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  • 23.04.2009 | Unfallschadensregulierung

    Neuwagenbestellung vor dem Unfall - was nun?

    Steht dem Geschädigten nach einem Unfall über den vom Sachverständigen veranschlagten Zeitraum für die Ersatzbeschaffung eines Fahrzeugs hinaus bis zur Lieferung des bereits vor dem Unfall bestellten Fahrzeugs bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise keine weitere Nutzungsausfallentschädigung zu, kommt auch ein auf die fiktiven Kosten für die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs begrenzter Anspruch auf Nutzungsersatz nicht in Betracht (BGH 10.3.09, VI ZR 211/08, Abruf-Nr. 091207).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Es geht um den Fall in VA 08, 37, der dem BGH bereits einmal vorgelegen hat. Zwischenzeitlich hat das LG - wie vom BGH gefordert- die gebotenen Feststellungen zur Höhe der Kosten des An- und Wiederverkaufs eines Interimsfahrzeugs nachgeholt. Nunmehr sachverständig beraten ist es zu dem gleichen Ergebnis wie zuvor gelangt: Die Nutzungsausfallentschädigung liegt wesentlich über den Kosten für ein Interimsfahrzeug. Daraus hat das LG aber nicht den Schluss gezogen, dass der Kläger überhaupt keinen (weiteren) Nutzungsausfallersatz verlangen könne. Vielmehr stehe ihm ein auf die fiktiven Kosten für ein Interimsfahrzeug begrenzter Ersatzanspruch zu, der jedoch durch die vorprozessuale Zahlung ausgeglichen sei.  

     

    Die erneut zugelassene Revision des Klägers hat der BGH zurückgewiesen. Im Anschluss an sein Ersturteil wiederholt er, unter welchen Umständen ein Geschädigter in der besonderen Situation des Klägers - Unfall während laufender Lieferfrist für einen bestellten Neuwagen - Nutzungsersatz über die normale Wiederbeschaffungszeit hinaus bis zur Lieferung des Neuen verlangen könne. Erforderlich sei eine Vergleichsrechnung: Auf der einen Seite der Nutzungsersatz (hier incl. Mietwagenkosten), auf der anderen Seite die Kosten für ein Zwischenfahrzeug (Differenz zwischen An- und Verkauf + Nebenkosten). Schon der geltend gemachte Betrag lt. Tabelle lag gem. Gutachten deutlich über den „Interimskosten“. Entgegen der Ansicht des LG seien die niedrigeren Kosten für das Interimsfahrzeug aber nicht quasi als Mindestschaden zu ersetzen, meint der BGH. Insoweit läge der Streitfall wesentlich anders als die von den OLG Schleswig (NZV 90, 150) und Hamm (ZfS 91, 234) entschiedenen „Neuwagen“-Fälle mit Wiederbeschaffungszeiten von 3 bis 4 Monaten. In concreto habe die Wiederbeschaffungsdauer lt. Gutachten nur 14 Kalendertage betragen, von denen der Kläger 10 durch Anmietung eines Ersatzfahrzeugs überbrückt habe. Mehr als die erstatteten Mietwagenkosten könne er unter diesen Umständen nicht verlangen.  

     

    Praxishinweis

    Erneut zeigt sich, welch fragiler Schadensposten die „abstrakte“ Nutzungsausfallentschädigung ist. Der BGH hat den Kläger nicht, jedenfalls nicht explizit, mit dem Mix-Verbot (zunächst Mietwagen, dann Tabelle) in die Schranken gewiesen. Die gebotene „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ bringt die Klage zu Fall. Was heißt das für die Beratungspraxis? Bei Rückgabe des Mietwagens waren es nur noch rund 9 Wochen bis zur voraussichtlichen Auslieferung des Neuen. Achtung! Die Lieferzeiten sind i.d.R. unverbindlich, Verlängerungen an der Tagesordnung. Durchmieten war dem Klägeranwalt vielleicht auch deshalb zu riskant. Der 254er Einwand „Interimsfahrzeug“ wäre jedenfalls programmiert gewesen (dazu OLG Celle, Abruf-Nr. 073385, aber Lkw). Ein solches Fahrzeug zu erwerben, hätte man dem Kläger raten können. Effektive Kosten, die den Schaden klein halten, sind grundsätzlich zu ersetzen. Das ist vor allem eine Frage des Kostenvergleichs. Das Gericht braucht dazu einen Sachverständigen, der Anwalt muss die Kosten für einen Zwischenwagen über den Daumen peilen. Nicht so einfach. Zu vergleichen sind sie mit den Mietkosten oder - bei Verzicht auf einen Mietwagen - mit der abstrakten Entschädigung, ggf., wie hier, mit der Summe aus beiden Posten. Zusatzproblem: Wer im Anschluss an eine Miete nicht weiter beweglich bleibt, riskiert den Einwand „kein Nutzungswille“. Angesichts dieser Zwickmühle dem Versicherer den Schwarzen Peter zuzuschieben, war die richtige Taktik des Klägeranwalts. Hätte er nachgehakt, als die erbetene Antwort auf sein Schreiben ausblieb, wäre der ganze Streit wohl vermieden worden. So hat der BGH dem Kläger erst Hoffnung gemacht, um ihn dann doch leer ausgehen zu lassen.