02.05.2018 · IWW-Abrufnummer 201000
Amtsgericht Zwickau: Beschluss vom 17.04.2018 – 28 OWi 23/18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Amtsgericht Zwickau
Aktenzeichen: 28 OWi 23/18
Stadtverwaltung Zwickau BußGst Zwickau, GS 98.58201 n BC
BESCHLUSS
In dem Bußgeldverfahren gegen
Xxx
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
ergeht am 17.04.2018 durch das Amtsgericht Zwickau - Bußgeldrichterin - nachfolgende Entscheidung:
Der Betroffene verfolgt mit dem zuletzt gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Feststellung, dass die Verwaltungsbehörde verpflichtet sei im Zusammenhang mit einem u.a. wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes gegen ihn geführten Bußgeldverfahren zu Händen seines Verteidigers die gesamte Bildstrecke der im Original sowie den Beschilderungsplan zu übersenden.
Der Betroffene legte gegen den ihm am 16.11.2017 zugestellten Bußgeldbescheid vom 14.11.2017 fristgerecht Einspruch ein.
Der Verteidiger des Betroffenen erhielt vor Erlass des Bußgeldbescheids Akteneinsicht. Zu diesem Zeitpunkt war Aktenbestandteil unter anderem das handschriftlich ausgefüllte Überwachungsprotokoll zur Messung vom 01.09.2017, 14.45 Uhr bis 17.45 Uhr, mit dem mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsgerät Leivtec XV 3, der Eichschein zu dem im Messprotokoll genannten Geschwindigkeitsmessgerät, die Messfotos in Kopie nebst Beweisfotos zum Sachverhalt sowie die Schulungsbescheinigung des Messbeamten. Mit im Rechtsamt am 14.11.2017 eingegangenem Schreiben rügte er eine unzureichend gewährte Akteneinsicht auf dem Hintergrund, dass er entgegen seinem am 23.10.2017 gestellten Antrag u.a. den Beschilderungsplan, das Originalmessfoto in Hochglanz, die gesamte Bildserie der Messserie, die Gebrauchsanleitung des Messgeräts sowie die Lebensakte des Messgeräts, alternativ sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit der Wartung dieses Messgeräts, nicht erhalten habe. Die Verwaltungsbehörde teilte mit Schreiben vom 13.12.2017 mit, dass eine Lebendakte zum Messgerät nicht existiere und ein Beschilderungsplan nicht Bestandteil der Verfahrensakte sei, demzufolge nicht mit übersandt wurde. Mit weiterem Schreiben vom 04.01.2018 wird seitens der Verwaltungsbehörde unter gleichzeitiger Übersendung der Bedienungsanleitung, der Logdatei, des Beschilderungsplans sowie der Beweisbilder ergänzend ausgeführt, dass an dem eingesetzten Messgerät, welches am 20.09.2016 geeicht wurde mit am 31.12.2017 endender Eichfrist, bis zum 01.09.2017 keinerlei Reparaturen, Wartungen oder Eingriffe vorgenommen worden seien. Aus datenschutzrechtlichen Gründen komme eine Übersendung der kompletten Messserie nicht in Betracht.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. S 62 OWiG zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
Bei dem Geschwindigkeitsmessverfahren mittels dem hier zum Einsatz gekommenen mobilen Geschwindigkeitsmessgerät Leivtec XV 3 handelt es sich um ein sogenannten standardisiertes Messverfahren, bei dem die durch die PTB die grundsätzliche Zuverlässigkeit der Messung festgestellt wurde. Nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung reicht es bei einem standardisierten Messverfahren nicht aus, pauschal die Richtigkeit der Messung zu bezweifeln. Die Richtigkeit der Messung kann bei Einsatz eines standardisierten Messverfahrens nur mit der Darlegung von Anhaltspunkten, die für die Unrichtigkeit der Messung im konkreten Fall sprechen, angefochten werden. Dies setzt voraus, dass dem Verteidiger die entsprechenden Messunterlagen in Form der kompletten Messreihe zugänglich gemacht werden. Ein Verteidiger hat anderenfalls keinerlei Beglichkeiten, durch den Abgleich mit anderen Falldaten aus derselben Messserie konkrete Anhaltspunkte vorzutragen, die eine Unrichtigkeit der Messung zumindest möglich erscheinen lassen. Bei der Bewertung der Erfolgsaussichten eines die Richtigkeit der Messung angreifenden Einspruchs können gegebenenfalls auf dem übrigen Film erkennbare Besonderheiten, die sich nicht aus der konkreten Falldatei des einzelnen Betroffenen widerspiegeln, von Relevanz sein. Erst durch Abgleich der Falldaten des Betroffenen mit anderen Falldaten kann beispielsweise festgestellt werden, ob entgegen den Aufstellungsrichtlinien der während der laufenden Messung und damit der Messwinkel innerhalb der Messsequenz geändert wurde. Aus diesem Grund muss sich ein Verteidiger auch nicht darauf verweisen lassen, nur eine begrenzte Anzahl vor bzw. nach der konkreten Fal(datei übersandt zu bekommen.
Datenschutzrechtliche Bedenken stehen der Übersendung der Messserie nicht entgegen. Zwar werden durch die Zurverfügungstellung der gesamten Messreihe auch Messdaten in Form des Autokennzeichens nebst Fahrzeugtyp anderer Verkehrsteilnehmer sowie gefahrene Geschwindigkeit und Foto des Fahrzeugführers bekannt. Die insoweit beeinträchtigten Persönlichkeitsrechte der ebenfalls auf dem Messfllm ersichtlichen weiteren Verkehrsteilnehmer sind in ihrer Auswirkung abzuwägen gegen den Anspruch des Betroffenen auf ein faires Verfahren. Der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte Dritter ist allein bei der Übermittlung der Messserie als vergleichsweise gering anzusehen. Zum einen werden weder die Namen noch sonstige zur Persönlichkeitsidentifizierung geeignete Umstände bekannt. Der neutrale Betrachter kann dem Messfilm allein entnehmen, dass das Fahrzeug Typ X, mit Kennzeichen Y, besetzt mit einem männlichen/ weiblichen Fahrer/in zum Zeitpunkt der Messung die Straße Z befahren hat. Die Namen der Fahrer oder Halter oder Adressen werden nicht bekannt. Gemessen an dieser geringen Eingriffsintensität überwiegt der Anspruch eines Betroffenen, sich sachgerecht verteidigen zu können - was, wie oben ausgeführt, bei einem standardisierten Messverfahren nur mit Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des Messvorgangs möglich ist. Auch lässt sich allein durch Einsichtnahme in sämtliche der Verwaltungsbehörde bei Erlass des Bußgeldbescheids zur Verfügung stehenden Beweismittel für einen Betroffenen realistisch die Erfolgsaussicht eines gerichtlichen Einspruchsverfahrens abschätzen.
Soweit der Betroffene mit seinem Antrag weiter die Herausgabe des Beschilderungsplans anstrebte, ist prozessuale Überholung eingetreten, der Antrag damit unzulässig. Ein nachwirkendes Feststellungsinteresse besteht insoweit nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 62 Il 2 OWiG; 467 1 StPO analog. Eine Kostenteilung ist nicht veranlasst weil die Teilzurückweisung nicht ins Gewicht fällt.
Aktenzeichen: 28 OWi 23/18
Stadtverwaltung Zwickau BußGst Zwickau, GS 98.58201 n BC
BESCHLUSS
In dem Bußgeldverfahren gegen
Xxx
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
ergeht am 17.04.2018 durch das Amtsgericht Zwickau - Bußgeldrichterin - nachfolgende Entscheidung:
- Es wird festgestellt, dass die Verwaltungsbehörde dem Verteidiger auf einem von ihm bereit zu stellenden Speichermedium die gesamte Bildstrecke der Messserie vom 01.09.2017, 11.45 Uhr bis 17.45 Uhr, zur Verfügung zu stellen hat.
Im übrigen wird der Antrag als unzulässig zurückgewiesen. - Die Kosten des Verfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen falten der Staatskasse zur Last.
Der Betroffene verfolgt mit dem zuletzt gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Feststellung, dass die Verwaltungsbehörde verpflichtet sei im Zusammenhang mit einem u.a. wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes gegen ihn geführten Bußgeldverfahren zu Händen seines Verteidigers die gesamte Bildstrecke der im Original sowie den Beschilderungsplan zu übersenden.
Der Betroffene legte gegen den ihm am 16.11.2017 zugestellten Bußgeldbescheid vom 14.11.2017 fristgerecht Einspruch ein.
Der Verteidiger des Betroffenen erhielt vor Erlass des Bußgeldbescheids Akteneinsicht. Zu diesem Zeitpunkt war Aktenbestandteil unter anderem das handschriftlich ausgefüllte Überwachungsprotokoll zur Messung vom 01.09.2017, 14.45 Uhr bis 17.45 Uhr, mit dem mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsgerät Leivtec XV 3, der Eichschein zu dem im Messprotokoll genannten Geschwindigkeitsmessgerät, die Messfotos in Kopie nebst Beweisfotos zum Sachverhalt sowie die Schulungsbescheinigung des Messbeamten. Mit im Rechtsamt am 14.11.2017 eingegangenem Schreiben rügte er eine unzureichend gewährte Akteneinsicht auf dem Hintergrund, dass er entgegen seinem am 23.10.2017 gestellten Antrag u.a. den Beschilderungsplan, das Originalmessfoto in Hochglanz, die gesamte Bildserie der Messserie, die Gebrauchsanleitung des Messgeräts sowie die Lebensakte des Messgeräts, alternativ sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit der Wartung dieses Messgeräts, nicht erhalten habe. Die Verwaltungsbehörde teilte mit Schreiben vom 13.12.2017 mit, dass eine Lebendakte zum Messgerät nicht existiere und ein Beschilderungsplan nicht Bestandteil der Verfahrensakte sei, demzufolge nicht mit übersandt wurde. Mit weiterem Schreiben vom 04.01.2018 wird seitens der Verwaltungsbehörde unter gleichzeitiger Übersendung der Bedienungsanleitung, der Logdatei, des Beschilderungsplans sowie der Beweisbilder ergänzend ausgeführt, dass an dem eingesetzten Messgerät, welches am 20.09.2016 geeicht wurde mit am 31.12.2017 endender Eichfrist, bis zum 01.09.2017 keinerlei Reparaturen, Wartungen oder Eingriffe vorgenommen worden seien. Aus datenschutzrechtlichen Gründen komme eine Übersendung der kompletten Messserie nicht in Betracht.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. S 62 OWiG zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
Bei dem Geschwindigkeitsmessverfahren mittels dem hier zum Einsatz gekommenen mobilen Geschwindigkeitsmessgerät Leivtec XV 3 handelt es sich um ein sogenannten standardisiertes Messverfahren, bei dem die durch die PTB die grundsätzliche Zuverlässigkeit der Messung festgestellt wurde. Nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung reicht es bei einem standardisierten Messverfahren nicht aus, pauschal die Richtigkeit der Messung zu bezweifeln. Die Richtigkeit der Messung kann bei Einsatz eines standardisierten Messverfahrens nur mit der Darlegung von Anhaltspunkten, die für die Unrichtigkeit der Messung im konkreten Fall sprechen, angefochten werden. Dies setzt voraus, dass dem Verteidiger die entsprechenden Messunterlagen in Form der kompletten Messreihe zugänglich gemacht werden. Ein Verteidiger hat anderenfalls keinerlei Beglichkeiten, durch den Abgleich mit anderen Falldaten aus derselben Messserie konkrete Anhaltspunkte vorzutragen, die eine Unrichtigkeit der Messung zumindest möglich erscheinen lassen. Bei der Bewertung der Erfolgsaussichten eines die Richtigkeit der Messung angreifenden Einspruchs können gegebenenfalls auf dem übrigen Film erkennbare Besonderheiten, die sich nicht aus der konkreten Falldatei des einzelnen Betroffenen widerspiegeln, von Relevanz sein. Erst durch Abgleich der Falldaten des Betroffenen mit anderen Falldaten kann beispielsweise festgestellt werden, ob entgegen den Aufstellungsrichtlinien der während der laufenden Messung und damit der Messwinkel innerhalb der Messsequenz geändert wurde. Aus diesem Grund muss sich ein Verteidiger auch nicht darauf verweisen lassen, nur eine begrenzte Anzahl vor bzw. nach der konkreten Fal(datei übersandt zu bekommen.
Datenschutzrechtliche Bedenken stehen der Übersendung der Messserie nicht entgegen. Zwar werden durch die Zurverfügungstellung der gesamten Messreihe auch Messdaten in Form des Autokennzeichens nebst Fahrzeugtyp anderer Verkehrsteilnehmer sowie gefahrene Geschwindigkeit und Foto des Fahrzeugführers bekannt. Die insoweit beeinträchtigten Persönlichkeitsrechte der ebenfalls auf dem Messfllm ersichtlichen weiteren Verkehrsteilnehmer sind in ihrer Auswirkung abzuwägen gegen den Anspruch des Betroffenen auf ein faires Verfahren. Der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte Dritter ist allein bei der Übermittlung der Messserie als vergleichsweise gering anzusehen. Zum einen werden weder die Namen noch sonstige zur Persönlichkeitsidentifizierung geeignete Umstände bekannt. Der neutrale Betrachter kann dem Messfilm allein entnehmen, dass das Fahrzeug Typ X, mit Kennzeichen Y, besetzt mit einem männlichen/ weiblichen Fahrer/in zum Zeitpunkt der Messung die Straße Z befahren hat. Die Namen der Fahrer oder Halter oder Adressen werden nicht bekannt. Gemessen an dieser geringen Eingriffsintensität überwiegt der Anspruch eines Betroffenen, sich sachgerecht verteidigen zu können - was, wie oben ausgeführt, bei einem standardisierten Messverfahren nur mit Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des Messvorgangs möglich ist. Auch lässt sich allein durch Einsichtnahme in sämtliche der Verwaltungsbehörde bei Erlass des Bußgeldbescheids zur Verfügung stehenden Beweismittel für einen Betroffenen realistisch die Erfolgsaussicht eines gerichtlichen Einspruchsverfahrens abschätzen.
Soweit der Betroffene mit seinem Antrag weiter die Herausgabe des Beschilderungsplans anstrebte, ist prozessuale Überholung eingetreten, der Antrag damit unzulässig. Ein nachwirkendes Feststellungsinteresse besteht insoweit nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 62 Il 2 OWiG; 467 1 StPO analog. Eine Kostenteilung ist nicht veranlasst weil die Teilzurückweisung nicht ins Gewicht fällt.