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  • 24.11.2010 | Aktuelle Gesetzgebung

    Die Vollstreckung ausländischer Geldsanktionen nach dem GeldsanktionenG

    von RA und RiOLG a.D. Detlef Burhoff, Münster/Augsburg

    Durch das „Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates vom 24.2.05 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen vom 18.10.02“ (BGBl I, 1406) ist der entsprechende Rahmenbeschluss (im Folgenden: RbGeld) in nationales Recht umgesetzt worden. Dieses Gesetz hat hinsichtlich der nun ggf. zulässigen einfachen Vollstreckung ausländischer Geldbußen vor allem auch im verkehrsrechtlichen Mandat erhebliche praktische Bedeutung. Wir stellen Ihnen die Neuregelung in einem Überblick vor.  

     

    Checkliste 1: Allgemeine Fragen

    Frage  

    Antwort  

    Wo finde ich die Neuregelungen?  

    Die Neuregelung findet man im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) (vgl. dazu auch BT-Drucks. 17/1288, S. 15 ff.), und zwar in den §§ 86 ff. IRG. Die eingehenden Ersuchen sind geregelt in §§ 86 IRG, die ausgehenden Ersuchen in den §§ 87o ff. IRG.  

    Konnten ausländische Geldstrafen/Geldbußen bislang hier überhaupt nicht vollstreckt werden?  

    Möglich war bislang nur eine Vollstreckung von Geldstrafen nach den Vorschriften des IRG. Dieses sieht in den §§ 48 ff. IRG vor, dass das zuständige LG bei eingehenden Ersuchen zunächst zwingend die Zulässigkeit der Vollstreckung prüft und sodann eine sog. Exequaturentscheidung erlässt (zur bisherigen Praxis Hackner/Trautmann DAR 10, 71). Geldbußen wurden nach bilateralen Abkommen vollstreckt, so z.B. mit Österreich oder den Niederlanden (vgl. dazu Boettger in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl., 2009, Rn. 2804 ff.).  

    Sind die Regelungen in den §§ 48 ff. IRG aufgehoben worden?  

    Nein. Sie behalten ihre Gültigkeit für die Vollstreckung ausländischer (Geld)Sanktionen, die in Nicht-EU-Staaten verhängt worden sind. Nach § 87 Abs. 1 IRG finden die Neuregelungen nur auf die EU-weite Vollstreckungshilfe nach Maßgabe des RbGeld Anwendung.  

    Wo finde ich die europarechtlichen Grundlagen für die Neuregelung?  

    Grundlage der Neuregelung ist der RbGeld v. 24.2.05 (2005/214/JI) Diesen findet man im Internet unter: http://www.iww.de/sl7  

     

    Ist dieser Rahmenbeschluss in der Bundesrepublik 1 : 1 umgesetzt worden?  

    Nein. Diese Vorgaben des Beschlusses sind in der Bundesrepublik nur zum Teil umgesetzt worden. So hat der Gesetzgeber z.B. einige der zur Ablehnung der Vollstreckung berechtigenden Gründe nicht nur fakultativ, sondern als obligatorische Zulässigkeitshindernisse ausgestaltet.  

     

    Praxishinweis: Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist auch davon abgesehen worden, für die Vollstreckung ausländischer Geldstrafen eine Ersatzfreiheitsstrafe vorzusehen (vgl. dazu BT-Drucks. 12/1288, S. 17; vgl. dazu Schünemann/Roger ZIS 10, 515 ff.).  

    Was sind „Geldsanktionen“ i.S. der Neuregelung?  

    Die Begriffsbestimmung ergibt sich aus § 87 IRG. Es handelt sich bei einer Geldsanktion um Zahlungsverpflichtungen, die im ersuchenden Mitgliedsstaat rechtskräftig wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit angeordnet worden sind (vgl. BT-Drucks. 17/1288, S. 21 f.). Als Geldsanktion wird nach § 87 Abs. 3 IRG insbes. eine Geldstrafe oder eine Geldbuße angesehen. Einbezogen werden aber auch die Kosten des Verfahrens, die neben einer Geldstrafe oder einer Geldbuße auferlegt wurden. Möglich ist schließlich auch die Vollstreckung einer Entschädigung an das Opfer (§ 87 Abs. 3 Nr. 3 und 4 IRG), allerdings muss insoweit eine Umwandlung erfolgen (vgl. dazu §§ 87i, 87n Abs. 5 IRG).  

    Können auch Kostenentscheidungen aus ausländischen Urteilen, die zu einer Freiheitsstrafe verurteilt haben, vollstreckt werden?  

    Nein, Kostenentscheidungen aus anderen Verfahren, in denen ausschließlich auf eine andere Sanktion als auf eine Geldsanktion erkannt wurde (vgl. BT-Drucks. 17/1288, S. 22), werden von den neuen Vorschriften nicht erfasst.  

    Lassen sich Anordnungen der Einziehung und des Verfalls vollstrecken?  

    Nein. Das ist nach § 87 Abs. 3 S. 2 IRG ausgeschlossen.  

    Wann ist die Neuregelung in Kraft getreten?  

    Das Gesetz ist am 27.10.10 im BGBl verkündet worden. Nach § 98 IRG ist es damit am 28.10.10 in Kraft getreten.  

    Welche ausländischen Erkenntnisse werden erfasst?  

    Erfasst werden nach § 98 IRG alle ausländischen Erkenntnisse, die ab dem 28.10.10 rechtskräftig sind. Handelt es sich um behördliche Entscheidungen, kommt es auf den Zeitpunkt des Erlasses an.  

     

     

     

    Checkliste 2: Vollstreckungsvoraussetzungen

    Frage  

    Antwort  

    Wo sind die Vollstreckungsvoraussetzungen geregelt?  

    Die Regelungen sind in den §§ 87a ff. IRG enthalten. Von besonderer Bedeutung sind die sog. Zulässigkeitsvoraussetzungen in § 87b IRG.  

    Müssen für die Vollstreckung bestimmte Unterlagen vorliegen?  

    Ja. Nach § 87a IRG muss der ausländische Staat das Original der zu vollstreckenden Entscheidung oder eine beglaubigte Abschrift und das Original des von der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates ausgefüllten und unterzeichneten Formblatts, das im Anhang des RbGeld abgedruckt ist, einreichen.  

    Werden an dieses Formblatt besondere Anforderungen gestellt?  

    Ja, es muss sich um ein Formblatt handeln, das dem Muster, das dem RbGeld beigefügt ist, entspricht.  

     

    Praxishinweis: Das Formblatt ist im Internet unter der o.a. Adresse als Anhang zu dem RbGeld abrufbar.  

    Welche inhaltlichen Anforderungen werden an das Formblatt gestellt?  

    In dem Formblatt/der Bescheinigung sind neben den erforderlichen Daten und Formalitäten Angaben zu den Grundlagen der zu vollstreckenden Entscheidung sowie zum Sachverhalt und seiner rechtlichen Würdigung zu machen. Besonders bedeutsam sind zudem die vorgeschriebenen Informationen im Rahmen eines schriftlichen Verfahrens und die Rechtsmittelbelehrung.  

    In welcher Sprache muss das Formblatt ausgefüllt bzw. die Bescheinigung erstellt sein?  

    Die Bescheinigung muss in deutscher Sprache ausgestellt sein, da die Bundesrepublik bislang keine Erklärung nach Art. 16 RbGeld abgegeben hat, nach der die Vorlage der Bescheinigung in einer anderen Sprache akzeptiert wird. Daher muss der ausländische Staat eine beglaubigte Übersetzung beifügen.  

     

    Praxishinweis: Sollte im Verlauf des Verfahrens eine Übersetzung der Entscheidung erforderlich werden, ist diese nach der Regelung in Art. 16 Abs. 2 RbGeld auf Kosten des Vollstreckungsstaates anzufertigen (BT-Drucks. 17/1288, S. 22).  

    Was gilt bei unvollständiger Bescheinigung oder inhaltlichen Bedenken?  

    Dann ist die Vollstreckung nach § 87b Abs. 3 Nr. 1 IRG abzulehnen.  

    Wo sind die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen geregelt?  

    Die Regelung findet man in § 87b IRG. Es handelt sich um zwingende Voraussetzungen, bei deren Vorliegen oder Nichtvorliegen die Vollstreckung abzulehnen ist.  

    Wo liegt der Ausgangspunkt der Zulässigkeitsprüfung?  

    Das ist nach § 87b Abs. 1 IRG der Grundsatz der beiderseitigen Sanktionierbarkeit. Dies ist zwingend (Einzelh. BT-Drucks. 17/1288, S. 23 ff. und Schünemann/Roger, ZIS 10, 515, 520). Ist die beiderseitige Sanktionierbarkeit nicht gegeben, ist die Vollstreckung der ausländischen Geldsanktion als unzulässig abzulehnen, sofern nicht die Voraussetzungen von § 87b Abs. 1 S. 2 IRG erfüllt sind.  

    Ist die beiderseitige Sanktionierbarkeit in allen Fällen zu prüfen?  

    Nein, § 87b Abs. 1 S. 2 IRG enthält eine aus Art. 5 Abs. 1 RbGeld zurückgehende Ausnahme, wenn bestimmte in einer Liste zusammengestellte und definierte Straftaten und Verwaltungsübertretungen (Ordnungswidrigkeiten) vorliegen, die nach dem Recht des ersuchenden Staates sanktioniert werden.  

    Ist diese Liste in den neuen Vorschriften enthalten?  

    Nein, es wird nur statisch auf die im Rahmenbeschluss normierte Liste verwiesen.  

     

    Praxishinweis: Im Gesetzgebungsverfahren sind gegen die Bestimmtheit dieser Liste Bedenken erhoben worden (vgl. BT-Protokoll 17/55 v. 8.7.10, S. 182 ff. und BT-Drs. 17/2458, S. 4.). Diese könnten zu verfassungsrechtlichen Problemen führen.  

    Um welche Delikte handelt es sich?  

    Die Liste enthält 39 Straftaten(gruppen) und Verwaltungsübertretungen (Ordnungswidrigkeiten). 32 sind bereits im RbEuHb und im Rahmenbeschluss zur Sicherstellung von Beweismitteln aufgeführt. Sieben Kategorien sind zusätzlich. Für den Verkehrsrechtler ist die Nr. 33 der Liste von besonderer Bedeutung, die „gegen die den Straßenverkehr regelnden Vorschriften verstoßende Verhaltensweise, einschließlich Verstößen gegen Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten und des Gefahrgutrechts“ nennt.  

    Fällt unter die Nr. 33 der Liste ggf. auch die sog. Halterhaftung?  

    Nein. Die Bundesrepublik hat dazu eine Erklärung abgegeben, wonach als entsprechende Zuwiderhandlungen nur Verstöße gegen Verkehrsregeln und Regelungen zum Schutz von Verkehrsanlagen angesehen werden, nicht aber allgemeine Straftatbestände oder Verstöße gegen allgemeine Ordnungsvorschriften. Als den Straßenverkehr regelnde Vorschriften seien insoweit nur solche zu verstehen, deren Schutzzweck die Sicherheit des Straßenverkehrs oder der Erhalt der Verkehrsanlagen ist.“ (zur Problematik der „Halterhaftung“ BT-Protokoll a.a.O., Adam, DAR 10, 567).  

    Wo sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen im Einzelnen geregelt?  

    Man findet die Regelungen in § 87b Abs. 1 Nr. 1 bis 9 IRG.  

    Welche dieser Voraussetzungen sind von besonderer Bedeutung?  

    Das dürften die Nr. 2, 3, 4 und 9 sein.  

    Was ist in § 87b Abs. 3 Nr. 2 IRG geregelt?  

    Die Nr. 2 enthält eine Wertgrenze. Danach ist die Vollstreckung bei Unterschreiten der 70-EUR-Grenze oder des Gegenwerts in einer anderen Währung unzulässig. Gem. § 87 Abs. 3 IRG sind hierunter sowohl der Geldbetrag wegen einer strafbaren Handlung als auch die neben einer Sanktion auferlegten Kosten des Verfahrens zu rechnen. Bei den Kosten des Verfahrens sind solche zu berücksichtigen, die unmittelbar mit der Sanktion auferlegt werden.  

    Was ist in § 87b Abs. 3 Nr. 3 IRG geregelt?  

    Die Nr. 3 sieht eine obligatorische Ablehnung vor, wenn im ersuchenden Mitgliedstaat ein schriftliches Verfahren stattgefunden hat und darin die Informationspflicht im Hinblick auf ein Rechtsmittel verletzt worden ist. Das bedeutet zugleich, dass im ersuchenden Mitgliedsstaat überhaupt die Möglichkeit der Anfechtung vorgesehen sein muss (Hackner/Trautmann, DAR 10, 71, 75).  

    Was ist in § 87b Abs. 3 Nr. 4 IRG geregelt?  

    Die Nr. 4 enthält die Regelung für Entscheidungen, die in Abwesenheit des Betroffenen getroffen worden ist. Eine in einem solchen Verfahren getroffene Entscheidung kann nur vollstreckt werden, wenn der Betroffenen nicht nur über das Verfahren informiert wurde, sondern er auch die Möglichkeit hatte, sich in einem Termin zu dem Vorwurf zu äußern.  

     

    Praxishinweis: Diese Regelung wird in der Praxis erhebliche Bedeutung erlangen (kritisch zu dieser Regelung Schünemann/Roger, ZIS 10, 515).  

    Über welche Zulässigkeitsvoraussetzung wird die Halterhaftung erfasst?  

    Ansatzpunkt ist § 87b Abs. 3 Nr. 9 IRG. Danach ist die Vollstreckung der ausländischen Geldsanktion unzulässig, wenn der Betroffene in dem ausländischen Verfahren keine Gelegenheit hatte einzuwenden, für die der Entscheidung zugrunde liegende Handlung nicht verantwortlich zu sein.  

     

    Praxishinweis: Dies muss aber im Vollstreckungsverfahren geltend gemacht werden (zur österreichischen Halterhaftung vgl. FG Hamburg VA 10, 122).  

    Was wird in den Fällen der Halterhaftung geprüft?  

    Überprüft wird nur, ob die Entscheidung im Ausland ungeachtet des Einwands des Betroffenen ergangen ist/ergeht, er sei für die der Entscheidung zugrunde liegende Handlung nicht verantwortlich gewesen. Nicht überprüft wird der der ausländischen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt, insbesondere also nicht, ob der Einwand des Betroffenen, er sei nicht Fahrer gewesen, zutreffend ist.  

    Welche Folge hat das Fehlen einer Zulässigkeitsvoraussetzung bzw. das Bestehen eines Zulässigkeitshindernisses?  

    Ist einer der Tatbestände nach § 87b Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 9 IRG erfüllt, muss die Vollstreckung der Geldsanktion als unzulässig abgelehnt werden (BT-Drucks. 17/1288, S. 25)