Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.12.2005 | Unfallschadensregulierung

    Keine Pflicht zur Vorlage des Gutachtens im Totalschadensfall

    Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, das Gutachten über den Restwert des Unfallfahrzeugs der Haftpflichtversicherung des Schädigers zuzuleiten, um dieser die Möglichkeit zu verschaffen, ein höheres Restwertangebot abzugeben. Vielmehr darf er seiner Abrechnung den vom Sachverständigen ermittelten Restwert zu Grunde legen (LG Konstanz 17.6.05, 61 S 2/05a, zfs 05, 491, Abruf-Nr. 053032).

     

    Sachverhalt

    Nach einem Unfall holte der Kläger ein Gutachten eines anerkannten Sachverständigen ein. Der Restwert wurde mit 3.500 EUR ausgewiesen. Zu diesem Betrag verkaufte der Kläger seinen Unfallwagen. Erst 2 Tage danach erhielt die beklagte Versicherung das Schadensgutachten. Unter Ermittlung von Angeboten überörtlicher Restwertaufkäufer in Online-Börsen gab sie einen Restwert von 5.177 EUR an und leitete ein entsprechendes verbindliches Kaufangebot dem Kläger zu; Zugang 8 Tage nach Verkauf. Die Beklagte rechnete auf der Basis des höheren Restwertes von 5.177 EUR ab. Die Klage auf die Differenz war vor dem AG ohne Erfolg. Die Berufungskammer gab dem Kläger Recht.  

     

    Entscheidungsgründe

    In dem Meinungsstreit über die Verpflichtung zur Gutachtenvorlage entscheidet sich die Kammer für die geschädigtenfreundlichere Lösung. Danach ist ein Geschädigter nicht verpflichtet, dem gegnerischen Versicherer vor Veräußerung des Unfallfahrzeugs das Schadensgutachten zu übermitteln. Es bestehe nicht einmal die Pflicht, den Versicherer auf eine Verkaufsabsicht hinzuweisen. Zur Begründung verweist das LG vor allem auf BGH NJW 93, 1849; NJW 00, 800; OLG Düsseldorf NJW-RR 04, 1470 = VA 04, 110, Abruf-Nr. 041513. Die grundsätzlichen Erwägungen dieser Rspr. werden mit Einzelfall-Argumenten ergänzt, wie dem Hinweis, dass es dem Kläger mangels hinreichender Barmittel nicht zumutbar gewesen sei, die sich ihm bietende Verwertungsmöglichkeit auszuschlagen. Im Übrigen habe er darauf vertrauen dürfen, dass die Restwertermittlung des Sachverständigen, eines anerkannten Experten, zutreffend sei, so dass ein Gegengutachten – ohne Angebote überregionaler Spezialisten – keinen wesentlich höheren Restwert hätte ergeben können.  

     

    Praxishinweis

    Anders als jüngst das OLG Köln (VA 05, 135, Abruf-Nr. 051973) hat das LG Konstanz BGH-konform entschieden; auch im Einklang mit der neuesten Restwert-Entscheidung des BGH vom 12.7.05 (VA 05, 186, Abruf-Nr. 052785 = NJW 05, 3134). Sagt der BGH doch: „der Geschädigte ... muss grundsätzlich auch nicht den Haftpflichtversicherer über den beabsichtigten Verkauf seines beschädigten Fahrzeugs informieren“. Wichtig ist das Wort „grundsätzlich“. Auf die Streitfrage der Gutachtenvorlage ist der BGH freilich nicht eingegangen. Dazu bestand auch keine Veranlassung. In diesem Punkt bleibt es daher bei seiner geschädigtengünstigen Sichtweise (vgl. NJW 93, 1849). Die Chancen der Versicherungen, in Fällen mit Übermittlung höherer Restwertangebote nach Veräußerung sind damit sehr begrenzt. Gefahr droht Geschädigten, wenn sie schon vor dem Verkauf ein Schreiben der Versicherung mit der Bitte erhalten haben, sich vor einem etwaigen Verkauf zu melden, es gebe eventuell günstige Ankaufangebote, und sie ein solches Schreiben völlig ignorieren. Außerdem bleibt der Versicherung der Einwand, auf dem regionalen Markt hätte ein höherer Restwert erzielt werden müssen. Dem kann der Geschädigte entgegensetzen, der Restwertschätzung „seines“ Sachverständigen vertraut zu haben.