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  • 24.11.2009 | Unfallschadensregulierung

    Ein Sechsmonatsfall der besonderen Art: Reicht Behalten ohne Benutzen aus?

    1. Allein der Umstand, dass der Geschädigte weiter Eigentümer des - abgemeldeten - Unfallfahrzeugs bleibt, ist keine Weiternutzung, die eine Schadensregulierung auf der Basis fiktiver Reparaturkosten rechtfertigt.  
    2. Dies gilt insbesondere, wenn der Versuch des Geschädigten, das Fahrzeug zu veräußern, wegen fehlender Finanzierungsmöglichkeit scheitert. Das - wegen eines gescheiterten Verkaufs - bloße „Behalten“ eines abgemeldeten Fahrzeugs ist nicht als Weiternutzung zu werten.  
    3. Auch bei einem sog. Liebhaberfahrzeug ist das Integritätsinteresse jedenfalls dann nicht allein an der Frage zu bemessen, ob es veräußert wurde oder nicht, wenn ein geplanter Verkauf des Fahrzeugs an der Finanzierung des Kaufpreises durch den Käufer scheitert.  
    (OLG Rostock 23.10.09, 5 U 275/08, Abruf-Nr. 093678).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der im Eigentum der Klägerin, einem Autohaus, stehende Maserati war bei einem Unfall am 27.7.07 beschädigt worden. Hauptstreitpunkt ist die Frage, ob der Fahrzeugschaden nach den gutachterlich geschätzten Reparaturkosten (RK) oder dem Wiederbeschaffungsaufwand (WBA) abzurechnen ist. Die maßgeblichen Zahlen lt. Gutachten: RK netto 37.480 EUR, Wiederbeschaffungswert (WBW) netto 38.235 EUR, Restwert brutto 18.000 EUR. Die Klägerin ließ ihr (Geschäftsführer-)Fahrzeug reparieren; ob fachgerecht, ist strittig. Ende der Reparatur: 23.11.07. Bereits vor diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin den Pkw abgemeldet, angeblich wegen nicht absehbarer Reparaturdauer. Unstreitig wollte sie ihn im Dezember 2007 (vor Ablauf der 6-Monatsfrist) verkaufen, was jedoch an einem Finanzierungsproblem des Interessenten scheiterte. Wieder angemeldet hat die Klägerin den Wagen nicht. Der beklagte Versicherer rechnete auf WBA-Basis ab, wobei er als Restwert den (höheren) Betrag aus einem übermittelten Angebot abzog.  

     

    Während das LG die Abrechnung nach den fiktiven Reparaturkosten billigte, sprach das OLG lediglich den WBA zu, unter Übernahme des Restwerts des Beklagten. Die Begründung ergibt sich aus den amtlichen Leitsätzen. Bei der Nutzungsentschädigung legte es - anders als das LG - die vom SV geschätzte Dauer der Wiederbeschaffung zugrunde.  

     

    Praxishinweis

    Das in mehrfacher Hinsicht bedenkliche Urteil wird den leidigen Streit in der Sechsmonatsfrage neu entfachen. Egal, ob brutto/brutto oder wegen Vorsteuerabzugsberechtigung netto/netto verglichen wird: Die geschätzten RK liegen unter dem WBW, aber über dem WBA. Damit könnte die erste der acht Sechsmonatsentscheidungen des BGH (VA 06,129 = NJW 06, 2179) i.V.m. dem Urteil vom 29.4.08 (NJW 08, 1941) zum Zuge kommen, sofern es sich um eine fiktive Schadensabrechnung handelt. Davon geht das OLG zutreffend aus, trotz behaupteter Vollreparatur in einer Fremdwerkstatt. Denn die Klägerin rechnet nicht (konkret) den tatsächlich betriebenen Reparaturaufwand ab, sondern die höheren Kosten einer Vollreparatur auf Gutachtenbasis. Damit hatte sie das Erfordernis der Weiternutzung am Hals, d.h. den Nachweis des Integritätsinteresses, allerdings nicht in der besonderen Ausprägung eines 130- Prozent-Falles.