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  • 15.12.2011 · IWW-Abrufnummer 114052

    Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 13.01.2011 – 5 U 20/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Aktenzeichen: 5 U 20/10
    5 O 376/08 LG Mainz

    Oberlandesgericht Koblenz

    IM NAMEN DES VOLKES

    Urteil

    In dem Rechtsstreit XXX

    hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch XXX im schriftlichen Verfahren nach dem Sach- und Streitstand vom 27.12.2010 für Recht erkannt

    1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 7.12.2009 in Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels dahin geändert, dass

    a) die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 26.344,63 € zu zahlen Zug um Zug gegen die Rückgabe des Pkw Saab 35 TS 9-3 Vector Sportcombi, Fahrgestellnummer YS…,

    b) festgestellt wird, dass sich die Beklagte mit der Annahme des vorgenannten Fahrzeugs in Verzug befindet,

    c) die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 1.196,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2010 zu zahlen und

    d) die Klage im Übrigen abgewiesen wird.

    2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3.

    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe stellt.

    4. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Entscheidungsgründe

    I.

    Der Kläger kaufte von der Beklagten Ende 2005 einen Pkw Saab Diesel mit Rußpartikelfilter, der am 7.02.2006 ausgeliefert wurde. Dafür zahlte er insgesamt 35.960,50 € (Nettopreis 35.043,10 € abzüglich Rabatt 4.555,60 €, Fracht 437,93 €, Zulassung 75 €, 16 % Mehrwertsteuer auf diese Beträge 4.960,07 €). Im Juni 2006 entrichtete er für Tuning- Arbeiten weitere 1.009,74 €. Nunmehr hat er die Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses verlangt und dabei eine Zahlungsforderung von 39.682,42 € (Nettopreis 35.043,10 €, Fracht 437,93 €, Zulassung 75 €, 19 % Mehrwertsteuer auf diese Beträge 6.755,64 €, Kosten Tuning 1.009,74 € abzüglich Nutzungsentschädigung 3.638,99 €) erhoben.

    Mit seinem Begehren hat er an eine behauptete Mangelhaftigkeit des verkauften Fahrzeugs angeknüpft, weil es "rucke". Er war dieserhalb bereits am 16.02.2006 bei der Beklagten vorstellig geworden und hat es sich danach zwischen dem 26.05.2006 und dem 30.11.2007 mehrfach an verschiedene Saab-Zentren gewandt. Nach den AGB der Beklagten war es möglich, "Ansprüche auf Mängelbeseitigung" außer bei dieser "bei anderen, vom Hersteller/Importeur für die Betreuung des Kaufgegenstandes anerkannten Betrieben geltend zu machen", mit der Maßgabe, dass "im letzteren Fall" die Beklagte "hiervon zu unterrichten" sei.

    Da eine den Kläger befriedigende Abhilfe nicht geschaffen wurde, erklärte er mit anwaltlichem Schreiben vom 14.01.2008 den Vertragsrücktritt. Darauf verwies ihn die Beklagte an ein Saab-Zentrum, damit "die angeführte Beanstandung nachvollzogen bzw. vorgeführt werden kann". Dem folgte der Kläger am 6.02.2008 und erhielt das Fahrzeug am 24.05.2008 mit Beschädigungen zurück. Unter dem 3.06.2008 teilte er der Beklagten mit, dass er "nunmehr die Rückabwicklung des Kaufvertrags begehre". Diese forderte erneut die Überprüfung in einem Saab-Zentrum. Im Anschluss daran lehnte sie die Rücknahme des Wagens ab.

    Das Landgericht hat das Klageverlangen nach der Vernehmung von Zeugen abgewiesen. Es hat gemeint, es habe keinen wirksamen Vertragsrücktritt des Klägers gegeben. Dessen Erklärung vom 14.01.2008 sei fehlgeschlagen, weil die Beklagte zuvor lediglich einmalig, nämlich am 16.02.2006, die Gelegenheit zur Nacherfüllung gehabt habe. Die Arbeiten, die 2006 und 2007 in den Saab-Zentren durchgeführt worden seien, brauche sie sich nicht zurechnen lassen, weil sie davon nicht zeitnah unterrichtet worden sei. Die weitere Erklärung des Klägers vom 3.06.2008 sei gescheitert, da die Mängelgewährleistungsrechte, wie die Beklagte zutreffend eingewandt habe, damals bereits verjährt gewesen seien. Zudem hätten "zum Zeitpunkt der zweiten Rücktrittserklärung ebenfalls die Voraussetzungen eines fehlgeschlagenen zweiten Nachbesserungsverlangens nicht vorgelegen".

    Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er erstrebt nunmehr die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 38.769,41 € (Berechnung, wie in erster Instanz, aber unter Ansatz einer Nutzungsentschädigung von jetzt 4.552 €) nebst Zinsen und zum Ausgleich vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie die Feststellung, dass die Beklagte mit der Rücknahme des verkauften Autos in Verzug sei. Seiner Auffassung nach hat die Beklagte für die Sachbehandlung durch die Saab-Zentren einzustehen. Ein Rücktrittsrecht habe aber auch unabhängig davon bestanden. Die Verjährungseinrede greife nicht. Hilfsweise macht der Kläger ein Minderungsrecht in Höhe von 6.000 € geltend.

    Die Beklagte, die bereits die Zulässigkeit der erweiterten Antragstellung des Klägers rügt, bestreitet wie in erster Instanz die Mangelhaftigkeit des Pkw. Das vom Kläger beschriebene Phänomen gehöre zur Typik von Diesel-Fahrzeugen mit einem Rußpartikelfilter.

    Der Senat, der zur Sachverhaltsdarstellung im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten verweist, hat ein Sachverständigengutachten im Hinblick auf die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs eingeholt.

    II.

    Die Berufung führt auf der Grundlage des Hauptbegehrens des Klägers in Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zu einem weitreichenden Zuspruch der Klage. Der Kläger kann die Beklagte auf Rückabwicklung des von den Parteien geschlossenen Kaufvertrags in Anspruch nehmen. Das streitige Kraftfahrzeug ist mangelhaft. Deshalb war der Kläger gemäß § 437 Nr. 2 BGB befugt, unter dem 14.01.2008 vom Vertrag Abstand zu nehmen. In der Folge hat die Beklagte die ihr zugeflossenen Leistungen zu erstatten, während der Kläger im Gegenzug gehalten ist, das Auto zurückzugeben und die von ihm gezogenen Nutzungen zu vergüten (§§ 346 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 348 BGB).

    Nach den Feststellungen des vom Senat befragten Sachverständigen ...[A] gerät der Wagen in bestimmten Drehzahlbereichen (im vierten Gang bei 2.300 bis 2.500 U/min und im dritten Gang bei knapp unter 2.000 U/min) in eine Vibration, die sich nicht mit dem eingebauten Rußpartikelfilter erklären lässt und deshalb nicht als systembedingt und damit als eine typengerechte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB) eingestuft werden kann (vgl. dazu BGH NJW 2009, 2056). Vielmehr handelt es sich um eine Schwingungsdiskordanz von Motor, Antriebsstrang und Karosserie, die in Abweichung von der Serie im konkreten Fall nicht richtig aufeinander abgestimmt sind. Das Phänomen ist für den Außenstehenden nicht besonders auffällig, wirkt sich aber für den regelmäßigen Nutzer störend aus, der es - weil es ihm bekannt ist - von vornherein kritisch erwartet und dazu neigt, es wiederkehrend zu provozieren. Darin liegt mehr als ein bloßer Bagatellfehler, der zu unerheblich wäre, um ein Rücktrittsrecht zu tragen (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB); es handelt sich um eine nachhaltig störende Erscheinung, mit der sich ein Autokäufer nicht abzufinden braucht. Um diese Würdigung vornehmen zu können, bedarf es keiner weiteren Befragung des Sachverständigen. Von daher ist der neuerliche Antrag der Beklagten auf dessen ergänzende Anhörung - unabhängig von seiner Verfristung (§ 411 Abs. 4 ZPO) - ohne Gewicht (Greger in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 411 Rn. 5 a).

    Allerdings hat der Sachverständige nicht zu sagen vermocht, ob die Vibrationen schon im Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB) merklich waren oder sich erst langfristig herausbildeten und verstärkten, und diese Unsicherheit lässt sich auch nicht durch eine zusätzliche Begutachtung ausräumen (vgl. Gutachten vom 14.09.2010, S. 9 = Bl. 204 GA). Das steht jedoch der Mängelhaftung der Beklagten nicht im Weg. Denn es ist weder behauptet noch sonst ersichtlich, dass es irgendwelche äußeren Einwirkungen gab. Insofern geht es um einen von vornherein im Pkw selbst angelegten Fehler. Die Vermutung des § 476 BGB braucht daher nicht bemüht zu werden; es kann offen bleiben, ob deren Voraussetzungen im hiesigen Fall erfüllt sind.

    Die Ausübung des Rücktrittsrechts ist nicht daran gescheitert, dass der Beklagten vorab keine Frist zur Nacherfüllung (§ 323 Abs. 1 BGB) gesetzt worden war. Eine derartige Fristsetzung war nämlich entbehrlich, weil es mehrere ergebnislose Nachbesserungsversuche gegeben hatte (§ 440 BGB). Freilich hat sich die Beklagte nicht selbst um eine Reparatur bemüht, sondern der Kläger hat sich an andere vom Autohersteller autorisierte Betriebe gewandt. Dazu war er jedoch nach Nr. VII Abs. 2 a der Kaufvertragsbedingungen befugt. Die Auffassung des Landgerichts, die Beklagte brauche sich deren Misserfolge nicht zurechnen zu lassen, weil sie vom Kläger nicht unverzüglich unterrichtet worden sei, trifft nicht zu. Die in den Kaufvertragsbedingungen niedergelegte Informationspflicht ist nicht zeitlich terminiert. Von daher wirkte sich das Scheitern der Nachbesserungsbemühungen ungeachtet des Umstands zu Lasten der Beklagten aus, dass es nicht zu einer raschen Benachrichtigung kam und ihr dadurch die Gelegenheit versagt wurde, mit eigenen Leuten Abhilfe zu schaffen (BGH NJW 2007, 504).

    Mit ihrem neuerlichen Vorbringen (Schriftsatz vom 27.12.2010, S. 1 = Bl. 252 GA), der Kläger sei in den vom Hersteller autorisierten Betrieben nicht wegen des streitigen Mangels vorstellig geworden, ist die Beklagte gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Es steht im Widerspruch zu ihrer erstinstanzlichen Darstellung (Schriftsätze vom 24.03.2009, S. 3 = Bl. 34 GA und vom 8.06.2009, S. 2 = Bl. 50 GA) und den Feststellungen des Landgerichts (LGU S. 7 = Bl. 112 GA). Da der Rücktritt des Klägers weniger als zwei Jahre nach der Auslieferung des Fahrzeugs erklärt wurde, war seinerzeit die kaufvertragliche Verjährungsfrist (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB) noch nicht abgelaufen, so dass von einer Verfristung (§ 218 Abs. 1 S. 1 BGB) keine Rede sein kann. Deshalb kommt es nicht mehr darauf an, inwieweit mit den Nachbesserungsversuchen eine Verjährungshemmung (§ 203 BGB) oder -unterbrechung (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) verbunden war (vgl. dazu BGH NJW 2006, 47).

    Rechtsfolge des Vertragsrücktritts ist die Verpflichtung zur Rückgewähr der jeweils empfangenen Vertragsleistungen. Mithin schuldet die Beklagte die Rückzahlung des vom Kläger geleisteten Kaufpreises von 35.365,50 € (= 35.043,10 € abzüglich Rabatt von 4.555,60 € nebst 16 % Mehrwertsteuer), während der Kläger den Pkw zur Verfügung zu stellen hat. Darüber hinaus ist die Nutzung zu entgelten. Wie der Sachverständige ...[A] mitgeteilt hat, legte das Fahrzeug bis zum 30.08.2010 eine Strecke von 47.023 km zurück; für die knapp vier Monate zwischen dem Rückerhalt des Wagens nach der Begutachtung bis zum Ende des Beurteilungszeitraums (§ 128 Abs. 2 S. 2 ZPO) sind weitere 4.000 km zu veranschlagen (§ 287 Abs. 2 ZPO). Das entspricht insgesamt einem geldwerten Vorteil von 9.020,87 €. Dabei ist für den streitigen Wagen eine vom Kaufpreis gedeckte Laufleistung von 200.000 km anzusetzen (vgl. OLG Koblenz NJW 2009, 3519), so dass sich je km ein Betrag von 0,1768 € ergibt; weitergehende Fahrten müssen letztlich mit den Unterhaltsaufwendungen finanziert werden, die sich über die Jahre summieren. Die wechselseitigen Zahlungsansprüche sind gemäß der vom Kläger und ergänzend von der Beklagten erklärten Aufrechnung zu verrechnen; dabei verbleibt für den Kläger ein Saldo von 26.344,63 €.

    Im Interesse der Vollstreckung des Klägers (§§ 256, 756 Abs. 1, 765 Nr. 1 ZPO) ist des Weiteren auf dessen nach § 533 ZPO zulässigen Antrag hin auszusprechen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Pkw in Verzug befindet, da sie zur Kaufpreisrückgewähr nicht bereit ist (§§ 295, 298 BGB). Einen Anspruch auf Ersatz der eingeklagten Kosten für den Transport (437,93 €) und die Zulassung (75 €) des Wagens hat der Kläger ebenso wenig, wie er einen Ausgleich für die Aufwendungen zum Tuning (1.009,74 €) verlangen kann. § 284 BGB (vgl. dazu grundsätzlich Grüneberg in Palandt, BGB, 70. Aufl., § 284 Rn. 5) trägt nicht, weil er eine Schadensersatzpflicht der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB voraussetzt und eine solche Pflicht mangels Verschulden auf deren Seite ausscheidet; die streitigen Vibrationen sind atypisch und waren primär nicht erkennbar. Auch für eine Ersatzpflicht der Beklagten nach § 347 Abs. 2 BGB ist kein Raum.

    Notwendige, das heißt zur Erhaltung und Instandsetzung erforderliche Verwendungen liegen nicht vor, und zu einer Bereicherung der Beklagten ist es nicht gekommen. Es ist bestritten, dass das Tuning zu irgendeiner Wertsteigerung geführt hätte.

    Die Beklagte muss allerdings weithin für die vorprozessualen Anwaltskosten des Klägers (1.419,19 € = 1,3 Gebühr gemäß Nr. 2300 RVG-VV aus 38.769,41 €, Gebühren gemäß Nr. 7002 und 7008 RVG-VV) aufkommen. Die Kosten, die ebenfalls zulässigerweise (§ 533 ZPO) ergänzend eingefordert werden, sind durch die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe im Zusammenhang mit der Rücktrittserklärung vom 14.01.2008 ausgelöst worden. Sie sind Folge der misslungenen Nacherfüllungsversuche durch autorisierte Betriebe, deren Handeln sich die Beklagte gemäß Nr. VII Nr. 2 a der Kaufvertragsbedingungen zurechnen lassen muss und daher Gegenstand eines Anspruchs aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Dass es unmöglich gewesen wäre, den vorhandenen Mangel und damit die auf Seiten der Beklagten bestehende Gewährleistungspflicht zu erkennen (arg. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB), ist nicht aufgezeigt. Die Anwaltskosten sind jedoch nur insoweit ersatzfähig, als ein Gegenstandswert von 26.344,63 € betroffen ist. Damit beschränkt die Erstattungsforderung auf 1.196,43 €, neben die Rechtshängigkeitszinsen treten.

    Der Kostenausspruch beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.

    Rechtsmittelstreitwert: 38.769,41 € (der Feststellungsantrag und die Nebenforderung auf Kostenersatz haben kein eigenes Gewicht)