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  • 15.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123380

    Landgericht Bonn: Urteil vom 05.06.2012 – 8 S 84/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Bonn

    8 S 84/12

    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 29.02.2012 – 118 C 453/11 – abgeändert. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.364,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2011 zu zahlen.

    Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe:

    I.

    Die Darstellung des Tatbestands entfällt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO. Da die Revision nicht zugelassen wurde und der erforderliche Beschwerdewert für die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 26 Nr. 8 EGZPO) nicht erreicht wird, ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

    II.

    Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

    1.

    Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der von ihm beim Kauf des Ersatzfahrzeugs angefallenen Umsatzsteuer in Höhe von 964,58 € gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG bzw. § 823 Abs. 1 BGB, jeweils i.V.m. § 115 Abs. 1 Ziff. 1 VVG. Zu den gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu ersetzenden Kosten zählt auch die für die Ersatzbeschaffung im vorliegenden Fall angefallene Umsatzsteuer. Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts hat der Kläger mit der Entscheidung, den Schaden fiktiv auf Reparaturkostenbasis abzurechnen, diesen Restitutionsweg noch nicht abschließend beschritten mit der Folge, dass ihm die Geltendmachung von Umsatzsteuer, die ihm im Zusammenhang mit der Ersatzbeschaffung eines anderen Wagens entstanden ist, daher nicht verwehrt ist.

    § 249 Abs. 2 S. 2 BGB stellt klar, dass die Umsatzsteuer dann ersatzfähig ist, wenn sie zur Herstellung des ursprünglichen Zustands tatsächlich angefallen ist, so dass bei fiktiver Abrechnung auf Reparaturkostenbasis grundsätzlich nur der Netto-Reparaturkostenbetrag anzusetzen ist (BGH, Urteil vom 22.09.2009 – VI ZR 312/09 – zitiert nach juris Rz. 10; Oetker, a.a.O. Rz. 467). Die Naturalrestitution unterliegt dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, d.h. der Geschädigte hat den kostengünstigsten Weg der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zu wählen (Grüneberg in: Palandt, BGB, 71. Aufl., § 249 Rz. 2). Will er dies nicht, sondern wünscht statt der wirtschaftlich günstigeren Reparatur die kostenintensivere Ersatzbeschaffung, so kann er sein Wahlrecht zwischen Herstellung und Ersatzbeschaffung grundsätzlich auch im Rahmen des Geldersatzes nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ausüben. Sein Ersatzanspruch ist aber der Höhe nach auf die Abrechnung auf Reparaturkostenbasis beschränkt (vgl. BGH a.a.O.; Oetker a.a.O.; LG Arnsberg, Urteil vom 30.03.2010 – 5 S 114/09 – zitiert nach juris Rz. 20 f.). Für den Ersatz der Umsatzsteuer kommt es in diesem Zusammenhang nur darauf an, ob sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands angefallen ist, nicht aber darauf, welchen Weg der Wiederherstellung der Geschädigte beschritten hat. Auch der unwirtschaftliche Weg der Wiederherstellung ist eine gleichwertige Form der Naturalrestitution (vgl. BGH a.a.O.; Oetker a.a.O.). Vorliegend hat der Kläger auf Reparaturkostenbasis abgerechnet, sodann das beschädigte Fahrzeug verkauft und sich Ersatz beschafft. Bei dieser Ersatzbeschaffung ist Umsatzsteuer angefallen. Diese Umsatzsteuer macht er geltend, jedoch nur in dem der Höhe nach begrenzten Umfang, in welchem sie bei der Reparatur angefallen wäre.

    Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten vermischt der Kläger mit diesem Vorgehen nicht fiktive und konkrete Abrechnung. Die Unzulässigkeit einer solchen Vorgehensweise ergibt sich nicht aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.09.2009. Vielmehr ist dieser höchstrichterlichen Entscheidung ausdrücklich zu entnehmen, dass in einem Fall, in dem nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot auf Reparaturkostenbasis abgerechnet wird und es zur Anschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache kommt, für die der Geschädigte Umsatzsteuer tatsächlich bezahlt hat, diese Steuer erstattungsfähig ist (vgl. BGH, a.a.O. Rz. 10; ebenso LG Arnsberg, a.a.O.).

    Der vorstehenden Rechtsauffassung steht auch nicht die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BGH vom 15.02.2005 – VI ZR 172/04 – entgegen. Denn dieser Entscheidung lag ein dem vorliegenden Fall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. In dem vom Bundesgerichtshof zu beurteilenden Sachverhalt überstiegen die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert, es lag also ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Eine Ersatzbeschaffung hatte nicht stattgefunden, eine Reparatur lediglich in einem nicht vollständigen oder fachgerechten Umfang, so dass der Geschädigte sein Integritätsinteresse durch die Reparatur gerade nicht nachgewiesen hatte. In einem solchen Fall sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Reparaturkosten – einschließlich der Umsatzsteuer – bereits deshalb nicht zu ersetzen, sondern ist von vornherein lediglich der Wiederbeschaffungsaufwand erstattungsfähig, der sich aus der Differenz des Wiederbeschaffungswerts und des Fahrzeugrestwerts ergibt (vgl. BGH a.a.O. Rz. 11).

    2.

    Der Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten umfasst zur Wiederherstellung gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 BGB die geltend gemachte weitere Nutzungsausfallentschädigung für acht Tage in Höhe von 400,- €. Das Amtsgericht hat die Klage zu Unrecht mit der Begründung abgewiesen, dass vorliegend die Reparatur die wirtschaftlich in Frage kommende Herstellungsalternative gewesen und durch die Reparatur der Wagen ausweislich des Schadensgutachtens aber maximal sechs Tage ausgefallen sei.

    Zwar ist es im Ansatz richtig, dass in dem Fall, in welchem der für die Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB wirtschaftlich günstigere Weg die Reparatur ist, der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten ist, sich für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis zu entscheiden (ständ. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 22.09.2009 – VI ZR 312/08 – Rz. 8; Oetker in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., 2. Band. § 249 Rz. 468 m.w.N.; Grüneberg in: Palandt, BGB, 71. Aufl., § 249 Rz. 22 m.w.N.). Danach kann der Kläger einen über die Reparaturzeit hinausgehenden Nutzungsausfall nicht mit der Begründung verlangen, er habe eine Ersatzbeschaffung getätigt, die längere Zeit in Anspruch genommen habe. Dies hat der Kläger aber erstins­tanzlich auch nicht getan. Vielmehr stützt er den Anspruch auf weitergehenden Nutzungsausfall darauf, das Schadensgutachten U vom 16.05.2011 habe ihm erst am 18.05.2011 vorgelegen und es habe für die Frage der Durchführung der Reparatur ein Entscheidungszeitraum verbleiben müssen.

    Zu dem ersatzfähigen Zeitraum, für welchen Nutzungsersatz grundsätzlich geschuldet wird, gehört auch die für die Einholung eines Gutachtens erforderliche Zeit sowie eine angemessene Überlegungsfrist, um die Entscheidung zu treffen, ob und ggf. welche Art der Wiederherstellung erfolgen soll (OLG Celle NJW 2008, 446, 447; OLG München VersR 1974, 1186; LG Saarbrücken NJW 2001, 2444, 2445; Oetker, a.a.O. § 249 Rz. 442 m.w.N.). An der Geltendmachung von Nutzungsentschädigung für den Ausfall seines Wagens für die Zeit zwischen Unfall und erfolgter Reparatur ist der Kläger nach der Rechtsauffassung der Kammer auch bei der von ihm gewählten fiktiven Schadensberechnung nicht gehindert.

    Der Geschädigte hat nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Anspruch auf den zur Schadensbeseitigung erforderlichen Geldbetrag. Dessen Höhe kann er entweder fiktiv auf der Basis eines Sachverständigengutachtens oder aber konkret nach den tatsächlich aufgewendeten Kosten berechnen. Diese Abrechnungsarten dürfen zwar nicht miteinander vermengt werden (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.2006 – VI ZR 249/05 – zitiert nach juris, Rz. 9; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - VersR 2004, 1575, 1576 und vom 30. Mai 2006 - VI ZR 174/05 - VersR 2006, 1088, 1089), sind aber alternativ möglich. Vorliegend hat der Kläger sich für die fiktive Abrechnung auf Basis des Sachverständigengutachtens entschieden. Verlangt der Geschädigte den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag fiktiv auf Basis eines Sachverständigengutachtens, das eine bestimmte Art der Reparatur vorsieht, so kann er grundsätzlich nur für die erforderliche Dauer dieser Reparatur Nutzungsausfallersatz beanspruchen (vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2003 – VI ZR 361/02 – zitiert nach juris, Rz. 9; Grüneberg in: Palandt, BGB, 70. Aufl., § 249 Rz. 14, 37). Zwar ist es dem Geschädigten in dem Fall, in dem die tatsächlichen Reparaturkosten höher sind als der fiktive Ansatz, grundsätzlich möglich, insgesamt zur konkreten Schadensberechnung überzugehen (BGH, Urteil vom 17.10.2006 – VI ZR 249/05 – a.a.O.). Es steht dem Kläger jedoch nicht frei, hinsichtlich einzelner Schadenspositionen zwischen den fiktiven und tatsächlich angefallenen Kosten zu wechseln.

    Die vorstehenden Grundsätze hindern bei der fiktiven Abrechnung auf Reparaturkostenbasis die Geltendmachung von Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum zwischen Unfall und Entscheidung über die Art der Wiederherstellung nicht. Das Fahrzeug des Klägers war nach dem Unfall nicht mehr verkehrssicher fahrtüchtig, konnte also nicht mehr eingesetzt werden (vgl. Gutachten U vom 16.05.2011, Anlage K 8). Das Gutachten lag dem Kläger am 18.05.2011 vor, so dass ihm erst zu diesem Zeitpunkt eine Entscheidung über die Art der zu wählenden Naturalrestitution möglich war. Auch handelte es sich angesichts der Höhe der Reparaturkosten nicht um einen bloßen Bagatellschaden, dessen Behebung vernünftigerweise keinen Anlass bieten würde, an eine Veräußerung des Fahrzeugs und Ersatzbeschaffung zu denken, so dass die Einholung des Schadensgutachtens für die Wahl des Restitutionsweges keine Relevanz gehabt hätte (vgl. Oetker, a.a.O. Rz. 442 mit w.N.). Das Verbot der Vermischung fiktiver und konkreter Abrechnung bezieht sich auf die Reparaturkosten bzw. die Reparaturdauer als solche und hindert insoweit den Ansatz abweichender konkreter Umstände, also etwa einer tatsächlich längeren Reparaturzeit. Es berührt aber nicht den Zeitraum bis zur Entscheidung über die Art der Naturalrestitution, innerhalb dessen das Fahrzeug dem Geschädigten ebenfalls nicht zur Verfügung stand.

    3.

    Schließlich umfasst der Schadensersatzanspruch des Klägers auch die geltend gemachten restlichen – von den Beklagten vorgerichtlich noch nicht erstatteten Kosten außergerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 112,69 € zzgl. Zinsen seit Rechtshängigkeit.

    4.

    Der Kläger hat Anspruch auf Zinszahlung in der geltend gemachten Höhe gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB seit dem 16.08.2011. Er hat die Beklagten mit Schreiben vom 02.08.2011 (Anlage K 4) wirksam in Verzug gesetzt.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 analog, 711, 713 ZPO.

    Dem von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2012 gestellten Antrag auf Zulassung der Revision war nicht zu entsprechen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.09.2009 beruht – jedenfalls für die Beurteilung der Frage der Erstattungsfähigkeit von Umsatzsteuer – im Gegensatz zu der von den Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung vom 15.02.2005 (VI ZR 172/04) auf einem zu dem vorliegenden Rechtsstreit vergleichbaren Sachverhalt. Die vorliegende Entscheidung der Kammer weicht von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ab, sondern sie folgt ausdrücklich den darin zum Ausdruck gebrachten Grundsätzen. Anlass zu einer erneuten höchstrichterliche Befassung mit der Frage der Erstattungsfähigkeit von Umsatzsteuer bietet sie daher nicht.

    Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: bis 1.364,58 €

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 249 BGB