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  • 23.09.2010 | Fahrverbot

    Neue(re) Rechtsprechung zum Fahrverbot

    von RA, RiOLG a.D. Detlef Burhoff, Münster, Augsburg

    Die Verteidigung gegen ein Fahrverbot spielt im OWi-Verfahren in der Praxis ein große Rolle. Dafür muss der Verteidiger die aktuelle Rechtsprechung zum Fahrverbot kennen. Wir stellen Ihnen diese im folgenden Überblick vor. Behandelt werden neben prozessualen Fragen die Aspekte „Absehen vom Fahrverbot aus beruflichen Gründen“ und „Langer Zeitablauf zwischen Tat und Urteil“ (Anschluss an VA 10, 159).  

    Absehen vom Fahrverbot aus beruflichen Gründen?

    Berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt das Fahrverbot nicht nur in Ausnahmefällen mit sich, solche entstehen regelmäßig und sind grundsätzlich vom Betroffenen als selbst verschuldet in Kauf zu nehmen. Sie führen daher nicht zum Absehen vom Fahrverbot (OLG Hamm 17.9.09, 2 Ss OWi 641/09).  

     

    Rechtsprechungsübersicht: Fahrverbot und berufliche Gründe

    Umstände des Einzelfalls  

    Absehen: ja oder nein?  

    Fundstelle  

    Massive Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen kommt in Betracht.  

     

     

    Ggf. ja, aber der Betroffene muss in substanziierter Weise Tatsachen vortragen, die die Annahme einer Existenzgefährdung als greifbar erscheinen lassen. Der Tatrichter hat im Rahmen der von ihm zu treffenden Entscheidung die Gefährdung des Arbeitsplatzes bzw. der wirtschaftlichen Existenzgrundlage des Betroffenen positiv festzustellen und die seiner Einschätzung zugrundeliegenden Tatsachen in den Urteilsgründen eingehend darzulegen. Er darf sich in einem solchen Fall nicht auf die unkritische Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen beschränken.  

    OLG Bamberg NZV 10, 46  

    Friseur, der Hausbesuche macht und einen Behinderten betreut.  

    Nein, es können öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch genommen werden.  

    OLG Hamm VRR 09, 431  

    Selbstständiger, der Fettabscheider reinigt, nur einen Angestellten hat und keine Fahrerlaubnis besitzt, keine Familienangehörigen hat und sich einen Fahrer bei einem Monatseinkommen von 500 EUR netto nicht leisten kann.  

    Ggf. ja. Jedenfalls reicht der Hinweis auf § 25 Abs. 2a StVG und die Möglichkeit der Einstellung einer Teilzeitkraft oder der Aufnahme eines Kredits nicht aus.  

    KG VA 10, 88  

    Bei einem Rotlichtverstoß kann es von vornherein nicht zur Gefährdung des Querverkehrs kommen.  

    ja.  

    KG NZV 10, 361  

    Gynäkologin, die sich darauf beruft, dass sie aus beruflichen Gründen auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist.  

    Nicht unbedingt, da die tägliche Berufsausübung als Gynäkologin auch ohne den Einsatz eines Fahrzeugs uneingeschränkt möglich ist, angeblich anfallende Notdienste sich auch anderweitig, etwa durch den Einsatz eines Fahrers, eines Taxis, eines Aushilfsfahrers oder im Wege der Absprache mit Kollegen durchführen lassen.  

    OLG Hamm 4.3.09,  

    4 Ss OWi 123/09  

    Schauspielerin, die als „Tatortkommissarin“ bekannt ist.  

    Nein, Einstellung eines Fahrers ist zumutbar.  

    OLG Hamm  

    29.6.10, III-3 RBs 120/10  

     

     

    Praxishinweis: Der Tatrichter muss zu allen Umständen, die es möglich erscheinen lassen, dass das Fahrverbot aus beruflichen Gründen eine unangemessene Härte darstellt, Stellung nehmen (vgl. OLG Bamberg NZV 10, 46; OLG Hamm VA 07, 129). Ob gravierende berufliche Nachteile ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen können, bedarf der positiven Feststellung und Darlegung der entsprechenden Tatsachen in den Urteilsgründen, die für das Rechtsbeschwerdegericht im Einzelnen nachprüfbar sein müssen (OLG Bamberg a.a.O.).