EG) Nr. 715/2007, bei Entwicklung und Einsatz der Abgasregulierungssoftware durch die Beklagte und das bewusste Inverkehrbringen eines mangelhaften Fahrzeugs offenkundig. Der Einbau der gesetzlich unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. II VO (EG) Nr. 715/2007 durch die Beklagte stellt sich als ein verwerfliches Verhalten und nicht nur als schlichter Gesetzesverstoß dar.
Die Beklagte hat unstreitig eine gesetzlich nicht zulässige Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebaut, auch wenn die Beklagte die Auffassung vertritt, dass es sich bei der Software nicht um eine Abschalteinrichtung im engeren Sinne handelt. Die Beklagte ist allerdings der Behauptung des Klägers, dass das Fahrzeug bei Erstzulassung im Echtbetrieb erheblich mehr Stickoxid ausstieß als gesetzlich erlaubt und damit im Echtbetrieb nicht die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxid-Ausstoß einhielt, nicht substantiiert entgegengetreten. Das wäre der Beklagten aber, die den Motor schließlich entwickelt hat, ohne Weiteres möglich gewesen. Die Beklagte hat zudem eingeräumt, dass nur im Prüfstandlauf ein Stickoxid-optimierter Abgasmodus wirksam war.
Auch hat die Beklagte vorgetragen, dass nach Aufspielen des in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt zur Vermeidung von Stilllegungsverfügungen entwickelten Software-Updates das Fahrzeug ausschließlich in einem adaptierten Prüfstandmodus betrieben wurde. Die Beklagte bestreitet schließlich nicht, dass der Stickoxid-Ausstoß softwarebedingt im Prüfstandmodus geringer war als im Echtbetrieb, um im Prüfstandmodus die gesetzlichen Grenzwerte einhalten zu können. Die Beklagte nennt den damaligen Echtbetrieb einen „partikeloptimierten Modus 0“ und den Prüfstandbetrieb einen „NOx-optimierten Modus 1“. Auch der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 8. Januar 2019 (VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 - 1137) festgestellt, dass der Einsatz der Original-Software der Motorbaureihe EA 189 einen Sachmangel des Fahrzeugs begründet, da die Verwendung der Software im Fahrzeug gegen Art. 5 Abs. II VO (EG) Nr. 715/2007 verstoßen dürfte.
Der Einbau der gesetzlich unzulässigen Abschalteinrichtung stellt auch ein verwerfliches Verhalten und nicht nur einen schlichten Gesetzesverstoß dar. Die Beklagte hat offenkundig zielgerichtet die Entwicklung einer gesetzlich unzulässigen Abschalteinrichtung vorangetrieben, damit die mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug identische Baureihe die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für Stickoxid im Prüfstandlauf einhalten und so eine Typgenehmigung erhalten konnte. Es handelte sich also nicht um einen fahrlässigen, sondern vorsätzlichen Gesetzesverstoß, was für eine Verwerflichkeit spricht.
Das Verhalten ist auch deshalb verwerflich, weil die Software für den Käufer offenkundig nicht erkennbar ist. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte die Entwicklung dieser Software auch deshalb vorantrieb, weil sie von einem geringen Entdeckungsrisiko ausging. Das geringe Entdeckungsrisiko macht eine Schädigung verwerflich, da das Potential eines Schadens wesentlich höher ist, wenn das schädigende Verhalten nur mit erheblichem Aufwand überhaupt aufgedeckt werden kann. Genau dieser besonders hohe Schaden ist eingetreten. Die Beklagte spricht in ihrer Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 davon, dass etwa elf Millionen Fahrzeuge weltweit mit dem Motor der Baureihe EA 189 ausgestattet worden seien. Es war der Beklagten also aufgrund der geringen Entdeckungswahrscheinlichkeit möglich, etwa elf Millionen Fahrzeuge mit Abschalteinrichtung erfolgreich abzusetzen.
Selbst nach Aufdeckung der vorsätzlichen Gesetzesverstöße sprach die Beklagte dabei nur von „Unregelmäßigkeiten“ der Software, ohne offen zuzugeben, dass sie bewusst eine gesetzlich unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut hat. Gerade dieses Verhalten lässt auf eine besondere Verwerflichkeit schließen. In der Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 führte die Beklagte aus:
Weitere bisherige interne Prüfungen haben ergeben, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns vorhanden ist. Bei der Mehrheit dieser Motoren hat die Software keinerlei Auswirkungen. Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandwerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt.“
Haftungsbegründend ist es aber insbesondere, dass die Beklagte durch das Inverkehrbringen derartiger Fahrzeuge in besonders krassem Maße eine Erwartungshaltung der Käufer enttäuscht hat, die sie selbst zuvor maßgeblich mit hervorgerufen hatte. So hat der Käufer eines Kraftfahrzeugs eines bereits Jahrzehnte erfolgreich am Markt befindlichen Herstellers ohnehin die - für die Beklagte als Hersteller auch erkennbare - Erwartungshaltung, ein sowohl den gesetzlichen Vorgaben entsprechendes als auch technisch ausgereiftes und daher langlebiges Fahrzeug zu kaufen. Schon durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs bringt der Hersteller konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug einer derartigen Beschaffenheit entspricht (ähnlich etwa OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 - 13 U 37/19 -, bei juris Rn. 23, OLG Koblenz, Urteil vom 16. September 2019 - 12 U 61/19 -, bei juris Rn. 50 f.; OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 - 13 U 149/18 -, bei juris Rn. 45 ff; OLG Schleswig, Urteil vom 22.11.2019 - 17 U 44/19). Ein Kunde kann daher zu Recht erwarten, dass der Motor seines Fahrzeugs sich im Prüfstandbetrieb grundsätzlich genauso verhält wie im Echtbetrieb. Ansonsten könnte von Messungen auf dem Prüfstand oder in einem vorgegebenen Prüfzyklus nie auf ein Verhalten des Fahrzeugs im Echtbetrieb geschlossen werden.
Zwar soll ein vorgegebener Prüfzyklus die Vergleichbarkeit verschiedener Fahrzeuge erleichtern. Da aber der Kunde das Fahrzeug nicht auf dem Prüfstand, sondern in der Regel ausschließlich im Echtbetrieb nutzen möchte, ist es für ihn nicht relevant, welche optimierten Abläufe ausschließlich beim Prüfstandlauf funktionieren. Vielmehr erwartet er, dass die im Prüfstandlauf gemessenen Werte sich grundsätzlich auch im Echtbetrieb bewahrheiten.
bb. Zu Recht hat das Landgericht das sittenwidrige Verhalten der Beklagten entsprechend § 31 BGB zugerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 ‒ VI ZR 252/19 ‒, juris Rn. 29 ff.). Die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Motorsteuerungssoftware ist von den im Hause der Beklagten für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen, namentlich dem vormaligen Leiter der Entwicklungsabteilung und den für die Forschung- und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen vormaligen Vorständen, - wenn nicht selbst, so doch zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden.
Der Einbau der gesetzlich unzulässigen Abschaltvorrichtung ist der Beklagten in entsprechender Anwendung von § 31 BGB zuzurechnen, auch wenn nicht vorgetragen wurde, welche Mitarbeiter der Beklagten grundsätzlich für die Entwicklung und den Einsatz der Software und konkret bezogen auf das streitgegenständliche Fahrzeug verantwortlich waren, und nicht übereinstimmend vorgetragen wurde, dass der damalige Vorstand der Beklagten Kenntnis von diesen Vorgängen hatte. Mangels substantiierten Bestreitens der Beklagten gilt nämlich als zugestanden, dass der damalige Vorstandsvorsitzende Dr. Martin W1 im Jahr 2009 und bei Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger Kenntnis von der Verwendung der Umschaltsoftware im Zusammenhang mit dem Einsatz des Motors der Baureihe EA 189 hatte.
Der Kläger hat behauptet, der damalige Vorstandsvorsitzende Dr. Martin W1 habe bereits im Jahr 2008 Kenntnis von der streitgegenständlichen Software gehabt. Diesen Vortrag hat die Beklagte nicht bestritten, sondern nur die Auffassung vertreten, dass diese Behauptungen „ins Blaue hinein“ erfolgt seien. Ein solches Bestreiten ist nicht ausreichend im Sinne von § 138 Abs. 4 ZPO, so dass die Tatsache als zugestanden im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO anzusehen ist.
Zum einen handelt es sich bei der Behauptung des Klägers nicht um eine sogenannte „Behauptung ins Blaue hinein“ und zum anderen hat die Beklagte sich nicht vollständig und wahrheitsgemäß über die tatsächlichen Umstände im Sinne von § 138 Abs. 1 ZPO erklärt.
Die Behauptung des Klägers, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten habe bereits im Jahre 2008 von der Entwicklung der Software gewusst, ist zulässig. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktienG die Gesellschaft grundsätzlich unter eigener Verantwortung leitet. Über den Einsatz der Software in der Fahrzeugreihe, zu welcher auch das Fahrzeug des Klägers gehörte, wurde also offenkundig im Unternehmen der Beklagten unter der Leitung und in eigener Verantwortung von Dr. Martin W1 als Mitglied des Vorstands der Beklagten, deren Vorsitzender er zudem vom 1. Januar 2007 bis 23. September 2015 war, entschieden. Es ist daher naheliegend und ergibt sich schon aus der gesetzlichen Grundkonzeption der Verantwortlichkeiten innerhalb einer Aktiengesellschaft, dass der damalige Vorstand an der Entscheidung über den Einsatz der Software beteiligt war. Sollte es dagegen tatsächlich so gewesen sein, dass Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter außerhalb und ohne Kenntnis des Vorstands die Entscheidung über Entwicklung und Einsatz der Umschaltsoftware vollkommen eigenständig vorangetrieben und entschieden hätten, wäre es der Beklagten möglich, sich dadurch zu entlasten, dass sie eben genau diese Geschehensabläufe innerhalb ihres Unternehmens detailliert und nachvollziehbar darstellt, welche schließlich zu der Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 führten. Soweit die Beklagte meint, ein solches Vorbringen sei ihr nicht zumutbar, ist dies unzutreffend. Vielmehr wäre ohnehin für den Fall, dass es der Beklagten tatsächlich unmöglich sein sollte, die internen Geschehensabläufe darzustellen, eine Haftung des Vorstands aufgrund fehlender Organisation, Dokumentation und Überwachung der Geschäftsabläufe, also durch ein Unterlassen, in Betracht zu ziehen.
Selbst wenn die Beklagte substantiiert bestritten hätte, dass und aus welchen Gründen Herr Dr. Martin W1 zum Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Kläger keine Kenntnis von der Verwendung der Umschaltsoftware in der Motorbaureihe EA 189 hatte, wäre der Beklagten das Verhalten ihrer Mitarbeiter zurechenbar, wenn sie nicht substantiiert dargelegt hätte, welche Gruppe von Mitarbeitern oder welche/r einzelne Mitarbeiter/in im Unternehmen der Beklagten oder bei einem Zulieferer für den Einsatz der Umschaltsoftware verantwortlich waren, ohne dass dies der Führungsebene bei der Beklagten bekannt gewesen wäre. Da es dem Kläger mangels Kenntnis der internen Organisation und mangels Kenntnissen der tatsächlichen Abläufe bei der Entwicklung und Produktion der Motorbaureihe EA 189 bei der Beklagten nicht möglich ist, die oder den Verantwortlichen für den Einsatz der Umschaltsoftware zu benennen, obliegt es nämlich der Beklagten, dazu vorzutragen, aus welchen Gründen die Verantwortlichen und insbesondere der Vorstand der Beklagten keine Kenntnis vom Einsatz der Umschaltsoftware hatten. Die Beklagte trifft zu diesen Tatsachen, zu welchen der Kläger offenkundig mangels Kenntnis nichts vortragen kann, eine sogenannte sekundäre Darlegungslast. Der beklagte Hersteller trägt in diesem Fall die sekundäre Darlegungslast für die Behauptung, eine solche Kenntnis habe nicht vorgelegen. Darauf, ob die vormaligen Mitglieder des Vorstandes von dem Kläger als Zeugen benannt werden könnten, kommt es nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 ‒ VI ZR 252/19 ‒, juris Rn. 39 ff.)
Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, dass ihr ein solcher Vortrag unzumutbar wäre. Soweit die Beklagte behauptet, dass interne Ermittlungen zu den Vorgängen noch andauern würden, sie also auch mehr als vier Jahre nach der Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 nicht wisse, wie es zum Einsatz der Software gekommen sein könnte, kann es sich zur Überzeugung des Senats nur um eine Schutzbehauptung handeln. Schließlich dürfte die Beklagte bei der Entwicklung der Motorbaureihe EA 189 Verantwortlichkeiten und Aufgaben intern festgelegt haben, aufgrund derer sich der oder die Verantwortliche für Entwicklung und Einsatz der Software ohne Weiteres wird feststellen lassen. Ohne entsprechenden Arbeitsauftrag einer oder eines Vorgesetzten an eine/n konkrete/n Mitarbeiter/in oder Abteilung dürfte die Motorbaureihe nicht entwickelt worden sein. Die Fallumstände und insbesondere die intransparente Verhaltensweise der Beklagten seit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs, also seit fast sieben Jahren, legen eine solche Beweiserleichterung für den Kläger nicht nur nahe, sondern lassen sie als zwingend erforderlich erscheinen. Schließlich dienen die prozessualen Regeln der Darlegungslast nicht dazu, sich der Verantwortlichkeit zu entziehen, sondern den wahren Sachverhalt festzustellen (so auch BVerfG, Urteil vom 8. Februar 2019 -1 BvR 2556/17 -; NJW 2019, 1510). Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an.
cc.
Die Beklagte hat durch ihr Verhalten dem Kläger vorsätzlich einen Schaden im Sinne von §§ 826, 249 Abs. 1 BGB zugefügt, welcher nicht durch die Entwicklung und das Aufspielen des Updates beseitigt worden ist (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 ‒ VI ZR 252/19 ‒, juris Rn. 44 ff.). Der Schaden liegt bereits in dem Abschluss des Kaufvertrages über das streitgegenständliche Fahrzeug. Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer "ungewollten" Verpflichtung wieder befreien können. Schon dies stellt unter den dargelegten Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 ‒ VI ZR 252/19 ‒, juris Rn. 47 ff.; BGH Urteile vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, WM 2014, 2318 Rn. 19 mwN; vom 21. Dezember 2004 - VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 366 ff., juris Rn. 16; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, 153, juris Rn. 41). Insoweit bewirkt § 826 BGB einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen (vgl. BGH Urteile vom 19. November 2013 - VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 28 f.; vom 21. Dezember 2004 - VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 368, juris Rn. 17).
Hier ist der Kläger veranlasst durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der Beklagten eine ungewollte Verpflichtung eingegangen. Dabei kann dahinstehen, ob er einen Vermögensschaden dadurch erlitten hat, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs eine objektive Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht gegeben war (§ 249 Abs. 1 BGB), auch wenn dafür angesichts des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenen verdeckten Sachmangels, der zu einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte führen können (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 - VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 17 ff.), einiges spricht. Denn ein Schaden ist hier jedenfalls deshalb eingetreten, weil der Vertragsschluss nach den oben genannten Grundsätzen als unvernünftig anzusehen ist. Der Kläger hat durch den ungewollten Vertragsschluss eine Leistung erhalten, die für seine Zwecke nicht voll brauchbar war (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 ‒ VI ZR 252/19 ‒, juris Rn. 48.)
Der Kläger hat hier ein Fahrzeug erworben, welches er in Kenntnis der wahren Tatsachen zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses so nicht erworben hätte. Er hat dazu selbst vorgetragen, dass er das Fahrzeug in Kenntnis der wahren Umstände nicht gekauft hätte. Der Sinn und Zweck des Einsatzes der ursprünglich verbauten illegalen Umschaltsoftware lässt sich im Übrigen nur damit erklären, dass die Konstrukteure offenbar bei ständiger Aktivierung des NOx-optimierten Modus' mit erheblichen Einschränkungen in der Funktionsfähigkeit gerechnet haben.
Es ist - zumindest aus Sicht eines Käufers zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses - ungewiss, welche Auswirkungen der dauerhafte Betrieb des Motors in einem ursprünglich nur für den Prüfstandlauf entwickelten und dann angepassten NOx-optimierten Betriebsmodus auf die Haltbarkeit des Motors und des Fahrzeugs insgesamt haben wird. Die Beklagte hat nicht plausibel dargestellt, warum sie das Fahrzeug nicht von vornherein mit einer entsprechenden Software auf den Markt gebracht hat und insbesondere welche technischen Bedenken bei der Beklagten damals gegen einen dauerhaften Betrieb des Prüfstandlaufes sprachen. Es ist nachvollziehbar, dass der Kläger die Befürchtung gehegt hätte, dass ein hardwareseitig auf den partikeloptimierten Betriebsmodus ausgelegtes Fahrzeug Schaden nehmen könnte, wenn der Motor dauerhaft im angepassten stickstoffausstoßoptimierten Modus betrieben wird.
Unabhängig davon war das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs für die Zwecke des Klägers nicht voll brauchbar, weil es einen verdeckten Sachmangel aufwies, der zu einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte führen können (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 ‒ VI ZR 252/19 ‒, juris Rn. 53; BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 - VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 17 ff.) Für die Frage der Brauchbarkeit kommt es nicht lediglich darauf an, dass das Fahrzeug von dem Kläger tatsächlich genutzt werden konnte und sich die bestehende Stilllegungsgefahr nicht verwirklicht hat. Ein Fahrzeug ist für die Zwecke desjenigen, der durch ein sittenwidriges Verhalten zum Vertragsabschluss veranlasst wird, dann nicht voll brauchbar, wenn es aus der ex ante Sicht des Käufers letztlich vom Zufall abhängt, ob der unerkannt bestehende Mangel aufgedeckt und die Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeugs in der Folge eingeschränkt wird. Bei Berücksichtigung dieser Umstände des Einzelfalls ist der Erwerb des Fahrzeugs auch nach der Verkehrsanschauung unvernünftig und damit für den Kläger nachteilig, die Brauchbarkeit des Fahrzeugs mithin nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht des Klägers eingeschränkt. Eine bloße Vermögensgefährdung lag nicht vor. Vielmehr begründete bereits der (ungewollte) Vertragsabschluss einen Schadensersatzanspruch. Er war darauf gerichtet, so gestellt zu werden, als ob der Kläger den Vertrag nicht abgeschlossen hätte (vgl. BGH Urteil vom 19. November 2013 - VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 29; BGH, Urteil vom 10. November 2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rn. 46). Darauf, dass die unzulässige Abschalteinrichtung und damit die Unvernünftigkeit des Vertragsschlusses erst später bekannt wurde, kommt es für die Entstehung des Schadens nicht an.
Anderes folgt auch nicht daraus, dass der Kläger das Fahrzeug nicht von der Beklagten, sondern von der S1 Holstein GmbH in B1 als Händlerin erworben hat. Auch wenn ein Verkäufer seinem Kunden unter Umständen aus dem Kaufvertrag verschuldensunabhängig auf Gewährleistung haftet und grundsätzlich ein mangelfreies Fahrzeug schuldet, kann dies eine Haftung der Beklagten für ihr systemisch-sittenwidriges Verhalten gegenüber Letzterwerbern nicht entfallen lassen. Anderenfalls müsste der Geschädigte sich ausschließlich an seinen Vertragspartner verweisen lassen und trüge zum einen das Risiko der Solvenz desselben und zum anderen das Risiko der schnelleren Verjährung seiner Gewährleistungsansprüche.
Das Verhalten der Beklagten im Rahmen des erstmaligen Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs war auch kausal für die Entstehung des Schadens. Im hier zu beurteilenden Fall des Erwerbs eines Wagens mit geringer Laufleistung (16.500 km) spricht bereits die Lebenswahrscheinlichkeit dafür, dass die von der Beklagten hervorgerufene Erwartungshaltung eines Käufers zumindest mitursächlich für die Kaufentscheidung war. Kein durchschnittlicher Käufer würde sich zu üblichen Konditionen auf den Kauf eines Fahrzeugs einlassen, wüsste er, dass dieses formal zwar über eine EU-Typgenehmigung verfügt, aber im Übrigen keineswegs die Prospektangaben einhält und sogar von der Stilllegung bedroht ist, soweit er nicht an seinem Fahrzeug mit dem Update eine so ursprünglich nicht vorgesehene Nachrüstlösung vornimmt (ähnlich OLG Karlsruhe a.a.O., Rn. 36). Umgekehrt hätte die Beklagte die Möglichkeit gehabt, den Schaden durch hinreichende Information zweifelsfrei entfallen zu lassen. Dass der Kläger durch die öffentliche Berichterstattung vom Verhalten der Beklagten Kenntnis hätte haben können, liegt völlig fern, da der Kläger das Fahrzeug bereits im Juli 2014 erwarb.
Schließlich ist durch das im Fahrzeug des Klägers installierte Software-Update der Schaden des Klägers auch keineswegs entfallen. Der unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Klägers sittenwidrig herbeigeführte ungewollte Vertragsschluss wird das durch das im Jahr 2017/2018 -angesichts einer anderenfalls drohenden Betriebsuntersagung- durchgeführte Software-Update nicht rückwirkend zu einem gewollten Vertragsschluss (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 ‒ VI ZR 252/19 ‒, juris Rn. 58). Zwar vermochte das Update die drohende Stilllegung des Fahrzeugs abzuwenden. Der darüber hinausgehende Schaden des Klägers, der sich daraus ergibt, dass er sich an einem ungewollten Vertrag festhalten lassen muss, welchen er in Kenntnis des sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten so nicht abgeschlossen hätte, ist dagegen weiterhin vorhanden (ebenso mit Recht etwa OLG Koblenz, Urteil vom 16. September 2019 - 12 U 61/19 -, bei juris, Rn. 68; OLG Hamm Urteil vom 10. September 2019 -13 U 149/18 -, bei juris, Rn. 52; OLG Stuttgart, Urteil vom 24. September 2019 - 10 U 11/19 -, bei juris Rn. 42; OLG Oldenburg, Urteil vom 2. Oktober 2019 - 5 U 47/19 -, bei juris Rn. 10 f.; OLG Schleswig, Urteil vom 19.3.2020, 7 U 100 /19).
Die Langzeittauglichkeit des Updates steht im Übrigen bis heute nicht fest. Dem Erwerber eines derart nachgerüsteten Fahrzeugs werden auf diese Weise Risiken aufgebürdet, die er nach seiner berechtigten Erwerbserwartung nicht tragen muss. Die Darlegungs- und Beweislast für die einen nachträglichen Schadenswegfall begründenden Tatsachen und dementsprechend auch das Risiko der Unaufklärbarkeit liegt - entgegen OLG Braunschweig (Urteil vom 19.02.2019, 7 U 134/17, BeckRS 2019, 2737) - nicht beim Käufer, sondern bei der Volkswagen AG, für die dieser Umstand nach den Grundsätzen der Normen-Theorie günstig wäre (vgl. Heese, Herstellerhaftung für manipulierte Diesel-Kraftfahrzeuge - Ein Streifzug durch die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, JZ 2020, 178 - 189 m. w. N.). Es spricht nach dem gegenwärtigen Stand der Diskussion vieles dafür, dass das Softwareupdate in Ansehung der Stickoxid-Emissionen keinen rechtskonformen Zustand herbeigeführt hat. Nach aktuellen Feststellungen des Bundesumweltamtes etwa mindert das an Fahrzeugen mit dem Motor der Reihe EA 189 angewendete Update solche Emissionen jedenfalls im Realbetrieb durchschnittlich lediglich „um rund 25 %“ sie liegen damit immer noch bei mehr als dem Dreifachen des Laborgrenzwertes (Umweltbundesamt, Reale Stickoxidemissionen von Diesel-Pkw nach wie vor zu hoch, Pressemitteilung vom 11.09.2019, abrufbar unter www.umweltbundesamt.de). Während die Zulassungsbehörden KBA und VCA (britische Vehikel Certification Agency) der Volkswagen AG attestiert hatten, dass das Update nicht zu negativen Abweichungen bei wesentlichen Fahrzeugparametern führe, berichtet das Bundesumweltamt zudem von „deutlich höheren Emissionen auch bei CO2 bzw. höherem Kraftstoffverbrauch“ (vgl. Umweltbundesamt, a. a. O.). Darüber hinaus besteht der Verdacht, dass im Wege des Updates lediglich eine unzulässige Abschalteinrichtung durch eine andere ersetzt wurde. Das OLG Wien hat das im Wege des Updates offenbar unstreitig in die Motorsteuerung implementierte „Thermofenster“, das eine außentemperatur-abhängige Steuerung der Abgasrückführung bewirkt, ausdrücklich abweichend vom KBA als unzulässig eingestuft und ist auf dieser Grundlage vom Fortbestand des Fahrzeugmangels ausgegangen (OLG Wien, Teilurteil vom 30.10.2019 - 4 R 62/19 w, BeckRS 2019, 29766 Rn. 29 ff.). Andere Gerichte haben die rechtliche Bewertung dieser Technologie dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (vgl. VG Schleswig, Vorlagebeschluss vom 20.11.2019 - 3 A 113/18, BeckRS 2019, 29226, Rn. 7; Landgericht Frankenthal, Vorlagebeschluss vom 02.09.2019 - 2 O 13/19, BeckRS 2019, 20340).
Nach alledem ist nach dem gegenwärtigen Diskussionsstand prozessual davon auszugehen, dass das Softwareupdate weder zu einer Beseitigung des Mangels noch zum Fortfall der ungewollten Verbindlichkeit geführt hat.
b.)
Aufgrund der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den Kaufpreis in Höhe von 34.000,-- € zu erstatten, wobei der Kläger Zug um Zug die aus dem Kaufvertrag vom 30.7.2014 erlangten Vorteile an die Beklagte herauszugeben hat. Der Kläger muss sich die erlangten Nutzungsvorteile in Höhe von 14.775,22 € € anrechnen lassen.
Der Kläger hat aufgrund des ihm in sittenwidriger Weise vorsätzlich zugefügten Schadens grundsätzlich einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages vom 31.07.2014. Die Beklagte hat den Kläger so zu stellen, als hätte er diesen Vertrag nicht geschlossen. Grundsätzlich hat die Beklagte dem Kläger mithin den Kaufpreis in Höhe von 34.000,00 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu erstatten, wobei der Kläger sich gem. § 249 Abs. 1 BGB im Wege der Vorteilsausgleichung die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen muss (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, juris)
Den Wert dieser Nutzungsvorteile schätzt der Senat gem. § 287 ZPO auf 14.775,22 €.
Grundsätzlich wird der Wert von Gebrauchsvorteilen bei der Eigennutzung beweglicher Sachen nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung berechnet, also nach einem Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebrauch und der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer der Sache unter Berücksichtigung des Wertes der Sache bzw. des vereinbarten Kaufpreises (BGH, Urteil vom 31.03.2006, V ZR 51/05, NJW 2006, 1582, Rn. 12). Bei Kraftfahrzeugen wird die Höhe des Wertersatzes gem. § 287 ZPO berechnet, indem der vereinbarte Bruttokaufpreis zugrunde gelegt und auf die Nutzungsdauer umgerechnet wird. Die Gebrauchsvorteile werden mit dem Teil des Kaufpreises gleichgesetzt, der der Dauer der tatsächlichen Nutzung im Verhältnis zur vertraglich vorausgesetzten Nutzungszeit entspricht (BGH, Beschluss vom 09.12.2014, VIII ZR 196/13, Rn. 3; Urteil vom 09.04.2014, VIII ZR 215/13, NJW 2014, 2435, Rn. 6 und 11 f).
Nach der Rechtsprechung des Senats ist von einer durchschnittlichen Gesamtfahrleistung bei Fahrzeugen mit Motoren der Baureihe EA 189 bis zu 2.0 Liter Hubraum von 250.000 km auszugehen (OLG Schleswig, Urteil vom 19.03.2020, Az. 7 U 100/19; Urteil vom 26.03.2020, 7 U 189/19 jeweils m.w.N.). Soweit der Kläger von einer Gesamtnutzungsdauer über 300.000 km - 500.000 km Laufleistung ausgeht, gibt es dafür keine verlässlichen Anhaltspunkte. Es mag sein, dass bei Fahrzeugen der Oberklasse durchaus auch eine geschätzte Gesamtfahrleistung von 300.000 km und mehr erreicht werden kann, dies ist für den hier streitgegenständlichen Pkw jedoch nicht maßgeblich. Insbesondere ist in diesem Rahmen auch zu berücksichtigen, dass die Fahrleistung eines Pkw's nicht allein von der Lebensdauer des Motors (differenziert nach Größe und Leistung) abhängt, sondern auch von dem fortschreitenden Lebensalter und dem technischen Fortschritt, weil eine Unterhaltung älterer Fahrzeuge zunehmend unwirtschaftlich wird. Liebhaber oder Bastler mögen Autos länger fahren können als ein durchschnittlicher Kraftfahrzeughalter, auf welchen hier im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO allein abzustellen ist (vgl. auch OLG Schleswig, Urteil vom 20.03.2020, 17 U 101/19).
Von der Vorteilsanrechnung im Rahmen der üblichen linearen Betrachtung ist in besonderen Ausnahmefällen dann abzuweichen, wenn der Korridor durchschnittlicher jährlicher Fahrleistungen deutlich verlassen wird. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. In diesem Fall muss der Berechnungsweg realitätsnah angepasst werden. Typischerweise bewegen sich jährliche Fahrleistungen bei Diesel-Kfz nämlich im Bereich zwischen 15.000 und 25.000 km pro Jahr. Realitätsnah ist von einer durchschnittlichen Maximallebensdauer von Diesel-Pkw über 15 Jahre auszugehen (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 20.03.2020, 17 U 101/19). Deshalb muss der lineare Berechnungsweg, bei dem die Höhe der Vorteilsanrechnung allein von den tatsächlich gefahrenen Kilometern und der geschätzten Gesamtfahrleistung abhängt, entsprechend angepasst werden. Der Kläger hat während seiner Besitzzeit (31.07.2014 - 26.05.2020) durchschnittlich nur ca. 9.000 km pro Jahr zurückgelegt. Bei einer derartigen jährlichen Fahrleistung würden gut 27 Jahre benötigt, um eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km zu erreichen. Die Annahme einer derartigen Lebensdauer ist bei heutigen Dieselfahrzeugen aber realitätsfremd. Realitätsnah ist stattdessen - ausgehend von einer durchschnittlichen Maximallebensdauer von 15 Jahren - in diesem Fall von einer geschätzten Gesamtfahrleistung von lediglich 135.000 km auszugehen (= 15 Jahre x 9.000 km). Abzüglich der bei Erwerb bereits gefahrenen 16.500 km ist deshalb von einer geschätzten Gesamt(rest-)laufleistung zum Zeitpunkt des Erwerbs von 118.500 km auszugehen. Bezogen auf den Bruttokaufpreis von 34.000,00 € errechnet sich hieraus nach der Formel (Multiplikation des Bruttokaufpreises mit den gefahrenen Kilometern [hier 51.496 km], dividiert durch die im Kaufzeitpunkt zu erwartende Gesamtlaufleistung [hier lediglich 118.500 km]) ein Nutzungsvorteil von 14.775,22 €.
Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen seit Rechtshängigkeit ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
2.
Die Beklagte befindet sich nicht in Annahmeverzug.
Der Kläger hat der Beklagten im Hinblick darauf, dass er in dem Schreiben vom 27.11.2018 (Anlage K 5) die Erstattung des gesamten Kaufpreises in Höhe von 34.000,-- € verlangt und sich noch bis in die Berufungsinstanz gegen die Anrechnung eines entsprechend hohen Nutzungsersatzes gewehrt hat, die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs nicht zu den Bedingungen angeboten, von denen er sie im Hinblick auf den im Wege der Vorteilsausgleichung geschuldeten und vom Kaufpreis in Abzug zu bringenden Nutzungsersatz hätte abhängig machen dürfen. Er hat damit durchgängig die Zahlung eines deutlich höheren Betrags verlangt, als er hätte beanspruchen können. Ein zur Begründung von Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten geeignetes Angebot ist unter diesen Umständen nicht gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020, VI ZR 252/19, juris Rn. 85; BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 275/04, BGHZ 163, 381, 390, insoweit nicht vollständig mitabgedruckt, juris Rn. 30).
3.
Der auf Feststellung einer weiteren Schadenersatz-/Aufwendungsersatzpflicht gerichtete Antrag ist nach § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig. Bereits die Formulierung des Feststellungsantrages ist zu weitgehend, weil die Beklagte nicht verpflichtet ist, jegliche „weiteren Aufwendungen“ für das streitgegenständliche Fahrzeug zu ersetzen. Im Übrigen fehlen Anknüpfungstatsachen, die auf etwaige weitere Schäden hinsichtlich des streitbefangenen Fahrzeuges hindeuten könnten. Es fehlt deshalb das notwendige Feststellungsinteresse.
4.
Der Kläger hat keinen Anspruch aus §§ 849, 246 BGB gegen die Beklagte auf Zahlung deliktischer Zinsen. Insoweit hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Ein entsprechender Zinsschaden ist unbegründet (OLG Schleswig, Urteil vom 19.03.2020, 7 U 100/19, SchlHA 2020, 192 - 200; Urteil vom 22.11.2019, 17 U 44/19, veröffentlicht in juris). Zwar wurde dem Kläger aufgrund der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung durch die Beklagte der Kaufpreis im Sinne von § 849 BGB entzogen. Allerdings erhielt er dafür eine andere Sache, nämlich das streitgegenständliche Fahrzeug, sodass die fehlende Nutzbarkeit des Kaufbetrages in der Folgezeit ausreichend kompensiert worden ist.
5.
Der Kläger hat schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Grundsätzlich sind Rechtsanwaltskosten zwar nach §§ 826, 249 BGB ersatzfähig, wenn sie aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteil vom 08.11.1994 - VI ZR 3/94, NJW 1995, 446 - 447). Der Kläger ließ die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 27.11.2018 (Anlage K 5) im Hinblick auf die manipulierte Motorsteuerung auf Schadenersatz in Anspruch nehmen. Zu diesem Zeitpunkt konnte und durfte der Kläger aber nicht mehr davon ausgehen, dass die Beklagte „freiwillig“ dessen Anspruch erfüllen würde. Vielmehr war es weitgehend öffentlich und insbesondere den Prozessbevollmächtigten des Klägers, die gerichtsbekannt eine Vielzahl sog. „VW-Geschädigte“ vertraten und vertreten, genau bekannt, dass die Beklagte auf derartige Aufforderungen nicht oder lediglich ablehnend reagierte. Den heutigen Prozessbevollmächtigten des Klägers war im November 2018 bekannt, dass VW nicht freiwillig zum Schadenersatz bereit war. Diese Kenntnis muss sich der Kläger nach § 166 BGB zurechnen lassen. Das außergerichtliche Tätigwerden war daher weder erforderlich noch zweckmäßig, sondern generierte lediglich Gebührenansprüche, die unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht (§ 254 BGB) nicht ersatzfähig sind (OLG Schleswig, Urteil vom 26.03.2020, 7 U 189/19 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Bei der Betrachtung der Verhältnisse des Obsiegens und Verlierens der Parteien war hinsichtlich der Berechnung des Nutzungsvorteils auf den aktuellen Kilometerstand, die geschätzte Gesamtlaufleistung und eine entsprechende individuelle Anpassung wegen der verhältnismäßig geringen tatsächlichen Jahreskilometerleistung abzustellen. Der Kläger war zwar grundsätzlich bereit, sich einen entsprechenden Nutzungsabzug nach dem Ermessen des Gerichts anrechnen zu lassen, dies allerdings auf Basis einer von ihm geschätzten Gesamtlaufleistung von 300.000 km - 500.000 km. Das ist noch einmal durch die Anhörung im Termin am 26.05.2020 deutlich geworden, wonach der Kläger - unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung - noch mindestens 27.000,00 € Schadenersatz verlangt. Diese Forderung war deutlich zu hoch. Auch hinsichtlich seiner Forderung nach deliktischen Zinsen dringt der Kläger nicht durch mit der Folge, dass er insoweit auch anteilige Kosten zu übernehmen hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern divergierende Entscheidungen der Oberlandesgerichte eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die umstrittene Frage, inwieweit den Käufern eines VW-Fahrzeugs mit einem Motor, dessen Steuerungssoftware den Stickstoffausstoß beim Durchfahren des neuen europäischen Fahrzyklusses auf dem Prüfstand reguliert, ein Ersatzanspruch nach §§ 826, 31 BGB zusteht, ist inzwischen höchstrichterlich geklärt (BGH, Urteil vom 25.5.2020, VI ZR 252/19, veröffentlicht in juris). Im Übrigen handelt es sich bei der Entscheidung um einen Einzelfall, der seinen Schwerpunkt in der tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts hat.