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  • 23.12.2009 | Videoüberwachung

    Übersicht: (Erste) Rechtsprechung zur Videomessung im Straßenverkehr

    In VA 09, 172 haben wir über den Beschluss des BVerfG v. 11.8.09, 2 BvR 941/08 berichtet und auf die sich für OWi-Verfahren ergebenden Auswirkungen hingewiesen (dazu auch Burhoff VRR 09, 355; Niehaus DAR 09, 632). Inzwischen liegt erste Rechtsprechung vor, die die Entscheidung für die Praxis umsetzt. Diese stellen wir in einem kurzen Überblick vor.  

     

    Die vorliegenden Entscheidungen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Zum Teil haben die (Amts)Gerichte trotz der Entscheidung des BVerfG die Betroffenen verurteilt und dabei die aufgrund der jeweiligen (Video)Messungen gewonnenen Ergebnisse zugrunde gelegt, zum Teil sind die Betroffenen aber auch frei gesprochen worden.  

     

    1. Gruppe: Verurteilung

    Verurteilt haben u.a. die AG Freiburg (25.8.09, 31 OWi 530 Js 11165/09 731/09), AG Schweinfurt (31.8.09, 12 OWi 17 Js 7822/09, Abruf-Nr. 093882) und Erlangen (3.9.09, 6 OWi 912 Js 141595/09, Abruf-Nr. 093879). Beim AG Freiburg ging es um das Brückenabstandsmessverfahren ViBrAM-BAMAS, in den anderen Fällen wurde das bayerische Brückenabstandsmessverfahren mit drei Videokameras eingesetzt. Diese AG gehen davon aus, dass die Entscheidung des BVerfG (a.a.O.) einer Verurteilung nicht entgegensteht, da die Sachverhalte hinsichtlich der Messmethode und der Durchführung der Messung nicht mit dem vom BVerfG entschiedenen Sachverhalt vergleichbar seien. Die in einem ersten Schritt jeweils durchgeführte Daueraufzeichnung lasse anders als beim BVerfG weder Kennzeichen noch Fahrer erkennen. Sie diene auch nicht Beweiszwecken, sondern ausschließlich dazu, beim Messbeamten im Einzelfall den Anfangsverdacht einer Abstandsunterschreitung zu begründen. Erst aufgrund seiner Entscheidung werde dann diejenige Aufzeichnung durch eine weitere Kamera ausgelöst, die dann das Kennzeichen und den Fahrzeugführer identifizierbar erkennen ließen.  

     

    Diese Vorgehensweise sehen die AG als durch § 100h Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO (so AG Schweinfurt) bzw. durch § 163b Abs. 1 StPO (so AG Freiburg) sanktioniert an, da die individualisierbare Aufzeichnung erst aufgrund eines Entscheidungsakts nach Begründung eines Anfangsverdachts ausgelöst wird. Diese Aufzeichnung sei geeignet, dem legitimen Zweck der Überwachung des Verkehrs zum Schutz der Verkehrssicherheit zu dienen. Sie sei auch erforderlich, da es angesichts der Eigenarten des fließenden Verkehrs andere sinnvolle Möglichkeiten des Nachweises nicht gebe.  

     

    Hinweis: Das OLG Bamberg sieht inzwischen § 100h StPO als Ermächtigungsgrundlage (15.10.09, 2 Ss OWi 1169/09, Abruf-Nr. 093995, verwendetes Messverfahren nicht genannt; für das (bayerische) Brückenabstandsmessverfahren 16.11.09, 2 Ss OWi 1215/09, Abruf-Nr. 093884).  

     

    M.E. ist allerdings fraglich, ob die §§ 100h, 163b StPO als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden können. Denn § 100h StPO setzt einen zumindest einfachen Tatverdacht voraus, der aber gerade (noch) nicht vorliegt, sondern erst ermittelt werden soll. § 163b StPO kann nur angewendet werden, wenn nicht andere gesetzliche Vorschriften eingreifen. Durch seine Anwendung kann nicht das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 100h StPO umgangen werden (Niehaus DAR 09, 632).