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  • 07.06.2011 · IWW-Abrufnummer 111786

    Landgericht Saarbrücken: Urteil vom 15.04.2011 – 13 S 5/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    13 S 5/11
    5 C C 289/09
    Amtsgericht Völklingen
    verkündet am 15.04.2011
    LANDGERICHT SAARBRÜCKEN
    URTEIL
    Im Namen des Volkes
    In dem Rechtsstreit XXX
    hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken
    auf die mündliche Verhandlung vom 07.04.2011
    durch den Präsidenten des Landgerichts ..., den Richter am Landgericht ... und den Richter am Landgericht ... für R e c h t erkannt:
    1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Völklingen vom 01.12.2010 – 5 C C 289/09 (14) – unter Abweisung der Klage im Übrigen und unter Zurückweisung der weiteren Berufung wie folgt neu gefasst:
    Die Beklagte wird verurteilt,
    1. an die Klägerin 660,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2009 zu zahlen;
    2. an das Sachverständigenbüro ... zu deren Gutachten Nr. ... einen Betrag von 143,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2009 zu zahlen;
    3. an die ... außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 120,67 € zur Schadennummer ... auf deren Konto Nr. ..., BLZ ... bei der ...zu zahlen.
    2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 2/3, die Beklagte 1/3. Die Kosten der Streithelferin tragen diese zu 1/3 und die Klägerin zu 2/3.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    4. Die Revision wird nicht zugelassen.
    Gründe
    I.
    Die Klägerin begehrt Schadensersatz aus einem Unfall, der sich am Abend des 17.10.2008 an der Tankstelle der Beklagten in ... ereignet hat.
    Die Beklagte hat den Betrieb der Tankstelle im Bereich der Kassiertätigkeit auf die Streithelferin übertragen. An der Tankstelle sind von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr die Tanksäulen Nr. 1 bis 10 geöffnet. Nach 20.00 Uhr können nur die Tanksäulen Nr. 8 bis 10 bei einer Zahlung mit EC-Karte benutzt werden. Zur Zeit des Unfalls wurde der Bereich der Tanksäulen Nr. 1 bis 7 ab 20.00 Uhr mit einer Schranke abgetrennt, um die Einfahrt von Fahrzeugen in diesen Bereich zu verhindern.
    Der Zeuge ... fuhr mit dem klägerischen Fahrzeug an die Tanksäule Nr. 7, wo er das Fahrzeug zunächst anhielt. Die Tanksäule war zu diesem Zeitpunkt bereits außer Betrieb. Die Zeugin ..., die bei der Streithelferin angestellt ist, schloss dann hinter dem klägerischen Fahrzeug die Schranke, die die Tanksäulen Nr. 1 bis 7 abtrennen sollte. Beim Zurücksetzen des klägerischen Fahrzeugs kollidierte der Zeuge ... mit der geschlossenen Schranke. Durch die Kollision entstand am Fahrzeug ein Sachschaden. Die Klägerin holte zur Ermittlung der Schadenshöhe ein Gutachten bei der ... ein. Dieses Gutachten weist Netto-Reparaturkosten von 1.956,64 € aus. Für die Erstattung des Gutachtens wurden der Klägerin seitens der ... 430,24 € in Rechnung gestellt.
    Die Klägerin hat erstinstanzlich Ausgleich dieser Schadenspositionen, Ersatz einer Unkostenpauschale von 25,56 € sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 311,29 € verlangt. Sie hat behauptet, die Zeugin ... sei zum Fahrzeug gekommen, als der Zeuge ... an der Tanksäule Nr. 7 gehalten habe. Die Zeugin habe geäußert, dass die Tanksäulen bereits verschlossen seien und er an der EC-Tanksäule tanken müsse. Er solle zurückstoßen, um die Tanksäule Nr. 7 zu verlassen. Die Zeugin habe dann Handbewegungen gemacht, die er als Aufforderung zum Rückwärtsfahren gedeutet habe. Zu diesem Zeitpunkt sei das Licht an den Tanksäulen Nr. 1 bis 7 bereits ausgeschaltet und die Sicht nach hinten sehr eingeschränkt gewesen. Wegen der fehlerhaften Einweisung durch die Zeugin ... und aufgrund der schlechten Sicht sei der Zeuge ... mit dem klägerischen Fahrzeug rückwärts gegen die Schranke gefahren. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ihr in vollem Umfang zum Ersatz ihres Schadens verpflichtet sei, weil die Zeugin ... ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe und dies auch der Beklagten zuzurechnen sei.
    Die Beklagte und die Streithelferin haben vorgetragen, dass die Zeugin ... die Zapfsäule Nr. 7 als letzte der Zapfsäulen verschlossen und bereits die Schranke in der Hand gehabt habe, um diese in einem Winkel von 90 Grad vorschriftsmäßig aufzustellen, als sich der Zeuge ... noch in die Einfahrt zur Zapfsäule 7 hineingezwängt habe, um dort zu tanken. Bereits in der Annäherung habe sie bedeutet, dass der Weg zur Zapfsäule 7 schon gesperrt sei und der Zeuge in Richtung nach vorne zu den Kassenhäuschen und im Kreis zurück zur Zapfsäule 8 fahren müsse, um an einer geöffneten Zapfsäule zu tanken. Danach sei die Zeugin ..., nachdem sie, ohne mit dem Zeugen ... zu reden, die Schranke geschlossen habe, zurück ins Kassenhäuschen gegangen, um das Licht über den Säulen 1 bis 7 zu löschen und ihre Abrechnung fertig zu machen sowie das Geld im Tresor zu verschließen. Die Deckenbeleuchtung über der Zapfsäule 8 reiche völlig aus, um auch den Bereich der Zapfsäule 7 auszuleuchten. Es sei daher genug Beleuchtung vorhanden gewesen, damit der Zeuge ... rückwärts schauend die geschlossene Schranke habe sehen können. Hinzu komme, dass die Schranke die Zuwegung nicht vollständig versperre, sondern noch einen Durchlass von 3,87 m Breite lasse, weshalb der Zeuge einen Kontakt mit der Schranke bei seiner Rückwärtsfahrt hätte vermeiden können.
    Die Beklagte hat ergänzend vorgetragen, dass die Zeugin eine langjährige Mitarbeiterin sei, die immer zuverlässig gearbeitet habe.
    Die Streithelferin hat die Auffassung vertreten, dass die Klage auch deshalb abzuweisen sei, weil die Klägerin eine Abwrackprämie von 2.500,- € erhalten habe, so dass ihr kein Schaden entstanden sei.
    Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Zeugin ... sei ein Fehlverhalten nicht vorzuwerfen. Es stehe nicht zur Überzeugung fest, dass die Zeugin den Zeugen ... verbal und durch Handzeichen aufgefordert habe, die Tanksäule Nr. 7 rückwärts zu verlassen. Die entsprechende Angabe des Zeugen sei durch die Beifahrerin im Fahrzeug, die Zeugin ..., nicht bestätigt worden. Im Übrigen widersprächen sich auch die Aussagen des Zeugen ... und der Zeugin ... in anderen Punkten. So habe der Zeuge bekundet, dass er zu Fuß nach der Kollision die Zeugin ... im Kassenhäuschen aufgesucht habe, während die Zeugin ... angegeben habe, dass der Zeuge ... mit dem Auto am Kassenhäuschen stehen geblieben sei, um mit der Zeugin ... zu reden. Der Zeuge habe auch weiter ausgesagt, dass die Zeugin ... nicht mehr vor Ort gewesen sei, als er zum Kassenhäuschen gegangen sei, wohingegen die Zeugin ... bekundet habe, dass der Zeuge noch mit der Mitarbeiterin der Tankstelle gesprochen habe. Das Amtsgericht ist der Darstellung der Zeugin ... gefolgt, dass sie gegen 20.00 Uhr die Tankstelle abgeschlossen und die Tanksäulen Nr. 1 bis 7 gesperrt habe. Als sie die Schranke zu diesen Tanksäulen geschlossen habe, sei das klägerische Fahrzeug vorgefahren. Dem Zeugen habe sie durch Handzeichen bedeutet, dass die Tankstelle bereits geschlossen sei und er nur noch an den EC-Tanksäulen tanken könne. Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass die Zeugin nicht die Wahrheit bekundet haben könnte. Es sei daher von der Richtigkeit dieser Aussage überzeugt. Auch eine Mitverursachung des Unfalls wegen der Lichtverhältnisse komme nicht in Betracht. Die Zeugin ... habe überzeugend ausgesagt, dass das Licht an der Tanksäule 7 die gesamte Nacht eingeschaltet sei. Hinzu komme, dass beim Rückwärtsfahren auch die Rückfahrscheinwerfer den rückwärtigen Bereich ausgeleuchtet haben. Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs habe im Übrigen gemäß § 9 Abs. 5 StVO gesteigerte Sorgfaltspflichten gehabt, so dass er sich ggf. hätte einweisen lassen müssen. Eine Pflichtverletzung liege auch nicht darin, dass die Zeugin ... die Schranke hinter dem klägerischen Fahrzeug geschlossen habe. Dies sei zwar nicht unproblematisch gewesen. Allerdings habe keine Notwendigkeit bestanden, die Tanksäule rückwärts fahrend zu verlassen. Es wäre vielmehr problemlos möglich gewesen, die Tanksäule 7 vorwärts zu verlassen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Lichtverhältnisse absolut ausreichend gewesen seien, so dass die Schranke auch sichtbar gewesen sein müsse.
    Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter. Sie rügt insbesondere die Beweiswürdigung des Amtsgerichts. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei ein Widerspruch zwischen der Aussage des Zeugen ... und der Zeugin ... nicht zu erkennen. Das Amtsgericht habe im Übrigen unzulässige Rückschlüsse zur Erkennbarkeit der Schranke gezogen. Insgesamt sei das Gericht auf das Problem der Lichtverhältnisse nicht ausreichend eingegangen.
    Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ..., ... und ... sowie durch Einnahme des Augenscheins an der Unfallörtlichkeit.
    II.
    Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere als die vom Amtsgericht getroffene Entscheidung (§ 513 Abs.1 ZPO).
    1. Der Erstrichter ist davon ausgegangen, dass der Zeugin ... eine schuldhafte Verletzung von Pflichten im Sinne des § 823 BGB und der §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB nicht vorgeworfen werden kann. Das hält einer Überprüfung nicht stand, weil der Erstrichter insoweit die von einem Tankstellenbetreiber gegenüber seinen Kunden einzuhaltenden Pflichten nicht ausreichend gewürdigt hat.
    a) Unabhängig von der Frage, ob an vertragliche Schutzpflichten höhere Anforderungen als an allgemeine Verkehrssicherungspflichten außerhalb einer vertraglichen Sonderbeziehung zu stellen sind, ist im Grundsatz anerkannt, dass im Rahmen einer vertraglichen Sonderbeziehung jedenfalls die Verkehrssicherungspflicht zugleich eine Vertragspflicht darstellt (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 280 Rn. 28). Innerhalb der Vertragsbeziehung zwischen Tankstellenbetreiber und Kunde ist deshalb anerkannt, dass die Maßstäbe zur allgemeinen Verkehrssicherungspflicht herangezogen werden können, die jedem obliegt, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenanlage gleich welcher Art für Dritte öffnet (OLG Hamm, NJW-RR 2009, 1537; Diehl, Anmerkung zu AG München, Urteil vom 16.11.2006 – 272 C 24950/06, ZfS 2007, 335). Im Rahmen dieser Pflicht sind diejenigen Maßnahmen erforderlich, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der betreffenden Verkehrskreise für notwendig und ausreichend erachten darf, um andere Personen vor Schäden an ihren Rechtsgütern zu bewahren (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2006 – VI ZR 189/05, NJW 2006, 2326 mwN.; OLG Hamm aaO; Palandt/Sprau aaO § 823 Rn. 51). Diese Pflicht endet erst mit Verlassen des Tankstellengeländes durch den Kunden (vgl. Diehl aaO). Der Kunde ist aber in der Regel nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation, bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann (vgl. OLG Hamm aaO; Palandt/Sprau aaO § 823 Rn. 51). Diese Grundsätze finden auch hier Anwendung, da zwischen dem Zeugen ... und der Beklagten ein vorvertragliches Schuldverhältnis besteht. Zwischen dem Betreiber einer Tankstelle und seinen Kunden kommt vor Abschluss des dem Tanken zugrundeliegenden Kaufvertrages ein vorvertragliches Schuldverhältnis gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB zustande, wenn – wie hier - der (potentielle) Kunde das Tankstellengelände zum Zwecke des Tankens befährt. Denn in diesem Fall gewährt der Tankstellenbetreiber zur Vorbereitung eines Vertragsschlusses die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechtsgüter iSd. § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB (vgl. allgemein Palandt/Grüneberg aaO § 311 Rn. 23).
    b) Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zu, weil die Zeugin ... im Streitfall gegen die allgemeine Verkehrssicherungspflicht verstoßen hat.
    aa) Unstreitig hat die Zeugin die Schranke geschlossen, als der Zeuge ... mit dem klägerischen Fahrzeug bereits an die Tanksäule Nr. 7 herangefahren war. Damit hat sie ein Fahrbahnhindernis geschaffen, dessen Gefahr sich in dem späteren Unfallgeschehen verwirklicht hat. Das Hindernis war schon deshalb besonders gefährlich, weil es im rückwärtigen Bereich des klägerischen Fahrzeugs aufgebaut wurde, der außerhalb der normalen Blickrichtung eines Kraftfahrers liegt und naturgemäß schwerer einsehbar ist. Hinzu kommt, dass der Zeuge ... beim Einfahren auf das Tankstellengelände durch die Schranke weder behindert wurde noch in sonstiger Weise Anlass bestand, der Schranke besondere Beachtung zu schenken. Nach den insoweit übereinstimmenden Bekundungen aller Zeugen war die Schranke bei der Anfahrt des klägerischen Fahrzeuges geöffnet. Entgegen der Behauptung der Beklagten und der Streithelferin hielt die Zeugin ... die Schranke auch nicht in der Hand, um sie sogleich zu schließen, als der Zeuge ... auf das Tankstellengelände fuhr. Die von der Beklagten und der Streithelferin für die Richtigkeit dieser Behauptung angebotene Zeugin ... hat diesen Sachvortrag nicht bestätigen können. Sie hat vielmehr ausgeführt, dass sie auf dem Weg zur Schranke gewesen sei und sich noch im Bereich der Tanksäule Nr. 7 aufgehalten habe, als der Zeuge ... angekommen sei. Der Aufbau der Schranke durch die Zeugin ... erfolgte danach für den Zeugen ... überraschend und entgegen seiner berechtigten Erwartung, die Tanksäule unbehindert nach vorne wie nach hinten verlassen zu können. Schließlich sieht die Kammer eine besondere Gefährlichkeit der Schranke in dem Umstand begründet, dass die Schranke für den Zeugen ... wegen der eingeschränkten Lichtverhältnisse bei Dunkelheit und im Hinblick auf ihre fast senkrechte Position zur Fahrtrichtung des Zeugen nur schwer erkennbar war, wie die Augenscheinseinnahme der Kammer ergeben hat. Dem Ansatz des Erstgerichts, dass angesichts solcher Lichtverhältnisse keine Notwendigkeit bestanden habe, die Tanksäule rückwärts fahrend zu verlassen, vermag die Kammer nicht beizutreten. Ein Vertrauen des Tankstellenbetreibers darauf, dass in einer solchen Verkehrssituation der Kraftfahrer die Tanksäule nach vorne verlässt, ist nicht gerechtfertigt. Bei der Benutzung von Tanksäulen ist vielmehr jederzeit mit Rangiervorgängen, also auch mit dem Zurückstoßen von Fahrzeugen zu rechnen, so dass der Tankstellenbetreiber den Fahrbahnbereich um die Zapfsäulen grundsätzlich von schwer erkennbaren Hindernissen frei zu halten hat, um den Kraftfahrern ein ungehindertes An- und Abfahren zu ermöglichen.
    bb) Allerdings ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass die Zeugin ... den Zeugen ... zur Rückwärtsfahrt angehalten hat, obwohl die Schranke zu diesem Zeitpunkt bereits geschlossen war. Die Zeugin ... hat hierzu keine Aussage treffen können. Der Zeuge ... hat bei seiner Vernehmung durch die Kammer zwar bekundet, dass die Zeugin ... ihm ein Handzeichen gegeben habe, das er als Aufforderung zum Rückwärtsfahren verstanden habe. Er konnte aber das Handzeichen der Zeugin ... nicht mehr im Einzelnen beschreiben, so dass für die Kammer schon offen bleibt, ob das vermeintliche Handzeichen überhaupt als ausdrückliche Aufforderung zum Rückwärtsfahren geeignet war.
    cc) Umstände, die das Verhalten der Zeugin ... entschuldigen könnten, sind nicht nachgewiesen (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 11.03.1986 – VI ZR 22/85, NJW 1986, 2757). Die Beklagte hat zwar behauptet, dass die Zeugin ... dem Zeugen ... bedeutet habe, nach vorne wegzufahren. Demgegenüber hat die Zeugin ... in ihrer Vernehmung vor der Kammer ausgeführt, dass sie mit Zeichen signalisiert habe, dass die Tanksäule Nr. 7 bereits geschlossen sei, und auf die Tanksäulen mit EC-Kartennutzung gedeutet habe. Danach kann aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon ausgegangen werden, dass die Zeugin ... den Zeugen ... überhaupt zur Vorwärtsfahrt aufgefordert hat.
    c) Die Beklagte muss sich das Verschulden der Zeugin ... als deren Erfüllungsgehilfin nach § 278 BGB ohne die Möglichkeit einer Entlastung zurechnen lassen. Die Zeugin wurde nämlich mit dem Willen der Beklagten auch bei der Erfüllung der gegenüber Kunden bestehenden, sich aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB ergebenden Verkehrssicherungspflicht tätig.
    2. Allerdings trifft auch den Zeugen ... ein Mitverschulden am Unfall nach § 254 Abs. 1 BGB, weil er gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr verstoßen hat. Dabei kann dahinstehen, ob vorliegend die Regelung des § 9 Abs. 5 StVO unmittelbar zur Anwendung kommt, die ein Höchstmaß an Vorsicht von dem Rückwärtsfahrenden verlangt, die jedoch primär dem Schutz des fließenden, regelmäßig schnelleren Verkehrs dient (vgl. dazu Kammer, Urteil vom 10.12.2010 – 13 S 80/10 mwN.). Denn das Erstgericht ist im Ergebnis zu Recht von einem Verkehrsverstoß des Zeugen ... ausgegangen, weil dieser jedenfalls gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot nach § 1 Abs. 2 StVO verstoßen hat. Nach dieser Vorschrift muss sich ein Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Ohne dass es insofern einer abschließenden Beschreibung der hiernach gebotenen Sorgfaltsanforderungen bedürfte, oblag es dem Zeugen ... als Fahrer des Klägerfahrzeuges hiernach jedenfalls, beim Rückwärtsfahren den hinter ihm liegenden Verkehrsraum zu überblicken und den Rangiervorgang nur einzuleiten bzw. fortzusetzen, soweit er dies gefahrlos tun konnte. Dabei ist die besondere Gefährlichkeit des Rückwärtsfahrens, die allein durch das eingeschränkte Sichtfeld des Rückwärtsfahrenden für den rückwärtigen Verkehr besteht, mit einzubeziehen mit der Folge, dass die Wertung des § 9 Abs. 5 StVO sinngemäß Anwendung findet. Der Rückwärtsfahrende muss sich daher so verhalten, dass er bei Erkennbarkeit der Gefahr sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten kann. Kommt es dagegen beim Rückwärtsfahren zu einer Kollision, spricht ein Anscheinsbeweis für sein Verschulden (vgl. dazu Kammer aaO). Diesen Anscheinsbeweis hat die Klägerin nicht widerlegen können. Zwar war die Schranke als Hindernis für den Zeugen ... schwer erkennbar. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte der Zeuge die Schranke jedoch erkennen können, wie die Kammer bei ihrer Augenscheinseinnahme festgestellt hat.
    3. Die Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile im Rahmen des § 254 BGB führt zu einer Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zulasten der Klägerin. Dabei berücksichtigt die Kammer maßgeblich, dass der Zeuge ... gegen die erhöhte Sorgfaltspflicht beim Rückwärtsfahren verstoßen hat und ein Verstoß gegen diese Sorgfalt schwer wiegt. Ein Zurücktreten der Haftung der Beklagten aus der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kommt allerdings nicht in Betracht, da die Gefahrenquelle plötzlich geschaffen wurde und schwer erkennbar war und die Zeugin ... ohne jegliche erkennbare Rücksicht gehandelt hat, obwohl ihr ein eindeutiger Hinweis auf das Schließen der Schranke problemlos möglich gewesen wäre.
    4. Der Anspruch auf Schadensersatz ist nicht ausgeschlossen, weil die Klägerin eine Prämie nach der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 20. Februar 2009, geändert durch die Richtlinie vom 17. März 2009 und vom 26. Juni 2009 (sogenannte Abwrackprämie) in Anspruch genommen hat. Der Eintritt eines Schadens wird durch die Inanspruchnahme der Abwrackprämie nicht gehindert hat. Zwar könnte der Unfall kausal für den Entschluss der Klägerin gewesen sein, die Abwrackprämie in Anspruch zu nehmen. Die Abwrackprämie setzte allerdings die Anschaffung eines Neuwagens voraus, wozu der Geschädigte nicht verpflichtet ist. Die Entscheidung, einen solchen Wagen zu kaufen und die damit verbundenen Mehrkosten zu tragen, stellt damit eine überobligatorische Anstrengung des Geschädigten dar, mit der er erst aus dem Schadensereignis Vermögensvorteile zieht. Solche Vorteile verbleiben indes bei ihm selbst und führen nicht zur Minderung des Schadenersatzanspruches (LG Chemnitz, ZfS 2011, 25; Voit/Geck, NJW 2010, 117; Diehl, ZfS 2011, 26). Ein Vorteilausgleich kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil damit der Zuwendungszweck als Maßnahme der Konjunkturförderung vereitelt würde (LG Frankfurt/Oder, NJW 2010, 3455; Voit/Geck aaO; Diehl aaO).
    5. Die Klägerin kann als Eigentümerin den durch den Unfall eingetretenen Schaden auch gegenüber der Beklagten geltend machen. Denn sie war in den Schutzbereich des vorvertraglichen Schuldverhältnisses einbezogen (vgl. zur Einbeziehung bei vorvertraglichen Schuldverhältnissen nur Palandt/Grüneberg aaO § 328 Rn. 15). Der Eigentümer des Fahrzeugs ist insoweit den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt wie der Tankstellenkunde. Der Kunde hat in Fällen wie dem vorliegenden auch ein Interesse an der Einbeziehung des Kfz-Eigentümers, weil es in besonderer Weise auf den Schutz des fremden Eigentums ankommt. Schließlich muss ein Tankstellenbetreiber mit einer solchen Einbeziehung der Kfz-Eigentümer rechnen. Dass Kraftfahrzeuge, die nicht im Eigentum des Vertragschließenden stehen, an Tankstellen betankt werden, stellt heutzutage eine geradezu typische Fallgestaltung dar.
    6. Damit ergibt sich folgende Gesamtabrechnung:
    a) Reparaturkosten 1.956,64 €
    Unkostenpauschale 25,00 €
    1.981,64 €
    davon 1/3 660,55 €
    b) Sachverständigenkosten 430,24 €
    davon 1/3 143,41 €
    7. Die nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersatzfähigen außergerichtlichen Anwaltskosten betragen ausgehend von einem Gegenstandswert von 803,96 (660,55 + 143,41 €):
    1,3 Geschäftsgebühr (RVG VV Nr. 2300) 84,50 €
    Auslagenpauschale (RVG VV 7002) 16,90 €
    Zwischensumme 101,40 €
    USt (RVG VV 7008) 19,27 €
    Gesamt 120,67 €
    Die Zinsregelung folgt aus § 288 Abs. 1 BGB.
    III.
    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EG-ZPO.
    Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).