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  • 27.05.2020 · IWW-Abrufnummer 215892

    Amtsgericht Schleiden: Beschluss vom 12.03.2020 – 13 OWi 18/20 (b)

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    13 OWi 18/20 [b]

    Amtsgericht Schleiden    

    Beschluss

    In dem Verfahren

    xxx

    wegen    Verkehrsordnungswidrigkeit

    Die Bußgeldstelle wird angewiesen, dem Verteidiger des Betroffenen die vollständige Messreihe zu der ihn betreffenden Messung zu übersenden. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.

    Gründe

    Der Betroffene steht in Verdacht die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h überschritten zu haben.

    Der Verteidiger hat mit Schreiben vom 13.02.2020 die Übersendung der gesamten Messsequenz verlangt. Dies wurde durch die Polizei mit Hinweis darauf abgelehnt, dass es für die Herausgabe der gesamten Daten einer richterlichen Anordnung bedürfe. Hierauf hat der Verteidiger des Betroffenen mit Schreiben vom 28.02.2020 Antrag auf gerichtliche Entscheidung auf die Übersendung der Daten des Messfilms in einem für die Verteidigung auslesbaren Dateiformat gestellt.

    II.

    Der Antrag ist zulässig und in der Sache auch begründet, soweit die Übersendung der Daten der gesamten Messsequenz begehrt werden. Soweit die Verteidigerin die Übersendung der Daten in einem anderen als dem Original-Format begehrt, ist der Antrag zurück zu weisen.

    Zwar ist es dem Gericht bewusst, dass es sich bei dem im vorliegenden Verfahren verwendeten Messverfahren ESO ES 3.0 um ein sogenanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne der obergerichtlichen Rechtsprechung handelt und die Messdaten des Tattages als solche nicht Aktenbestandteil im engeren Sinne sind, so dass sie grundsätzlich nicht dem Akteneinsichtsrecht nach § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 147 StPO unterfallen.

    Jedoch hält das Amtsgericht Schleiden die Zurverfügungstellung der Daten an die Verteidigerin für unabdinglich, um dem Betroffenen das ihm zustehende rechtliche Gehör zu gewähren und ein faires Verfahren zu gewährleisten. Die dem Verfahren zu Grunde liegenden Messdaten sind — soweit sie den Betroffenen selbst betreffen ¬Grundlage und originäres unveränderliches Beweismittel des Tatvorwurfs, so dass diese in jedem Fall dem Betroffenen zugänglich zu machen sind.

    Jedoch besteht nach Ansicht des Gerichts darüber hinaus auch ein Einsichtsrecht in die übrigen Messdaten der Messreihe, da es dem Betroffenen bzw. seiner Verteidigung nur mit deren Hilfe möglich ist, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein standardisiertes Messverfahren auch tatsächlich vorliegen. Es ist nämlich Aufgabe der Verteidigung — im Rahmen des standardisierten Messverfahrens — dem Gericht — soweit dies nicht aus der Akte ersichtlich ist — konkrete Anhaltspunkte aufzuzeigen auf Grundlage derer Zweifel an der ordnungsgemäßen Funktion des Geräts geboten sind. Dies ist aber nur möglich, wenn der Verteidiger nicht nur die Daten des Betroffenen, sondern die Daten des gesamten Messvorgangs zur Prüfung erhält, da sich nur aus dem gesamten Messfilm Abweichungen ergeben können, die auf eine Fehlfunktion des Gerätes zum Zeitpunkt der Messreihe hindeuten. Der entsprechende Anspruch steht dem Betroffenen bzw. dessen Verteidiger auch schon gegenüber der aktenführenden Behörde zu, da der Verteidiger bereits dann entscheiden kann, ob er es auf ein gerichtliches Verfahren ankommen lässt oder nicht.

    Entscheidet er sich nach Einsicht in die Messreihe dafür, so ist schon vor der Hauptverhandlung dem Informatiönsinteiesse des Betroffenen genüge getan und ein reibungsloser Ablauf des gerichtlichen Verfahrens gewährleistet, da es nicht durch eine insoweit unnötige Unterbrechung zur Einsichtnahme in die Messreihe — die vor Ort durch das Gericht ohnehin nicht gewährt werden kann — verzögert wird. Vielmehr wird der Betroffene in die Lage versetzt, in der Hauptverhandlung sachdienliche Beweisanträge zu stellen und so seine Interessen zu wahren.

    Ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der anderen auf den anderen Daten festgehaltenen Verkehrsteilnehmer ist aus Sicht des Gerichts ebenfalls nicht gegeben da es — ebenso wie das Amtsgericht Trier (Beschluss vom 25.10.2016, Az. 35 OWi 780/16, zitiert nach juris) davon ausgeht, dass der Anspruch auf ein faires Verfahren insoweit als höherrangiges Recht anzusehen ist und jedenfalls eine Rechtfertigung des Eingriffs darstellt. Desweiteren ist es zu berücksichtigen, dass eine Identifizierung der anderweitig abgebildeten Fahrer ohne weitere Ermittlungen kaum möglich ist. Eine Veröffentlichung der Messreihe würde — jedenfalls für einen Verteidiger als Organ der Rechtspflege — einen derart schweren Verstoß gegen Standesrecht darstellen, dass ein solches Vorgehen kaum zu befürchten ist.

    Jedoch besteht seitens der Verteidigung kein Anspruch auf die Umwandlung der Dateien in ein für die Verteidigung auslesbares Dateiformat.

    Dem Verteidiger ist der Messfilm, wie er sich bei der Behörde befindet zu übersenden. Dass die Daten unter Umständen bei der Behörde in einem Format gespeichert sind, welches nicht durch jedes Programm lesbar ist, ändert nichts daran, dass der Anspruch des Betroffenen auf die Gewährung rechtlichen Gehörs gewahrt wurde. Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers erstreckt sich auf den Zustand der Akten, in dem sich diese zum Zeitpunkt des Akteneinsichtsgesuchs befinden. Es existiert weder ein Recht, noch eine Verpflichtung der Behörde oder des Gerichts, die Datenträger bzw. die darauf befindlichen Daten durch eine Umformatierung abzuändern (vgl. zum Ganzen AG Peine, Beschluss vom 13.03.2008, Az. 2 OWi 2/08 zitiert nach juris). Folglich ist dem Verteidiger ein Messfilm in der Form vorzulegen, in dem er sich zum Zeitpunkt des Akteneinsichtsgesuchs befindet.

    Die Umwandlung der Messdateien in ein sogenanntes „gängiges Format" hätte zudem zur Folge, dass die notwendige Verschlüsselung der Dateien nicht mehr gewährleistet wäre und — auch durch den Verteidiger nicht feststellbar wäre — ob diese vorgelegen hat. Die ordnungsgemäße Verschlüsselung und Unveränderbarkeit der Dateien ergibt sich gerade nur aus dem Originalformat des Messfilms.

    Das Risiko, dass der Verteidiger die vorliegenden Daten mit eigenen Mitteln nicht zu öffnen vermag, entstammt seiner Risikosphäre. In einem solchen Fall ist es dem Verteidiger durchaus zuzumuten, sich mit einem privaten Sachverständigen, der über die Mittel, die betreffenden Daten zu öffnen verfügt, in Verbindung zu setzen oder eben bei der zuständigen Behörde, die dies angeboten hat, von seinem Akteneinsichtsrecht Gebrauch zu machen. Einen Anspruch auf eine Zurverfügungstellung der Software zur Öffnung der Dateien besteht nicht.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO.

    Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar, § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 62 Abs. 2 S. 2 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

    Diese Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG unanfechtbar.