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  • 01.10.2008 | Unfallschadensregulierung

    KG: Keine Verweisung an Freie Werkstatt

    Bei fiktiver Berechnung der Reparaturkosten darf der Geschädigte die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrundelegen (KG 30.6.08, 22 U 13/08, Abruf-Nr. 082285).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Bei einem Auffahrunfall in Berlin wurde der über 8 Jahre alte und mehr als 84 000 km gelaufene BMW des Klägers, von ihm gebraucht gekauft und noch nie in eine BMW-Werkstatt gebracht, am Heck beschädigt. Der SV ermittelte Reparaturkosten i.H.v. 3.690 EUR netto. Die Lohnkosten basieren auf dem Lohnfaktor der BMW-Fachwerkstatt in der Region, in der er das Fahrzeug besichtigt hat. Der Kläger ließ den Wagen nicht reparieren, sondern rechnete fiktiv ab. Die beklagte Versicherung kürzte die Stundensätze unter Hinweis auf ortsübliche Verrechnungssätze regionaler Fachwerkstätten um insgesamt 574,74 EUR. Sie verwies auf Stundensätze der „Referenzfirma Autohaus D-GmbH, Entfernung 7 km, Lohn 63,50 EUR“. Nach ihrer Behauptung ist diese Werkstatt als Meisterbetrieb „BMW-versiert“ und technisch und fachlich einer markengebundenen BMW-Werkstatt ebenbürtig. Das LG Berlin hat die Kürzung der Beklagten anerkannt. Das KG hat durch eine Einzelrichterin zugunsten des Klägers entschieden.  

     

    Nach den Grundsätzen der Porsche-Entscheidung des BGH habe der Kläger Anspruch auf Ersatz fiktiver Reparaturkosten incl. Lohnkosten gemäß Schadengutachten. Nur in engen Grenzen komme eine Kürzung in Betracht. Die „besonderen tatsächlichen Voraussetzungen“ dafür hätte die Beklagte nicht hinreichend dargelegt. Dabei unterstellt das KG zwei Behauptungen der Beklagten als wahr: a) Referenzfirma repariert qualitativ gleichwertig, b) nicht nur ihre Lohnkosten, sondern die Reparaturkosten sind insgesamt günstiger. Dennoch handele der Kläger wirtschaftlich nicht unvernünftig, wenn er eine Reparatur in jener Werkstatt ablehne. Es fehle jedenfalls an einer „wirtschaftlichen Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeiten im schadensrechtlichen Sinn“. Begründet wird dies mit allgemeinen Erwägungen zum Status und der Bedeutung von Markenwerkstätten im Vergleich mit den Freien.  

     

    Praxishinweis

    Für Berlin mag das Thema jetzt durch sein, auch wenn es nur ein Einzelrichter-Urteil ist, noch dazu vom 22. ZS und nicht vom 12. ZS, dem wahren Berliner Fachsenat. Bundesweit bleibt die Sache spannend. Leider ist die Revision nicht zugelassen worden. Die Begründung dafür greift zu kurz. Wenn ein Schadensthema höchstrichterlicher Klärung bedarf, dann dieses. Zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. (vgl. VA 07, 141 ff.) ist eine BGH-Entscheidung überfällig. Einer der Knackpunkte ist in der Tat die Gleichwertigkeitsfrage. Das KG hat technisch-fachliche (qualitative) Gleichwertigkeit als wahr unterstellt und lediglich „wirtschaftliche“ Ungleichwertigkeit angenommen. Insoweit ist das Urteil angreifbar. Selbst bei Anerkennung dieser normativen Kategorie (Parallelen: merk. MW und NW-Abrechnung) bleibt Fakt: Die Verkehrsauffassung schlägt um, die Freien Werkstätten machen Jahr für Jahr Boden gut, zumal bei kleineren Unfallreparaturen an älteren Fahrzeugen. Hier liegt der Anteil mittlerweile deutlich über 50 % (AUTOHAUS, 17/08, S. 8: 63 % bei mehr als 10 Jahren). Herstellergarantien sind meist ein Scheinproblem. Erstens hat ein 8-jähriger BMW allenfalls noch eine Rostschutzgarantie, zweitens steht Brüssel an der Seite der Freien.