11.04.2017 · IWW-Abrufnummer 193232
Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 30.11.2010 – I-1 U 99/09
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Düsseldorf
I-1 U 99/09
Tenor:
Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Klägerin wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 27.03.2009 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2007 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 85 % und die Beklagte zu 15 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
G r ü n d e :
2
I.
3
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Die Haftung der Beklagten dem Grunde ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflichtVG a.F.
4
Aufgrund des Verkehrsunfalls vom 01.08.2010 hat die Klägerin eine Verletzung am linken Oberarm und der linken Schulter sowie eine HWS-Distorsion erlitten. Diese Verletzungen rechtfertigen ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 €. Dagegen hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass die Klägerin unfallbedingt einen Bandscheibenvorfall im Segment C 6/C 7 erlitten hat. Auch ist nach der Beweisaufnahme nicht überwiegend wahrscheinlich, dass es aufgrund der nachgewiesenen Verletzungen am linken Oberarm und der linken Schulter zu ausstrahlenden Schmerzen im linken Arm mit intermetierendem Taubheitsgefühl und Kribbelparästhesien gekommen ist. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden, da die feststellbaren Verletzungen ausgeheilt sind und die noch bestehenden Beschwerden nicht unfallbedingt sind.
5
Im Einzelnen:
6
A. Klageantrag zu 1
7
1. Verletzung am linken Oberarm und der linken Schulter
8
Der Senat sieht auf der Grundlage der erhobenen Beweise die Verletzung der Klägerin am linken Oberarm und der linken Schulter als unfallbedingt an. Das Landgericht hat im Urteil vom 27.03.2009 ausgeführt, die Klägerin habe nicht bewiesen, dass sie unfallbedingt eine muskuläre Verspannung der Oberarmmuskulatur mit einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung im linken Oberarm erlitten habe. Nach den Ausführungen der Sachverständigen Prof. XXX und Prof. XXX sei zwar eine gewisse biomechanische Belastung nachvollziehbar. Die von der Klägerin geschilderten Schmerzen seien jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallgeschehen zurückzuführen. Die Beschwerden seien unspezifisch. Sie könnten auch unfallunabhängig auftreten. Objektivierbare Verletzungen am Arm oder an der Schulter hätten nicht vorgelegen. Die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung sei nicht ausreichend gewesen. Die Sachverständigen hätten nachvollziehbar ausgeführt, dass bei Gurtschlittentests mit kollisionsbedingten Geschwindigkeiten bis zu 14,9 km/h keine Schulterverletzungen hervorgerufen worden seien. Zudem sei der Ellbogen der Klägerin bei dem Unfall gebeugt gewesen. Sie spreche dagegen, dass es zu einer derartigen Kraftübertragung gekommen sei. Dieser Würdigung folgt der Senat nicht.
9
Das Landgericht hat bei seiner Beweiswürdigung bereits zu hohe Anforderungen, nämlich eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, an den Nachweis einer Verletzung gestellt. Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH NJW 2003, 1116; NJW 2008, 2845). Diese Gewissheit ergibt sich hier aus einer verständigen Gesamtwürdigung aller Umstände.
10
Für die Annahme einer unfallbedingten Verletzung spricht zunächst deutlich, dass die Klägerin vor dem Unfall keine Beschwerden am Arm und an der Schulter hatte. Eine frühere Behandlung in diesem Bereich haben weder der Hausarzt noch der Orthopäde Dr. med. XXX dokumentiert. Unstreitig ist zwar, dass die Klägerin seit Mitte der 90er Jahre Rückenbeschwerden hatte und sich zwei Operationen an der Lendenwirbelsäule unterziehen musste. Beschwerden am Arm und an der Schulter lagen vorher aber nicht vor.
11
Für die Annahme einer Verletzung spricht weiter, dass es in diesem Bereich eine Krafteinwirkung durch den Unfall gegeben hat. Die Klägerin war angegurtet und hielt während des Unfalls mit der linken Hand das Lenkrad fest. Dadurch kam es auch nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. XXX zu einer Übertragung der Kollisionsenergie in diese Körperregion. Auch wenn diese geringer war, weil die Klägerin nach ihren eigenen Angaben den Ellbogen gebeugt hatte, so ist doch ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Klägerin einen Tag nach dem Unfall über Beschwerden im Arm geklagt hat, die bis in die Schulter ausstrahlen.
12
Auch die erstbehandelnden Ärzte haben Schmerzen der Klägerin im linken Oberarm und der linken Schulter für nachvollziehbar gehalten. So hat der erstbehandelnde Arzt, Herr Dr. XXX, anlässlich seiner Untersuchung der Klägerin am 02.08.2005 eine muskuläre Verspannung der Oberarmmuskulatur, sehr wahrscheinlich traumatisch bedingt, diagnostiziert. Auch die Fachärzte für Chirurgie Dr. XXX und Dr. XXX haben am 18.08.2005 eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im linken Arm befundet.
13
Die Bedenken des Landgerichts, die Beschwerden seien unspezifisch, sie könnten auch nicht unfallbedingt aufgetreten sein, sind angesichts dieser Umstände wenig überzeugend, zumal das Landgericht offen lässt, weshalb sonst solche Beschwerden erstmals einen Tag nach dem Unfall aufgetreten sind. Eine andere plausible Ursache als eine Folge des Unfalls ist nicht ersichtlich. Hierauf weist auch der Sachverständige Prof. Dr. med. XXX in seinem Gutachten vom 16.08.2010 hin. Er führt aus, dass die meisten klinischen Symptome und auch Veränderungen in sogenannten „objektiven“ Untersuchungsverfahren, wie z.B. Röntgen oder Kernspintomografie, verschiedene Ursachen haben können. Aus diesem Grunde sei es lege artis, dass sich eine Diagnose nicht an einen einzigen Wert oder Befund orientiert, sondern in der Zusammenschau aller vorhandenen Befunde – seien es Röntgenaufnahmen oder Blutuntersuchungen, sowie klinische Untersuchungen und im Wesentlichen auch der Anamnese zusammensetzt. Es müsse hinterfragt werden, ob es früher schon einmal derartige Beschwerden gegeben habe, ob anderweitige Erkrankungen bestehen oder ob Tätigkeiten ausgeübt werden, die einen solchen Zustand auslösen könnten. Im vorliegenden Fall gebe es keinen Hinweis für eine grundliegende Erkrankung der Klägerin, die als Erklärung für das Auftreten der Beschwerden vordergründig wäre. Bis zum Unfallzeitpunkt habe keine Beschwerdesymptomatik im Bereich der linken Schulter der Klägerin vorgelegen. Aus diesem Grunde sei die Diagnose „unfallbedingte Zerrung“ im Bereich der linken Schulter und des linken Oberarms erste Wahl. Es bestehe aus Sicht des Sachverständigen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die genannten Beeinträchtigungen unfallbedingt seien. Diese überwiegende Wahrscheinlichkeit könne nur dann angezweifelt werden, wenn es medizinisch begründbare Alternativen, die eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Entstehung der Beschwerden zu diesem Zeitpunkt gehabt hätten, gibt. Weder der Vorgutachter, Prof. Dr. XXX, noch die vorhandenen ärztlichen Berichte erhielten einen derartigen Hinweis für alternative Diagnosen. Mag der Sachverständige Prof. Dr. XXX bei seiner Einschätzung auch nur das Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des § 287 ZPO im Blick gehabt haben, das hier nicht maßgeblich ist, so sieht der Senat darin doch ein weiteres Indiz für seine Überzeugung, dass die Verletzungen der Klägerin am linken Oberarm und der linken Schulter unfallbedingt sind.
14
2. HWS-Distorsion
15
Die durchgeführte Beweisaufnahme hat mit der notwendigen Sicherheit ergeben, dass die Klägerin unfallbedingt eine HWS-Distorsion erlitten hat. Dabei kommt der Klägerin die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO zu gute. Steht ‑ wie hier ‑ eine unfallbedingte Körperverletzung fest (Verletzung am Oberarm und der linken Schulter), so ist damit der Haftungsgrund (die haftungsbegründende Kausalität) gegeben. Ob der Verkehrsunfall über diese Verletzung hinaus weitere Körperschäden verursacht hat, ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, die dem Anwendungsbereich des § 287 ZPO unterliegt (BGH VersR 2009, 69 f.). Damit genügt es, wenn nach den Umständen des Einzelfalles bereits eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines weiteren Körperschadens besteht (BGH NJW‑RR 1987, 339; BGH NJW 1976, 1145).
16
Dieses Beweismaß der erheblichen Wahrscheinlichkeit ist erreicht. Nach der auch durch den erkennenden Senat getragenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes schließt allein der Umstand, dass sich ein Unfall mit einer geringen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung ereignet hat, sogar die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO von der Ursächlichkeit für eine HWS-Verletzung nicht aus. Vielmehr sind bei der Prüfung, ob ein Unfall eine solche Verletzung verursacht hat, stets die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (Senat, Urteil vom 30.06.2009, I- 1 U 161/08 mit Hinweis auf BGH NJW 2003, 1116). Es ist der Zustand des Unfallopfers vor dem Kollisionsereignis mit demjenigen danach zu vergleichen (BGH NJW-RR 2005, 897). Ergibt der Vergleich, dass nachher ein „Mehr“ an Verletzungen oder Beschwerden vorlag, so ist diese Verschlimmerung gegenüber dem Vorzustand eine Folge des Unfalls. Die Verschlimmerung entfällt nämlich, wenn man den Unfall wegdenkt (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. Dannert, Zeitschrift für Schadensrecht 2001, S. 50 ff.; Krücker in Graf-Grill-Wedig, Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule, S. 361, 368). Ausreichend ist in diesem Zusammenhang eine Mitursächlichkeit des Unfallereignisses, sei sie auch nur „Auslöser“ neben anderen Umständen (BGH NJW-RR 2005, 897; Senat, Urteil vom 30.06.2009, I – 1 U 126/08).
17
Bei der gebotenen Beweiswürdigung hat neben dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Auftreten der Beschwerden die Tatsache besonderes Gewicht, dass der Anspruchssteller bis zum Unfall beschwerdefrei war (BGH, NJW 2008, 1126). Bei der Bewertung darf auch nicht allein darauf abgestellt werden, dass die durch den Unfall auf die Klägerin einwirkenden Kräfte nicht ausreichend gewesen sind, um eine Verletzung der Halswirbelsäule hervorzurufen. Der Bundesgerichtshof hat auch für den hier vorliegenden Fall einer Frontalkollision eine „Harmlosigkeitsgrenze“ in Form einer geringen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung für ungeeignet erachtet, um eine Verletzung der Halswirbelsäule trotz entgegenstehender konkreter Hinweise auf eine entsprechende Verletzung generell auszuschließen. Es fehle an gesicherten medizinischen Erkenntnissen, nach denen HWS-Verletzungen bei Unfällen mit niedriger Anspruchsgeschwindigkeit und einer bestimmten Anordnung der beteiligten Fahrzeuge zueinander sehr wahrscheinlich oder gar gänzlich unmöglich seien. Auch wenn die Bewegungen eines Fahrers bei einer Heck- und bei einer Frontalkollision unterschiedlich sein können, lasse sich nicht ausschließen, dass es bei einer Frontalkollision zu einer Verletzung der Halswirbelsäule kommen kann. Die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung durch den Zusammenstoß zweier Fahrzeuge ist nicht die einzige Ursache für die Entstehung eines HWS-Syndroms, vielmehr sind hierfür eine Reihe weitere gewichtiger Faktoren ausschlaggebend, wie etwa die konkrete Sitzposition der Fahrzeuginsassen oder auch die unbewusste Drehung des Kopfes. Deshalb sei eine „Harmlosigkeitsgrenze“ der erwähnten Art auch für Verletzungsfolgen aus Frontalkollision ungeeignet. Bei der Prüfung, ob ein Unfall eine HWS-Verletzung verursacht habe, seien vielmehr stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BGH NJW 2008, 2845).
18
Bei der danach gebotenen Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Frontalkollision im Allgemeinen geeignet ist, eine HWS-Distorsion zu verursachen. Die Klägerin befand sich in einer Unfallsituation, in der als Unfallfolge das Auftreten von Beschwerden im HWS-Bereich möglich ist. Bei der Bewertung ist weiter zu berücksichtigen, dass bei einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von 8 – 12 km/h die Verletzungswahrscheinlichkeit gering, aber nicht ausgeschlossen ist. Deutlich für eine Unfallursächlichkeit spricht, dass die Klägerin vor der Kollision keine Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule hatte. Unstreitig ist zwar, dass die Klägerin seit Mitte der 90er Jahre Rückenbeschwerden hatte und sich zwei Operationen an der Lendenwirbelsäule unterziehen musste. Beschwerden an der Halswirbelsäule sind aber nicht dokumentiert.
19
Soweit die Klägerin nicht am Tag des Unfalls oder am nächsten Tag Beschwerden in an der Halswirbelsäule geäußert hat, spricht dies nicht durchgreifend gegen eine Unfallursächlichkeit. Nach der glaubhaften Auskunft der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. XXX sind die Beschwerden erstmals fünf Tage nach dem Unfall aufgetreten. Im Gegensatz zu Prof. Dr. XXX sieht Prof. Dr. XXX aus medizinischer Sicht einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Beschwerden an der Halswirbelsäule als gegeben an. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. med. XXX in diesem Zusammenhang aufgrund der Zeitspanne lediglich eine Wahrscheinlichkeit für eine Unfallursächlichkeit sieht, wird dies durch die geringere Wahrscheinlichkeit von Reserveursachen relativiert. Für die Beschwerden an der Halswirbelsäule sieht der Sachverständige durchaus anderweitige Diagnosen, auch wenn diese bezüglich der Wahrscheinlichkeit nicht gleichwertig einzustufen seien. An dieser Stelle sei zu nennen, dass auch verschleißbedingte Beschwerden der Halswirbelsäule auftreten könnten und somit als Ursache für die vorhandenen Probleme infrage kommen. Das erstmalige Auftreten einer verschleißbedingten Symptomatik im Bereich der Halswirbelsäule in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall müsse aber als sehr unwahrscheinlich eingestuft werden.
20
3. Ausstrahlende Schmerzen im linken Arm
21
Die Klägerin hat dagegen nicht bewiesen, dass die ausstrahlenden Schmerzen im linken Arm mit intermetierendem Taubheitsgefühl und Kribbelparästesien krankheitsbedingt sind. Dabei kommt der Klägerin zwar die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute. Denn aufgrund des Nachweises einer Primärverletzung im linken Arm und der linken Schulter reicht für den Nachweis der Unfallfolgen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit aus.
22
Die erhobenen Beweise vermögen dem Senat aber nicht die erforderliche Überzeugung zu vermitteln. Das Landgericht hat in diesem Punkt zutreffend ausgeführt, es könne nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die im Dezember 2005 von der Physiotherapeutin XXX dokumentierten ausstrahlenden Schmerzen im linken Arm der Klägerin mit intermetierendem Taubheitsgefühl und Kribbelparästesien auf den Unfall zurückzuführen seien. Wenn diese Beschwerden unfallbedingt seien, wäre zu erwarten gewesen, dass sie bereits zu einem erheblichen früheren Zeitpunkt aufgetreten wären. Die von der Klägerin geschilderte Schmerzausstrahlung sei auch mit den Röntgenaufnahmen und Kernspintomografien nicht vereinbar. Die Röntgenaufnahme vom 18.08.2005 sowie die Kernspintomografie vom 02.05.2006 zeigten degenerative Veränderungen mit Betonung des Segments C 6/C 7. Es sei daher nicht die von der Klägerin beschriebene Schmerzausstrahlung, sondern eine solche entsprechend dem Segment C 7 linksseitig zu erwarten gewesen.
23
Diese Beweiswürdigung ist nicht in Zweifel zu ziehen. Das Landgericht weist zutreffend darauf hin, dass die Beschwerden der Klägerin erst aufgrund der Stellungnahme der Physiotherapeutin XXX vom 15.06.2007 seit Dezember 2005 dokumentiert sind. Bei ihrer Untersuchung durch den Sachverständigen Prof. XXX gab die Klägerin an, solche Beschwerden seien ab Oktober/November 2005 aufgetreten. Der ärztlichen Bescheinigung des Dr. med. XXX vom 08.06.2006 ist zu entnehmen, dass sich die Klägerin dort zuletzt am 16.09.2005 vorgestellt und über Schmerzen im Ellbogengelenk bis zum Handgelenk ziehend, geklagt hat. Die zuvor beschriebenen HWS-Beschwerden lagen demnach zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor. Dies steht im Einklang mit der dem Senat aus anderen Verfahren bereits bekannten Erkenntnissen, dass nach einem Schleudertrauma nur die Beschwerden meist innerhalb von Tagen bis Wochen abklingen. Der Sachverständige Prof. XXX führt ebenfalls nachvollziehbar aus, dass im Falle eines Ursachenzusammenhangs dem Unfall eine solche Schmerzausstrahlung bis in den Daumen der linken Hand zu einem erheblich früheren Zeitpunkt hätte auftreten müssen (Seite 35 des Gutachtens). Das demnach anzunehmende weitgehend beschwerdefreie Intervall spricht dagegen, dass die Beschwerden, die die Physiotherapeutin dokumentiert hat, auf das Unfallereignis zurückzuführen sind.
24
Auch eine Mitverursachung der Schmerzen durch den Unfall ist nicht nachgewiesen. Nach den Ausführungen des Prof. Dr. med. XXX deuten derartige Schmerzen und Kribbelparästesien auf eine Nervenreizung hin. Eine solche Nervenreizung könne durch verschleißbedingte Veränderungen, sowie einen Bandscheibenvorfall verursacht werden. Es gebe auch Fälle, dass derartige Beschwerden durch eine traumatische Reizung eines Nerves auftritt, z.B. eine Zerrung. Auch können entzündliche Veränderungen, wie sie z.B. durch einen Diabetes Mellitus verursacht werden, derartige Schmerzen auslösen. Wenn es sich um eine entzündliche Veränderung eines Nerves handelt, dann sei der Verlauf der Beschwerden kontinuierlich. Ebenso finde man dies bei traumatisch bedingten Nervenläsionen und Nervenreizungen, nämlich in der Form, dass unfallbedingt die Beschwerden ausgelöst werden und dann über einen längeren Zeitraum fortbestehen. Bei degenerativen Veränderungen sei es wiederum typisch, dass derartige Beschwerden nicht als Dauerschmerz oder Dauerbeschwerden und auch nicht kontinuierlich bestehen. Hierfür sei vielmehr ein wellenförmiges Beschwerdebild typisch, d.h. die Beschwerden seien mal stärker mal weniger stark. Mangels ausreichend dokumentiertem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang des Auftretens der genannten Beschwerden und mangels ausreichender Dokumentation einer fortlaufenden Beschwerdesymptomatik könne von Gutachterseite aus die Wahrscheinlichkeit einer unfallbedingten Verletzung mit ausstrahlenden Schmerzen mit intermetierendem Taubheitsgefühl und Kribbelparästesien nicht bestätigt werden.
25
4. Bandscheibenvorfall
26
Letztlich hat die Klägerin auch nicht die Unfallursächlichkeit des Verkehrsunfalls für den Bandscheibenvorfall im Segment C 6/C 7 nachgewiesen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Beweismaßes des § 287 Abs. 1 ZPO. Der Bandscheibenvorfall ist erstmalig am 02.05.2006 festgestellt worden. Der Sachverständige XXX weist zudem darauf hin, dass in zeitlichem engen Zusammenhang zum Unfall eine deutlich degenerative Veränderung mit knöchernen Randausziehungen im genannten Segment festgestellt wurde. Hierbei sei zwangsläufig immer eine Vorwölbung der Bandscheibe vorhanden. Komme es dagegen durch ein Unfallgeschehen zu einem traumatischen Bandscheibenvorfall, sei von einer entsprechenden Symptomatik auszugehen, d.h. in diesem Fall seien typische Beschwerden zu erwarten, die mit einem Bandscheibenvorfall zusammenhängen. Hierzu gehörten Gefühlsstörungen, die dem betreffenden Segment eindeutig zuzuordnen sind. Darüber hinaus gehörten hierzu Lähmungserscheinungen bis hin zur Querschnittssymptomatik. Auch eine Reflexdifferenz, sowie typische neurologische Befunde bei neurophysiologischen Untersuchungen seien hier zu erwarten. Wenn es durch einen Unfall zu einem derartigen traumatischen Bandscheibenvorfall komme, so gebe es eine Beschwerdesymptomatik, die auf eine solche Verletzung hindeute und die von ärztlicher Seite aus zur weitergehenden Untersuchung einen Anlass gebe.
27
Die Tatsache, dass die erstbehandelnden Orthopäden zwar ein Röntgenbild, jedoch keine Kernspintomografie veranlassten, deute darauf hin, dass hier keine Symptomatik bestanden habe, welche die behandelnden Ärzte dazu veranlasst hätte, eine weitergehende Untersuchung durchzuführen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Unfall keine große Krafteinwirkung hatte und eine bereits bestehende Bandscheibenvorwölbung aufgrund der degenerativen Veränderungen, welche eindeutig nachgewiesen seien, verschlimmert hätte, dann wäre auf jeden Fall auch frühzeitig eine entsprechende Symptomatik zu erwarten gewesen. Auch hätte eine solche Symptomatik die Hinzuziehung eines Neurologen nahegelegt. Es bestehe jedoch in den vorhandenen Unterlagen ein Zeitraum zwischen der letzten dokumentierten Untersuchung bei Dr. XXX am 16.09.2005 und der ersten Untersuchung bei Dr. XXX am 11.04.2006 von gut einem halben Jahr. Eine durchgehende Beschwerdesymptomatik sei aus diesem Grunde nicht dokumentiert. Aus diesem Grunde spreche die Wahrscheinlichkeit mehr dagegen als dafür, dass die Bandscheibenvorwölbung mit dem Unfall in Zusammenhang stehe.
28
5. Höhe des Schmerzensgeldes
29
Das Schmerzensgeld gehört nach § 11 Satz 2 StVG zu den ersatzfähigen Schadenspositionen. Das Schmerzensgeld hat eine doppelte Funktion. Es dient dem Ausgleich und der Genugtuung (BGH NJW 1993,781). In Bezug auf die Höhe des Ausgleichs des immateriellen Schadens kommt es auf das Ausmaß der konkreten Lebensbeeinträchtigung des Geschädigten an, also auf Art und Umfang der unfallbedingten (physischen und psychischen) Verletzungen und Verletzungsfolgen, insbesondere die Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, die in Anspruch genommenen therapeutischen Hilfen (Operationen und Krankenhausaufenthalte), den voraussichtlichen weiteren Krankheitsverlauf, den zu befürchtenden Dauerschaden sowie die Auswirkungen auf das berufliche und soziale Leben des Verletzten (BGH VersR 1955, 615). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 € für gerechtfertigt.
30
Dabei ist zu berücksichtigen, dass lediglich die Verletzung am linken Arm und der linken Schulter sowie die HWS-Distorsion, ohne Folgewirkungen, berücksichtigt werden können. Nach den Feststellungen des Dr. med. XXX waren bereits am 16.09.2005 keine Folgen der HWS-Distorsion mehr feststellbar. Vorhanden waren zu diesem Zeitpunkt noch Schmerzen im Ellbogengelenk bis zum Handgelenk ziehend. Bezüglich dieser Schmerzens geht der Senat davon aus, dass sie in üblicher Zeit ausgeheilt sind. Denn nach den Auskünften der Zeugin XXX waren im Dezember 2005 lediglich noch ausstrahlende Schmerzen im linken Arm mit intermetierendem Taubheitsgefühl und Kribbelparästhesien an. Diese Veränderung sind nach dem Urteil beider Gerichtsgutachter aber nicht mehr unfallbedingt. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes kann daher nur von einer Ausheilungsphase von 6 – 8 Wochen ausgegangen werden mit den üblichen Beschwerden. Zur Abgeltung dieser Unfallfolgen hält der Senat ein Schmerzensgeld von 1.500 € für ausreichend.
31
Eine Erhöhung des Schmerzensgeldes wegen des Regulierungsverhaltens der Beklagten ist nicht vorzunehmen. Zwar kann eine zögerliche Regulierung der Haftpflichtversicherung ohne nachvollziehbaren Grund zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen (beispielshaft OLG Hamm VersR 2004, 780 für den Fall eines verweigerten Vorschusses). Solche Umstände sind aber nicht ersichtlich. Die Beklagte war berechtigt, eine Verletzung der Klägerin durch den Unfall und insbesondere den Umfang der Verletzungsfolgen in Zweifel zu ziehen. Aus diesem Grunde war sie nicht gehalten, eine Abschlagszahlung auf ein etwaiges Schmerzensgeld zu leisten.
32
Die zugesprochenen Zinsen beruhen auf §§ 280, 286, 288 BGB in Verbindung mit dem anwaltlichen Mahnschreiben vom 19.01.2007.
33
B. Klageantrag zu 2
34
Der Feststellungsantrag der Klägerin ist bereits unzulässig.
35
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz bereits eingetretener und künftiger Schäden nur zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse ist zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH MDR 2007, 792; VersR 2001, 876; VersR 2001, 874).
36
Aus Sicht der geschädigten Klägerin ist bei verständiger Würdigung aller Umstände kein Grund gegeben, mit dem Eintritt eines unfallbedingten Zukunftsschaden zu rechnen. Auch eine entfernte Möglichkeit von Zukunftsschäden lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin hat unfallbedingt Schmerzen in der linken Schulter und im linken Arm sowie eine HWS-Distorsion I erlitten. Derartige Verletzungen heilen üblicherweise folgenlos aus. Auch die beiden gerichtlichen Sachverständigen konnten keine zukünftigen unfallbedingten Schadensfolgen benennen. Vielmehr waren die bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsbeeinträchtigungen sämtlich nicht unfallbedingt.
37
II.
38
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
39
Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren: 10.000 € (8.000 € + 2.000 €).
I-1 U 99/09
Tenor:
Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Klägerin wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 27.03.2009 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2007 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 85 % und die Beklagte zu 15 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
G r ü n d e :
2
I.
3
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Die Haftung der Beklagten dem Grunde ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflichtVG a.F.
4
Aufgrund des Verkehrsunfalls vom 01.08.2010 hat die Klägerin eine Verletzung am linken Oberarm und der linken Schulter sowie eine HWS-Distorsion erlitten. Diese Verletzungen rechtfertigen ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 €. Dagegen hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass die Klägerin unfallbedingt einen Bandscheibenvorfall im Segment C 6/C 7 erlitten hat. Auch ist nach der Beweisaufnahme nicht überwiegend wahrscheinlich, dass es aufgrund der nachgewiesenen Verletzungen am linken Oberarm und der linken Schulter zu ausstrahlenden Schmerzen im linken Arm mit intermetierendem Taubheitsgefühl und Kribbelparästhesien gekommen ist. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden, da die feststellbaren Verletzungen ausgeheilt sind und die noch bestehenden Beschwerden nicht unfallbedingt sind.
5
Im Einzelnen:
6
A. Klageantrag zu 1
7
1. Verletzung am linken Oberarm und der linken Schulter
8
Der Senat sieht auf der Grundlage der erhobenen Beweise die Verletzung der Klägerin am linken Oberarm und der linken Schulter als unfallbedingt an. Das Landgericht hat im Urteil vom 27.03.2009 ausgeführt, die Klägerin habe nicht bewiesen, dass sie unfallbedingt eine muskuläre Verspannung der Oberarmmuskulatur mit einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung im linken Oberarm erlitten habe. Nach den Ausführungen der Sachverständigen Prof. XXX und Prof. XXX sei zwar eine gewisse biomechanische Belastung nachvollziehbar. Die von der Klägerin geschilderten Schmerzen seien jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallgeschehen zurückzuführen. Die Beschwerden seien unspezifisch. Sie könnten auch unfallunabhängig auftreten. Objektivierbare Verletzungen am Arm oder an der Schulter hätten nicht vorgelegen. Die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung sei nicht ausreichend gewesen. Die Sachverständigen hätten nachvollziehbar ausgeführt, dass bei Gurtschlittentests mit kollisionsbedingten Geschwindigkeiten bis zu 14,9 km/h keine Schulterverletzungen hervorgerufen worden seien. Zudem sei der Ellbogen der Klägerin bei dem Unfall gebeugt gewesen. Sie spreche dagegen, dass es zu einer derartigen Kraftübertragung gekommen sei. Dieser Würdigung folgt der Senat nicht.
9
Das Landgericht hat bei seiner Beweiswürdigung bereits zu hohe Anforderungen, nämlich eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, an den Nachweis einer Verletzung gestellt. Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH NJW 2003, 1116; NJW 2008, 2845). Diese Gewissheit ergibt sich hier aus einer verständigen Gesamtwürdigung aller Umstände.
10
Für die Annahme einer unfallbedingten Verletzung spricht zunächst deutlich, dass die Klägerin vor dem Unfall keine Beschwerden am Arm und an der Schulter hatte. Eine frühere Behandlung in diesem Bereich haben weder der Hausarzt noch der Orthopäde Dr. med. XXX dokumentiert. Unstreitig ist zwar, dass die Klägerin seit Mitte der 90er Jahre Rückenbeschwerden hatte und sich zwei Operationen an der Lendenwirbelsäule unterziehen musste. Beschwerden am Arm und an der Schulter lagen vorher aber nicht vor.
11
Für die Annahme einer Verletzung spricht weiter, dass es in diesem Bereich eine Krafteinwirkung durch den Unfall gegeben hat. Die Klägerin war angegurtet und hielt während des Unfalls mit der linken Hand das Lenkrad fest. Dadurch kam es auch nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. XXX zu einer Übertragung der Kollisionsenergie in diese Körperregion. Auch wenn diese geringer war, weil die Klägerin nach ihren eigenen Angaben den Ellbogen gebeugt hatte, so ist doch ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Klägerin einen Tag nach dem Unfall über Beschwerden im Arm geklagt hat, die bis in die Schulter ausstrahlen.
12
Auch die erstbehandelnden Ärzte haben Schmerzen der Klägerin im linken Oberarm und der linken Schulter für nachvollziehbar gehalten. So hat der erstbehandelnde Arzt, Herr Dr. XXX, anlässlich seiner Untersuchung der Klägerin am 02.08.2005 eine muskuläre Verspannung der Oberarmmuskulatur, sehr wahrscheinlich traumatisch bedingt, diagnostiziert. Auch die Fachärzte für Chirurgie Dr. XXX und Dr. XXX haben am 18.08.2005 eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im linken Arm befundet.
13
Die Bedenken des Landgerichts, die Beschwerden seien unspezifisch, sie könnten auch nicht unfallbedingt aufgetreten sein, sind angesichts dieser Umstände wenig überzeugend, zumal das Landgericht offen lässt, weshalb sonst solche Beschwerden erstmals einen Tag nach dem Unfall aufgetreten sind. Eine andere plausible Ursache als eine Folge des Unfalls ist nicht ersichtlich. Hierauf weist auch der Sachverständige Prof. Dr. med. XXX in seinem Gutachten vom 16.08.2010 hin. Er führt aus, dass die meisten klinischen Symptome und auch Veränderungen in sogenannten „objektiven“ Untersuchungsverfahren, wie z.B. Röntgen oder Kernspintomografie, verschiedene Ursachen haben können. Aus diesem Grunde sei es lege artis, dass sich eine Diagnose nicht an einen einzigen Wert oder Befund orientiert, sondern in der Zusammenschau aller vorhandenen Befunde – seien es Röntgenaufnahmen oder Blutuntersuchungen, sowie klinische Untersuchungen und im Wesentlichen auch der Anamnese zusammensetzt. Es müsse hinterfragt werden, ob es früher schon einmal derartige Beschwerden gegeben habe, ob anderweitige Erkrankungen bestehen oder ob Tätigkeiten ausgeübt werden, die einen solchen Zustand auslösen könnten. Im vorliegenden Fall gebe es keinen Hinweis für eine grundliegende Erkrankung der Klägerin, die als Erklärung für das Auftreten der Beschwerden vordergründig wäre. Bis zum Unfallzeitpunkt habe keine Beschwerdesymptomatik im Bereich der linken Schulter der Klägerin vorgelegen. Aus diesem Grunde sei die Diagnose „unfallbedingte Zerrung“ im Bereich der linken Schulter und des linken Oberarms erste Wahl. Es bestehe aus Sicht des Sachverständigen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die genannten Beeinträchtigungen unfallbedingt seien. Diese überwiegende Wahrscheinlichkeit könne nur dann angezweifelt werden, wenn es medizinisch begründbare Alternativen, die eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Entstehung der Beschwerden zu diesem Zeitpunkt gehabt hätten, gibt. Weder der Vorgutachter, Prof. Dr. XXX, noch die vorhandenen ärztlichen Berichte erhielten einen derartigen Hinweis für alternative Diagnosen. Mag der Sachverständige Prof. Dr. XXX bei seiner Einschätzung auch nur das Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des § 287 ZPO im Blick gehabt haben, das hier nicht maßgeblich ist, so sieht der Senat darin doch ein weiteres Indiz für seine Überzeugung, dass die Verletzungen der Klägerin am linken Oberarm und der linken Schulter unfallbedingt sind.
14
2. HWS-Distorsion
15
Die durchgeführte Beweisaufnahme hat mit der notwendigen Sicherheit ergeben, dass die Klägerin unfallbedingt eine HWS-Distorsion erlitten hat. Dabei kommt der Klägerin die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO zu gute. Steht ‑ wie hier ‑ eine unfallbedingte Körperverletzung fest (Verletzung am Oberarm und der linken Schulter), so ist damit der Haftungsgrund (die haftungsbegründende Kausalität) gegeben. Ob der Verkehrsunfall über diese Verletzung hinaus weitere Körperschäden verursacht hat, ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, die dem Anwendungsbereich des § 287 ZPO unterliegt (BGH VersR 2009, 69 f.). Damit genügt es, wenn nach den Umständen des Einzelfalles bereits eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines weiteren Körperschadens besteht (BGH NJW‑RR 1987, 339; BGH NJW 1976, 1145).
16
Dieses Beweismaß der erheblichen Wahrscheinlichkeit ist erreicht. Nach der auch durch den erkennenden Senat getragenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes schließt allein der Umstand, dass sich ein Unfall mit einer geringen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung ereignet hat, sogar die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO von der Ursächlichkeit für eine HWS-Verletzung nicht aus. Vielmehr sind bei der Prüfung, ob ein Unfall eine solche Verletzung verursacht hat, stets die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (Senat, Urteil vom 30.06.2009, I- 1 U 161/08 mit Hinweis auf BGH NJW 2003, 1116). Es ist der Zustand des Unfallopfers vor dem Kollisionsereignis mit demjenigen danach zu vergleichen (BGH NJW-RR 2005, 897). Ergibt der Vergleich, dass nachher ein „Mehr“ an Verletzungen oder Beschwerden vorlag, so ist diese Verschlimmerung gegenüber dem Vorzustand eine Folge des Unfalls. Die Verschlimmerung entfällt nämlich, wenn man den Unfall wegdenkt (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. Dannert, Zeitschrift für Schadensrecht 2001, S. 50 ff.; Krücker in Graf-Grill-Wedig, Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule, S. 361, 368). Ausreichend ist in diesem Zusammenhang eine Mitursächlichkeit des Unfallereignisses, sei sie auch nur „Auslöser“ neben anderen Umständen (BGH NJW-RR 2005, 897; Senat, Urteil vom 30.06.2009, I – 1 U 126/08).
17
Bei der gebotenen Beweiswürdigung hat neben dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Auftreten der Beschwerden die Tatsache besonderes Gewicht, dass der Anspruchssteller bis zum Unfall beschwerdefrei war (BGH, NJW 2008, 1126). Bei der Bewertung darf auch nicht allein darauf abgestellt werden, dass die durch den Unfall auf die Klägerin einwirkenden Kräfte nicht ausreichend gewesen sind, um eine Verletzung der Halswirbelsäule hervorzurufen. Der Bundesgerichtshof hat auch für den hier vorliegenden Fall einer Frontalkollision eine „Harmlosigkeitsgrenze“ in Form einer geringen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung für ungeeignet erachtet, um eine Verletzung der Halswirbelsäule trotz entgegenstehender konkreter Hinweise auf eine entsprechende Verletzung generell auszuschließen. Es fehle an gesicherten medizinischen Erkenntnissen, nach denen HWS-Verletzungen bei Unfällen mit niedriger Anspruchsgeschwindigkeit und einer bestimmten Anordnung der beteiligten Fahrzeuge zueinander sehr wahrscheinlich oder gar gänzlich unmöglich seien. Auch wenn die Bewegungen eines Fahrers bei einer Heck- und bei einer Frontalkollision unterschiedlich sein können, lasse sich nicht ausschließen, dass es bei einer Frontalkollision zu einer Verletzung der Halswirbelsäule kommen kann. Die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung durch den Zusammenstoß zweier Fahrzeuge ist nicht die einzige Ursache für die Entstehung eines HWS-Syndroms, vielmehr sind hierfür eine Reihe weitere gewichtiger Faktoren ausschlaggebend, wie etwa die konkrete Sitzposition der Fahrzeuginsassen oder auch die unbewusste Drehung des Kopfes. Deshalb sei eine „Harmlosigkeitsgrenze“ der erwähnten Art auch für Verletzungsfolgen aus Frontalkollision ungeeignet. Bei der Prüfung, ob ein Unfall eine HWS-Verletzung verursacht habe, seien vielmehr stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BGH NJW 2008, 2845).
18
Bei der danach gebotenen Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Frontalkollision im Allgemeinen geeignet ist, eine HWS-Distorsion zu verursachen. Die Klägerin befand sich in einer Unfallsituation, in der als Unfallfolge das Auftreten von Beschwerden im HWS-Bereich möglich ist. Bei der Bewertung ist weiter zu berücksichtigen, dass bei einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von 8 – 12 km/h die Verletzungswahrscheinlichkeit gering, aber nicht ausgeschlossen ist. Deutlich für eine Unfallursächlichkeit spricht, dass die Klägerin vor der Kollision keine Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule hatte. Unstreitig ist zwar, dass die Klägerin seit Mitte der 90er Jahre Rückenbeschwerden hatte und sich zwei Operationen an der Lendenwirbelsäule unterziehen musste. Beschwerden an der Halswirbelsäule sind aber nicht dokumentiert.
19
Soweit die Klägerin nicht am Tag des Unfalls oder am nächsten Tag Beschwerden in an der Halswirbelsäule geäußert hat, spricht dies nicht durchgreifend gegen eine Unfallursächlichkeit. Nach der glaubhaften Auskunft der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. XXX sind die Beschwerden erstmals fünf Tage nach dem Unfall aufgetreten. Im Gegensatz zu Prof. Dr. XXX sieht Prof. Dr. XXX aus medizinischer Sicht einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Beschwerden an der Halswirbelsäule als gegeben an. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. med. XXX in diesem Zusammenhang aufgrund der Zeitspanne lediglich eine Wahrscheinlichkeit für eine Unfallursächlichkeit sieht, wird dies durch die geringere Wahrscheinlichkeit von Reserveursachen relativiert. Für die Beschwerden an der Halswirbelsäule sieht der Sachverständige durchaus anderweitige Diagnosen, auch wenn diese bezüglich der Wahrscheinlichkeit nicht gleichwertig einzustufen seien. An dieser Stelle sei zu nennen, dass auch verschleißbedingte Beschwerden der Halswirbelsäule auftreten könnten und somit als Ursache für die vorhandenen Probleme infrage kommen. Das erstmalige Auftreten einer verschleißbedingten Symptomatik im Bereich der Halswirbelsäule in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall müsse aber als sehr unwahrscheinlich eingestuft werden.
20
3. Ausstrahlende Schmerzen im linken Arm
21
Die Klägerin hat dagegen nicht bewiesen, dass die ausstrahlenden Schmerzen im linken Arm mit intermetierendem Taubheitsgefühl und Kribbelparästesien krankheitsbedingt sind. Dabei kommt der Klägerin zwar die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute. Denn aufgrund des Nachweises einer Primärverletzung im linken Arm und der linken Schulter reicht für den Nachweis der Unfallfolgen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit aus.
22
Die erhobenen Beweise vermögen dem Senat aber nicht die erforderliche Überzeugung zu vermitteln. Das Landgericht hat in diesem Punkt zutreffend ausgeführt, es könne nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die im Dezember 2005 von der Physiotherapeutin XXX dokumentierten ausstrahlenden Schmerzen im linken Arm der Klägerin mit intermetierendem Taubheitsgefühl und Kribbelparästesien auf den Unfall zurückzuführen seien. Wenn diese Beschwerden unfallbedingt seien, wäre zu erwarten gewesen, dass sie bereits zu einem erheblichen früheren Zeitpunkt aufgetreten wären. Die von der Klägerin geschilderte Schmerzausstrahlung sei auch mit den Röntgenaufnahmen und Kernspintomografien nicht vereinbar. Die Röntgenaufnahme vom 18.08.2005 sowie die Kernspintomografie vom 02.05.2006 zeigten degenerative Veränderungen mit Betonung des Segments C 6/C 7. Es sei daher nicht die von der Klägerin beschriebene Schmerzausstrahlung, sondern eine solche entsprechend dem Segment C 7 linksseitig zu erwarten gewesen.
23
Diese Beweiswürdigung ist nicht in Zweifel zu ziehen. Das Landgericht weist zutreffend darauf hin, dass die Beschwerden der Klägerin erst aufgrund der Stellungnahme der Physiotherapeutin XXX vom 15.06.2007 seit Dezember 2005 dokumentiert sind. Bei ihrer Untersuchung durch den Sachverständigen Prof. XXX gab die Klägerin an, solche Beschwerden seien ab Oktober/November 2005 aufgetreten. Der ärztlichen Bescheinigung des Dr. med. XXX vom 08.06.2006 ist zu entnehmen, dass sich die Klägerin dort zuletzt am 16.09.2005 vorgestellt und über Schmerzen im Ellbogengelenk bis zum Handgelenk ziehend, geklagt hat. Die zuvor beschriebenen HWS-Beschwerden lagen demnach zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor. Dies steht im Einklang mit der dem Senat aus anderen Verfahren bereits bekannten Erkenntnissen, dass nach einem Schleudertrauma nur die Beschwerden meist innerhalb von Tagen bis Wochen abklingen. Der Sachverständige Prof. XXX führt ebenfalls nachvollziehbar aus, dass im Falle eines Ursachenzusammenhangs dem Unfall eine solche Schmerzausstrahlung bis in den Daumen der linken Hand zu einem erheblich früheren Zeitpunkt hätte auftreten müssen (Seite 35 des Gutachtens). Das demnach anzunehmende weitgehend beschwerdefreie Intervall spricht dagegen, dass die Beschwerden, die die Physiotherapeutin dokumentiert hat, auf das Unfallereignis zurückzuführen sind.
24
Auch eine Mitverursachung der Schmerzen durch den Unfall ist nicht nachgewiesen. Nach den Ausführungen des Prof. Dr. med. XXX deuten derartige Schmerzen und Kribbelparästesien auf eine Nervenreizung hin. Eine solche Nervenreizung könne durch verschleißbedingte Veränderungen, sowie einen Bandscheibenvorfall verursacht werden. Es gebe auch Fälle, dass derartige Beschwerden durch eine traumatische Reizung eines Nerves auftritt, z.B. eine Zerrung. Auch können entzündliche Veränderungen, wie sie z.B. durch einen Diabetes Mellitus verursacht werden, derartige Schmerzen auslösen. Wenn es sich um eine entzündliche Veränderung eines Nerves handelt, dann sei der Verlauf der Beschwerden kontinuierlich. Ebenso finde man dies bei traumatisch bedingten Nervenläsionen und Nervenreizungen, nämlich in der Form, dass unfallbedingt die Beschwerden ausgelöst werden und dann über einen längeren Zeitraum fortbestehen. Bei degenerativen Veränderungen sei es wiederum typisch, dass derartige Beschwerden nicht als Dauerschmerz oder Dauerbeschwerden und auch nicht kontinuierlich bestehen. Hierfür sei vielmehr ein wellenförmiges Beschwerdebild typisch, d.h. die Beschwerden seien mal stärker mal weniger stark. Mangels ausreichend dokumentiertem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang des Auftretens der genannten Beschwerden und mangels ausreichender Dokumentation einer fortlaufenden Beschwerdesymptomatik könne von Gutachterseite aus die Wahrscheinlichkeit einer unfallbedingten Verletzung mit ausstrahlenden Schmerzen mit intermetierendem Taubheitsgefühl und Kribbelparästesien nicht bestätigt werden.
25
4. Bandscheibenvorfall
26
Letztlich hat die Klägerin auch nicht die Unfallursächlichkeit des Verkehrsunfalls für den Bandscheibenvorfall im Segment C 6/C 7 nachgewiesen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Beweismaßes des § 287 Abs. 1 ZPO. Der Bandscheibenvorfall ist erstmalig am 02.05.2006 festgestellt worden. Der Sachverständige XXX weist zudem darauf hin, dass in zeitlichem engen Zusammenhang zum Unfall eine deutlich degenerative Veränderung mit knöchernen Randausziehungen im genannten Segment festgestellt wurde. Hierbei sei zwangsläufig immer eine Vorwölbung der Bandscheibe vorhanden. Komme es dagegen durch ein Unfallgeschehen zu einem traumatischen Bandscheibenvorfall, sei von einer entsprechenden Symptomatik auszugehen, d.h. in diesem Fall seien typische Beschwerden zu erwarten, die mit einem Bandscheibenvorfall zusammenhängen. Hierzu gehörten Gefühlsstörungen, die dem betreffenden Segment eindeutig zuzuordnen sind. Darüber hinaus gehörten hierzu Lähmungserscheinungen bis hin zur Querschnittssymptomatik. Auch eine Reflexdifferenz, sowie typische neurologische Befunde bei neurophysiologischen Untersuchungen seien hier zu erwarten. Wenn es durch einen Unfall zu einem derartigen traumatischen Bandscheibenvorfall komme, so gebe es eine Beschwerdesymptomatik, die auf eine solche Verletzung hindeute und die von ärztlicher Seite aus zur weitergehenden Untersuchung einen Anlass gebe.
27
Die Tatsache, dass die erstbehandelnden Orthopäden zwar ein Röntgenbild, jedoch keine Kernspintomografie veranlassten, deute darauf hin, dass hier keine Symptomatik bestanden habe, welche die behandelnden Ärzte dazu veranlasst hätte, eine weitergehende Untersuchung durchzuführen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Unfall keine große Krafteinwirkung hatte und eine bereits bestehende Bandscheibenvorwölbung aufgrund der degenerativen Veränderungen, welche eindeutig nachgewiesen seien, verschlimmert hätte, dann wäre auf jeden Fall auch frühzeitig eine entsprechende Symptomatik zu erwarten gewesen. Auch hätte eine solche Symptomatik die Hinzuziehung eines Neurologen nahegelegt. Es bestehe jedoch in den vorhandenen Unterlagen ein Zeitraum zwischen der letzten dokumentierten Untersuchung bei Dr. XXX am 16.09.2005 und der ersten Untersuchung bei Dr. XXX am 11.04.2006 von gut einem halben Jahr. Eine durchgehende Beschwerdesymptomatik sei aus diesem Grunde nicht dokumentiert. Aus diesem Grunde spreche die Wahrscheinlichkeit mehr dagegen als dafür, dass die Bandscheibenvorwölbung mit dem Unfall in Zusammenhang stehe.
28
5. Höhe des Schmerzensgeldes
29
Das Schmerzensgeld gehört nach § 11 Satz 2 StVG zu den ersatzfähigen Schadenspositionen. Das Schmerzensgeld hat eine doppelte Funktion. Es dient dem Ausgleich und der Genugtuung (BGH NJW 1993,781). In Bezug auf die Höhe des Ausgleichs des immateriellen Schadens kommt es auf das Ausmaß der konkreten Lebensbeeinträchtigung des Geschädigten an, also auf Art und Umfang der unfallbedingten (physischen und psychischen) Verletzungen und Verletzungsfolgen, insbesondere die Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, die in Anspruch genommenen therapeutischen Hilfen (Operationen und Krankenhausaufenthalte), den voraussichtlichen weiteren Krankheitsverlauf, den zu befürchtenden Dauerschaden sowie die Auswirkungen auf das berufliche und soziale Leben des Verletzten (BGH VersR 1955, 615). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 € für gerechtfertigt.
30
Dabei ist zu berücksichtigen, dass lediglich die Verletzung am linken Arm und der linken Schulter sowie die HWS-Distorsion, ohne Folgewirkungen, berücksichtigt werden können. Nach den Feststellungen des Dr. med. XXX waren bereits am 16.09.2005 keine Folgen der HWS-Distorsion mehr feststellbar. Vorhanden waren zu diesem Zeitpunkt noch Schmerzen im Ellbogengelenk bis zum Handgelenk ziehend. Bezüglich dieser Schmerzens geht der Senat davon aus, dass sie in üblicher Zeit ausgeheilt sind. Denn nach den Auskünften der Zeugin XXX waren im Dezember 2005 lediglich noch ausstrahlende Schmerzen im linken Arm mit intermetierendem Taubheitsgefühl und Kribbelparästhesien an. Diese Veränderung sind nach dem Urteil beider Gerichtsgutachter aber nicht mehr unfallbedingt. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes kann daher nur von einer Ausheilungsphase von 6 – 8 Wochen ausgegangen werden mit den üblichen Beschwerden. Zur Abgeltung dieser Unfallfolgen hält der Senat ein Schmerzensgeld von 1.500 € für ausreichend.
31
Eine Erhöhung des Schmerzensgeldes wegen des Regulierungsverhaltens der Beklagten ist nicht vorzunehmen. Zwar kann eine zögerliche Regulierung der Haftpflichtversicherung ohne nachvollziehbaren Grund zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen (beispielshaft OLG Hamm VersR 2004, 780 für den Fall eines verweigerten Vorschusses). Solche Umstände sind aber nicht ersichtlich. Die Beklagte war berechtigt, eine Verletzung der Klägerin durch den Unfall und insbesondere den Umfang der Verletzungsfolgen in Zweifel zu ziehen. Aus diesem Grunde war sie nicht gehalten, eine Abschlagszahlung auf ein etwaiges Schmerzensgeld zu leisten.
32
Die zugesprochenen Zinsen beruhen auf §§ 280, 286, 288 BGB in Verbindung mit dem anwaltlichen Mahnschreiben vom 19.01.2007.
33
B. Klageantrag zu 2
34
Der Feststellungsantrag der Klägerin ist bereits unzulässig.
35
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz bereits eingetretener und künftiger Schäden nur zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse ist zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH MDR 2007, 792; VersR 2001, 876; VersR 2001, 874).
36
Aus Sicht der geschädigten Klägerin ist bei verständiger Würdigung aller Umstände kein Grund gegeben, mit dem Eintritt eines unfallbedingten Zukunftsschaden zu rechnen. Auch eine entfernte Möglichkeit von Zukunftsschäden lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin hat unfallbedingt Schmerzen in der linken Schulter und im linken Arm sowie eine HWS-Distorsion I erlitten. Derartige Verletzungen heilen üblicherweise folgenlos aus. Auch die beiden gerichtlichen Sachverständigen konnten keine zukünftigen unfallbedingten Schadensfolgen benennen. Vielmehr waren die bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsbeeinträchtigungen sämtlich nicht unfallbedingt.
37
II.
38
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
39
Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren: 10.000 € (8.000 € + 2.000 €).
RechtsgebietPflichtVG a.F.; StVG
Vorschriften§ 3 Nr. 1 PflichtVG a.F.; § 7 Abs. 1 StVG