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  • · Fachbeitrag · Totalschaden

    „Umweltprämien“ beim Totalschaden

    | Da sind sie wieder, die „Umweltprämien“ als Sonderkaufanreiz, diesmal im Sog der Diesel-Krise. Und die Erinnerung wird wach an die „Abwrackprämie“ und die Versuche der Versicherer, sie bei Totalschäden beim Wiederbeschaffungswert (WBW) anzurechnen bzw. sie zum Restwert zu erklären. All das droht nun wieder. UE wappnet Sie mit den schadenrechtlichen Gegenargumenten. |

    Die Situation bei der Abwrackprämie

    Was hatte die Abwrackprämie im Jahr 2009 mit „Unfallregulierung“ zu tun?

     

    • Im Zuge der Abwrackprämie haben einige Versicherer versucht, die Umweltprämie als Kaufpreis für das Altfahrzeug darzustellen. Und weil das zu verschrottende Objekt durchaus auch unfallbeschädigt sein darf, folgte daraus der Versuch, die Prämie zum tatsächlich erzielten Restwert zu erklären.

     

    • Oder aber die Versicherer behaupteten, die Prämie müsse im Wege des Vorteilsausgleichs angerechnet werden. Denn ohne den Unfall und den dadurch notwendigen Ersatzkauf wäre es ja nicht zu diesem Geldzufluss gekommen.

    Die gleiche Situation droht bei der Umweltprämie

    Und nun kommen die Zuwendungen als „Umweltprämien“ im Sog der Diesel-Krise daher. Wenn Dieselmodelle der Abgasklassen Euro 1 bis Euro 4 verschrottet oder im Zuge eines Ersatzkaufs hergegeben werden, überbieten sich die Hersteller gerade mit „Prämien“. Bis zu 10.000 Euro werden geboten. Im Ergebnis reduzieren die den Kaufpreis für das Ersatzfahrzeug.

     

    Es droht dasselbe Spiel wie bei der Abwrackprämie. Und deshalb beleuchtet UE das Thema hier vorsorglich unter Haftpflichtschadengesichtspunkten.

     

    Kurzer Seitenblick auf den WBW

    Mit dem WBW haben die Prämien jedenfalls unmittelbar nichts zu tun. Das zeigen die zwei folgenden Beispiele:

     

    • Beispiel 1

    Der Geschädigte hat ein verunfalltes prämienberechtigtes (Euro 1 bis Euro 4) Diesel-Fahrzeug. Er kauft ein prämienwirksames Neu- oder Gebrauchtfahrzeug. Das kann keinen Einfluss auf den WBW haben, denn es geht doch um den WBW des verunfallten Fahrzeugs. Dabei wird unterstellt, dass der Geschädigte wieder ein solches Auto (Euro 1, 2, 3 oder 4) erwirbt. Dann aber gibt es keine Prämie.

     
    • Beispiel 2

    Der Geschädigte hat ein verunfalltes (Euro 5 oder Euro 6) Diesel-Fahrzeug oder einen Benziner. Dann gibt es keine Prämie, gleichgültig, was er stattdessen kauft.

     

    Allerdings haben die Prämien einen mittelbaren Einfluss auf die Gebrauchtwagenpreise. Wenn es Neuwagen mit hoher Förderung gibt, greifen (unfallunabhängig) viele, die einen Gebrauchten genommen hätten, zum Neuen. Das ist aus den Zeiten der Abwrackprämie bekannt. Die Gebrauchten werden unattraktiver und den Marktgesetzen folgend billiger.

     

    Die einzig relevante Fallgruppe

    Die einzige relevante Fallgruppe ist: Das Unfallfahrzeug ist prämienberechtigt (Diesel Euro 1 bis Euro 4) und der Geschädigte kauft tatsächlich ein prämienwirksames Fahrzeug. Die Prämie fließt und der normale Restwert lag unterhalb der Prämie.

     

    Das alles lässt sich kaum verheimlichen. Denn dass es sich um ein prämienberechtigtes Fahrzeug handelt, weiß der Versicherer aus dem Schadengutachten. Für den Nachweis der berechtigten Ausfallschadendauer wird eine Kopie der Zulassungsbescheinigung des ersatzweise gekauften Fahrzeugs vorgelegt. Und daraus ergibt sich, dass das ein prämienwirksames Fahrzeug ist. Jetzt muss der Versicherer nur noch eins und eins zusammenzählen.

     

    Einfluss auf den Restwert?

    Das hat keinerlei Einfluss auf den Restwert. Dazu gibt es Vorbildrechtsprechung aus der Zeit der Abwrackprämie:

     

    • Die Inanspruchnahme der Abwrackprämie hat keinen Einfluss auf die Schadenhöhe (LG Saarbrücken, Urteil vom 15.04.2011, Az. 13 S 5/11, Abruf-Nr. 111786).

     

    • Die Abwrackprämie ist hinsichtlich des schadenrechtlichen Restwerts neutral, denn sie ist eine zweckgebundene staatliche Zuwendung mit dem Ziel des Investitionsanreizes. Wolle man sie anrechnen, wäre der Geschädigte schlechter gestellt als derjenige, der sich unfallunabhängig einen Neuwagen anschafft (AG Koblenz, Urteil vom 29.06.2010, Az. 162 C 1147/10, Abruf-Nr. 102763).

     

    • Allerdings gab es eine „Ausreißerentscheidung“, die manche Versicherer aus der Mottenkiste holen werden. Die Abwrackprämie von 2.500 Euro sei der „Ersatzrestwert“, wenn der Geschädigte zur Zeit der Abwrackprämie das verunfallte Fahrzeug verschrottet, ein prämienberechtigtes gekauft und die Prämie erhalten habe (AG Nürtingen, Urteil vom 17.02.2010, 11 C 1598/09, Abruf-Nr. 100891).

     

    • Wichtig | Das Gericht merkt selbst, dass es auf dünnem Eis unterwegs ist und spricht ja ausdrücklich vom „Ersatzrestwert“. Wenn man das mal in eine juristische Kategorie umsetzt, meint es eher eine Anrechnung im Wege des Vorteilsausgleichs.

     

    Bevor wir zum Vorteilsausgleich kommen, muss zum Restwert noch zweierlei gesagt werden:

     

    • 1. Wenn der Restwert noch einige hundert oder einige Tausend Euro betrug, der Geschädigte dies aber nicht realisiert, weil das Verschrotten ihn bei entsprechendem Ersatzkauf in den Genuss der höheren Umweltprämie bringt, kann er natürlich nicht sagen, er habe für den Restwert nichts erlöst. Er muss sich den gutachterlich festgestellten Restwert anrechnen lassen. Letztlich kommt er nur noch in den Genuss der Differenz zur Umweltprämie.
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    • 2. Was auch nicht passieren sollte, ist, dass in den Hereinnahmefällen die Umweltprämie im Kaufvertrag als Inzahlungnahmepreis deklariert wird. Dann läge jedenfalls nach der Papierform des Kaufvertrags ein Ankauf des Unfallfahrzeugs zum Wert der Prämie vor. Dann hätte der Geschädigte das Unfallfahrzeug mühelos zum Preis in Prämienhöhe verkauft. Das müsste er sich anrechnen lassen. Durchzusetzen, dass es sich dabei nur um eine falsche Darstellung der Prämie handelt, würde ein langer und steiniger Weg.
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    • Wichtig | Es hat kein „G’schmäckle“, wenn wir hier diesen Hinweis geben. Denn die Prämien sind eben kein Ankaufpreis bei der Hereinnahme. Im Gegenteil, sie setzen ja alternativ die Verschrottung voraus, was zeigt, dass sie unabhängig vom Ankauf gewährt werden.

     

    Wie steht es mit einem Vorteilsausgleich?

    Nach Überzeugung von UE führt die tatsächlich geflossene Umweltprämie auch nicht in die Fallgruppe des Vorteilsausgleichs. Dazu soll noch einmal die Begründung des AG Koblenz herangezogen werden: Die Abwrackprämie ist hinsichtlich des schadenrechtlichen Restwerts neutral, denn sie ist eine zweckgebundene staatliche Zuwendung mit dem Ziel des Investitionsanreizes:

     

    • Bei der Umweltprämie handelt es sich zwar nicht um eine staatliche Zuwendung, sondern um eine der Hersteller. Ihre Geburtsstunde war jedoch der „Dieselgipfel“. Sie ist also zumindest „staatlich angeschoben“. Denn das war eine Gipfelforderung der Regierung.

     

    • Sie ist auch zweckgebunden. Das offizielle Motiv ist die Entlastung der Umwelt. Inoffiziell soll sicher auch die Neuwagenkonjunktur angekurbelt werden, weil die Automobilhersteller eine Schlüsselbranche Deutschlands sind. Dabei wird Mehrwertsteuer generiert, die Standortstädte werden aus der Gewerbesteuernot geholt und manches mehr.

     

    • Ganz sicher aber gehört die Entlastung von Schädigern nicht zu ihren Motiven. Nach den allgemeinen Regeln des Vorteilsausgleichs sind die Prämien schadenrechtlich nicht anrechenbar. Angerechnet wird nur, was „dem Sinn und Zweck des Schadenersatzrechtes“ entspricht (BGH, Urteil vom 18.11.2011, Az. VI ZR 17/11, Abruf-Nr. 113481). Eine solche zweckgebundene Umweltprämie hat damit rein gar nichts zu tun.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Textbaustein 440: Umweltprämie beeinflusst Schadenersatz nicht (H) → Abruf-Nr. 44851923
    Quelle: Ausgabe 09 / 2017 | Seite 6 | ID 44842349