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  • 01.09.2006 | Unfallschadensregulierung

    BGH erneut zur Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung

    1. Es stellt keine unzulässige Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung dar, wenn der Geschädigte den konkret erzielten (niedrigeren) Restwert in seine Totalschadensabrechnung auf Gutachtenbasis einstellt.  
    2. Unzulässig ist es dagegen, bei im Übrigen fiktiver Abrechnung konkret angefallene Nebenkosten einer Ersatzwagenbeschaffung (hier: Vermittlungskosten) abzurechnen. (Leitsätze der Redaktion)  
    (BGH 30.5.06, VI ZR 174/05, Abruf-Nr. 062103; NJW 06, 2320)  

     

    Sachverhalt

    Nach einem Unfall mit ihrem Mitsubishi Lancer holte die Klägerin ein Schadensgutachten ein: Wiederbeschaffungswert 4.834,93 EUR netto, Restwert 240 EUR. Den Unfallwagen veräußerte sie für 200 EUR an einen Schrotthändler. Unter Einschaltung eines gewerblichen Vermittlers erwarb sie für 3.465 EUR ein typgleiches Gebrauchtfahrzeug. Der Vermittler hatte es durch eine Internetrecherche in einem 120 km vom Wohnort der Klägerin entfernten Ort gefunden. Für die Kosten der Fahrzeugbeschaffung stellte er der Klägerin 371,20 EUR in Rechnung. Die beklagte Versicherung korrigierte die nur hinsichtlich des Wiederbeschaffungswertes auf das Gutachten gestützte Abrechnung in zwei Positionen: Restwert und „Vermittlungskosten“. In den unteren Instanzen drang sie damit nicht durch. Die zugelassene Revision der Beklagten hatte teilweise Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Anrechnung des erzielten Erlöses anstelle des um 40 EUR höheren Restwertbetrages lt. Gutachten hat der BGH gebilligt. Der Geschädigte, der bei der Veräußerung seines Unfallautos weniger erziele, müsse sich nicht generell auf den von seinem Sachverständigen geschätzten höheren Restwert verweisen lassen. Das gelte auch dann, wenn der Fahrzeugschaden im Übrigen (Wiederbeschaffungswert) fiktiv auf Gutachtenbasis abgerechnet werde. Das sei kein Fall unzulässiger Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung. Anders verhalte es sich bei den „Vermittlungskosten“ (371,20 EUR). Insoweit hat der BGH die Klage abgewiesen, ohne auf die Frage einzugehen, ob und inwieweit diese Kosten überhaupt ersatzfähig sind. Jedenfalls dann müsse sich der Geschädigte an der von ihm gewählten Art der fiktiven Abrechnung festhalten lassen, wenn die konkreten Kosten der Ersatzbeschaffung inkl. der tatsächlich angefallenen Nebenkosten nicht über dem fiktiv abgerechneten Wiederbeschaffungswert lägen.  

     

    Praxishinweis

    Das Urteil ist ein weiterer Beleg für die Unsicherheit der Praxis in sog. Kombi-Fällen (Näheres dazu im Schwerpunktbeitrag VA 06, 134 ff.). Dass der tatsächlich erzielte – vergleichsweise niedrigere – Restwert angerechnet werden darf, ist nicht neu (siehe BGH VA 05, 186, Abruf-Nr. 052785). Neu ist allenfalls die Aussage, dass eine Abrechnungsweise, wie sie der Anwalt der Klägerin praktiziert hat, in puncto Restwert nicht unter das Kombinationsverbot fällt. Als offene Flanke bleibt § 254 Abs. 2 BGB. Bei den Wiederbeschaffungskosten muss sich der Anwalt des Geschädigten entscheiden: entweder der konkrete Anschaffungspreis plus etwaige tatsächlich angefallene Nebenkosten (wobei die Ersatzfähigkeit von Vermittlungskosten noch offen ist) oder der Wiederbeschaffungswert lt. Gutachten. Wenn die konkreten Kosten insgesamt unter dem Gutachtenbetrag liegen, bildet dieser die Obergrenze. Mischen ist unzulässig. Wenn sie darüber liegen, richtet sich die Ersatzfähigkeit nach den Regeln der konkreten Totalschadensabrechnung.