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  • 15.05.2019 · IWW-Abrufnummer 208906

    Oberverwaltungsgericht Lüneburg: Beschluss vom 14.01.2019 – 12 ME 170/18

    Im Verwaltungsverfahren zum Erlass einer Fahrtenbuchanordnung darf in der Regel auch dann von einer nicht hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters an der Aufklärung einer Verkehrsordnungswidrigkeit ausgegangen werden, wenn dieser im Bußgeldverfahren einen Anhörungsbogen nicht zurückgesandt hatte, der ihn als etwaigen Zeugen darüber belehrte, er sei zwar bei einer Vernehmung grundsätzlich zeugnispflichtig, nicht aber verpflichtet, der Bitte zu folgen, den verantwortlichen Fahrzeugführer auf dem Anhörungsbogen mitzuteilen.


    OVG Lüneburg

    Beschluss vom 14.1.2019


    Zum Sachverhalt

    Mit seiner Beschwerde wendet sich der Ast. dagegen, dass es das VG Oldenburg (Beschl. v. 7.9.2018 – 7 B 3242/18, BeckRS 2018, 35712) abgelehnt hat, ihm vorläufigen Rechtsschutz gegen die sofortige Vollziehung des Bescheids der Ag. vom 25.7.2018 zu gewähren. Durch diesen Bescheid wurde ihm unter Anordnung des Sofortvollzugs aufgegeben, für den auf ihn zugelassenen Personenkraftwagen mit dem Kennzeichen D. (oder ein Ersatzfahrzeug) vom 1.9.2018 bis zum 31.8.2019 ein Fahrtenbuch zu führen, da die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich gewesen sei, der mit diesem Wagen am 23.7.2016 um 12.37 Uhr auf der E.-Straße in F. die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um (nach Toleranzabzug) 32 km/h überschritten habe. In einem gegen den Ast. zuvor geführten Bußgeldverfahren war er trotz zahlreicher Ähnlichkeiten mit dem Messfoto nach Einholung eines anthropologischen Gutachtens (in Beiakte – BA – 2; Ergebnis: Nichtidentität wahrscheinlich) von dem Vorwurf freigesprochen worden, die Verkehrsordnungswidrigkeit vom 23.7.2016 selbst begangen zu haben. Die Beschwerde wurde zurückgewiesen.

    Aus den Gründen

    II.

    Die dargelegten Beschwerdegründe, die allein der Senat gem. § 146 IV 6 VwGO zu prüfen hat, genügen teilweise nicht den Anforderungen, die gem. § 146 IV 3 VwGO an ihre Darlegung unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung zu stellen sind, und vermögen im Übrigen in der Sache nicht zu überzeugen.

    Um sich iSd § 146 IV 3 VwGO mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen, muss ein Beschwerdeführer von der Begründungsstruktur dieser Entscheidung ausgehen und das Entscheidungsergebnis in Frage stellen (Stuhlfauth in Bader ua, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 146 Rn. 31). Die erforderliche Dichte seiner eigenen Ausführungen hat sich dabei an der Dichte der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu orientieren (Eyermann/Happ, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22 a). Je intensiver diese Entscheidung begründet ist, umso eingehender muss der Beschwerdeführer die sie tragende Argumentation entkräften. Es reicht deshalb grundsätzlich nicht aus, wenn er lediglich eine eigene Würdigung der Sach- und Rechtslage vorträgt, die im Ergebnis von derjenigen des VG abweicht. Vielmehr muss er in der Regel den einzelnen tragenden Begründungselementen der angefochtenen Entscheidung geeignete Gegenargumente konkret gegenüberstellen und – soweit möglich – deren Vorzugswürdigkeit darlegen (OVG Lüneburg, ZNER 2017, 70 = NVwZ-RR 2017, 327 Ls. = BeckRS 2016, 55246, und Beschl. v. 10.2.2014 – 7 ME 105/13, BeckRS 2014, 47429). Hat das VG seine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, muss ein Beschwerdeführer zudem alle diese Begründungen angreifen (vgl. OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2006, 650 [650]; Stuhlfauth in Bader ua, § 146 Rn. 31, mwN).

    1. Mit dem Einwand, auch in formaler Hinsicht hätte die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer genaueren Begründung bedurft, da zwischen Freispruch und sofortiger Vollziehung 16 Monate vergangen seien, wendet sich der Ast. gegen die unter I 1 wiedergegebenen Erwägungen der Vorinstanz (abrufbar unter BeckRS 2019, 267). Seiner Kritik ist jedoch nicht zu folgen. Denn das formelle Begründungserfordernis des § 80 III 1 VwGO beschränkt sich grundsätzlich darauf, diejenigen Gründe anzugeben, welche die Behörde positiv bestimmt haben, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes zu bejahen. Nicht geboten ist deshalb eine Auseinandersetzung mit Umständen, welche sie insoweit ohnehin erkennbar für unerheblich gehalten hat. Schon aus den Ausführungen der Ag. im sechsten Absatz und dem ersten Satz des siebenten Absatzes auf der S. 3 des umstrittenen Bescheides vom 25.6.2018 ergab sich für den Ast. hinreichend, dass die Ag. den Gesichtspunkt der verstrichenen Zeit für nicht geeignet hielt, das im Interesse der Verkehrssicherheit bestehende Bedürfnis entfallen zu lassen, ihm zur Gewährleistung der Aufklärung und (auch präventiv wirkenden) Ahndung von mit dem Fahrzeug (D) begangenen Verkehrsverstößen eine Fahrtenbuchführungspflicht aufzuerlegen. Hatte sie aber das von dem Ast. hervorgehobene Zeitmoment bereits an dieser Stelle für unerheblich erachtet, galt Gleiches erkennbar auch für das nachfolgend auf der S. 4 des Bescheides erneut erwähnte und nun zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges herangezogene öffentliche Interesse an der Sicherung einer Ermittlung des jeweiligen Fahrzeugführers. Ohne Bedeutung in der Prüfung des § 80 III 1 VwGO ist, ob der insoweit eingenommene Standpunkt der Ag. zutreffend war. Denn die inhaltliche Richtigkeit der Erwägungen, die von der Behörde zur Bejahung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung herangezogen werden, zählt nicht zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des formellen Begründungserfordernisses nach § 80 III 1 VwGO (vgl. Funke-Kaiser in Bader ua, § 80 Rn. 54, mwN).

    2. Die Beschwerdegründe des Ast., die das materielle Recht betreffen, greifen ebenfalls nicht durch.

    a) Der Ast. rügt, die Vorinstanz habe es zu Unrecht als eine nicht hinreichende Mitwirkung an der Fahrerermittlung im Bußgeldverfahren betrachtet (vgl. oben unter I 2 a), dass er nach Erhalt des Anhörungsbogens vom 27.7.2016 keine Angaben über den für die Verkehrsordnungswidrigkeit vom 23.7.2016 verantwortlichen Fahrzeugführer gemacht habe. Das VG hätte ihm nicht vorwerfen dürfen, er habe dadurch eine im Bußgeldverfahren bestehende Mitwirkungsverpflichtung nicht erfüllt. Denn er sei in dem Anhörungsbogen vom 27.7.2016 für den Fall, dass er die Ordnungswidrigkeit nicht begangen habe, über das Nichtbestehen einer solchen Mitteilungsverpflichtung wie folgt belehrt worden:
    „Wenn Sie die Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben, werden Sie hiermit als … Zeuge angehört. Teilen Sie bitte innerhalb einer Woche ab Zugang dieses Schreibens … die Personalien des Verantwortlichen … mit; hierzu sind sie nicht verpflichtet.“

    Diese Beschwerdegründe des Ast. vermögen nicht zu überzeugen.

    Die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuchs setzt nicht voraus, dass die Nichtfeststellbarkeit des verantwortlichen Fahrzeugführers auf einer – aus welchem Grund auch immer – unzureichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters an den Ermittlungen der Verfolgungsbehörde im Bußgeldverfahren beruht (OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.11.2017 – 12 LA 98/17, BeckRS 2017, 154712 und Beschl. v. 14.7.2016 – 12 ME 109/16, BeckRS 2016, 135142). Es kommt vielmehr für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 a I 1 StVZO allein darauf an, dass der verantwortliche Fahrer mit zumutbarem Aufwand der Verfolgungsbehörde nicht festzustellen war. Ohne Belang ist also insbesondere, ob den Fahrzeughalter ein Verschulden an der Nichtfeststellbarkeit des Fahrzeugführers trifft. Das entspricht dem gefahrenabwehrrechtlichen Charakter der Regelung über die Fahrtenbuchanordnung mit dem Ziel, die Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs bei gegebenem Anlass dadurch zu gewährleisten, dass in Zukunft der Täter einer Verkehrsordnungswidrigkeit über das Fahrtenbuch alsbald ermittelt werden kann (BVerfG, NJW 1982, 568; BVerwG, NJW 1989, 2704; OVG Lüneburg, zfs 2007, 119 = BeckRS 2007, 21336; BeckRS 2008, 36393 = zfs 2008, 356 und Beschl. v. 1.3.2016 – 12 LA 105/15, BeckRS 2016, 135140).

    Da eine mangelnde Mitwirkung des Fahrzeughalters an der Ermittlung des Fahrzeugführers nicht den rechtfertigenden Grund für die Auferlegung einer Fahrtenbuchführungspflicht bildet, können Mitwirkungsmängel für die Bejahung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 a I 1 StVZO nur eine mittelbare Bedeutung haben. Diese besteht darin, dass dann, wenn eine mangelnde Mitwirkung vorliegt, dies regelmäßig dazu führt, dass der Verfolgungsbehörde weitere eigene Ermittlungen nicht zuzumuten sind und sich der Fahrzeughalter den Einwand abschneidet, die Feststellung des Fahrzeugführers sei nach der Verkehrszuwiderhandlung sehr wohl möglich gewesen, hätten nur solche weiteren Ermittlungen stattgefunden. Ob die Mitwirkung eines Fahrzeughalters ausreicht, hängt dabei nicht entscheidend davon ab, ob er im Bußgeldverfahren durchsetzbare Rechtspflichten, wie etwa die dort grundsätzlich bestehende Zeugnispflicht (vgl. § 46 II OWiG iVm § 161 a I 1 StPO, § 46 V OWiG) verletzt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.11.2017 – 12 LA 98/17, BeckRS 2017, 154712 und Beschl. v. 14.7.2016 – 12 ME 109/16, BeckRS 2016, 135142) oder ihm dies sogar „vorzuwerfen“ ist. Das kann unter anderem schon daraus gefolgert werden, dass es – wie das VG zutreffend ausgeführt hat – kein „doppeltes Recht“ des Fahrzeughalters gibt, nach einem mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Verkehrsverstoß zur Täterschaft (unter Berufung auf ein ihm zustehendes Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht) keine Angaben zu machen, aber gleichwohl eine Fahrtenbuchanordnung abzuwehren. Vielmehr darf auch ein vollständig rechtmäßiges Verhalten des Fahrzeughalters im Bußgeldverfahren in dem diesem Verfahren nachfolgenden Verwaltungsverfahren zur Anordnung einer Fahrtenbuchführung – unter rein gefahrenabwehrrechtlichem Blickwinkel – als Obliegenheitsverletzung gewürdigt werden, welche den Umfang der Ermittlungen reduziert, die von der Verfolgungsbehörde im Bußgeldverfahren unternommen worden sein müssen, damit im Rahmen des § 31 a I 1 StVZO davon ausgegangen werden darf, die Feststellung des Fahrzeugführers sei nicht möglich gewesen.

    Allerdings hatte der beschließende Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des VGH Mannheim (NJW 2009, 3802) angenommen, dass die behördlichen Maßnahmen zur Feststellung des Fahrzeugführers gegebenenfalls auch eine zusätzliche Zeugenanhörung des Halters umfassen müssten, um von einer Obliegenheitsverletzung im soeben umrissenen Sinne ausgehen zu können, aber eine solche Zeugenanhörung nicht ordnungsgemäß vorgenommen worden sei, wenn dabei eine Belehrung des oben zitierten Inhalts erfolgt war und der Anhörungsbogen keine weiteren Hinweise für eine etwaige zeugenschaftliche Vernehmung enthielt. Denn diese Belehrung sei falsch, da sie mit dem zu weitgehenden Hinweis verbunden sei, der Fahrzeughalter sei zur Benennung des Verantwortlichen nicht verpflichtet (OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.4.2012 – 12 ME 33/12, BeckRS 2012, 49999). Auf diese Rechtsprechung kann sich der Ast. aber aus zwei Gründen nicht erfolgreich zu berufen.

    Zum einen kann nach dem im Rahmen des § 31 a I 1 StVZO anzulegenden Maßstab (vgl. grundlegend BVerwG, NJW 1988, 1104) eine zusätzliche Zeugenanhörung des Halters nur dann geboten sein, wenn die Verfolgungsbehörde im Bußgeldverfahren bereits zu einem Zeitpunkt Hinweise darauf hatte, dass neben dem Halter für die Täterschaft auch andere Personen in Betracht kamen, zu dem gegenüber solchen anderen Personen die Verfolgungsverjährung (§ 26 III StVG) noch nicht eingetreten war. Lässt sich aber nicht bereits anhand des Messfotos, insbesondere unter Berücksichtigung von Alter und Geschlechts des Halters, ausschließen, dass dieser selbst der gesuchte Fahrzeugführer ist, sondern besteht sogar – wie hier – auf den ersten Blick eine ganz erhebliche Ähnlichkeit, liegen derartige Anhaltspunkte grundsätzlich erst dann vor, wenn der Halter selbst seine Täterschaft bestreitet. Das ist hier nicht geschehen, bevor die dreimonatige Verfolgungsverjährung der Verkehrsordnungswidrigkeit vom 23.7.2016 gegenüber anderen Personen als dem Ast. eingetreten war. Denn dieser hatte sich im Verfahren der Verfolgungsbehörde nicht zur Sache eingelassen und seinen am 6.10.2016 erhobenen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 23.9.2016 nicht sogleich begründet, sondern erstmalig in der Hauptverhandlung vor dem AG F. – Bußgeldrichter – am 21.12.2016 die Tat bestritten. Die durch den Erlass des Bußgeldbescheids gem. § 26 III StVG bewirkte Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate griff aber ausschließlich dem Ast. gegenüber als dem in diesem Bescheid genannten Betroffenen (MüKoStVR/Asholt, 2016, § 26 StVG Rn. 6, mwN). Allein die nunmehrige unsubstanziierte Behauptung des Ast., der Verfolgungsbehörde sei bekannt gewesen, dass er in G. einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb mit zahlreichen Arbeitnehmern betreibe, reicht indessen nicht aus, um überzeugend darzulegen, die Verfolgungsbehörde habe es trotz seiner Ähnlichkeit mit dem Messfoto bereits vor der Hauptverhandlung ernstlich in Betracht ziehen müssen, ein Arbeitnehmer dieses Betriebs könnte der gesuchte Fahrzeugführer sein. Vielmehr genügten solche allgemeinen Kenntnisse über die genannte Geschäftstätigkeit des Ast. nicht einmal, um das in Rede stehende Fahrzeug als einen so genannten Firmenwagen zu identifizieren, geschweige denn, um anzunehmen, dass dieses Fahrzeug neben dem Ast. diversen Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt werde.

    Zum anderen kann die oben angeführte Rechtsprechung (OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.4.2012 – 12 ME 33/12, BeckRS 2012, 49999) auf die vorliegende Gestaltung des Anhörungsbogens nicht übertragen werden. Denn die dem Ast. auf diesem Anhörungsbogen erteilte Belehrung ist in der hier umstrittenen Passage nicht zu weitgehend und falsch. Sie trifft vielmehr deshalb zu, da ein Fahrzeughalter – unabhängig vom Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts – im Bußgeldverfahren generell keiner Verpflichtung unterliegt, allein auf die Zusendung eines (auch oder allein) für Zeugen bestimmten Anhörungsbogens mit einer Mitteilung des Verantwortlichen an die Verfolgungsbehörde zu reagieren. Die Zusendung eines solchen Anhörungsbogens stellt nämlich keine Vernehmung dar. Gemäß § 46 II OWiG iVm § 161 a StPO besteht im Bußgeldverfahren weder eine Verpflichtung von Zeugen, schriftlich zur Sache auszusagen, noch, ohne vorherige ordnungsgemäße Ladung zwecks Einvernahme die Verfolgungsbehörde aufzusuchen oder diese anzurufen, um ihr so mündlich Angaben zur Sache zu machen (vgl. Kölbel, MüKOStPO, 2016, § 160 StPO Rn. 27 und § 161 a Rn. 3). Dass es – insbesondere bei fehlendem Zeugnisverweigerungsrecht – nicht generell an einer Zeugnispflicht mangelt, ergab sich aber für den Ast. aus dem der oben zitierten Passage nachfolgenden Text der Belehrung in dem Anhörungsbogen vom 27.7.2016, die sich mit der Möglichkeit einer (richterlichen) Vernehmung befasste. Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung bereits zutreffend anerkannt, dass eine zusätzliche förmliche Befragung (Vernehmung) als Zeuge keine stets erforderliche Voraussetzung für die Annahme einer Obliegenheitsverletzung im vorgenannten Sinne ist (vgl. BVerwG, NJW 1988, 1104), sondern hierzu sehr wohl bereits das Schweigen auf eine quasi hilfsweise schriftliche Anhörung als Zeuge genügen kann (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 21.4.2008 – 8 B 482/08, BeckRS 2008, 139980).

    b) Gegen die oben unter I 2 b wiedergegebenen Erwägungen der Vorinstanz wendet sich der Ast. mit der Begründung, im Zuge der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Fahrtenbuchanordnung sei zu beachten gewesen, dass der Verkehrsverstoß bei deren Erlass bereits zwei Jahre und zwei Tage zurückgelegen habe sowie nicht ersichtlich sei, aus welchem Grund 16 Monate zwischen seinem Freispruch und dem Ergehen der Anordnung hätten vergehen müssen. Außerdem sei diese funktionslos geworden.

    Auch diese Beschwerdegründe vermögen eine Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht zu rechtfertigen. Der Hinweis auf die zwischen dem Verkehrsverstoß und dem Erlass der Anordnung vergangene Zeit lässt bereits die gebotene Auseinandersetzung mit der Erwägung der Vorinstanz vermissen, bei der Berechnung des Zeitraums, welcher der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Anordnung zugrunde zu legen sei, müssten diejenigen Zeiten außer Acht bleiben, in denen der Fahrzeughalter die sich aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht ergebenden Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpfe. Die Kritik des Ast., es sei nicht ersichtlich, weshalb 16 Monate zwischen seinem Freispruch im Bußgeldverfahren und der Anordnung der Fahrtenbuchführungspflicht hätten vergehen müssen, geht schon nicht darauf ein, dass das VG die Ursache dieser Verzögerung in dem späten Zeitpunkt gesehen hat, zu dem die Verfügung der Staatsanwaltschaft Oldenburg vom 20.6.2018 erging. Dieser Zeitpunkt hatte aber seine maßgebliche Ursache ebenfalls im Verhalten des Ast. Denn dieser hatte nach seinem Freispruch nicht nur einen zu hohen Anspruch auf Erstattung seiner Kosten und Auslagen geltend gemacht und sodann gegen die gerichtliche Kostenfestsetzung einen unbegründeten Rechtsbehelf ergriffen. Er hatte zudem einen Teil seiner notwendigen Auslagen erst Mitte März 2018 geltend gemacht. Beides hatte zur Folge, dass die Bußgeldakte nicht umgehend an die Ag. abgegeben werden konnte, sondern immer wieder in Kostenstreitigkeiten und – angelegenheiten benötigt wurde, die der Ast. selbst verursacht hatte. Weshalb die so entstandene Verzögerung gleichwohl unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu seinen Gunsten wirken sollte, legt er nicht dar und ist auch nicht ersichtlich.

    Es kann auch keine Rede davon sein, dass die Fahrtenbuchanordnung im Hinblick darauf funktionslos geworden wäre, dass – wie der Ast. behauptet – derzeit keine Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten geführt würden, die von unbekannten Fahrzeugführern mit seinem Kraftfahrzeug (D.) begangen worden seien. Denn die Fahrtenbuchführungspflicht sichert über ihre Dauer die Aufklärbarkeit von potenziellen Zuwiderhandlungen, deren etwaige künftige Begehung sich grundsätzlich nie ausschließen lässt, solange das betroffene Fahrzeug oder ein Ersatzfahrzeug weiter gehalten wird. Die Anordnung wird daher während ihrer Laufzeit durch eine aktuell fehlende Begehung von Verkehrsordnungswidrigkeiten seitens unbekannter Führer des von ihr betroffenen Fahrzeugs ebenso wenig funktionslos, wie es etwa eine Versicherung bei mangelnden Schadensfällen im Versicherungsjahr ist.

    c) Der Ast. beanstandet erfolglos die unter I 2 c dargestellten Erwägungen der Vorinstanz (abrufbar unter BeckRS 2019, 267) mit der Begründung, die Dauer der Fahrtenbuchführungspflicht sei unverhältnismäßig. Er macht geltend, sein von der Anordnung betroffenes Fahrzeug werde täglich im Betrieb genutzt, so dass auch eine kürzere Dauer der Fahrtenbuchführungspflicht ihren Zweck erreiche. Die von der Vorinstanz angeführte Entscheidung des BVerwG betreffe ein nur saisonal genutztes Motorrad und damit keinen vergleichbaren Fall.

    Mit seinem Hinweis auf die Nutzungshäufigkeit des von der umstrittenen Anordnung betroffenen Fahrzeugs berücksichtigt der Ast. indessen nicht, dass die tägliche oder nahezu tägliche Nutzung eines Personenkraftwagens keine ungewöhnliche, sondern eine sehr häufige Fallgestaltung ist, die bei so genannten Firmenfahrzeugen und den Personenkraftwagen von Pendlern sogar die Regel darstellt. Es stellt deshalb keine Ermessensüberschreitung (vgl. § 114 S. 1 VwGO) der Ag. dar, diese Nutzungshäufigkeit nicht zum Anlass genommen zu haben, die an die Schwere der Zuwiderhandlung anknüpfende Dauer der Fahrtenbuchführungspflicht gegenüber dem Normalfall zu verkürzen. Inwiefern sich unter dem Gesichtspunkt der Zweckerreichung eine strikte Grenze für das Ermessen der Ag. ergeben soll, welche es ausschlösse, die Verpflichtung auf den hier gewählten Zeitraum zu erstrecken, legt der Ast. schon nicht ausreichend dar. Auch seine Kritik an dem Hinweis der Vorinstanz auf die oben unter I 2 c genannte Entscheidung des BVerwG vermag eine Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht zu rechtfertigen. Denn der beanstandete Hinweis hat erkennbar („Im Übrigen …“) lediglich einen ergänzenden Charakter und der Ast. entkräftet die dem Hinweis vorausgehenden, selbstständig tragenden Erwägungen der Vorinstanz nicht, die sich in den übrigen Sätzen des zweiten Absatzes auf der S. 6 der Abschrift des angefochtenen Beschlusses finden.

    RechtsgebieteStVZO, OWiG, StPOVorschriftenStVZO § 31 a I 1; OWiG § 46 II; StPO §§ 160, 161 a