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  • 09.04.2014 · IWW-Abrufnummer 140965

    Amtsgericht Elmshorn: Beschluss vom 20.04.2013 – 52 II 12/13

    1. Die Tendenz, dass die Polizei bei allgemeinen und bei anlassbezogenen Verkehrskontrollen Führerscheine zunehmend überprüft, lässt das staatliche Interesse an der Abgabe eines Führerscheins nach Entzug der Fahrerlaubnis sinken und kann eine Wohnungsdurchsuchung zur Auffindung eines Führerscheins unverhältnismäßig werden lassen.
    2. Eine Wohnungsdurchsuchung zur Auffindung des Führerscheins ist dann unzulässig, wenn die Behörde zuvor als einzige Konsequenz aus der Nichtabgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld angedroht hat, eine Zwangsgeldfestsetzung aber bisher unterblieben ist.


    AG Elmshorn

    04.10.2013

    52 II 12/13

    Tenor:
    Der Antrag des Kreises xxxx auf Anordnung der Öffnung und Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen wird
    abgelehnt.
    Diese Entscheidung ergeht kostenfrei.
    Gründe
    I.
    Der Antragsteller hat gemäß §§ 206, 208, 210 ff LvWG den Antrag gestellt,
    die Öffnung und Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen anzuordnen, gleichzeitig auch die Durchsuchung der sonstigen Sachen und der Person des Betroffenen anzuordnen, da zu vermuten sei, dass die Durchsuchung zur Auffindung seines Führerscheins führen wird.
    Gleichzeitig hat der Antragsteller beantragt,
    die Durchsuchung auf andere Personen sowie deren Räume und Sachen zu erstrecken, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich der Führerschein dort befinden könnte.
    Einen evtl. bei der Durchsuchung aufgefundenen Führerschein, bittet der Antragsteller, in Verwahrung zu nehmen oder in sonstiger Weise sicherzustellen. Er beantragt,
    mit der Durchsuchung die Polizei zu beauftragen.
    Diesem Ersuchen liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde:
    Mit Ordnungsverfügung vom 19.07.2013, die seit dem 21.08.2013 bestandskräftig ist, hat der Antragsteller dem Betroffenen die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr mit sofortiger Wirkung auf der Basis von § 3 StVG in Verbindung mit §§ 14, 46 FeV und § 163 ff LvWG sowie gem. § 80 Abs. 2 Ziff. 4 VwGO entzogen. Gleichzeitig hat der Antragsteller verfügt, dass der Betroffene sämtliche auf seinen Namen ausgestellte Führerscheindokumente per Einschreiben oder persönlich innerhalb von 3 Tagen nach Zustellung dieser Verfügung auszuhändigen hat. Schließlich wurde angeordnet: "Sollte das Führerscheindokument nicht fristgerecht vorgelegt werden, drohe ich Ihnen hiermit gem. §§ 235 ff LvWG die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 250,- € an".
    Hintergrund der Verfügung des Antragstellers war, dass der Betroffene am 27.05.2013 anlässlich einer Fahrzeugkontrolle positiv auf Amphetamine, Kokain und Cannabis getestet worden war. Der insgesamt vierseitige Bescheid setzt sich ausführlich mit den schädlichen Wirkungen von Drogen im Straßenverkehr auseinander und begründet hieraus den Fahrerlaubnisentzug.
    Nachdem der Betroffene zunächst angegeben habe, er habe seinen Führerschein als Pfand bei einem Fitnessstudio hinterlassen, hat er, nachdem sein Führerschein bei dem von ihm benannten Fitnessstudio nicht aufgetaucht ist, schließlich geltend gemacht, seinen Führerschein verloren zu haben. Hierauf forderte die Straßenverkehrsbehörde des weiteren Beteiligten den Betroffenen gem. § 5 StVG auf, über den Verlust eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Die Versicherung an Eides statt könne entweder bei dem Antragsteller oder vor einem Notar abgegeben werden. Die Gebühren beliefen sich auf 30,70 €.
    Schließlich befindet sich in der vorgelegten behördlichen Akte ein Aktenvermerk, dass der Betroffene ohne Personalausweis und auch ohne Geld für die Gebühren bei der Behörde zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über den Verlust des Führerscheins erschien. Die eidesstattliche Versicherung konnte aber wegen des fehlenden Ausweises und der fehlenden Gebühren nicht abgenommen werden.
    II.
    Der Antrag war wegen fehlender Verhältnismäßigkeit abzulehnen.
    1.
    Der Antrag ist zulässig.
    Der Antragsteller hat ein Rechtsschutzbedürfnis an der Erwirkung einer richterlichen Durchsuchungsanordnung. Zwar hat der Antragsgegner das Betreten seiner Wohnung zum Zwecke der Durchsuchung und der Sicherstellung seines Führerscheins bisher nicht verweigert. Es kann dem Antragsteller jedoch nicht verwehrt werden, bereits im Vorfeld eines Versuchs, die Ablieferung des Führerscheins zwangsweise durchzusetzen, eine richterliche Anordnung zu erwirken (vgl. VG Augsburg vom 01.03.2012, Au 7 V 12.271, [...]Rnr. 27).
    Das Amtsgericht ist für die Entscheidung über die Durchsuchung gem. § 208 Abs. 5 LVwG zuständig.
    Von einer Anhörung des Betroffenen hat das Gericht gem. § 208 Abs. 5 Satz 4 LVwG abgesehen.
    2.
    In der Sache hat der Antrag (zumindest derzeit) keinen Erfolg.
    Die Durchsuchung von Wohnräumen ist gem. § 208 Ziff. 2 LVwG dann zulässig, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass sich darin oder darauf Sachen befinden, die nach § 210 Abs. 1 Nr. 1 LVwG sichergestellt werden dürfen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Es handelt sich um den Führerschein des Betroffenen, den der Betroffene zumindest lange in seinem Besitz gehabt hat. Angaben über den Verbleib haben sich als unrichtig herausgestellt. Deshalb besteht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, dass sich der Führerschein noch im Besitz des Betroffenen, wahrscheinlich in der Wohnung, befindet.
    Gleichwohl scheitert die Durchsuchung an fehlender Verhältnismäßigkeit.
    Gemäß Artikel 13 Abs. 1 ist die Wohnung unverletzlich. Dies bedeutet, dass Eingriffe nicht nur einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, sondern dass auch bei Anwendung der Gesetze, die die Durchsuchung rechtfertigen, wie bei jedem Grundrechtseingriff der rechtsstaatliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt.
    Die Abwägung der Schwere der Verletzungen der Rechtsordnung durch den Betroffenen und der Schwere des Eingriffs in die Rechte des Betroffenen durch die Behörde führt zu dem Ergebnis, dass das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung schwerer wiegt. Dies ergibt sich aus der folgenden Überlegung:
    Der Betroffene ist zwar verpflichtet, seinen Führerschein abzugeben als Folge des bestandskräftigen Entzugs der Fahrerlaubnis. Dass er dieser Verpflichtung nicht nachkommt und auch die eidesstattliche Versicherung über den Verlust des Führerscheins mangels Mitführung von Geld und Personaldokument nicht abgeben konnte, mag die Verletzung einer Verpflichtung gegenüber den staatlichen Behörden, namentlich dem Antragsteller sein.
    Diese Verletzung wiegt aber nicht schwer. Denn in Zeiten moderner Kommunikationstechnik ist der Schaden, den die Nichtabgabe des vielleicht noch vorhandenen Führerscheins für die öffentliche Sicherheit, insbesondere des Straßenverkehrs, anrichten kann, gering. Bei einer allgemeinen oder auch anlassbezogenen Verkehrskontrolle wird heute in der weit überwiegenden Zahl der Fälle von der Polizei ein ausgehändigter Führerschein überprüft und die Personalien des Fahrzeugführers abgeglichen. Bei einer solchen Überprüfung würde der Entzug der Fahrerlaubnis festgestellt werden. Die Gefahr, dass in einer konkreten Situation einmal ausnahmsweise keine Überprüfung erfolgt und der Betroffene dann unberechtigterweise weiterfahren darf, ist vergleichsweise gering. Auch die Gefahr, dass die subjektive Hemmschwelle, ein Auto ohne Fahrerlaubnis zu fahren, sinkt, wenn der Betroffene den Führerschein behält, hält das Gericht für vernachlässigbar gering. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Verbleib des Führerscheins bei dem Betroffenen faktisch kaum Schaden anrichtet. Das Interesse, welches eine funktionierende Rechtsordnung an der tatsächlichen Abgabe des Führerscheins hat, ist folglich objektiv eher gering.
    Dagegen ist eine Wohnungsdurchsuchung ein solch einschneidender und massiver Eingriff in das Wohnungsgrundrecht und in den unmittelbaren Bereich der engsten Privatsphäre, dass eine Durchsuchung weit über das hinaus ginge, was durch den bloßen Verbleib des Führerscheins des Betroffenen beim Betroffenen gerechtfertigt wäre.
    Die Gegenauffassung (zuletzt Beschluss des VG Augsburg vom 01.03.2012, Au 7 V 12.271) kann nicht überzeugen. Diese Entscheidung geht nämlich wie selbstverständlich, und ohne dies weiter zu begründen, davon aus, dass der Betroffene, wenn er seinen Führerschein behält, weiterhin "ungehindert am Straßenverkehr teilnimmt" (a.a.O., [...]Rnr. 28). Dies ist aber heutzutage - wie dargelegt - angesichts der Überprüfungsmöglichkeiten und der Überprüfungspraxis der Polizei bei Führerscheinkontrollen nicht mehr richtig.
    Zudem hat die Verwaltung dem Betroffenen für den Fall der Nichtabgabe des Führerscheins eine Konsequenz angedroht, nämlich die Festsetzung eines Zwangsgeldes. Hiermit hat sich die Verwaltung selbst gebunden. Dies hat zur Folge, dass schwerwiegendere Eingriffe, also insbesondere weitergehende Grundrechtseingriffe noch vor der Verhängung eines Zwangsgeldes nicht möglich sind.
    Die Durchsuchung von Räumen Dritter, wie von dem Antragsteller beantragt, kommt erst recht nicht in Betracht (vgl. auch Mitsch in: Karlsruher Kommentar zum OWiG § 91 Rnr. 31 unten).
    Der Antrag musste deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt abgelehnt werden.

    RechtsgebieteStVG, FeV, LVwGVorschriften§ 3 StVG; § 5 StVG; § 46 FeV; § 210 Abs. 1 Nr. 1 LVwG