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  • 23.10.2008 | Unfallschadensregulierung

    Mithaftung des Unfallverursachers
    für ärztlichen Kunstfehler

    Wird der Verletzte eines Verkehrsunfalls ärztlich fehlerhaft behandelt, ist das haftungsrechtlich auch dem Unfallverursacher zuzuordnen, es sei denn, der Arzt hätte seine Sorgfaltspflichten in außergewöhnlich hohem Maße verletzt. Bei der Fehldeutung eines Röntgenbilds kann es sich um ein Versäumnis handeln, für das der Unfallverursacher neben dem Arzt als Gesamtschuldner haftet (OLG Koblenz 24.4.08, 5 U 1236/07, Abruf-Nr. 083187).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Bei einem Verkehrsunfall hatte die Klägerin schwerste Verletzungen erlitten. Für die Kollision war der Unfallgegner allein verantwortlich. In dem später verklagten Krankenhaus wurden im Rahmen der unfallchirurgischen Notfallversorgung Röntgenbilder gemacht, die der zweitbeklagte Radiologe nach den Feststellungen des Gerichts fehlerhaft ausgewertet hat. Eine Verletzung der LWS wurde übersehen, weshalb der drittbeklagte Unfallchirurg insoweit nichts unternahm. In der mündlichen Verhandlung vor dem LG erklärte die Klägerin, vom Unfallverursacher bisher ein Schmerzensgeld von 4. 000 EUR erhalten zu haben. Welche Bedeutung diese Zahlung für den Schmerzensgeldanspruch der Klägerin gegen die drei Beklagten hat, war strittig.  

     

    Das OLG Koblenz nimmt einen ärztlichen Kunstfehler in Form einer Fehldeutung der Röntgenbilder an. Wegen der dadurch bedingten Verlängerung des Leidenswegs der Klägerin hält es ein Schmerzensgeld von 3.000 EUR für angemessen. Dieser Anspruch sei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf den Unfallverursacher übergegangen, die Klägerin sei also weiterhin aktivlegitimiert. Zwar habe der Unfallverursacher für das Arztversagen haftungsrechtlich gleichermaßen einzustehen wie die beklagten Ärzte. Ein in den Kausalverlauf eingreifendes Fehlverhalten Dritter bei der Schadensbeseitigung unterbreche den Zurechnungszusammenhang nur ausnahmsweise, z.B. bei einem völlig ungewöhnlichen und unsachgemäßem Verhalten des Dritten. Ein derart grobes Fehlverhalten des Radiologen liege hier nicht vor, eher ein leichtes Verschulden. Zahle einer von mehreren Gesamtschuldnern, habe das zwar grundsätzlich einen Anspruchsübergang zur Folge (§ 426 Abs. 2 S. 1 BGB). Das sei im Streitfall aber anders, weil der Unfallverursacher/Versicherer nicht auf die Gesamtschuld gezahlt habe. In der Schmerzensgeldzahlung liege keine Erfüllung i.S.d. § 422 Abs. 1 S. 1 BGB.  

     

    Praxishinweis

    Dass nach einem Unfall Dritte als sog. Zweitschädiger den Schaden vergrößern statt ihn zu beheben, ist nicht ganz ungewöhnlich. Es kann die Werkstatt sein, aber auch der Unfallarzt. Während in Bezug auf Werkstattfehler eine gefestigte Rechtsprechung vorliegt, gibt es nur wenige Urteile, die sich mit dem Arzt als Zweitschädiger befassen. Zu dieser Problematik informativ Wertenbruch, NJW 08, 2962.