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  • 12.12.2013 · IWW-Abrufnummer 133913

    Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 15.05.2013 – 15 U 205/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OLG Frankfurt 15. Zivilsenat

    15 U 205/12

    Tenor

    Die Berufung des Beklagten gegen das am 19. Juni 2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kassel wird zurückgewiesen.

    Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits im Berufungsrechtszug zu tragen.

    Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

    Der Beklagte darf die Vollstreckung aus diesem und aus dem angefochtenen Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

    Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 32.643,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 7.188 Euro seit dem 14. Oktober 2011 und aus weiteren 25.455,95 Euro seit dem 2. Februar 2011, verurteilt.

    Gegen das ihm am 14. August 2012 zugestellte Urteil richtet sich der Beklagte mit seiner am 13. September 2012 eingelegten und nach entsprechender Verlängerung am 2. November 2012 begründeten Berufung.

    Er macht geltend:

    Die Widerrufsbelehrung sei inhaltlich unzureichend, weil sie nicht auf dem Bestellformular, sondern auf einem separaten Blatt erfolgt sei. Wenn die Klägerin die Unterzeichnung verlange, müsse sie sich daran festhalten lassen, auch wenn lediglich die Kenntnisnahme ausreiche.

    Das Fahrzeug sei mit einem Sachmangel behaftet, weil allein die Tatsache eines Re-Imports einen Minderwert darstelle.

    Der Leasingvertrag sei nichtig. Das Landgericht habe übersehen, dass der tatsächliche Verkehrswert des Fahrzeugs zu Grunde zu legen sei und nicht der Verkaufspreis. Außerdem sei entgegen der üblichen Laufzeit von 36 Monaten der Vertrag für eine erheblich längere Laufzeit abgeschlossen worden.

    Die Klägerin habe den Beklagten nicht über die Besonderheiten des Restwertleasings aufgeklärt. Als Leasinggeber sei sie verpflichtet, dem Leasingnehmer vor Vertragsschluss „angemessene Erläuterungen“ zu geben.

    Auf die Übernahme des Restwertrisikos müsse hingewiesen werden, zumal der Beklagte keine Begrenzung der Laufleistung zu beachten gehabt habe.

    Der Kläger beantragt,

    das am 19. Juni 2012 verkündete Urteil des Landgerichts Kassel abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

    II.

    Die Berufung des Beklagten ist zwar statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (vgl. § 513 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht antragsgemäß verurteilt, weil der Leasingvertrag zwischen den Parteien wirksam zustande gekommen ist und dem Beklagten ein Rücktrittsrecht nicht zustand.

    1.

    Entgegen der Meinung des Klägers ist der Leasingvertrag weder wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) noch wegen Wucher (§ 138 Abs. 2 BGB) nichtig. Dafür ist unerheblich, ob man zur Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung den objektiven Verkehrswert des Leasingobjektes den vom Leasingnehmer während der Vertragszeit zu erbringenden Leistungen gegenüberstellt oder ob man den effektiven Jahreszins, der sich aus den vereinbarten Belastungen des Darlehensnehmers ergibt, dem marktüblichen Effektivzins gegenüberstellt, wobei ein auffälliges Missverhältnis grundsätzlich zu bejahen ist, wenn erster den letzteren relativ um 100 % oder absolut um 12 % übersteigt (vgl. zu allem BGHZ 128, 259). Selbst wenn man den objektiven Verkehrswert des Fahrzeugs mit 30.000 Euro ansetzt, wie vom Kläger behauptet, übersteigen die von ihm nach dem Leasingvertrag insgesamt zu erbringenden Leistungen von 50.898,95 Euro den Verkehrswert nur um rund 70 %, was ein auffälliges Missverhältnis nicht rechtfertigen kann. Dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem effektiven Jahreszins nach dem Leasingvertrag und dem marktüblichen Effektivzins bestehe, hat der Beklagte nicht dargetan.

    2.

    Der vom Beklagten erklärte Widerruf des Leasingvertrages ist verfristet, was das Landgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat und worauf Bezug genommen werden kann. Der Beklagte ist ausreichend belehrt worden. Allerdings genügte die von der Klägerin erteilte Widerrufsbelehrung nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB in der zur Zeit des Vertragsschlusses im Januar 2007 geltenden Fassung, weil die Verwendung des Wortes „frühestens“ es dem Verbraucher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ermöglicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen (vgl. die Nachweise in BGH NJW 2012, 3298). Das ist jedoch unerheblich, weil sich die Klägerin auf die Schutzwirkungen des § 14 Abs. 1 BGB-Info V berufen kann, nachdem sie ersichtlich das dort geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung verwendet hat (vgl. hierzu BGH NJW 2012, 3298). Dass die Widerrufsbelehrung vom Beklagten nicht unterschrieben worden ist, ist unerheblich, weil es genügt, dass ihm eine Belehrung überlassen wurde, was vom Landgericht zutreffend ausgeführt worden ist. Dass die Belehrung auf einem gesonderten Blatt enthalten ist, ist nicht zu beanstanden (vgl. § 360 BGB).

    3.

    Der vom Beklagten erklärte Rücktritt ist wirkungslos, weil ihm ein Recht zum Rücktritt nicht zur Seite stand. Denn das Fahrzeug, das Gegenstand des Leasingvertrages war, war nicht deshalb mit einem Sachmangel behaftet, weil es sich um einen sogenannten Re-Import gehandelt hat. Nach § 434 Abs. 1 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat oder falls eine Beschaffenheit nicht vereinbart ist, sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet oder sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Eine besondere Beschaffenheit dergestalt, dass es sich bei dem Fahrzeug nicht um einen Re-Import handeln durfte, wird vom Beklagten nicht behauptet. Auch ein re-importiertes Fahrzeug eignet sich ersichtlich für die vorausgesetzte Verwendung und auch für die gewöhnliche Verwendung. Angesichts der Häufigkeit von Re-Importen handelt es sich auch nicht um eine unübliche Beschaffenheit. Demgemäß entspricht es verbreiteter Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, dass die Eigenschaft als Re-Import jedenfalls bei einem Neuwagen keinen Sachmangel darstellt (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 29. August 2011, 20 U 130/11; OLG Jena, Urteil vom 23. Oktober 2008, 1 U 118/08; OLG Hamm NJW-RR 2003, 1360). Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des OLG Naumburg (DAR 2006, 327) und des OLG Saarbrücken (NJW-RR 1999, 1063) betrifft gebrauchte Kraftfahrzeuge und ist deshalb für den vorliegenden Fall unerheblich.

    4.

    Dass die Klägerin den Beklagten nicht über die Besonderheiten des Restwertleasing aufgeklärt habe, vermag der Senat nicht zu erkennen. Bei Vertragsverhandlungen besteht grundsätzlich keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten (BGH NJW 2012, 296; NJW 2010, 3362 m.w.N.). Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen (BGH NJW 2010, 3362 m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen bedurfte es vorliegend keiner besonderen Aufklärung oder Belehrung des Beklagten. Der Beklagte zeigt auch nicht auf, was er an Informationen hätte erhalten müssen. Dass der Leasingvertrag auf die Dauer von 54 Monaten geschlossen wurde, war ohne Weiteres ersichtlich. Dasselbe gilt für den von der Klägerin kalkulierten Restwert. Bei aufmerksamer Durchsicht des Vertragsformulars war ohne Weiteres erkennbar, dass zum Vertragsende ein Restbetrag von 17.953,95 Euro zu tilgen war, wofür der dann bestehende Verkehrswert des Fahrzeugs eingesetzt werden konnte. Es bedurfte keiner besonderen Aufklärung des Beklagten darüber, dass der Restwert des Fahrzeuges von dessen Zustand und insbesondere auch Laufleistung abhängig war und dass bei intensiver Nutzung des Fahrzeugs dessen Wert hinter dem kalkulierten Restwert zurückbleiben konnte.

    Abgesehen davon berührt eine unzureichende Belehrung nicht die Wirksamkeit des Vertrages, sondern kann allenfalls einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB begründen. Die Schadensersatzpflicht kann zwar auch dahingehen, so gestellt zu werden, als hätte man den Vertrag nicht abgeschlossen. Davon kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden. Selbst wenn der Beklagte auf den kalkulierten Restwert ausdrücklich hingewiesen worden wäre oder auch sonst über Inhalt und Folgen des Leasingvertrages näher aufgeklärt worden wäre, hätte er den Leasingvertrag auf jeden Fall abgeschlossen. Das folgt daraus, dass der Beklagte davon ausging, infolge des ebenfalls abgeschlossenen sogenannten „Werbevertrages“ selbst keine nennenswerten Leistungen erbringen zu müssen.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2.

    Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Entscheidung des Senats auf einer Würdigung von Tatsachen im Einzelfall unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beruht und die Sache auch sonst keine grundsätzliche Bedeutung aufweist.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 138 Abs 1 BGB