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  • 25.08.2011 · IWW-Abrufnummer 112499

    Oberlandesgericht Bremen: Urteil vom 07.04.2011 – 1 U 62/10

    Ist der Käufer eines Pkw berechtigt, Ansprüche auf Mängelbeseitigung nicht nur bei der Verkäuferin, sondern auch in anderen Vertragswerkstätten des Herstellers geltend zu machen, so lässt sich daraus nicht ableiten, dass auch eine Rücktrittserklärung vom Vertrag bei diesen wirksam abgegeben werden kann. Dies gilt auch bei Unternehmen derselben Firmengruppe, wenn diese in einer eigenständigen Rechtsform betrieben werden.


    1 U 62/10
    In dem Rechtsstreit
    [...]
    Klägerin und Berufungsklägerin,
    Prozessbevollmächtigter:
    Rechtsanwalt [...]
    gegen
    [...]
    Beklagte und Berufungsbeklagte,
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte [...]
    hat der 1. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 24.03.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Bölling, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Pellegrino und den Richter am Amtsgericht Dr. Helberg für Recht erkannt:
    Tenor:
    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bremen - 3. Zivilkammer - vom 08.10.2010 wird zurückgewiesen.
    Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe geleistet hat.
    Die Revision wird nicht zugelassen.
    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 73.148 € festgesetzt.
    Gründe
    I. Die Klägerin war Leasingnehmerin eines Pkw Audi Q 7. Die Leasinggeberin erwarb den Pkw zu einem Kaufpreis von 95.744,02 € bei der Beklagten in B.. Die Klägerin hatte das Fahrzeug dort ausgesucht; es wurde am 23.10.2007 an sie ausgeliefert. Die Leasinggeberin trat sämtliche ihr gegen Dritte zustehende Ansprüche und Rechte wegen Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs an die Klägerin ab. Die Klägerin hat in der Folge eine Vielzahl von Mangelrügen an dem Fahrzeug erhoben und in verschiedenen Werkstätten Reparaturen durchführen lassen. Sie wandte sich schließlich am 22.10.2009 an das "Autohaus U." und sprach dort die "Wandlung des Fahrzeugs" aus, was ihr dieses Autohaus schriftlich bestätigte (Bl. 36 d.A.). Mit Schreiben vom 27.10.2010 forderte die Klägerin die Beklagte dazu auf, die Modalitäten der Rückabwicklung mitzuteilen. Nachdem die Beklagte den Rücktritt zurückwies, hat die Klägerin mit der Klage die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangt. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Rücktritt sei nicht rechtzeitig gegenüber der Beklagten erklärt worden.
    Wegen des weiteren Sach- und Streitstands erster Instanz und der Begründung der Entscheidung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil (BI. 161 ff. d.A.) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
    Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen die erstinstanzliche Entscheidung und verfolgt ihren Klageantrag weiter. Das Berufungsvorbringen der Parteien ergibt sich aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 20.01.2011 (Bl. 202 ff. d.A.) und dem Schriftsatz der Beklagten vom 25.02.2011 (Bl. 269 ff. d.A.).
    II. Die statthafte (§ 511 ZPO), form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 517, 519, 520 ZPO) der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 08.10.2010 ist zulässig, aber unbegründet.
    Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin nicht wirksam den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat. Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß den §§ 398, 346 ff. i.V.m. §§ 437 Nr. 2, 323, 440 BGB sind nicht gegeben. Es liegt kein wirksamer Rücktritt vor, weil dieser nicht vor Eintritt der Verjährung gegenüber der Beklagten erklärt worden ist (§§ 438, 218 BGB).
    1. Der Pkw wurde von der Leasinggeberin bei der Beklagten erworben und am 23.10.2007 an die Klägerin geliefert. Die Klägerin hätte also bis zum Ablauf des 23.10.2009 den Rücktritt erklären müssen (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt eine Rücktrittserklärung erhalten hat. Das Schreiben der Klägerin vom 27.10.2009, in dem sie die Rückabwicklung des Vertrages geltend gemacht hat, war jedenfalls verspätet, weil die Verjährungsfrist bereits abgelaufen war.
    2. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie sich am 22.10.2009 an das "Autohaus U." gewandt und die "Wandlung des Fahrzeugs" ausgesprochen hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei dem Autohaus U. um eine selbständige juristische Person, so dass eine ihr gegenüber abgegebene Rücktrittserklärung die Beklagte nicht binden konnte. Daran ändert nichts, dass die Beklagte und das Autohaus U. zu einer Firmengruppe gehören und insoweit auch Namensbestandteile identisch sind. Aus dem Internetauftritt der Firmengruppe, auf den die Klägerin selbst verweist, ergibt sich unzweifelhaft, dass das Autohaus U. neben der Beklagten als ein rechtlich selbständiges Unternehmen geführt wird. Ebenso war aufgrund der Bestellunterlagen, die der Klägerin vorlagen, ohne weiteres erkennbar, dass die Beklagte als selbständiges Unternehmen das Fahrzeug geliefert hatte.
    Damit fehlt es auch an einer Grundlage für die Annahme, der Rücktritt sei der Beklagten durch Erklärung gemäß § 130 BGB zugegangen. Nach dieser Vorschrift kann es zwar für den Zugang genügen, dass eine Willenserklärung bei einer Zweigstelle eingeht, um sie der Hauptniederlassung zuzurechnen (Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 130 Rn. 6). Da aber zwei rechtlich selbständige Unternehmen vorliegen, ist ein solches Verhältnis nicht gegeben.
    3. Ein rechtzeitiger Zugang der Rücktrittserklärung ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil das Autohaus U. zur Entgegennahme von rechtsgeschäftlichen Erklärungen ermächtigt war.
    a) Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin dem Autohaus die Stellung eines Empfangsvertreters eingeräumt hat (§ 164 Abs. 3 BGB). Allein die Berechtigung, Ansprüche auf Mängelbeseitigung bei anderen anerkannten Betrieben geltend zu machen, wie es sich aus den Neuwagenverkaufsbedingungen der Beklagten ergibt, führt noch nicht dazu, dass damit auch rechtsgeschäftliche Erklärungen gegenüber diesen Betrieben abgegeben werden dürfen.
    Ebenso wenig lässt sich aus dem weiteren Inhalt der Neuwagenverkaufsbedingungen eine Empfangszuständigkeit des Autohauses U. für eine Rücktrittserklärung gegenüber der Verkäuferin entnehmen. Soweit nach Ziff. VII 2 a) S. 2 der Neuwagenverkaufsbedingungen dem Käufer bei mündlichen Anzeigen von Ansprüchen eine schriftliche Bestätigung über den Eingang der Anzeige auszuhändigen ist, kann daraus keine Vertretungsmacht abgeleitet werden. Die Bestätigung bezieht sich auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf Mängelbeseitigung, nicht aber auf die Rückabwicklung des Vertrages.
    b) Die Beklagte hat auch keinen Rechtsschein gesetzt, aufgrund dessen die Klägerin davon ausgehen konnte, sie sei berechtigt, auch in einem anderen Unternehmen der Firmengruppe den Rücktritt zu erklären. Soweit die Klägerin anführt, sie sei davon ausgegangen, es handele sich bei dem Autohaus U. um eine Filiale der Beklagten und sie hätte dort den Rücktritt erklären können, legt sie nicht dar, in welcher Weise die Beklagte zu dieser Annahme beigetragen hat. Soweit dieser Eindruck durch ein Verhalten des Autohauses U. entstanden ist, etwa durch die schriftliche Bestätigung des Eingangs der Wandlungserklärung oder durch sonstige mündliche Erklärungen, vermag das keine rechtliche Bindung der Beklagten zu begründen.
    c) Schließlich kann ein Zugang der Rücktrittserklärung nicht im Wege der Wissenszurechnung angenommen werden.
    Die Voraussetzungen für eine Wissenszurechnung liegen nicht vor. Eine solche kommt regelmäßig nur dann in Betracht, wenn es sich bei dem Vertragspartner um eine juristische Person mit verschiedenen selbständigen organisatorischen Einheiten handelt. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darüber hinaus eine Wissenszurechnung zwischen verschiedenen Rechtsträgern für möglich gehalten wird, geht es um Fälle, in denen die Wahrnehmung der Aufgaben der juristischen Person so organisiert ist, dass ein Teil ihres Aufgabenbereichs auf eine natürliche Person oder eine selbständige juristische Einheit ausgegliedert wird (BGH NJW 2001, 359, 360). Ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor.
    Im Übrigen ist auch kein Sachverhalt gegeben, bei dem die Grundsätze der Wissenszurechnung greifen könnten, weil es nicht um die Zurechnung von Wissen in verschiedenen organisatorischen Einheiten eines Unternehmens, sondern um den Zugang einer rechtsgestaltenden Willenserklärung des anderen Teils geht, die nur dann Wirkung entfalten kann, wenn sie gegenüber dem Vertragspartner abgegeben wird (§ 349 BGB).
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
    Die Revision ist nicht zuzulassen, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO).

    RechtsgebietBGBVorschriften§§ 218, 346, 437 Nr. 2, 323, 440, 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB