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  • 01.01.2006 | Geschwindigkeitsüberschreitung

    Einordnung des Sprinters und Verbotsirrtum

    Für die Einordnung eines Kfz als Lkw oder Pkw ist auf dessen konkrete Bauart, Ausstattung und Einrichtung abzustellen, weil diese Eigenschaften des Fahrzeugs für dessen Verwendung, insbesondere die Beladung, von maßgeblicher Bedeutung sind und damit das Fahrverhalten des Fahrzeugs und dessen Beherrschbarkeit entscheidend prägen. Der Einordnung in den Zulassungspapieren kommt keine entscheidende Bedeutung zu (OLG Hamm 22.8.05, 1 Ss OWi 272/05, Abruf-Nr. 053412, und 21.9.05, 1 Ss OWi 402/04; Abruf-Nr. 053413).

     

    Entscheidungsgründe

    Für die Unterscheidung von Pkw und Lkw ist auf die gesetzliche Legaldefinition in § 4 Abs. 4 PBefG zurückzugreifen. Danach war hier bei dem Sprinter der Marke Daimler-Chrysler – in beiden Verfahren – von einem Lkw auszugehen, obwohl es sich laut Fahrzeugschein jeweils um einen Pkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 4,6 t handelte. Das OLG argumentiert wie folgt: Das Fahrzeug war nach seiner konkreten Bauart und Einrichtung nicht (auch nicht wahlweise) zur Personenbeförderung, sondern zum Gütertransport bestimmt. Das Fahrzeug war mit einer separaten Ladefläche ausgestattet, die durch eine dauerhaft installierte und mit Nieten an der Fahrzeugkarosserie befestigten Wand von der mit einer Sitzbank versehenen Fahrgastzelle abgetrennt war. Der Laderaum war seitlich mit Holz beplankt, der Fahrzeugboden mit Holzplatten ausgelegt, die an der Bodengruppe festgenietet waren. Zu Recht hat das AG den Umstand, dass das betreffende Fahrzeug eine EG-Typgenehmigung der Klasse M 1, die sich auf Pkw bezieht, besitzt und dementsprechend im Kfz-Schein als Pkw bezeichnet wird, als unerheblich für die Frage der straßenverkehrsordnungsrechtlichen Einstufung i.S.d. Verhaltensvorschriften der StVO erachtet.  

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidungen entsprechen der inzwischen hM der Obergerichte (BayObLG VA, 04, 16, Abruf-Nr. 032485 = NJW 04, 306; OLG Karlsruhe VA 04, 191, Abruf-Nr. 042588 = DAR 04, 715; OLG Jena VA 04, 211, Abruf-Nr. 042894 = NJW 04, 3579; OLG Düsseldorf NZV 91, 483; OLG Hamm NZV 97, 323).  

     

    Wichtig ist in der Praxis, wie ein Irrtum des Betroffenen über die rechtliche Einordnung des Fahrzeugs zu behandeln ist. Insoweit ist die OLG-Rspr. der Auffassung, dass es sich lediglich um einen – den Vorsatz unberührt lassenden – Verbotsirrtum i.S.d. § 11 Abs. 2 OWiG handelt (BayObLG a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Jena a.a.O.; Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 11 Rn. 9 und 19). Damit stellt sich dann die Frage der Vermeidbarkeit:  

    • War der Irrtum unvermeidbar, führt das – wie im Beschl. v. 22.8.05, 1 Ss OWi 272/05 – zum Freispruch.
    • War der Irrtum hingegen vermeidbar, wird der Betroffene eine Verurteilung nicht umgehen können (vgl. Beschl. v. 21.9.05, 1 Ss OWi 402/05). Allerdings wird dann im Fall eines drohenden Fahrverbotes die Frage zu diskutieren sein, ob davon nicht ggf. abgesehen werden kann.